Deeskalation von handgreiflichen Streitigkeiten

  • Welche Ideen habt Ihr, wenn es darum geht, einen (handgreiflichen) Streit zu deeskalieren? Mit "handgreiflich" meine ich Streitereien, die mehr als rein verbal ablaufen aber unterhalb bewaffneter Auseinandersetzungen bleiben. Ein Beispiel, dass ich neulich im Hamburger Hauptbahnhof beobachtet habe: zwei Männer geraten im Gedränge aneinander. Ich nenne sie mal A und B. A steht mit dem Rücken zu mir. B ist etwa 1 Kopf größer als A und sieht so aus, als könnte er gleich eine Bierflasche aus der Manteltasche ziehen und damit zuschlagen. Dann kommt Passant C, legt seinen Arm auf die Schulter von A und sagt "komm mit". A und C tauchen in der Menschenmenge unter, B schaut ärgerlich hinterher, geht aber schließlich weiter. Das alles in wenigen Sekunden. - Also ich bewundere die Geistesgegenwart von C. Aber ich muss auch an die Fälle Dominik Brunner (12.9.2009 in München) oder den 20-Cent-Mörder (12.6. 2009 in Hamburg Harburg) denken. Was meint Ihr, wie sollte man sich verhalten? Welche Fehler muss man vermeiden? Viele Grüße

  • Hallo Altenpfleger


    Das sind doch einige sehr brisante Fragen auf die es schriftlich fast keine Antwort geben kann.


    WARUM?


    Eine Kampfsituation kann nicht beschrieben werden, wie sich die einzelnen Statisten fühlen und wie zugedrönt sie sind auch nicht.
    Auch ist der Ausbildungsstand von Dir nicht bekannt.


    Vermutlich laufen wir mit diesem Beitrag ins Abseits .....


    Aber ICH würde wenn ich nicht wegrennen kann ....., den grössten der Gegner bzw. der der Grösste zu sein scheint "näher" kontaktieren!


    Meist ist dann Ruhe im Karton ........, ABER .....


    Ihr seht das kann man unmöglich beschreiben.


    Viele Grüsse, Ernst

  • Was wir auch nicht wissen können, ist, ob A und C sich kannten, oder C nur so tat.
    Im letzteren Fall wäre die "Umarmung" riskant, weil bei A ein Abwehr-Reflex hätte ausgelöst werden können, ehe dieser begriffen hätte, ob C es gut mit ihm meint oder ein weiterer Gegner ist.
    In ähnlichen Fällen also besser nur verbal, ohne Körperkontakt, den Bedrohten aus der Situation holen...

  • Hallo Altenpfleger,


    ich zitiere mal das Standardvorgehen an einer Unfallstelle, wie es in jedem EH-Kurs gelehrt wird:


    1. Alarmieren
    2. Eigensicherung (z.B. Unfallstelle absichern, bei Stromunfall Stromkreis unterbrechen, bei Chemiekalienunfall für Selbstschutz sorgen, ...)
    3. Helfen


    Ich denke, das liefert auch für Dein Szenario einige Anregungen und zeigt, was der scheinbar geistesgegenwärtige C in deinem Beispiel jedenfalls ebenso falsch gemacht hat wie Du als hypothetischer Zuschauer. ( siehe Punkt 1.)


    Ehe Fort Alamo heldenhaft verteidigt wird, wird erst mal die Kavallerie gerufen - dann ist unabhängig von Plan 1, den ich hier bewusst nicht diskutieren will (da stark situationsabhängig und kaum für allgemeine Empfehlungen tauglich) in jedem Fall Plan 2 mit Blaulicht unterwegs. Angreifer B ist in diesem Fall unter zusätzlichem Druck: Will er wirklich wertvolle Zeit durch anhaltendes Nachtreten auf ein bereits wehrlos am Boden liegendes Opfer (Fall Brunner) verlieren, wenn er weiss, dass die Polizei anrückt?


    Es gilt oft als unfein Helden zu kritisieren, zumal tote Helden, aber dennoch, Herr Brunner hat sich meiner Meinung nach falsch verhalten.


    Viele Grüsse


    Matthias

    They who can give up essential liberty to obtain a little temporary safety, deserve neither liberty nor safety.
    Benjamin Franklin (1775)

  • 1. Höflich bleiben. Den Angreifer immer "Siezen", nicht persönlich werden und "Du" verwenden.


