Rezeptfreie Schmerzmittel: Die Qual der Wahl :-/

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  • Ich schiebe mal eine Frage hinterher, die mich ebenfalls interessiert... wenn wir schon einen Apotheker hier haben. :face_with_rolling_eyes:


    Ich habe die Aussage bekommen, dass Aspirin, wenn es heute erst "erfunden" worden wäre ebenfalls rezeptpflichtig wäre und nur aufgrund einer "alten" Regelung noch rezeptfrei zu bekommen sei.


    Ist da was dran und wenn ja, warum?


    Legend

  • Die 2 gravierenden Nebenwirkungen von Novaminsulfon die dazu geführt haben, dass es verschreibungspflichtig ist sind:


    1. massiver Kreislaufschock, dies tritt zwar so weit ich weiß nur bei intravenöser Injektion auf, hat aber in den 90er Jahren mal eine junge Sportlerin (ich meine sogar im dt. Olympia-Kader) getötet.


    2. Agranulozytose auf Deutsch: nach Novalgingabe hört das Knochenmark auf Blutkörperchen zu produzieren, insbesondere die weißen BK, die die Abwehr von Krankheitserregern regeln fallen in kürzester Zeit auf null und der Patient erleidet extremste Infektionen, die ihn ohne massivste Intensivmedizinische Therapie in Tagen/Stunden töten.


    Diese Agranulozytose habe ich einmal bei einer jungen Frau Anfang 20 erlebt, auch sie hat dieses Krankheitsbild nur dank extremer Intensivmedizin incl. Beatmung und kurzzeitiger Dialyse überlebt.


    Beides sehr seltene aber verehrende Nebenwirkungen, daher in Deutschland rezeptpflichtig. Ich persönlich halte von Novalgin durch Laien nicht besonders viel - sorry

    IN LIBRIS LIBERTAS

  • Heiho,
    über den Sinn und Unsinn der Rezeptpflicht vom Metamizol (Novaminsulfon, Novalgin etc.) kann man sicher streiten und wie geschrieben tun das die Zulassungsbehörden ja auch. Die Agranulozytose ist die Blutbildbildveränderung, auf die ich hingewiesen hatte. Sie ist sehr selten, aber lebensgefährlich. Über die Häufigkeit gibt es unterschiedliche Angaben, meist wird sie mit ca. 1/1Mio beziffert, auf jeden Fall aber weniger als 1/15.000. Einige Länder haben Metamizol aufgrund dieser Nebenwirkung vom Markt verbannt, in anderen ist es wie gesagt trotzdem rezeptfrei erhältlich. Hierzulande wurden die Indikationen eingeschränkt und Kombi-Präparate mit anderen Wirstoffen vom markt genommen. Es wird häufig nach Operationen verordnet oder wenn NSAR wie Ibuprofen nicht ausreichend wirksam waren.
    Ich will hier keine Empfehlung aussprechen, sondern nur auf Alternativen hinweisen, insbeondere wenn sie in vielen Ländern in Apotheken erhältlich sind. Die Arzneimittelkommission der Ärzteschaft hat die Studienlage dazu 2011 zusammengefasst: http://www.akdae.de/Arzneimitt…Archiv/2011/20110819.html. Dieser Einschätzung kann man vertrauen und sich bez. einer Selbstmedikation im Ausland ein Urteil bilden. Man sollte jedenfalls wissen, dass die Agranoluzytose meist erst nach Tagen bis Wochen bemerkbar ist und sofort stationär behandelt werden muss.


