Navigation und Orientierung

  • In vielen Survivalszenarien - zum Beispiel mittelfristiger Zusammenbruch der Strom- und Wasserversorgung, wird Orientierung in unbekanntem Gelände eher eine untergeordnete Rolle spielen, da sich hier das Geschehen im Nahbereich bzw. bei der Verlagerung ins ebenfalls bekannte Refugium abspielt.


    "Wo bin ich eigentlich?" spielt sich viel eher im Notfall (Nebel, schlechtes Wetter, starker Schneefall) in Freizeitsituationen (Wandern, Bergsteigen, Segeln, Motorboot) ab, die sich dann eventuell sogar zu realen Bedrohung auswachsen können.


    Ich habe doch mein Navi (GPS-fähiges Smartphone). Natürlich. ist ein kostenloser Dienst des amerikanischen DoD, auf den niemand einen Rechtsanspruch hat. Kann aus strategischen Gründen jederzeit ohne Ankündigung abgeschaltet werden. Bis das europäische Galileo-System funktionsfähig wird, dürften rund zehn weitere Jahre vergehen. Navis können ausserdem durch technische Defekte ausfallen.



    Als Segler ist Navigation - von terrestrisch bis Astro - für mich nicht nur nautisches Handwerk, sondern auch ein Stück weit Hobby. Ich will jetzt niemand mit Navigation zur See behelligen, weil hier vermutlich nur ein Randthema, aber vielleicht sind einige Basics der terrestrischen Navigation für den einen oder anderen interessant.


    Koppelnavigation:[INDENT]Eigentlich ist das keine Navigation, sondern nur die Fortschreibung der Entfernung und Richtung von einer bekannten Ausgangsposition. Beim Segeln ist das recht einfach, ich bin eine Stunde mit 7 Knoten auf Kurs 120 gesegelt und trage das in die Seekarte ein, ausgehend von meinem letzten Fix.


    Aber auch zur Fussgängernavigation geeignet. Nehmen wir mal an, der Kompasskurs auf mein Ziel ist Nord (0°) und ich stosse auf ein Brombeergebüsch - das auf meiner Karte natürlich nicht verzeichnet ist und das ich auch nicht wirklich durchqueren will.


    Ich kann es aber im Winkel von 60° (ungefähr Ost-Nordost) rechts umgehen. Ich zähle meine Schritte und kommen nach sechshundert Schritten an den Rand des Dornengebüschs. Ich habe zunächst mal keine Ahnung, wie lang meine Schrittlänge ist, ich werde je nach Gelände auch mal längere oder kürzere Schritte gemacht haben. Aber 600 ist eine statistisch hinreichend grosse Zahl, die mir erlaubt, "das Gesetz der grossen zahlen" anzuwenden, lange und kurze Schritte werden sich gegeneinander aufheben, ich werde mich im Schnitt mit 600x meiner mittleren Schrittlänge vorwärts bewegt haben - wie lang die auch immer sein mag.


    Ich kenne meine Richtung (0°) und meine Abweichung davon (600 Schritte in Richtung 60°).
    Was weiss ich nun? Ich habe mich 600 SchrittlängenSinus (60°) seitwärts von meinem Ziel fortbewegt und mich 600 Schritte x Sinus (30°) auf mein Ziel zubewegt.


    Mein Korekturbedarf in Richtung Westen beträgt also 600 Schritte x Sinus (60°), also exakt 600 Schritte x Quadratwurzel(2)/2, also etwa 520 Schritte in Richtung Westen.


    Die Winkelfunktionen für 0°, 30° 45° und 90° kann man sich recht gut merken, aber ich traue meinem Gedächtnis auch nicht wirklich. In meinem "Navigationstäschchen" bei Wandertouren befindet sich ein "Spickheft", in dem unter anderem die Winkelfunktionen von 0° - 90° in 1°-.Schritten angegeben sind. Das reicht für die meisten Navigationsaufgaben, wer es genauer braucht, dem langt oft auch lineare Interpolation zwischen den Gradwerten.
    [/INDENT]Dreieckspeilung[INDENT]Das sollte eigentlich jedem mit Karte und Kompass vertraut sein. Wenn nicht, siehe Wikipedia.


