Für Krisenvorbereitung werben, ohne Angst zu erzeugen

  • Ich hatte heute ein interessantes Gespräch mit einer entfernten Bekannten. Ich hatte mit ihr vor einigen Wochen schon mal locker über Krisenvorsorge geplaudert und ihr die Broschüre vom BBK als Leitfaden gegeben. Sie hatte sie tatsächlich gelesen und für sinnvoll erachtet. Ich habe sie darin bestärkt, die Empfehlungen nach und nach in kleinen Schritten umzusetzen und dabei mehrere mögliche aktuelle Entwicklungen "angetippt" (Gasmangellage im Winter, Lieferschwierigkeiten von Vorprodukten, angespannte Lieferketten).


    Dabei war für mich überraschend, wie relativ besorgt sie auf möglichen Szenarien reagiert hatte. Ich habe dann sofort gegengesteuert und versucht, sie auf der bestärkenden und positiven Wahrnehmung "abzuholen". Also betont, dass Angst nicht notwendig sei, sondern die gezielte Absicherung im Rahmen der BBK-Empfehlungen, die man im Übrigen ja auch im Alltag immer wieder mal gut gebrauchen kann. Neben einer Krisenvorbereitung habe ich betont, wie wichtig es ist, das Leben im Hier und Jetzt zu genießen und nicht in Sorge zu verfallen.


    Angst lähmt, aber motiviert nicht. Mir machen mögliche Entwicklungen keine Angst mehr. Gerade weil wir auf manches vorbereitet sind und ich mittlerweile eine recht pragmatische - vielleicht auch fatalistische - Einstellung habe: sterben müssen wir alle mal. :grinning_squinting_face:


    Wie geht ihr mit Ängsten und Sorgen von Menschen um, wenn ihr mit ihnen über die Notwendigkeit einer Krisenvorbereitung sprecht? Ich bin nicht sicher, ob das, was ich heute erlebt habe, ein Einzelfall war oder ob sich bei mir eine Gewöhnung an (vielleicht auch Akzeptanz von) Risiken eingestellt hat, die bei Menschen nicht so stark ausgeprägt ist, die das Thema (noch) nicht aktiv durchdacht haben?


    Vor dem Hintergrund der heutigen Erfahrung verstehe ich den Ansatz des BBK mit ihrer neuen Info-Kampagne im Comic-Stil besser. Sie wollen bewusst keine Ängste erzeugen, sondern aufmerksam machen. Aber sind wir in der Gesellschaft so weit weg von einer Risikoakzeptanz, dass wir über Lebensrisiken nicht mehr offen sprechen wollen? Beispiele dafür: Hochwasser, Wohnungs-/Hausbrand, Sturm, ... Gasmangellage etc. :thinking_face:

  • Trontir : exakt so sehe ich das auch. Hier gibt es regelmäßig in Nachbarschaft, bei Kollegen, in der Feuerwehr Gespräche mit ähnlichem Inhalt. Ok, die beiden letztgenannten Gruppen sind themenaffin...


    Das Buzzword ist Selbstwirksamkeitserwartung. Ich will die Leute dahin kriegen, dass sie ihr Schicksal in die Hand nehmen. Dazu sind Rucksäcke, Konserven etc ja nur Mittel zum Zweck. Angst ist da völlig kontraproduktiv.


    Angst haben wir aber in den Kursen, die ich manchmal mache, sehr schnell abgehakt.

    Erklärter FDGO-Fan

  • Aber sind wir in der Gesellschaft so weit weg von einer Risikoakzeptanz, dass wir über Lebensrisiken nicht mehr offen sprechen wollen? Beispiele dafür: Hochwasser, Wohnungs-/Hausbrand, Sturm, ... Gasmangellage etc. :thinking_face:

    Was die Risikoakzeptanz angeht, fürchte ich, dass die meisten Menschen nicht mehr offen sind für Lebensrisiken.

    Hier spielt indirekt vielleicht das Präventionsparadoxon mit rein?


    Wenn ich mal die Freunde/Verwandte/Bekannte mal außen vor lasse, die selbst aktiv hauptamtlich oder ehrenamtlich bei Feuerwehr, HiOrg, KatS oder was auch immer tätig sind oder als direkte Freunde/Verwandte solcher Personen zu bezeichnen sind, sind die allermeisten Menschen nicht mehr für Katastrophen sensibilisiert.