    Ich glaube auch, dass eine unvoreingenommene Nutzen-Risiko-Bewertung der rezeptfreien Schmerzmittel heute anders ausfallen würde. Nicht umsonst gibt es immer wieder Bemühungen,die Packungsgrößen bei ASS zu beschänken; bei Paracetamol ist es bereits mehrfach geschehen. Aber das ist ja auch nur symbolisch. ASS und Paracetamol sind für einen großen Teil der Krankehausbehandlung aufgrund von Arzneimittelnebenwirkungen verantwortlich. Ob sie besser für die Selbstmedikation geeignet sind als Metamizol, sei mal dahin gestellt. Viele Schmerzpatienten gehen nun einmal aufgrund ihres Leidensdrucks besonders unkritisch mit Arzneimitteln um. Die geringe therpeutische Breite von Paracetamol und das ebenfalls lebensgefährliche Risiko des Leberversagens bei Überdosierung oder verhergehende Leberschädigung, macht es für mich eigentlich nicht gut geeignet als Schmerzmittel bei Verletzungen. Bei gelegentlichen kopfschmerzen mag es für den einen oder anderen - ggf. auch in Kombination mit dann aber niedriger dosierten NSAR - hilfreich sein, aber darum ging es hier ja nicht. Ich wäre nicht erstaunt, wenn die Expertenkommission beim der zuständigen Bundesbehörde die Rezeptpflicht empfehlen würde.
    ASS ist wegen des höheren Risikos von Magenblutungen und der Gerinnungshemmung bei (auch stumpfen) Verletzungen ungeeignet. Aber auch bei den Magen-Darm-Nebenwirkungen gibt es unterschiedlich Angaben bezüglich der einzelnen NSAR (ASS, Ibu, Diclo, Naproxen, Ketoprofen etc.) und mit absoluten Aussagen sollte man sich hier zurück halten. Trotzdem: nach allem was man heute weiß, ist die Nutzen-Risiko-Abwägung bei Ibu wohl am besten. Dass andere Mittel individuell besser sein können, ist trotzdem unbenommen. Schmerzmittel in der Selbstmedikation grundsätzlich nur selten (max. 7 Tage im Monat) und nur 7 Tage am Stück (als Fausregel). Gute Ursachensuche und spezialisierte Schmerztherapie können einem viel ersparen. Wiederkehrende Schmerzen IMMER abklären lassen.


    @ Waldschrat: In Notfallsituationen ist eine eigenmächtige Arzneimittelgabe tabu (Ausnahmen: Menschen mit bekannter Dauermedikation und bekannten Symptomen bei Asthma, Diabetes etc., aber nur als Handreichung, also nicht selbst applizieren). Ansonsten ärztliche Hilfe rufen und Erste-Hilfe-Maßnahmen soweit bekannt.
    @ Legend: Alle neuen Arzneimittel sind erstmal mind. 5 Jahre rezeptpflichtig. Eine alte Regelung bez. der Rezeptpflicht gibt es nicht, die Regeln sind grundsätzlich für alle Mittel die gleichen. Eine Expertenkommission bei der dt. bzw. europäischen Arzneimittelbehörde untersucht auf Antrag die Datenlage und spricht Empfehlungen aus und die Bundesregierung bzw. die EU-Kommission verändert die ensprechenden Verordnungen. Due Kommission arbeiten grundsätzlich schon auf einem hohen fachlichen Niveau, aber sicher entfaltet der öffentliche Aufschrei, den eine Rezeptpflicht von ASS oder Paracetamol zu Folge hätte, hier auch eine psychologische Wirkung. Ob eine Überprüfung in letzter Zeit stattgefunden hat, weiß ich nicht. Wen es interessiert möge hier nachgucken: http://www.bfarm.de/DE/Pharmak…reibungspflicht-node.html


    So, mal wieder ein Roman von mir. Die nächsten Antworten werden sicher kürzer. :)

  • Frage: Gibt es in Europa generell Länder welche eine liberales Arzneimittelrecht haben? Gibt es also Länder, in denen relativ viele Medikamente ohne Rezept erhältlich sind?


    Soviel ich weiss ist Österreich zum Beispiel sehr restriktiv. Dort ist das allermeiste rezeptpflichtig, auch das was in Deutschland oder der Schweiz rezeptfrei erhältlich ist.

  • Zitat

    P.S. Mal eine Frage zu Aspirin: Nehmen wir mal an ich habe als Laienhelfer einen Patienten mit Verdacht auf Herzinfarkt. Wäre ich gut beraten, ihm - sofern noch bei Bewusstsein - Aspirin zu geben oder sollte ich lieber warten bis der Notarzt kommt und im schlimmsten Fall halt CPR machen?


    Zitat

    @ Waldschrat: In Notfallsituationen ist eine eigenmächtige Arzneimittelgabe tabu (Ausnahmen: Menschen mit bekannter Dauermedikation und bekannten Symptomen bei Asthma, Diabetes etc., aber nur als Handreichung, also nicht selbst applizieren). Ansonsten ärztliche Hilfe rufen und Erste-Hilfe-Maßnahmen soweit bekannt.


    In den aktuellen Reanimationsleitlinien wird die Gabe von Aspirin durch Laien befürwortet, ist natürlich etwas blöd denn normalerweise sind Medikamente in der EH nämlich, wie von apaoai beschrieben, ein Tabu.

  • Zitat von frieder59;147430

    Interessant wären auch Internet-Apotheken, die in ihren Ländern rezeptfreie Arzneimittel verschicken .