    Für gute Präzision sollten die Peilziele möglichst 90° versetzt sein. Wer zwei Ziele peilt, bekommt zwei Standlinien auf der Karte und einen (scheinbar) eindeutigen Schnittpunkt, der sein Standort zu sein scheint. Messungen sind allerdings mit Fehlern behaftet. Deshalb empfehle ich dringend, einen dritten Punkt anzupeilen und in die Karte einzutragen. Der Idealfall wären dann drei Standlinien, die in einem Standort zusammenlaufen. tatsächlich wird sich aber ein mehr oder weniger grosses "Fehlerdreieck" ergeben. Der statistisch wahrscheinlichste Standpunkt wird sich im Flächenschwerpunkt des Fehlerdreiecks befinden. Sollte dieses zu gross sein - mit der Peilung von vorn anfangen.
    [/INDENT]Kompass[INDENT]Es gibt jede Menge Kompasse, die perfekt für die Kartenarbeit taugen, aber als präzise Peilkompasse eher zweite Wahl sind.


    Meine Empfehlung ist nach wie vor der Recta DP10. Er ermöglicht Auffassung von Navigationszielen bei gleichzeitiger Einspiegelung der Kompassrose über eine Linsenoptik. Das Auge muss nicht zwischen Fern und Nah umschalten und sieht beides gleichzeitig scharf. Ein geniales Stück Technik mit einer Messgenauigkeit von 30"




    [/INDENT]Funk[INDENT]
    Wenn ich ein Handfunkgerät dabei habe - selbst mit einem unidirektionalen Gummischwanz - kann ich Feststationen, die mit einer drehbaren Richtantenne ausgerüstet sind, um eine Peilung bitten. Sollte ich keine Landkarte dabei haben, werden sie meinen Standort mit eigenen Mitteln feststellen und mir mitteilen können.


    [/INDENT]In loser Folge weitere Beiträge zur Navigation geplant
    Viele Grüssse


    Matthias


    Berichtigung vom 03.08:


    Der Recta DP10 ist zwar Schweizer Präzisionsmechanik, aber man kann auch nur auf 30 Bogenminuten (30'') oder ein halbes Winkelgrad genau ablesen, nicht wie geschrieben auf dreissig Bogensekunden (30").

    They who can give up essential liberty to obtain a little temporary safety, deserve neither liberty nor safety.
    Benjamin Franklin (1775)

  • Hallo Matthias,


    klasse Beitrag, danke! Schreib doch bei Gelegenheit auch noch was zur Astronavigation (Sextant, Uhr, Tabelle) - die funktioniert ja auch an Land.


    Ich hätte noch einen Buchtipp:


    "http://%22http//www.amazon.de/…3%22&tag=httpswwwaustr-21" von Wolfgang Linke


    Ist ein Taschenbuch mit wasserfestem Plastikeinband, passt gut in den Wanderrucksack und ist locker aber sachlich und fundiert geschrieben.


    Zum europäischen Satelliten-Navigationssystem Galileo.
    Es ist weiter fortgeschritten, als man so hört. Die ersten beiden Galileo-(Test-)Satelliten, sollen planmässig am 20. Oktober mit einer Sojus-Rakete vom europäischen Startplatz Kourou in franz. Guyana gestartet (übrigens eine Premiere, dass eine Sojus von Kourou aus gestartet wird).
    Für 2014/15 ist der Probebetrieb mit dann 18 Galileo-Satelliten geplant, für 2016/17 rechnet man mit "full operational capability" (infos z.B. HIER) Ist also absehbar, denn schon im Probebetrieb kann man Positionsmessungen durchführen, das war seinerzeit bei GPS genauso, ich hab an GPS-Endgeräten mitentwickelt, als es gerade mal 12 Satelliten im Orbit gab. Da musste man halt auch mal 5-10min warten, bis man 3-4 Satelliten "sah" und messen konnte. Nichtsdestotrotz hast du völlig recht, dass ein komplexes, von irgendeiner Organisation zur Verfügung gestelltes Navigationssystem im Krisenfall nicht funktionieren muss, also lebenswichtige Navigation/Lokalisierung nicht allein davon abhängig gemacht werden darf.