    Hamburger drehen ja schon völlig frei, wenn zwei Schneeflocken fallen und benennen das dann als "starker Schneefall" und "Katastrophenwinter". 🤷


    Auf der anderen Seite will jeder einen "schönen Sommer" haben, aber wenn dann die Felder oder der Garten völlig vertrocknen oder es Restriktionen geben muss bei der Wasserentnahme aufgrund der Trockenheit, dann ist das Gejammer groß.


    Ich glaube, die meisten Menschen in Deutschland sind aufgrund der in Deutschland (und wahrscheinlich auch Österreich und Schweden) im großen und ganzen doch recht gut aufgestellt. Ich sag es mal so: bis MANV5 kriegt das JEDER Landkreis routinemäßig abgearbeitet. MANV10 bis MANV25 sollten das die meisten Landkreise doch auch auf die Kette bekommen. Zumeist wird dabei sowieso schon überörtliche Unterstützung regelmäßig angefordert gemäß der Alarmierungspläne.


    Also, die alltäglichen und persönlichen "Katastrophen" sind für Feuerwehr und Rettungsdienst kein Problem in der Abarbeitung.


    Interessanter wird es dagegen, wenn eine überregionale oder gar nationale Großschadenslage eintritt. Denn dann sind Feuerwehr und Rettungsdienst und der Katastrophenschutz na ihrer Kapazitätsgrenze und verwalten eigentlich nur noch den Mangel.

    Solche Lagen haben wir aber glücklicherweise nur selten. Zumindest in Deutschland.


    Und das macht es für die meisten Menschen wohl auch so schwer, sich darauf vorzubereiten. Es fehlt einfach an der Risikorezeption und -erwartung.


    Der Arbeitsschutz im weiteren Sinne wird da sicherlich auch seinen Anteil haben. Sind früher die Arbeiter öfter mal und regelmäßig Opfer schwerer und häufig auch tödlicher Unfälle geworden, die mitunter auch die menschliche Umwelt in Mitleidenschaft zogen, "fehlt" das heute.


    Bitte nicht falsch verstehen. Die Fortschritte und Erfolge bei der Arbeitssicherheit möchte ich nicht missen. Aber wie gesagt, ich vermute, das könnte mit seinen Anteil haben. Das Leben ist halt im Wesentlichen risikoarm geworden.

    Und damit einhergeht die Erwartungshaltung, dass jede kleine und große Katastrophe aufgelöst wird.

    aus Niedersachsen, DE gesendet...


    "Der Klügere gibt nach! Eine traurige Wahrheit, sie begründet die Weltherrschaft der Dummheit." Marie von Ebner-Eschenbach


    Dorfleben. Entweder du liebst es oder du liebst es nicht. Es gibt kein Versuchen!


    "Dein Rad kann viel mehr, als du ihm zutraust. Das findet schon seinen Weg. Einfach laufen lassen, wenig bremsen, den Flow finden." (ein Freund zu einem Silk Road Mountain Race Teilnehmer)

  • Es ist sehr schwer, dieses Thema im Umgang mit anderen Menschen zu diskutieren. Spreche ich z.B. mit meinen Stammtischbrüdern über Tod und Testament, dann wird’s recht schnell abgewürgt. Obwohl die im Schnitt ein paar Jahre älter sind, sind diese Themen einfach tabu. ( Meine Kinder bekommen eh alles, warum soll ich da jetzt was unternehmen? )


    Einerseits will niemand über unangenehme Themen sprechen, andererseits möchte man selber keinen missionarischen Auftrag erfüllen (müssen).


    In der engsten Familie wird vorgesorgt, das haben die schon vor mit gemacht. Im Bekanntenkreis wird sicherlich über die aktuelle Situation gesprochen ( Nachwirkungen Covid, Ukraine, Sparankündigungen unseres Wirtschaftsministers ), aber der Schritt zu letzten Konsequenz fehlt einfach.


    Wir alle haben es einfach nicht mehr gelernt, für Krisensituationen Vorbereitungen zu treffen. In den letzten Jahrzehnten ist einfach bei uns in Mitteleuropa nix passiert, was uns dazu hätte bringen können. Die Leute jetzt aufzuwecken und ihre Sinne zu schärfen, ist sehr schwer möglich. Es muss wohl erst wieder was passieren, damit sich hier was tut.


