Bäume schneiden und veredeln

  • Ich hatte mir ja schon seit Jahren vorgenommen mal einen von den alten Säcken, die bei uns etwas vom Bäume schneiden und veredeln wissen, mal anzuhauen und mir das mal ordentlich zeigen zu lassen. Aber wie das so ist, immer ist was wichtiger und so vergeht Jahr um Jahr...


    Jetzt diese Woche hat wieder einer den Löffel abgegeben und mir ist klar geworden, dass war in der näheren Umgebung der letzte, der da wirklich Ahnung von hatte. In der Verwandschaft schwirrt zwar etwas Halbwissen herum, aber auch die haben sich immer schön auf die Alten verlassen.


    Langer Rede kurzer Sinn, ich hab jetzt beschlossen mir dieses Wissen anzueignen. Schon allein um zumindest einige der alten Sorten zu retten, die sonst früher oder später alle verschwinden werden.


    Kann einer von Euch ein paar gute Bücher zum Thema empfehlen?



    So auf den ersten Blick sehen die 2 ganz gut aus:


    https://www.amazon.de/Obstbaum…dern&tag=httpswwwaustr-21


    https://www.amazon.de/Veredeln…4506?tag=httpswwwaustr-21

  • Das finde ich eine sehr gute Idee. Mein Vater hat das noch von der pieke auf gelernt und er schneidet regelmäßig die bäume der Nachbarschaft bzw. berät diese beim Schnitt.
    Ich gehe jetzt schon Jahrzehnte bei ihm in die "Lehre" und werde immer noch in schöner Regelmäßigkeit berichtigt. Naja zumindest darf ich jetzt auch mal einen ohne Aufsicht schneiden.


    Grüsse
    Wolpertinger

  • Veredeln habe ich selber noch nie probiert, aber dein erster Vorschlag "Obstbaumschnitt" hat mir schon längere Zeit sehr geholfen.
    Wenn du eine Gärtnerei oder Baumschule in der Nähe hast, die meisten bieten im Herbst einen Obstbaumschnitt an, da kannst dir auch so einiges abschauen und kostet nicht die Welt.

  • Die Idee ist an und sich sehr gut, nur würde ich NICHT zu den alten Säcken gehen, sondern zu modernen Fachkursen der Landesbaumschulen, wie ich es machte. Auch das Wissen um Baumkultur ist im Wandel und bei modernen Kursen wird auch der nicht unwichtige Aspekt des Arbeitsschutzes besser behandelt.

  • Ist ein guter Punkt, aber mir gehts ja primär um die alten Sorten und nicht nur um das Handwerkliche. Die alten Säcke haben auch noch gewusst, welcher Bauer wo nen alten Baum mit Sorte XY stehen hat und hätten gleich noch den Kontakt vermittelt. Das fehlt leider jetzt, da muss ich wohl neue Wege finden...

  • Nicht vergessen, Obstbäume haben nur begrenzte Lebensdauer und wirklich alte Bäume, die noch vernünftigen Ertrag bringen, gibt es fast nicht. Bevor man sehr viel Zeit und Energie auf heruntergekommene alte Bäume verschwendet, ist es manchmal sinnvoller, rechtzeitig in neue Bäume zu investieren.
    Das heisst nicht, dass man jetzt jeden alten Baum abholzen soll, aber der Pflegeaufwand muss in vernünftiger Relation zum Ertrag stehen.

  • Gibt es denn grobe Richtwerte zur Lebensdauer oder hängt das von der Sorte, Lage etc. ab?


    Bei einigen Bäumen sieht man es natürlich, wenn sie anfällig werden wie z.B. für einen Pilz o.ä., der sich ausbreitet und wenn dieser den Stamm erreicht, dann kommt der entsprechende Baum raus.
    Aktuell ist das mit unserem Pflaumenbaum so, dass er eine "tickende Zeitbombe" ist: die meisten Äste sind bereits befallen, aber getragen hat er dieses Jahr noch sehr massiv.

  • Das ist schon abhängig von der Sorte und auch vom Standort. Meine persönliche Schätzung: 30-35 Jahre maximal. Was relativ ungünstig für Baumschnitt an alten Bäumen ist: deren Höhe und im Alter ev. brüchige Äste, daher nicht auf nur angelehnte Leitern verlassen.

  • Ja ist abhängig von der Unterlage, wobei sogenannte Hochstämme schon mal 100 Jahre alt werden können, sprich auch noch Obst produzieren. Selber habe ich hier einen Mostbirnenbaum der nachweislich schon in den 60er Jahren (damals schon ein beachtlicher Hochstamm) auf meinen Grundstück stand und jedes Jahr massenhaft Saftbirnen abschmeisst...ist nur Schade daß ich keinen Most mag :Zunge raus:
    Ein 45 Jahre alter Pflaumenbaum dient eigentlich nur noch als Ramblerrosenhalter, auf einen großen seitlichen Ast hat er noch ab und an Pflaumen drauf. Kirschbaum ist jetzt ca. 25 Jahre und trägt und trägt und trägt. Der Nussbam, nun 37 Jahre alt, denkt auch noch lange nicht ans aufgeben, allerdings sind das alles Hochstämme. Welche Unterlagen diese Bäume hatten weiss leider in meiner Familie keiner mehr.
    Gute Baumschulen beraten da einen gerne und geben auch ihr Wissen weiter bzgl. Fruchtertrag, Bodenverhältnisse, ungefähre Lebensdauer usw. Wer da als Verkäufer keine genauen Aussagen machen kann...abbiegen und eine andere Baumschule suchen :face_with_rolling_eyes:


    Lg
    Timmy, die diesen Herbst eine neue Streuobstwiese anlegen wird.

