3D-Scannen von Gebäuden

  • Ich hatte mir ja vor einiger Zeit einen Leica BLK360 Gen 2 geholt, da ich immer wieder bei Gebäudeaufnahmen die 3D-Daten brauche. Das Teil kann vier in Laser-Scaneinstellungen für die Datenerfassung mit 680.000 Punkten pro Sekunde in 7, 13, 30 oder 75 Sekunden eigestellt werden (je nach gewünschtem Detaillierungsgrad). Detailreiche Bildaufnahmen mit hohem Dynamikbereich (HDR) mit Belichtungsreihen aus fünf HDR-Einzelbildern (5-Bracket-HDR) werden gleichzeitig gemacht, so dass man die Punktwolke auch mit hinterlegten Fotos hat die man dann auch im 360-Grad-Modus betrachten kann und wo man auch in den Fotos die genauen Abmessungen abnehmen kann.


    Zur Zeit brauche ich das Teil ausnahmsweise mal privat, sonst scanne ich nebenberuflich Liegenschaften, wenn die AG z.B. BIM-Modelle anfertigen wollen oder für sonstigen Erfassungs-Scheiß. Bei mir privat brauche ich das wegen einem Umbau und weil bei mir in ca. 100m Entfernung eine Eisenbahnbrücke erneuert wird und mir die Bahn hier Schallschutztüren auf einer Wohnungsseite einbauen muß, eine Belüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und ein neues Oberlicht (hihi, und das nur weil sie die TA Lärm im Gutachten um 2 Dezibel verfehlt, blöd für die gelaufen.....). Die kriegen deshalb von mir die Vorgaben was wo wie sie doch bitte beschaffen und einbauen müssen (in deren Verpflichtungsrahmen).


    Wie macht man das nun, das 3D-Scannen? Als erstes schaltet man den Scanner ein, dieser baut dann ein eigenes W-LAN auf. In dieses W-LAN verbindet man sich dann mit seinem I-Pad Pro (läuft nur mit der Pro-Version) und die Scan-App stellt dann die Verbindung zum Scanner her. Nun kann man den Scanner in einem Raum aufstellen und aus dem Nachbarraum den Scan starten. Die Daten werden nach jedem Scan gleich auf das I-Pad übertragen, wo man diese in einer abgespeckten Punktwolke sieht. Die einzelnen Scans können dann innerhalb der App zueinander automatisch vor-registriert werden oder aber man registriert sie untereinander visuell. Gleichzeitig verfolgen die Kameras im Scanner beim Umstellen des Scanners an einen anderen Ort die Bewegung und die Scannerposition im 3-dimensionalen Raum kann man auf den I-Pad optisch verfolgen, man sieht beim Herumtragen den Punkt wo der Scanner ist mit durch die Punktwolke wandern.


    Ist man mit dem Scannen fertig muss man sich mit dem I-Pad zu Hause in seine eigenes W-Lan einloggen. Da sollte dann auch der eigene PC mit dem Hauptprogramm zur Bearbeitung eingeloggt sein. Dann werden die einzelnen Scans von I-Pad auf den Computer übertragen und die höhere Rechenleistung des PC`s gewährleistet in der Nachjustierung eine noch bessere Registrierung der Scans zueinander.


    Das sieht dann wie folgt aus. In der Grundansicht noch recht unspektakulär, da ja noch die Decken sichtbar sind und man noch nicht "in die Wohnung reinschauen" kann:


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    Nun kann man Limitenboxen erstellen und in jeder beliebigen Position Schnitte erzeugen:


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    Ich schneide jetzt mal das Wohnzimmer aus, das schaut dann so aus:


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    Wie detailreich die Scans sind sieht man, wenn man sich in den Raum selber virtuell hinein begibt:


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    Die Wohnung ist noch nicht fertig gescannt und hat jetzt schon 480 Millionen Messpunkte, am Ende werden es ca. 1,5 Milliarden Messpunkte sein. Diese sind in der Punktwolke mit ihren x,y,z-Koordinaten wie eine Datenbank abgelegt. Trotz der Menge dauert das Öffnen der Datei ca. 20 Sekunden. Danach kann man sich flüssig in der Punktwolke bewegen oder auch per Flug-Funktion durchfliegen. Die Messabweichungen (das Programm prüft die Wolke und gibt eine Protokoll aus) beträgt in diesem Fall maximal 3 Millimeter.