    2. Selbstbewusst, bestimmt, aber höflich (!) den Gegenüber auf Abstand (!) halten.


    3. Eine selbstsichere Körpersprache und Mimik haben, ihm ins Gesicht sehen.


    4. Sich dann langsam entfernen. Dem Gegner aber NICHT den Rücken zuwenden. Ihn im Auge behalten.


    Grüsse Vengard

  • Hallo
    Da gibt es so viele Variablen die möglich sind. Um eine Richtlinie oder Verhaltensregel aufzustellen. Das ist nicht möglich.
    Alles kann helfen oder es auch schlimmer machen.
    Was den einen Beruhigt ist für den andere eine Provokation.
    Sogar die Verhaltenshinweise der Polizei Widersprechen sich von Fall zu Fall.


    Im nachhinein ist man immer schlauer. Darum ist meine Meinung:
    “Wehr dich oder wehr dich nicht du wirst es immer bereuen”
    “Helfe oder Helfe nicht und du wirst es immer bereuen”
    Wenn nicht gleich dann im nachhinein. Entweder selbst oder im schlimmsten Fall die Angehörigen.


    Im nachhinein kann man leicht sagen das hat er oder wurde falsch gemacht.
    Das ist für mich einen Verhöhnung aller Opfer von Gewalt. Weil man ja damit dem Opfer die schuld gibt und nicht dem Täter.


    Ich bin Vater von zwei Kindern und hoffe das falls mal meine Kinder in Bedrängnis sind ein Mann oder Frau innen Hilft und Handelt und nicht erst überlegt.


    Oh ja. Ich habe schon geholfen. Auch mit angemessener / verhältnismäßiger Gewalt.
    Ich hatte Glück. Außer das ich mich Geärgert habe. Muste ich es niemals bereuen.


    Gruß Brumbaer

  • Moin,
    das ist ein schwieriges Thema, und ich selbst habe da eigene Erfahrungen gemacht, mehr oder auch weniger schöne Erfahrungen...


    Da ich selbst relativ gross und schwer bin, wurde und werde ich so gut wie niemals angefeindet, auch neige ich nicht zur Gewalt. Für eine schwache Person, ob nun Mann oder Frau, in welcher Situation auch immer, würde ich in einer Notsituation auch körperliche Gewalt anwenden.


    All das ist sehr schlecht vorhersagbar, es kommt doch sehr auf die Situation an...


    Einer der Gründe, warum ich seit über 10 Jahren auf den platten Land und in einem kleinen Dorf lebe, es gibt hier keine Kneipen und z.B. Discotheken, in denen ich mich als junger Mann gerne getummelt habe.


    Die eine oder andere Schlägerei habe ich aus diesen Jahren hinter mir, habe schwer eingesteckt, bishin zu Krankenhausaufenthalten nach Verletzungen durch z.B. Messer, oder auch Bierflaschen. Ich bin dankbar und froh, dass diese Zeiten hinter mir liegen, wenn ich nur darüber ansatzweise schreibe, dann fange ich an zu zittern, so sehr regt mich all das noch nach Jahrzehnten immer noch auf. :traurig:


    Gewalt ist keine Lösung, aber leider verstehen manche Menschen keine andere "Sprache", und ich würde mir wünschen, dass es anders wäre, aber...


    Nachdenkliche Grüsse von Michel

  • Hallo und vielen Dank für die Antworten. Ich glaube, es ist wirklich schwierig, die jeweils richtige Entscheidung zu treffen. Ich bin ein eher vorsichtiger Typ und keinesfalls ein Kämpfer. Also Abstand von Gewalttätern halten und Polizei-Notruf wählen. Viele Grüße

  • Die Frage muss aufgeteilt werden:
    1. betreffs Handgreiflichkeiten gegenüber Euch selbst
    2. betreffs H. gegenüber anderen, die Ihr a: kennt / b: nicht kennt
    3. vielleicht wäre gerade die Eskalation zu Ungunsten des Angreifers eine Lösung :winking_face:


    Solange es sich wirklich nur um eine Streiterei geht, ist die beste Lösung zwischen sich und dem Kontrahenten räumlichen Abstand zu gewinnen, d.h.: der Klügere hat einfach keine Zeit und Lust am selben Ort zu bleiben, wo sich der Streitgegner aufhält.
    Wenn sich das nicht vermeiden lässt, ist es die Frage ob sich ein aufgedrehter Spinner noch überhaupt mit Milde oder logischen Argumenten beruhigen lässt. In dem Fall sollte man im Umkreis mit anderen Personen irgendwie Kontakt aufnehmen um eine verbale Gruppe gegen den agressiven Streiter aufzubauen oder wenigstens Zeugen zu haben, falls die Eskalation da ist und man selber nicht der Urheber war, sondern derjenige in Notwehr.