  • Hinweis: wer sich in AT auf alte Obstsorten spezialisieren will, sollte sich bei der "Arche Noah" informieren. Ich selbst bin kein Freund von Hochstammbäumen, sie brauchen relativ viel Platz und sind durch die Höhe mühsamer abzuernten und zu schneiden.

  • Hallo T-72


    Dein Problem ( keinen mehr zu haben, der die Bäume schneidet ) hatte ich vor einigen Jahren auch.


    Ich hab dann einige Schnittkurse gemacht ( die eine örtliche Kelterei hier kostenlos anbietet ).... und vieles baumspezifisches aus Büchern bzw. im Web gelernt. Der Rest war "learning by doing" und ich hab auch anfangs viele Fehler gemacht.
    Mittlerweile habe ich hier ca. 40 Obstäume.. und in den letzten Jahren noch 15 neue Hochstämme als Ersatz gepflanzt.
    Für mich spricht für den Hochstamm die deutlich längere Nutzbarkeit ( 50-80 Jahre ). Busch- und Halbstämme sind oft schon nach 20-30 Jahren am Lebensende. Auch halte ich die "alten" Hochstämme für robuster.
    Alte Sorten von denen ich mittlwerweile total begeistert bin ( hier eher rauhe Mittelbegirgslage ) sind "Kaiser-Wilhelm", "Geheimrat Oldenburg", "Berner Rosenapfel" und "Rote Sternrenette" ... alles Herbst und Wintersorten.. die letzten beiden halten sich im Keller bis März. Eine gute "neue" Sorte ist z.B. "Pinova". All diese Sorten sind brauchbare Speiseäpfel.... aber auch gute Sorten für Most und Apfelwein.


    Finger Weg von den Hochleistungssorten ( Golden Delicious, Fuji etc. ) ... die sind nur was für Spezialisten


    Beim Erziehungsschnitt in den ersten 10 Jahren legst du die Baumform fest, und sorgst für wenige, aber starke Leitäste, die später nicht unter der Obstlast brechen. Sich selbst überlassen, würde der Baum zum Busch werden.
    Später muss dann nur noch alle paar Jahre ( je nach Sorte ) ausgelichtet werden. Alles kranke, zu steile, doppelte, zu dichte kommt dabei raus. Viel Rückschnitt ergibt in der nächsten Wachstumsphase viel Neutrieb.


    Veredeln muss man meiner Meinung nach nicht mehr können. Die einschlägigen Baumschulen bieten fertig veredelte Baume in allen Sorten an ( auch (fast) alle alten Sorten sind noch zu bekommen ). Dort stimmt auch die Kombination Unterlage zum darauf Veredelten ( eine Wissenschaft für sich )
    Für eine Hochstamm zahlst Du in der Baumschule ca. 35 €... oft machen die Landwirtschaftsämter bzw. Naturschutzverbände auch Aktionen, wo man nur noch 10 € zuzahlen muss.


    Grüße
    vom Ravenclaw

  • Hatte heute meine erste Lektion im Bäume und Büsche beschneiden. Kam ganz schön was an Grünzeug zusammen über den Tag, glaubt man erst gar nicht. Hab festgestellt ich wär da ohne Anleitung viel zu zaghaft ran gegangen. Einen hab ich mir aufgehoben, den werd ich nächste Woche mal ohne Lehrmeister mit meinem neuen Buch- und Praxiswissen bearbeiten. Ich glaube der hat schon mächtig Angst... :grosses Lachen:

  • Zitat von Ravenclaw;287444


    Veredeln muss man meiner Meinung nach nicht mehr können. Die einschlägigen Baumschulen bieten fertig veredelte Baume in allen Sorten an ( auch (fast) alle alten Sorten sind noch zu bekommen ). Dort stimmt auch die Kombination Unterlage zum darauf Veredelten ( eine Wissenschaft für sich )


    Es macht aber Spass und ist gar nicht so schwer.
    Wenn du im Herbst einen Baum einer unbekannten alten Landsorte siehst, die dich interessiert, kannst du dir den Baum merken und im Frühjahr einige Wasserschosse holen.
    Man kann das natürlich auch mit iner Baumschule besprechen und von denen machen lassen.




    Ich hab einiges selber auf Sämlinge gepfropft und es funktioniert ganz gut.
    Wurzelnackte Unterlagen bekommt man für kleines Geld in einer Obstbaumschule.
    Als Werkzeug braucht man Wundharz, ein sehr scharfes Messer, eine Wäscheklammer, etwas Bast und Augenmass.
    Das Messer kann ein teueres Okulier/Veredelungsmesser von Victorinox sein, für den ersten Versuch geht aber auch ein Teppichmesser mit neuer Abbruchklinge.


