...die Wirtschaftskrise naht?

  • Es wird deswegen sehr bald zu einem brutalen Stellenabbau

    Wenn ich die "Horrormeldungen" der Presse so verfolge könnte man meinen, dass demnächst keine Verbrenner mehr verkauft werden. Nur ist dem einfach (noch) nicht so. Daher verstehe ich den Stellenabbau in der Zuliefererindustrie gerade nicht so wirklich.

    I feel a disturbance in the force...

  • Der Wechsel zu E-Autos ist auch eher ein kleinerer Faktor, obwohl man mit den neuen Flottenvorschriften ab 2020 wesentlich mehr auf den Straßen sehen wird. Entscheidender ist die weltweite Konjunkturabkühlung. Im ersten Halbjahr ist der weltweite Autoabsatz um fünf Prozent zurückgegangen, in China ist er regelrecht eingebrochen. Das ist also keine Zukunftsprojektion, sondern schon Realität. Die Hersteller versuchen den Druck natürlich möglichst an die Zulieferer weiterzugeben.


    Zudem konsolidieren sich die Autohersteller, zuletzt PSA-Fiat Chrysler. Das wird die Zahl der Fahrzeug-Plattformen verringern. Auch ohne das wird die Zahl der Einzelmodelle gegenüber den Plattformen sinken. Das bedeutet, dass man auch weniger Produktlinien für die Komponenten braucht.


    Die verschiedenen Druckfaktoren sorgen dafür, dass die Zulieferer ihre Kosten minimieren wollen. Zugleich erhöht es auch den Konsolidierungsdruck auf deren Branche. Und wenn ich einen Mitbewerber übernehmen möchte oder die eigene Übernahme vermeiden will, ist das ein weiteres Argument, die eigene Wirtschaftlichkeit zu erhöhen, denn sonst wird das Fremdkapital zu teuer. Natürlich kann man sich auch unnötiges Personal in die Firma pumpen und sich so unattraktiv für eine Übernahme machen. Aber da ist die Gefahr groß, dass es dann ein, zwei Jahre später der Insolvenzverwalter regelt.

  • Ich stehe beruflich in Kontakt mit einigen Unternehmen aus der Automatisierungsbranche, die wiederum die Autozulieferer und -hersteller. Die Automatisierer merken den Einbruch daran, dass die Autohersteller praktisch nicht mehr in neue Produktionslinien investieren, sondern bei Modellwechseln bestehende Fertigungsstraßen umrüsten. Dadurch verkaufen die Automatisierer deutlich weniger Komponenten/Produktionsanlagen an die Autohersteller als bisher gewohnt.

    Der Grund für diese Zurückhaltung der Autohersteller liegt darin, dass sie großenteils erstmal abwarten, was Investitionen in die künftige Produktion von Verbrennerfahrzeugen angeht. Produktionskapazitäten gibt es genug, der automobile Weltmarkt, vor allem für Verbrennerautos, hat sich abgekühlt.


    Fertigungskapazitäten für E-Autos werden dagegen verstärkt hochgezogen, wobei da auch bestehende Linien umgerüstet werden siehe z.B. VW-Werk Zwickau, das im laufenden Betrieb vom konventionellen Golf auf den rein batteriebetriebenen ID.3 umgestellt wurde und seit gestern in Serie produziert.


    Das Problem für die ganze Branche ist, dass so ein Umstieg nicht sanft stattfinden wird. VW setzt alles auf eine Karte und investiert 30 Mrd.€ in batterieelektrische Autos und hat sich vorgenommen, schon ab nächstem Jahr 100.000 E-Autos jährlich zu fertigen. Für Daimler bedeuten die 10 Mrd. Investition in die Umstellung schon einen ziemlichen Kraftakt und BMW eiert derzeit noch ziemlich "technologieoffen" (aka "planlos") herum. Das was Fiat-Chrysler passierte, dürfte auch BMW blühen. Ich tippe mal auf einen Zusammenschluss mit Daimler.