    Auch wenn ich in Gesprächen auf die Notwendigkeit einer gewissen Vorsorge hinweise, halte ich mich doch bedeckt was meine eigene Vorbereitung betrifft. Wir hatten das in einem anderen Thread kürzlich besprochen, welche „Gefahren“ bestehen, wenn zu viele Leute von vorhandenen Vorräten erfahren. Ich empfehle, verrate aber nix. Sonst habe ich irgendwann mal Freunde, die ich gar nicht haben will.


    Wie gesagt, sehr schwierig...


    MfG Der Averell


    P.S.

    UrbanTrapper


    Als Fachkraft für Arbeitssicherheit kann ich mich mit Deinem letzten Absatz natürlich nicht anfreunden, ansonsten Zustimmung!

  • Ja - Die Angst rausnehmen - ganz wichtig -verteile gerade Broschüre vom BBK

    zur Zeit keine Reaktion in Hinsicht alles OK - Eher Angst vor der Zukunft-

    Mein Vorgehen : Frage : Dacht dicht,Essen da,Heizung da ,Kleidung da - jetzt ist doch alles OK

    dann ist Reaktion gefragt

    meine Vorgehensweise : kreuz an, was Du hast - beim Rest besprechen wir das- wenn Du Zeit hast

    Bitte KEINEN Druck aufbauen, den Setzling Vorsorge langsam wachsen lassen.

    Carpe Diem

  • Ich stimme euch völlig zu. Wobei mich halt schon wundert, was denn noch passieren muss, damit Menschen beginnen, über ihre Eigenverantwortung nachzudenken? Denn passiert ist in den letzten Jahren einiges: aktuell erleben wir Pandemie, Inflation, Krieg (bei uns indirekt) und Fehler in der Logistikkette.


    Jede private Vorsorge würde den HiOrgs dabei helfen, wertvolle Zeit für die Aufbau- und Chaosphase zu gewinnen. Nämlich dann, wenn sie sich in den ersten Tagen nicht um alle Menschen kümmern müssten, sondern vorrangig um sich selbst und die Organisation.


    Ich bin bei unserer FW übrigens nicht besonders optimistisch, dass das Thema Eigenverantwortung einen hohen Stellenwert hat. Das hat aber eher mit "wird schon nicht passieren" als mit Angst zu tun. Na ja, ich stelle mich da auch nicht hin und versuche Noah zu spielen. Wir sind alle alt genug ...


    Wegen des Risikos, dass unvorbereitete Menschen zu viel über einen selbst erfahren, stimme ich zu. Da besteht bei dem o. g. Kontakt keine Gefahr. Ansonsten halte ich mich da auch sehr bedeckt. In einer echten und länger anhaltenden Krise wird es ohnehin schwierig genug mit all den Menschen aus dem unmittelbaren Umfeld - da braucht es nicht einmal ein paar zusätzliche entfernte Bekannte. Aber das ist ein eigenes Thema.


    StefanS In welche Richtung gehen die Kurse, die du angesprochen hast? Bei uns gibt's maximal Brandschutzerziehung in Schule und Kindergarten. Das ist inhaltlich weit weg von den Empfehlungen des BBK. Aber vielleicht kann ich Entsprechendes dazu bei uns mal anregen ... wobei die Notwendigkeit in unserer FW eher weiter unten auf der Prioritätenliste steht. :)

  • Trontir : Ich hab seit ein paar Jahren hier an der VHS ein Format mit 5 Modulen zu je 4 Stunden zum Thema Krisenvorsorge. Grundlagen, Hygiene und Gesundheit, Wasser und Nahrung, Energie, Sicherheit und Brandschutz. Laufen gut. Dieses Jahr kam ein sechstes hinzu, Fluchtgepäck in der Praxis.


    Auf dem freien Markt sind auch mal Tagesseminare gelaufen, das war mangels Marketing (da bin ich extrem faul) ein klares geht so. Das Feedback war sehr gut, aber die füllen sich nicht von selber.


    Ansonsten mache ich so was auch von Amts wegen, wenn sich halb Aachen grad wieder über belgische AKW aufregt...

    Erklärter FDGO-Fan

  • Was die Risikoakzeptanz angeht, fürchte ich, dass die meisten Menschen nicht mehr offen sind für Lebensrisiken.

    Hier spielt indirekt vielleicht das Präventionsparadoxon mit rein?