    Die richtige Jahreszeit ist jetzt (Anfang März)


    Die Edelreiser (Wasserschosse vom letzen Jahr) kann man am gleichen Tag schneiden oder, wie oft zu lesen, schon im Dezember und dann eingeschlagen im feuchten kalten dunklen Keller (wer hat den schon) aufbewahren.
    Die Edelreiser sollen noch schlafen, d.h. die Knospen noch nicht vergrössert sein. Die Veredelungsstelle muss ja verwachsen, damit der Austrieb mit Wasser versorgt werden kann. Wenn die Kopulationsstelle noch kein funktionierendes Leitgewebe gebildet hat und schon ein Austrieb da ist, verbraucht der Austrieb des Edelreises das Wasser im Edelreis und dieser vertrocknet dann.


    Man arbeitet am besten an einem regnerischen Tag, damit die Schnittflächen nicht gleich austrocknen.
    Die Wurzeln der Unterlage steckt man während dem Pfropfen in eine innen nasse Plastiktüte, damit sie nicht antrocknen, was das Anwachsen sehr erschwert.
    Man schneidet ein etwa 6 -8 mm dickes Edelreis unten schräg ab, und zwar etwa so, dass die Schnittfläche ca. 3 cm lang wird. Das unterste Auge des Edelreises soll gegenüber dem oberen Anfang des Schrägschnittes sein, etwas weiter oben als da, wo der Schnitt angesetzt wurde. Dann geht es am leichtesten zum Verbinden.
    Das Edelreis etwa 20 cm lang lassen.
    Die Unterlage soll den gleichen Durchmesser haben und wird oben gleich schräg abgeschnitten.


    Wichtig ist, dass die Schnitte gleich schräg sind und dass die Schnittfläche absolut gerade und ohne Ansätze ist.
    Die Schnitte von Unterlage und Edelreis müssen ohne Klaff über die ganze Länge zusammenpassen.
    Das soll man vorher an Schnittmaterial üben. Es ist nicht so schwer.


    Man kann die Schnitte auch mit einem sehr, sehr scharfen Schreinerhobel und einem Hilfsklötzchen nachbearbeiten, mit dem man das Reis an die Hobelsohle drückt (ist jetzt nicht branchenüblich, aber geht).
    Wichtig: genau und flink arbeiten, die Schnittfläche darf nicht austrocknen.
    Dann das Edelreis auf die Unterlage setzen, mit Wäscheklammer zusammenfixieren, mit Bast sauber und stramm ohne zu würgen alles verbinden, dann mit Wundharz alles überstreichen.
    Das aufgesetzte Edelreis etwa 1 cm oberhalb dem dritten Auge von der Veredelungsstelle an gezählt gerade abschneiden und auch einen Tupfen Wundverschluss draufgeben.


    Wenn die Veredelung fertig ist, kommt die Unterlage in einen grossen Topf (5 Liter oder mehr) und ins Freiland an einen etwas geschützten Platz.


    Es ist normal, dass die Veredelungen einige Tage später austreiben als die Bäume, von denen sie geschnitten worden sind. (Das wichtigste Werkzeug des Gärtners ist Geduld, nicht vergessen!)


    Die Pfropflinge am Anfang fleissig nachsehen. Es gibt z.B. Raupen, die gerne die Knospen innen hohlfressen. Auch Blattläuse sollen bekämpft werden.


    Wenn das Edelreis kräftig ausgetrieben hat, nur den besten Austrieb (der Stamm und Krone bilden soll) stehenlassen, Rest wegschneiden, auch wenns schwerfällt.




    Sobald der Trieb dicker werden will, den Bast entfernen, damit es nicht einengt. Aber nicht zu früh, sonst bricht die Veredelung.


    Die Bäumchen kommen je nach Wuchs und Topfgrösse ins Freiland. Weil sie in Töpfen sind, kann jederzeit gepflanzt werden, da man ja keine Wurzeln verletzt. Nicht zu lange im Topf lassen, sonst wird die Wurzelbildung behindert. Verzopfte Wurzeln ergeben nachher keine standfesten Bäume.
    Der Baum braucht einen Pfahl. Ich binde am Anfang noch einige Dornenzweige drum herum. Es soll sich kein Vogel auf den noch frischen Austrieb setzen, bevor der nicht richtig verwachsen ist.


    Es gibt Veredelungsband aus Kunststoff, das dehnbar ist und sich mit der Zeit selber zersetzen soll. Das ist eine grosse Hilfe, weil man dann den Wundverband nicht nachsehen muss und die Verwachsungsstelle auch während dem Dickenwachstum im ersten Jahr noch stabilisiert wird. Aber es geht auch mit Bast und sogar mit Malerkrepp.



    Wenn man es mal raus hat, kann man auch andere Nutz- und Ziergehölze veredeln und sich an anderen Veredelungstechniken üben.