    Grüsse


    Tom

  • Zitat von tomduly;77147

    Hallo Matthias,


    klasse Beitrag, danke! Schreib doch bei Gelegenheit auch noch was zur Astronavigation (Sextant, Uhr, Tabelle) - die funktioniert ja auch an Land.


    Hallo tomduly,


    ist geplant, ich weiss nur noch nicht, wie ich es anfange, weil Astro nicht so ganz einfach ist und mathematische Konzepte wie sphärische Trigonometrie voraussetzt. Über die Verwendbarkeit eines Sextanten zu Lande liesse sich allerdings relativ schnell etwas beschreiben. Ich denke im Moment eher über ein paar Kochrezepte der Art "Astronavigation für Fussgänger" nach, die astronomische Positionsbestimmungsverfahren auch ohne Sextant und nautischen Almanach (bzw. Taschenrechner mit Ephemeridenprogramm) ermöglichen. Das wird aber noch etwas dauern, bis die fertig sind.


    Für einen guten Sextanten gibst Du mehr Geld aus, wie ein Nichtsegler zu zahlen bereit sein wird, deshalb hielt ich das Thema hier für vernachlässigbar. Die bei eBay angebotenen "maritimen" Nachbauten aus Messing taugen übrigens nur als Wandschmuck. Für Navigationszwecke sind sie untauglich.


    Zitat von tomduly;77147


    Ich hätte noch einen Buchtipp:


    "http://%22http//www.amazon.de/…3%22&tag=httpswwwaustr-21" von Wolfgang Linke



    Das Buch kann ich auch empfehlen.


    Viele Grüsse


    Matthias

    They who can give up essential liberty to obtain a little temporary safety, deserve neither liberty nor safety.
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  • Zitat von tomduly;77147

    Hallo Matthias,


    klasse Beitrag, danke! Schreib doch bei Gelegenheit auch noch was zur Astronavigation (Sextant, Uhr, Tabelle) - die funktioniert ja auch an Land.


    Hallo tomduly,


    ehe ich meine bescheidenen didaktischen Fähigkeiten an diese nicht ganz einfache Materie wende, ich habe da im Internet einen fantastischen Lehrgang in Sachen Astronativation gefunden.


    http://www.celnav.de/index.htm



    Wirklich gut gemacht, aber auch nicht völlig selbsterklärend, vor allem für diejenigen, die in der englischen Sprache nicht ganz zu Hause sind.


    Ich biete gern an, Fragen - im Forum oder per PM - zu beantworten.


    Das gilt auch für diejenigen, die am Kauf eines Sextanten interessiert sind. In der eBucht gibt es nämlich viele schöne, messingglänzende Stücke, deren einziger Zweck es ist, als maritimer Wandschmuck zu dienen, die aber für Navigation definitiv nicht taugen. Die Mercedes S-Klasse unter den Sextanten ist immer noch Cassens & Plath :) http://www.cassens-plath.de/preiswerte und trotzdem hochwertige Instrumente liefert Freiberger http://www.santik.eu/Freiberger/Freiberger_home_de.htm


    Ich arbeite zur Zeit dennoch an einigen Beiträgen zu wirklich einfachen astronomischen Navigationsverfahren. Demnächst mehr.


    Viele Grüsse


    Matthias

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  • Hallo an Alle,


    Waldschrat: hervoragender Beitrag zur Navigation - an diese Art der Anwendung habe ich selbst noch nie gedacht - und dabei bin ich 8 Jahre haupberuflich als Navigator zur See gefahren und habe die Grundlagen der Navigation sogar unterrichtet.


    Sextant halte ich zur Navigation an Land allerdings nicht unbedingt für sinnvoll da die Sichtlinie zum Horizont zu oft eingeschränkt ist und so ein Gerät nunmal ordentlich Platz und Gewicht beansprucht.


    Standlinien aus Höhenwinkeln zu berechnen bringt mit einer guten topographischen Karte meiner Meinung nach mehr - aber das ist nur meine ganz persönliche Meinung - ich habs gern einfach.