    Auf jeden Fall. Und zusätzlich haben die Menschen gelernt, die Augen aktiv vor "Problemen" zu verschließen. Und für 99% der Menschen funktioniert der Alltag so ja auch...


    Douglas Adams hat das mal in folgende Worte gefasst:

    "Das Problem-Anderer-Leute Feld (kurz: PAL-Feld) kann Dinge aus der Wahrnehmung der Menschen ausblenden. Es beruht auf der angeborenen Neigung der Leute, nichts zu sehen, was sie nicht sehen wollen, nicht erwartet haben oder nicht erklären können. Sie erklären es einfach zum Problem anderer Leute und nehmen es daher einfach nicht wahr. Das PAL-Feld ist durch den natürlichen Hang der Menschen, in allem ein Problem anderer Leute zu sehen, viel einfacher und wirkungsvoller als ein normales Unsichtbarkeitsfeld (und kann obendrein über Jahre hinweg mit einer einfachen Taschenlampen-Batterie betrieben werden)."

  • Was die Risikoakzeptanz angeht, fürchte ich, dass die meisten Menschen nicht mehr offen sind für Lebensrisiken.

    Ich glaube, ich habs schon mal in einem anderen Thread erwähnt.

    Bei uns wandern ja viele Europäer ein - und die allermeisten noch schneller wieder zurück.

    Sie kommen hier an und erklären voller Überzeugung, sie hätten die "Enge" in ihren Ländern nicht mehr ausgehalten.

    Ebensowenig die Bevormundung seitens der Behörden, die Gängelung, die vielen Ge- und Verbote und die unzähligen Gesetze für alles und nichts.

    Die Freude über die "Freiheit" hier hält genau so lange an, bis sie erkennen, daß es hier keinen Staat gibt, der sich um jedes noch so kleine Detail kümmert. Daß wir zwar fast genau die gleichen Gesetze, Ver- und Gebote haben wie z.B. in Deutschland, daß die Menschen hier aber SEHR kreativ bei der Auslegung derselben sind.

    Wie oft höre ich den Spruch: DAS geht doch aber GAR NICHT! Da müsste doch ein Gesetz dagegen her!

    Hier gibt es aber keine Rechtschutzversicherung die mir auch den noch so absurden Nachbarschaftsstreit finanziert.

    Hier würde mir ein Richter ein Bussgeld auferlegen, wenn ich ihn damit belästigen würde, daß er meinen Nachbarn dazu verdonnern soll, seine Hecke oder seinen Baum zu schneiden.

    Hier gibt es auch keine Rundumsorgloskrankenversicherung.

    Diejenigen, die es gibt sind teuer und bezahlen nicht viel, wenn was passiert.

    Und sie sind nicht solidarisch, sondern privat. Wer kein Geld hat, geht in die staatlichen Hospitäler und hofft, daß er dort behandelt wird.

    Aber auch dort muss man die Medikamente selber bezahlen. Die bezahlen die Krankenversicherungen ebenfalls nicht.

    Spätestens in dem Moment, wenn die Europäer dann erfahren, daß sie eben voll und ganz auf sich selber gestellt sind, keine soziale Hängematte sie im Notfall auffängt, daß sie ihr Leben und das ihrer Familie selber in die Hand nehmen, die ganze Verantwortung selber tragen und sich um wirklich alles selber kümmern müssen, gefällt ihnen die Freiheit hier gar nicht mehr.

    Sie sind es gewohnt, von der Wiege bis zur Bahre an die Hand genommen und geführt zu werden.

    Mit wirklicher Freiheit können sie gar nichts anfangen.

    Und sie haben eine ganz andere Definition, was Freiheit, ist als ich.

    Wirklich frei ist nur, wer nichts zu verlieren hat.

    Und wer ist schon in dieser glücklichen Lage?


    Wir haben keine Krankenversicherung, haben aber Geld für eventuelle Probleme auf der Seite.

    Die einzige Versicherung, die wir haben, ist die Autoversicherung.

    Auch die ist hier nicht Pflicht. Aber sehr sinnvoll.


    Wir haben schon vor vielen Jahren unsere Grabstätten gekauft, Testamente geschrieben und alles geregelt, was mit unserem Tod zu tun hat.

    Und wir sind vorbereitet.

    Natürlich könnte man noch dies und das..............

    Muss aber nicht.