    Hallo Frieder59,


    die gibts, aber ich würde die Finger davon lassen. Das Zeug kommt meist aus Indien oder China, wo es jede Menge Hinterhoflabors gibt, die Medikamente fälschen und in pefekt nachgedruckte Schachteln stecken. Im besten Fall ist das Zeug wirkungslos. ich habe sogar schon von üblen Tricks gehört, dass gezielt Giftstoffe beigemischt wurden, die die auf der Packungsbeilage abgedruckten Nebenwirkungen simulieren, damit der Patient an die Wirkungen glaubt. 30% des "Internet-Viagra" sollen angeblich wirkungslose Fälschungen sein. Manchmal helfen sie aber doch, da Impotenz häufig psychische Ursachen (Versagensängste) hat und dann stärkt das Pseudo-Viagra den kleinen Kerl über den Placeboeffekt:devil:


    Ich würde da wirklich nur bei erkennbar seriösen europäischen Internetapotheken kaufen



    Meint


    Matthias

    They who can give up essential liberty to obtain a little temporary safety, deserve neither liberty nor safety.
    Benjamin Franklin (1775)

  • Bei Viagra ist die Fälschungsrate noch höher. Das betrifft aber "nur" die illegalen Internetapotheken, bei den legalen ist das nicht so. Das Problem ist nur, die einen von den anderen zu unterscheiden. Theoretisch gibt es Online-Siegel, aber auch die wurden schon gefälscht.


    Die osteuropäischen Länder sind häufig weniger restriktiv was die Rezeptpflicht angeht. Das gilt übrigens nur für nationale Zulassungen; die meisten neueren Präparate werden zentral für die EU zugelassen und dann ist auch die Rezeptpflicht einheitlich. Außereuropäisch ist Rezeptpflicht nicht selten ein Fremdwort (also auch in der Landessprach übersetzt :grosses Lachen: ).


    @ Wofshund: Gute Info, das mit dem Aspirin. Hast Du einen Link zu der neuen Leitlinie? Ich habe es noch anders gelernt, weiß aber, dass es in Amerika teils solche Empfehlungen gibt.

  • Hi,
    Hier der Link zu einem Teil der ERC-Leitlinien 2010: http://link.springer.com/artic…-010-1371-2/fulltext.html

    Zitat

    Kausalbehandlung
    – Die Leitlinien für die Behandlung mit Acetylsalicylsäure (ASS) sind liberaler gestaltet worden. Acetylsalicylsäure kann durch Notfallzeugen mit oder ohne Anweisung des Leitstellendisponenten gegeben werden.


    Alle Kapitel der ERC-Leitlinen findest du hier: http://www.grc-org.de/vortraeg…linien/27-leitlinien-2010


    Wolfshund

  • Hallo zusammen. Ich oute mich hier als Apot mit einigen Jahren Berufserfahrung.


    Als ich mein praktisches Jahr in einer öffentlichen Apotheke absolviert habe, so in den frühen 90er Jahren, war Novalgin in der CH rezeptfrei erhältlich und wurde sehr breit, auch in der Selbstmedikamentation eingesetzt.


    Nach den von Frequenzkatastrophe genannten Vorfällen war das Medikament tot. Novalgin wurde in die Rezeptpflicht umgeteilt. Trotzdem gab es keine Verschreibungen mehr. Erst Mitte der Nullerjahre, nach über 10 Jahren kamen wieder Verordnungen aus Spitälern und heute wird Novalgin in der CH wieder breit eingesetzt, ist aber hier nach wie vor rezeptpflichtig.


    Die Beurteilung eines Medikaments beruht nur zum Teil auf Fakten. Dazu kommt eine gehörige Portion Zeitgeist. Momentan liegt die Macht wieder mehr bei den Registrierungsbehörden, die sich bemühen, bloss keinen Fehler zu machen.


    Zur Auswahl eines Schmerzmittels für die persönliche Apotheke möchte ich noch folgendes anmerken: Jede Person reagiert auf die verschiedenen Substanzen im Angebot anders. Bei mir ist Paracetamol Placebo forte. Neben der fehlenden Wirkung gegen Entzündungen ist es bei mir unten durch. Gut wirken bei mir ASS, Diclofenac und Naproxen, wobei mir das Naproxen den Magen sehr sauer macht. Ibuprofen wirkt bei mir so so la la. Ich empfehle herauszufinden, was persönlich passt und dabei zu bleiben.