    Es gibt auch noch vor-eingestellte Ansichten (vorne-hinten-Seite-oben-unten) wo man sich aussuchen kann, ob man die Ansicht dann in der Parallelperspektive oder in der "normalen" Perspektive sehen will. Hier mal ein Beispiel:


    5.jpg


    Sehr geil, wenn man das am Ende in ein 3D-Modell der eigenen Hütte umwandeln will, dazu gibt es dann wieder Erkennungsmöglichkeiten von Flächen, Rohren oder sonst was in AutoCAD.


    So sehen dann übrigens Distanzmessungen im Foto-Modus aus:


    6.jpg


    Und hier mal ein Beispiel wo ich für einen Gerüstbauer was geplant habe und der am Ende für die Abrechnung gegenüber dem AG auch noch einen Scan haben wollte:


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    8.jpg


    Oder hier aus der Doku zum Baufortschritt einer Tiefgarage die ein Investor im Ausland haben wollte:


    9.jpg


    Das nächste was kommt ist dann ein Produktionsgebäude aus dem Cemie-Bereich, da soll ein komplettes Reverse-Engineering erfolgen. Und dann wieder ein Privateinsatz für einen weiteren Brunnen bei mir beim SO, wo ich einen bestimmten Bereich auf dem Grundstück im Schnitt zu einem Bach mit Aufstauung brauche um eine Höhenberechnung machen zu können für das Brunnenrohr.


    Gibt zig Einsätze für so einen Scanner und amortisiert hat sich das Teil schon mit den ersten Aufträgen.

    Der Bote der Wahrheit braucht ein schnelles Pferd

  • Super Sache, schöne Scans!


    Kann das Gerät die Scans eigentlich auch selbst georeferenziern oder setzt du dazu gesondert Marker?


    Schon nen schönes - aber auch teures - Spielzeug, für den Hausgebrauch taugt aber auch nen neues Ipad Pro mit Lidar und ner Scanning App. Ich hab gute Erfahrungen mit Scaniverse gemacht, aber da gibts auch ständig neue Entwicklungen.


    Rein vom ästhetischen Ergebnis gesehen finde ich nach wie vor "klassische" 3D Photogrammtrie (Agisoft und Co.) am ansprechendsten, das bringt bei richtigen Kameraeinstellungen imho die schönsten Texturen und sieht am realistischsten aus. Kommt aber auch sehr auf das Objekt an, sowas wie das Gerüst geht nur mit Laser.


    :nerd_face:

  • Georeferenzierung mache ich in der Hauptsoftware. Ich arbeite da mit "Field 360" oder "Autodesk ReCap Pro". Punktwolkenformate sind eh so eine Sache, je nachdem was der Kunde will, nicht jeder nimmt ja e57 an…..


    Lidar vom I-Pad geht halt nur auf kurze Distanzen. Das Schöne bei Leica ist, dass du in der Verbindung Scanner und I-Pad das I-Pad für unzugängliche Ecken auch als Scanner nutzen kannst. Der Laserscanner misst ja wirklich sauber erst in 60-80cm Entfernung und dann bis ca. 45 oder 50 Meter. Hat man irgendwelche blöden Ecken hinter Maschinen als Beispiel die auch genau erfasst werden müssen kann man mit dem I-Pad Lidar-Scans machen die dann aber gleich als separater Scan wieder mit in das Projekt eingebunden werden. Somit kann man dann auch Scheißecken erfassen. Und das on-the-fly während man das Projekt erfasst. Das ist nur ein Klick auf einen Knopf of man mit Scanner oder I-Pad den nächsten Scan erfasst. Auch die "kleinen" Lidar-Scans können dann sofort im Gesamtprojekt Vorreferenziert bzw. Ausgerichtet werden.