    Als kleiner Tipp falls man sich langwierige Berechnungen und die entsprechenden Bücher sparen will: http://www.nautictools.de


    Und nochmal danke für den tollen Beitrag!


    Liebe Grüße

  • Zitat von Papa Bär;81676


    ...


    Sextant halte ich zur Navigation an Land allerdings nicht unbedingt für sinnvoll da die Sichtlinie zum Horizont zu oft eingeschränkt ist und so ein Gerät nunmal ordentlich Platz und Gewicht beansprucht.


    Hallo Papa Bär, ich teile Deine Meinung. Astro an Land setzt einen künstlichen Horizont als Zubehör zum Sextanten voraus, obwohl es zur Not auch ein Teich tut. Ein Sextant ist zudem ein empfindliches Präzisionsinstrument, das nebst schützendem Koffer seinen Platz und entsprechendes Gewicht beansprucht.


    Allerdings ist ein Sextant andererseits ein Präzisionswinkelmesser, der auch an Land perfekt zu kartographischen Aufnahmen und Landvermessung taugt

    Zitat von Papa Bär;81676


    Standlinien aus Höhenwinkeln zu berechnen bringt mit einer guten topographischen Karte meiner Meinung nach mehr.



    - aber das ist nur meine ganz persönliche Meinung - ich habs gern einfach.


    Da liegt natürlich die Überlegung nahe, ob ein Kompass mit einem guten Klinometer den Job nicht auch sehr viel preiswerter und gewichts- sowie platzsparender tut. Auch da empfehle ich den Recta DP10, für mich eigentlich der Alleskönner unter den Kompassen. Bei Astro wäre ein Messfehler von einem Grad verheerend, bei Standlinien (eigentlich Standkreisen) aus Höhenwinkeln zu Lande durchaus akzeptablel.

    Zitat von Papa Bär;81676


    Als kleiner Tipp falls man sich langwierige Berechnungen und die entsprechenden Bücher sparen will: www.nautictools.de


    Klasse Link. Da habe ich als Admin gleich eine Bitte an Dich. Es wäre nett, wenn Du den Link in die Linksammlung unseres Forums einträgst. Oben rechts in der Statusleiste das Feld mit der Druckseite und dem gelben Haken.



    Herzlich willkommen, wir freuen uns auf Deine Beiträge, auch wenn ich mit 48° 55' eher zu den Südlichtern zählen dürfte


    Viele Grüsse


    Matthias

    They who can give up essential liberty to obtain a little temporary safety, deserve neither liberty nor safety.
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  • Der Recta ist ein hervorragender Kompass und absolut zu empfehlen - aber für mich momentan unerschwinglich. Er würde mein Budget für 2 Monate aufbrauchen. Meine bessere Hälfte ist von diesem ganzen Previval nicht wirklich überzeugt, zieht aber mit solange ich nicht mehr als 60€/Monat ausgebe.
    Steht allerdings auf meiner Wunschliste - vielleicht wenn die Steuererstattung nächstes Jahr hoch genug ausfällt


    Andererseits ich bin seit meinem 10. Lebensjahr mit dem F-65 Marschkompass unterwegs und immer an mein Ziel gekommen. Das setzt nätürlich auch ein gewisses Orientierungsvermögen voraus.


    Grüsse zurück nach Süddeutschland
    Papa Bär

  • Zitat von Papa Bär;81692

    Der Recta ist ein hervorragender Kompass und absolut zu empfehlen - aber für mich momentan unerschwinglich.


    Hallo P.B.,


    gib mal bei Ebay Recta DP10 ein, den gibts inkl. Versand für 79 Euro, da musst Du das S&P-Budget nicht zu sehr
    überstrapazieren (bzw. schränkst Dich im Folgemonat halt um 19 Euro ein...) :face_with_rolling_eyes:
    Übrigens, Du wohnst neben Deutschlands schönster Insel...Usedom :grosses Lachen:



    Grüsse


    Tom

  • tomduly
    Usedom ist doch gar keine Insel - nur 'ne grosse Sandbank in der Oder-Mündung:grosses Lachen:


    Grüsse zurück nach Süddeutschland


    Papa Bär


    Aber danke für den Tipp - hätte ich selbst darauf kommen können. Muss trotzdem noch warten, jetzt sind Vorräte erst mal wichtiger falls wir wieder einschneien.