    Und dann gibt es da noch die fünf Tech-Giganten Apple, Amazon, Google, Microsoft & Facebook, die gemeinsam auf einen Umsatz von 800 Mrd. Dollar kommen, zusammen 140 Mrd. Dollar Gewinn erwirtschaften und ein Viertel der Marktkapitalisierung der US-Börse darstellen. Diese 5 Konzerne haben quasi Komplettzugriff auf die Daten so ziemlich aller potenziellen Kunden auf der Welt, auf ihr Mobilitätsbedürfnis, ihr Kaufverhalten, ihre Vorlieben. Mit den liquiden Mitteln dieser 5 Unternehmen könnte man so ziemlich alle Autohersteller der Welt kaufen - oder platt machen. Stichwort: autonomes Fahren.


    Dass sich ein Auto alleine aufgrund eingebauter Umgebungssensoren und "intelligentem" Bordrechner autonom in heutigen Verkehrssituationen zurechtfindet, ist nach derzeitigem - ernüchternden - Erkenntnisstand so gut wie ausgeschlossen. Mehr als sicheres Spurhalten und Autobahnfahren wird man in den nächsten Jahren autonom für die Massen an Autos nicht hinbekommen. Man braucht dazu Daten. Daten der anderen Autos um einen herum, Daten über die Verkehrslage, Baustellen, zentimetergenaue und tagesaktuelle Navigationskarten und und und. Das können die Autohersteller nicht leisten und nicht liefern. Aber die 5 Tech-Konzerne aus dem Silicon Valley können das. Die warten jetzt ab, dass sich die klassischen Autobauer beim Wechsel zur E-Mobilität aufreiben und werden dann zuschlagen, Antriebstechnologie und Ladeinfrastruktur aufkaufen und mit ihrem Datenschatz kombinieren. Dann kommt die Marktverdrängung von der E-Klasse zum iCar sozusagen.


    Das hat man beim Smartphone genauso erlebt: als Apple 2006 das iPhone vorgestellt hat, spottete selbst Microsoft-Boss Ballmer, dass sich wohl kein Mensch jemals zum Telefonieren eine kleine Glasplatte ans Ohr drücken werde und auch im finnischen Espoo belächelten die Nokia-Manager den netten Versuch, eines Herstellers von Computern für Grafikdesigner und Medienleute, im Handy-Business Fuß zu fassen. Sechs Jahre später gab der einst weltgrößte Handyhersteller die Mobiltelefonsparte komplett auf.


    Irgendwo auch spannend. Aber es wird klassische Autobauer-Regionen wie den deutschen Südwesten auf den Kopf stellen.


    Grüsse

    Tom

  • Ich weiß zwar nicht, wie die strategischen Überlegungen genau aussehen. Auf jeden Fall schauen sich Gafa die Autobranche sehr genau an. (Microsoft gilt allgemein ja fast schon als Teil der Old Economy.) Dass die mal eben einen der großen Autokonzerne übernehmen, auch in einer Schwächephase, glaube ich eher weniger. Dafür ist das System Auto mit allen dahinter stehenden wirtschaftlichen Zusammenhängen doch ein wenig zu komplex. Ich vermute vielmehr, dass es da erst mal und auf absehbare Zeit exklusive Kooperationen zwischen den Techis und den Autobauern geben wird, die dann natürlich in Übernahmen münden können. Aber je nachdem, mit welchem Fuß Jeff Bezos morgens aufsteht, kann es auch schneller gehen.

  • Welche Art Branche zugekauft wird, spielt bei solchen Überlegungen m. E. kaum eine Rolle. Es muss zur eigenen Strategie passen und entweder Gewinn, einen größeren Marktanteil versprechen oder dem Wettbewerb schaden. Sind die Bedingungen erfüllt, würden die Tech-Unternehmen auch in die Bananenindustrie investieren. 🙂

    Ob sie allerdings gleich ganze Autohersteller kaufen, um ihre Datenschätze gewinnbringend zu versilbern, bin ich gespannt.