Pistolen, Samurai-Schwerter und Molotowcocktails garantieren in Filmen Krimi-Stimmung.
Welche schlimmen Folgen es haben kann, wenn solche Waffen im realen Leben gegen Polizisten eingesetzt werden, dokumentiert der ehemalige Pforzheimer Polizeichef Burkhard Metzger nun in einem Buch.
Am Mittwochabend wurde „Es reicht! Gewalt gegen Polizeibeamte. Betroffene erzählen“ der Öffentlichkeit präsentiert.
Esslingen/Enzkreis. Es ist still. Kein Räuspern. Kein Flüstern. Kein Hin- und Herrutschen auf dem Stuhl. Nur die Stimme von Burkhard Metzger erfüllt die Feuerwache in Esslingen.
Er liest die Geschichte von Andreas Hans Megner vor, der einen brennenden Kollegen mit bloßer Hand löschen muss, weil dieser von einem Molotowcocktail getroffen wurde.
Als der Täter, gegen den ein gerichtlicher Vorführungsbefehl vorliegt, eine weitere Benzinbombe aus dem Fenster wirft, feuert Megner einen Schuss aus seiner Waffe ab. Dieser trifft den Täter tödlich, wie die Polizisten wenig später, als sie die Wohnung stürmen, feststellen müssen.
„Das war schon der zweite Schusswaffeneinsatz mit tödlichem Ausgang, an dem ich beteiligt war. So was will ich nie mehr erleben“, heißt es am Ende des Kapitels „Nie mehr“.
Am Ende der Geschichte gibt es keinen Applaus. Die Stille hält an. Es ist die richtige Reaktion eines nachdenklich gestimmten Publikums. Da ist es auch fast hinfällig, dass Metzger darum bittet, auch nach den folgenden Geschichten auf Beifall zu verzichten.
Metzger und seine Mitautoren befassen sich in dem Buch „Es reicht!“ auch mit dem „Suicide by cop“-Phänomen.
Dabei geht es um Menschen, die ihr Leben beenden wollen, sich aber selbst nicht trauen und Polizisten so lange reizen wollen, bis diese abdrücken.
„In Deutschland ist das Gott sei Dank nicht so verbreitet“, sagt Metzger. Trotzdem hat er gleich zwei Fälle in seine Geschichtensammlung aufgenommen.
Im Fall, den Holger Trefzer erlebt hat, hat ein Mann mit Panama-Hut auf dem Kopf seinem Leben selbst ein Ende gesetzt.
Doch bis ein Notarzt den Tod feststellt, versuchen die Polizisten noch verzweifelt, den Mann, der sie kurz zuvor noch mit seiner Waffe bedroht hat, wiederzubeleben.
Dazu heißt es im Buch: „Wir schalten um auf Rettungsmodus. Wir sind Polizisten! Jedem irgendwie helfen, der Probleme hat.“
Wie wichtig es ist, dass Polizisten Rückendeckung aus der breiten Öffentlichkeit für ihr Tun und Handeln haben, betont Innenminister Reinhold Gall (SPD) bei seiner Laudatio am Mittwochabend.
„Ein Polizist, eine Polizistin, ist kein Neutrum in Uniform, sondern ist ein Mensch mit Stärken und Schwächen, der Familie und Freunde hat und sich oft auch außerhalb seines Berufs engagiert“,
so der Landespolitiker. Das Buch zeige und lasse spüren, um welche Menschen es gehe und wie sehr sie unter der Gewalt litten.
Dabei muss es nicht immer zur direkten Gewalt kommen wie in den ersten Passagen, die Metzger vorgelesen hatte.
Manchmal reicht es, wenn stundenlang Gefahr in der Luft liegt oder man sich tagelang mit dem Schicksal von (jungen) Gewaltopfern befassen muss, wie es beim Amoklauf in Winnenden im März 2009 der Fall war. Manche Beamte, die damals ihren Dienst verrichten mussten, konnten ihre Geschichten nicht selbst niederschreiben. Zu tief sitzt der Schmerz des Erlebten.
Daher hatte Metzger sich viel Zeit genommen, mit den Kollegen zu sprechen, um ihre Geschichten ins Buch zu bringen.
„Die Polizisten, die dort den Tatort sicherten, mussten mehr ertragen, als man einem Menschen zumuten kann“, lautet sein Fazit.
Auch die direkte Gewalt gegen Polizisten habe in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Das beklagt nicht nur der Buchautor, sondern auch der oberste Dienstherr der Polizeibeamten in Baden-Württemberg. „Gewalt gegen Polizisten richtet sich auch gegen die Grundwerte unserer Gesellschaft“, so Minister Gall.
Verbesserungen, die seitens der Politik auf den Weg gebracht worden seien, etwa eine optimierte Schutzausrüstung oder ein intensiveres Einsatztraining, reichten alleine nicht aus.
Die Öffentlichkeit müsse hinter ihrer Polizei stehen, betont der Politiker wiederholt.
Er sei froh, so Gall, dass sich Burkhard Metzger das Thema auf die Agenda geschrieben habe, und entsprechend habe er nicht überlegen müssen, ob er die Laudatio an diesem Abend halte.
„Die Polizei in Baden-Württemberg will bürgernah sein, und das ist sie auch. Dabei bewegt sie sich aber in einem Spannungsfeld“, weiß der Minister.
„Feindseligkeiten und Gewalttaten gegen Polizisten werden wir in keinster Weise hinnehmen oder akzeptieren.“
„Ein Polizist ist kein Neutrum in Uniform, sondern ein Mensch, der Familie und Freunde hat“
Das Buch „ES REICHT! Gewalt gegen Polizeibeamte. Betroffene erzählen“ umfasst 146 Seiten und ist im Stieglitz Verlag erschienen.
ISBN 13: 978-3-7987-0416-9.
ACD
Quelle: Mühlacker Tageblatt