  • Hallo Papa Bär,


    muss es denn gerade der DP10 sein? Ist natürlich die Luxusvariante!


    Ich habe den DP6 und den DP10. Wenn Du ihn nur in Europa brauchst langt der DP6, diesen hatten wir auch in der Armee. Kosten: ab 45 Euro.


    Den DP6 habe ich mir privat in meiner Pfadfinderzeit gekauft. Von der Abteilung gab es sogar nur den DP2 (ab 33 Euro), welcher für Europa auch absolut brauchbar ist. Einzig der Neigungsmesser ist nicht vorhanden und die Deklination kannst Du nicht einstellen. Das Nadelsystem ist das gleiche wie beim DP6.


    Nur wenn Du ihn auf der ganzen Welt (speziell in Äquatornähe) benutzen willst ist der DP6G von Vorteil (Nadel schwingt besser / verkantet weniger).


    Grüsse, Gresli

  • Hallo Gresli,
    weiter oben im Thread siehst Du dass es um Postionsbestimmung mit Hilfe von Höhenwinkelmessungen geht - und dafür ist ein Klinometer nun mal nötig.
    Natürlich kann man sich noch zusätzlich einen Höhenwinkelmesser mit einpacken, aber es geht mir eben auch darum Platz und Gewicht zu sparen.


    Wenn ich nur einen Kompass brauche, bleibe ich bei meinem geliebten und bewährten F65


    Viele Grüsse

  • Den DP6 habe ich leider nie in der Hand gehabt, weiß evtl. jemand wie genau das Klinometer ist und welche Unterschiede zum DP10 bestehen?


    Liebe Grüsse

  • Der DP10 hat zusätzlich eine kleine Lupe/Prisma auf dem Glas (und, glaube, engere Skala) zum genaueren Ablesen und Anpeilen.


    Der Neigungsmesser ist der selbe.


    Im Gegensatz zum DP6 hat er auch das bessere Nadelsystem, d.h. der Kompass kann schräger gehalten werden ohne das die Nadel verkantet (wichtig in Äquatornähe, nicht wie ich oben geschrieben habe in Polnähe, sorry). Sie schwingt auch ein bisschen schneller ein. Dieses System hat aber auch der DP6G.


    Gresli

  • Nachtrag:


    Papa Bär: Wenn Du bereits einen Kompass hast mit dem Du umgehen kannst, würde ich einen Recta auf der "Wunschliste" nach hinten schieben.
    Den Neigungsmesser habe ich, ehrlich gesagt, in "freier Wildbahn" noch nie benötigt. (Nur beim theoretischen Üben)


    Der grösste Vorteil bei den Recta, neben der guten Qualität und dem praktischem Gehäuse, ist das Handling mit dem Spiegel, wie Matthias schon geschrieben hat.


    Fast noch wichtiger als der teuerste Kompass ist meiner Meinung nach gutes Kartenmaterial! Da ist die Qualität manchmal zum :crying_face:! Ja, ich bin da ein bisschen verwöhnt mit unseren Karten (1:25'000 / 1:50'000) in der Schweiz.


    Grüsse, Gresli

  • Das hat mein Kompass alles auch. Praktisches Gehäuse mit Zentimeterskala, durchsichtige Kompassrose für die Kartenarbeit und Spiegel im Deckel so dass man immer auch gleich einen Signalspiegel dabei hat. Einziger Nachteil wäre vielleicht das die Rose auf Marschrichtungszahlen ausgelegt ist; also nicht die 0,5° Genauigkeit eines Recta besitzt. Bin bisher allerdings immer am Ziel angekommen.
    JaJA, Karten sind so ein Problem. Ich suche auch noch nach guten Meßtischblättern. Kennt jemand vielleicht eine Möglichkeit zum kostenlosen Download?