    Photogrammetrie ist hübscher, die Daten aber viel ungenauer, für eine exakte Erfassung braucht man halt Laser. Kann man aber wenn man will von der Qualität her auch im Laserscan erreichen, ich brauche nur extrem viele Messpunkte. Nehme ich z.B. bei meiner Wohnung ungefähr die doppelte Anzahl an Messpunkten (sprich engeres Raster bei der der Positionierung des Scanners) komme ich an ein solches Ergebnis ran.

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  • Das gute bei den Laser-Scans sind auch die Überprüfungsmöglichkeiten, wie sauber die Scans sind und welche Überlappungen bestehen. Das kann man mit Farbfiltern recht einfach Checken. Hier mal ein Beispiel von Töchterchens Zimmer eine Ecke:


    Farbe nach Gruppe. Man kann innerhalb der Scans gruppieren, um bei Arbeiten an einer Gruppe andere Scan-Verbindungen und Scanausrichtungen nicht zu Beeinflussen. Da die Wohnung eine Gruppe ist hat man das GAnze in einer Farbe (in diesem Fall grün):


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    Intensitätsfarben. Das zeigt an wie gut die Punktdichte ist, sprich wieviel Punkte pro Flächeneinheit gescannt wurden:


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    Intensität des Scans nach Graustufen:


    10.jpg


    Das sind Alles wunderbare Hilfsmittel.


    Dann hat man noch die Slicer-Funktionen wo man sich mittels Schiebereglern "Scheiben aus dem Scan schneiden kann für z.B. eine zweidimensionale Grundrisserstellung:


    13.jpg    14.jpg


    Oder Übersichtskartenfunktionen:


    15.jpg


    Das sind dann Daten die man bei der Photogrammetrie so nicht hinbekommt. Will man es am Ende eh ganz sauber als Datensatz haben dann baut man aus dem Scan sowieso ein 3D-Modell, ist ja dann beinahe wie "Malen nach Zahlen". Man nimmt sich die Punktwolke und wenn man z.B. in AutoCAD arbeitet wird die Punktwolke in das Recap-Format gebracht, das kann AutoCAD direkt einlesen. Dann wird über die Punktwolkenzuordnung die Punktwolke "in die Zeichnung gebracht". In AutoCAD kann man sich dann je nachdem ob man 2D oder 3D Modelle erstellen will dann mit den benötigten Infos leicht weiter Arbeiten.


    Hat man auf einem großen Bildschirm oder einem zweiten Bildschirm gleichzeitig die Punktwolke im Cyclone Register oder Recap offen kann man sich auch noch parallel im Foto-Modus orientieren falls das nötig ist.

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  • Zur Zeit Kotz-Aufgabe, Reverse engineering + Planung Abbrucharbeiten.


    1. Tanklager für Lösemittel muss demontiert werden, dafür Vorerfassung:


    Tank1.jpg


    Tank2.jpg


    So liegt das Lager zum Gebäude:


    Uebersicht West.jpg


    Und oben drauf noch Verrohrungsplanung zu einem von 14 Chemie-Reaktoren und Dokumentation der Ist-Verrohrung in verschiedenen Bereichen und Aufnahme von Tumble-Dryern die über mehrere Etagen gehen:


    Reaktor.jpg


    Verrohrung.jpg


    Atrium.jpg


    Mittlerweile für die Liegenschaft wo das gemacht werden soll insgesamt 8,6 Milliarden Messpunkte. Wenn ich Samstag (so Gott will) mit der Erfassung durch bin werden das um 12 Milliarden Punkte sein.