    Liebe Grüsse
    Papa Bär

  • [QUOTE=Waldschrat;77131]
    In loser Folge weitere Beiträge zur Navigation geplant ...


    Navigation die zweite, diesmal "Astronavigation für Arme".


    Situation. Ich habe mich im Busch / in der Wüste völlig verfahren, bin mit dem Flieger in unwegsamem Gelände notgelandet, habe wie Robinson Crusoe vor einer einsamen Insel Schiffbruch erlitten und wäre froh, wenn ich meine Position wenigstens auf 100 km genau bestimmen könnte.


    Einen Sextant habe ich nicht, wir reden ja über Astro für Arme, vielleicht aber einen Kompass, eine genaue Uhr und ein paar schlaue Tabellen.


    Ein altes Verfahren zur Bestimmung der Breite ist die Kulminationshöhe der Sonne. Wie kann ich die ohne Sextant wenigstens provisorisch bestimmen?


    Methode Sonnenuhr: Ich stelle einen möglichst langen Stab exakt senkrecht auf einer ebenen Fläche auf. Für die senkrechte Ausrichtung des Stabs hilft mir ein selbstgebautes Lot (Bindfaden und Gewicht), ob die Aufstellungsebene (ideal ist Sand oder eine ähnliche glatte und "planierbare" Oberfläche) eben ist, verrät mir in erster Näherung ein Kompass mit Klinometer. Wenn ich die Mittel dazu habe, kann mir auch eine Schlauchwaage http://de.wikipedia.org/wiki/Schlauchwaage beim Nivellieren helfen.


    Ich markiere nun um die Mittagszeit herum den Schatten meines Stabs. Der kürzeste Schatten entspricht der Kulminationshöhe der Sonne. Hier kann mir auch der Kompass helfen. Die Sonne kulminiert auf der Nordhalbkugel im Süden und auf der Südhalbkugel im Norden- zwischen den Wendekreisen hängt es von der Jahreszeit ab. Da kann ich mir schon mal den erwarteten Kulminationszeitpunkt anzeichnen.


    Wenn die Länge meines Stabes l sei, die gemessene Länge des kürzesten Schattens zur Kulminationszeit (astronomischer Mittag) lk, dann ist der Kulminationshöhenwinkel der Sonne = arctan (l/lk).


    Leider liefert mir die Kulminationshöhe nicht gleich den Breitengrad. Wegen der Neigung der Erdbahn von rund 23,4° steht die Sonne im Sommer höher und im Winter tiefer am Horizont, das muss ebenso berücksichtigt werden wie der Einfluss von Schaltjahren und der Tatsache, dass die Erde nicht mit gleichbleibender Geschwindigkeit um die Sonne läuft (Zeitgleichung).


    Wen das im Detail interessiert und wer das selber rechnen will, dem empfehle ich Jean Meeus; Astronomische Algorithmen, wem das egal ist und wer nur einfach aus der gemessenen Kulminationshöhe der Sonne den Breitengrad ermitteln will, der braucht eigentlich nur eine Seite aus den "HO249" Navigationstabellen, nämlich hier den "Table 4"
    http://msi.nga.mil/MSISiteCont…ub249/Vol_3/Backtable.pdf


    Mann kann die Umrechnung von Kulminationshöhe auf Breitengrad auch ohne die Tabelle vornehmen, das ist eine einfache Sinusfunktion, aber eine weitere Näherungslösung. Bei Interesse gern mehr.


    Wenn ich nun eine Uhr habe, die, sagen wir mal, auf mitteleuropäische Zeit eingestellt ist, dann kann ich mir aus dem Kulminationszeitpunkt der Sonne auch den Längengrad bestimmen. Mitteleuropäische Zeit ist die astronomische Zeit des 15 östlichen Längengrades. (Achtung: Die Sommerzeit entspricht der astronomischen Zeit des 30. östlichen Längengrades). Eine Stunde Zeitdifferenz entspricht also 15 Längengraden, beziehungsweise eine Zeitminute Differenz 15 Winkelminuten. (Ein Winkelgrad unterteilt sich in 60 Winkelminuten, Schreibweise: 1° = 60' )


    Nehmen wir an, meine Uhr ist auf mitteleuropäische Winterzeit gestellt und ich messe auf meine einsamen Insel die Kulmination der Sonne um 15:45 Uhr. Dann befinde ich mich 3:45 h oder 56° 15' westlich des 15. Längengrades. (Im Westen geht die Sonne später auf und kulminiert auch später). Mein Längengrad ist also 15° Ost - 56° 15' = - 41° 15' oder 41° 15' West.


    Das sind natürlich alles nur Notbehelfe. Ein Grad Fehler bei der Winkelmessung kann bis zu 100 km Positionsfehler ausmachen.


    Auch die Uhr sollte genau sein. Da eine Stunde 15 Längengraden entspricht, bedeutet eine Minute Gangfehler der Uhr 15 Längenminuten oder 1/4 Längengrad Positionsfehler.


    Nachtrag vom 06.10.11 von Waldschrat: Gerade deswegen ist auch hier die Zeitgleichung, der Unterschied zwischen der mittleren Sonnenzeit (was die Uhr zeigt) und der wahren Sonnenzeit (die ich astronomisch messe), entsprechend der unterschiedlichen Umlaufgeschwindigkeit der Erde, zu berücksichtigen. Siehe hierzu auch den oben von mir genannten "Table 4"


    Das war mal ein recht grober Überblick, ich bin mir der Tatsache bewusst, dass das kein "Kochrezept" war. Es war eher ein Versuchsballon, um mal das Interesse hier im Forum an astronomischen Navigationsverfahren zu ermitteln. Bei Interesse liefere ich gern das Kochrezept (Rechenschema) sowie weitere Verfahren ohne und mit Sextant nach. Ich weise allerdings schon mal darauf hin, dass ein Sextant ein Stück feinster Präzisionsmechanik für ambitionierte Spezialisten ist, eine ganz nette Stange Geld kostet und kein rucksacktaugliches Gepäckstück ist, das raue Behandlung verträgt.


    Viele Grüsse


    Matthias


    P.S. Ich bin auch gern bereit, spezielle Themenwünsche in Sachen Navigation aufzugreifen, die aus dem Forum kommen. Ich freue mich auf Eure Antworten.

    They who can give up essential liberty to obtain a little temporary safety, deserve neither liberty nor safety.
    Benjamin Franklin (1775)

  • Ja, das ist eine gute Idee!
    Damit man das auch geordnet wo wiederfindet...
    ...und das nicht in den Tiefen der Themen im Forum untergeht.


    Ciao,
    Occam

    "Alle, außer mir, haben sich verirrt!"... Indiana Jones

  • Hallo Waldschrat,


    und wieder ein hervorragender Beitrag, ich bin begeistert!:Gut:


    Das Verfahren kann man auch sehr schön in Jules Vernes "Die Geheimnisvolle Insel" nachlesen - der Survival-Roman schlechthin!


    Meine Anmerkung zum Thema Uhr: am besten einen Chronografen mit mechanischem Laufwerk benutzen, ihn jeden Tag zur gleichen Zeit aufziehen und auch um die gleiche Zeit mit einer Atomuhr vergleichen aber nicht neu stellen (erst stellen wenn die Abweichung auf eine volle Minute angewachsen ist). So erhält man über einen gewissen Zeitraum den täglichen Gangunterschied und kann das bei den Berechnungen berücksichtigen. Bei elektrischen Uhren nimmt die Genauigkeit mit schwindender Ladung ab und der Fehler wird von Tag zu Tag grösser und ist nicht kalkulierbar.


    Auch ein Jakobsstab ist gut für die Ermittlung der geographischen Breite geeignet. Und nach ein paar Rechenminuten (mehr oder weniger:smiling_face_with_hearts:) kann man sich die Maße und die Skalierung notieren und das Ding nötigenfalls auch im Busch zurechtschnitzen.


    Das mit dem Blog halte ich auch für eine gute Idee - wenn Du bei bestimmten Themen Hilfe brauchst/wünschst - ich stehe zur Verfügung


    Viele Grüsse
    Papa Bär