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  • Hört sich schon sehr gut an, es wäre spannend das Leica Gerät mal in meinen Anwendungen in der Archäologie auszuprobieren... Bei der Dokumentation von Artefakten geht ja neben der Genauigkeit auch um den ästhetischen Eindruck und da haben mich die meisten Scans noch nicht so überzeugt.


    Für die Abbildung von räumlichen Strukturen hab ich auch schon mit Punktwolken und ReCap gearbeitet, für ne smoothe Performance brauchts da allerdings auch ganz gut Hardware-Performance. Alles auch immer ne Frage der Ressourcen.


    Btw ich hab in letzter Zeit auch vermehrt mit Gaussian Splatting rumgespielt, das gibt zum Teil auch Hammer-Ergebnisse und mittlerweile gibts auch nen paar nette Online-Tools dazu - z.B. lumalabs.ai Lohnt auf jeden Fall nen Blick und zeigt was da in Sachen digital twin noch alles auf uns zukommen wird. :astonished_face:


    Besten Gruß und erfolgreiches Scannen. :winking_face:

  • Sieht aber schon krass aus.

    Wie lange braucht der PC um das zu berechnen?

    Geht das dann alles automatisch oder musst du da händisch nacharbeiten?

  • Ich würde sagen 97% macht der Algorithmus zum automatischen Ausrichten der Punktwolken zueinander. Die restlichen 3% sind Punktwolken die rechnerisch keine Verbindung zu anderen Punktwolken haben (zu geringe Überlappung) und manuell ausgerichtet werden müssen.


    Diese 100% der Punktwolkenausrichtungsberechnung stellt ungefähr 80% der eigentlichen Scan-Arbeit dar. Die restlichen 20% sind dann das Bereinigen von Punktwolken wenn Menschen beim Scannen durch das "Bild" rennen oder Autos durch den Scan fahren etc.


    Dann erstellt man sogenannte Limitenboxen um ein leichtes Löschen von nicht gewollten Punktwolken-Artefakten zu ermöglichen. Ist nicht schwer, hat man in 1 Tag erlernt. Mit der Zeit wird man dann immer schneller.


    Das Öffnen der Punktwolke am Rechner dauert Sekunden. Die Übertragung vom I-Pad (wo die Punktwolken zwischengespeichert sind) an den rechner kann auch mal 1-2 Stunden dauern (je nach Anzahl der Scans), da läuft aber Alles automatisch ab. Bei der Übertragung findet dann die Feinausrichtung im x,y,z-Koordinatensystem statt, im I-Pad wird nur automatisch Vorausgerichtet aber ob der Rechnzeit nicht fein ausgerichtet.


    Hier mal ein Beispiel eines Jobs den ich immer abends in den letzten 1,5 Wochen nebenbei gemacht habe. Eine Firma wollte weil die Decken wegen eines Umbaus aufgenommen wurden ihre Lüftungsanlage dokumentiert haben. Ich bin dann 1 x hin um einen Scan von der betroffenen Etage zu machen. Danach wollten die aber im Reverse-Engineering noch eine komplette 3D-Zeichnung haben und nicht nur den Scan. An Hand des Scans hab ich dann die Anlage quasi "Nachkonstruiert"


    Lüftung.jpg


    Dann dachte ich Haken dran und gut ist. Jetzt wollen sie aber die ganze Etage in 3D als BIM-Modell haben mit Wänden, Möbeln, Türen blablabla....des Menschen Wille ist sein Himmelreich.

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  • Jetzt wollen sie aber die ganze Etage in 3D als BIM-Modell haben mit Wänden, Möbeln, Türen blablabla..

    Solange sie es bezahlen ist das doch ein gutes Geschäft für dich. Sie scheinen ja mit deiner Arbeit zufrieden zu sein. :gut:

    Was mir an Fachwissen und Intelligenz fehlt mach ich mit (hier könnte ihr Produkt stehen) wieder weg.

    lutra incognita aus DE B/BB