High!
Alle die sich „umfassend“ mit persönlichem und Gruppensurvival beschäftigen, haben ihr Szenario oder Szenarien, auf das (die) sie sich vorbereiten. Dazu gehört das Anschaffen, Lagern von materiellen Dingen (Vorräte an Lebensmitteln, Saatgut, Werkzeugen, Waffen, Infomaterialien, Medikamente, Verbandsstoffe, Güter des täglichen Lebens usw). Desweiteren werden Wissen und Fähigkeiten erworben und antrainiert um auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Handwerke, Pläne, Checklisten, Landkarten mit Fluchtruten zu sicheren Orten, alternative Kommunikationsmittel, Selbstverteidigung, antrainierte Automatismen (Suggestionen im Autogenen Training oder ähnliches), Fremdsprachen, Deeskalationsstrategien…
Und doch wird alles ganz anders kommen, als wir uns es vorstellen und worauf wir vorbereitet sind. Nein, ich bin kein Prophet, ich kann nicht in die Zukunft sehen, nur die Wirklichkeit ist viel komplexer, als wir sie uns in unserer Phantasie ausmalen können. Dann sind da noch Murphys Gesetze (kurz: Alles was schief gehen kann, wird auch schief gehen…). Das Szenario beginnt in einem Moment, der denkbar ungünstig ist. Wir sind an einem Ort (Ausland, Gefängnis) oder in einer Situation (Krankheit, für andere Menschen verantwortlich sein) mit der wir nicht gerechnet haben oder in der das vorbereitete Tun nicht funktioniert. Es tauchen zusätzliche Schwierigkeiten auf, die nicht eingeplant waren. Mehrere Glieder der Handlungskette versagen. Stress oder gar Panik machen sich breit und trotz aller Vorbereitung stehst du an dem Punkt, wo du nicht weiter weist, wo dir die Gedanken in Endlosschleifen durch den Kopf jagen, du dir Selbstvorwürfe machst, dies oder jenes in deiner Vorbereitung nicht bedacht zu haben. Du bist ausgepowert, verzweifelt und deprimiert, wie gelähmt und möchtest am liebsten aufgeben, nur noch deine Ruhe haben- Game Over!
Unwahrscheinlich? Ich denke nicht. Wie können wir uns nun auf diese Situation, auf diesen Ausnahmezustand vorbereiten? Gibt es überhaupt die Möglichkeit für einen „Durchschnittsmenschen“ sich auf vollständiges Versagen, Ausgeliefertsein und Machtlosigkeit im Anblick großen Verlustes oder des Todes einzustellen? Wie gehen wir mit uns und mit anderen in solch einer Situation um? Ist etwas, was ist zu „tun“?
Sicher erwartet ihr jetzt eine ausführliche Abhandlung aus der Psychologie der Stressbewältigung. Damit kann und will ich jedoch nicht dienen. Es gibt so extreme Situationen, in denen dir kein psychologischer, verhaltenstherapeutischer Ansatz mehr helfen wird. Das Einzige, was dir in solchen Ausnahmezuständen helfen kann ist die „Radikale Akzeptanz“ dessen was ist, ein uneingeschränktes Ja zum gegenwärtigen Moment und der Form, die er angenommen hat! Nur so schaffst du Raum um die Situation, der sinnlose Strom aus sich wiederholenden Gedanken lässt nach und du erfährst Frieden. Aus diesem Frieden können völlig neue, frische und unkonditionierte Ideen, Lösungen zu dir kommen.
Schwer zu glauben was? Du sollst es auch nicht glauben, sondern ausprobieren. Versuche eine Situation, einen Umstand in dem etwas schief läuft, so anzunehmen wie er ist. Nur die augenblickliche Situation, nicht die Geschichte, die Umstände, die dazu geführt haben. Dieser Moment ist so wie er ist. Du kannst nichts mehr dagegen tun. Die Situation ist, wie sie ist. Sich gegen das was ist zu wehren ist Wahnsinn. Übe das erst in einfachen Situationen (der Bus ist dir vor der Nase weggefahren, dein Fahrradreifen ist platt, deine „Verabredung“ kommt nicht zum besprochenen Zeitpunkt, das Essen ist angebrannt, das neu gekaufte Werkzeug funktioniert nicht, die neuen Wanderschuhe sind doch zu klein, du verletzt dich mit deinem tollen Multitool…).
Diese „Radikale Akzeptanz“ hat nichts mit Aufgeben zu tun. Du wirst nicht träge oder stumpfsinnig. Du nimmst nicht einfach passiv jede Situation hin, in der du dich befindest, ohne etwas daran zu ändern. Du hörst nicht auf Pläne zu machen oder dich zum Handeln zu entscheiden. Hingabe ist eine rein innere Erscheinung. Sie hat nichts damit zu tun, dass du im Außen nicht aktiv werden und die Situation verändern könntest. In deiner Hingabe/ Akzeptanz musst du auch nie die gesamte Situation annehmen, nur ihren kleinen Ausschnitt, der Jetzt heißt.
Zum Beispiel:
Nehmen wir an, du stecktest irgendwo im Schlamm fest. Dann würdest du nicht sagen: “Okay, ich stecke im Schlamm fest, ich gebe auf." Aufzugeben hat nichts mit Hingabe zu tun. Du musst eine unerwünschte oder unangenehme Lebenssituation nicht annehmen. Du musst dir auch nicht vormachen, dass es schon in Ordnung ist, im Schlamm festzustecken. Nein. Du weißt mit Sicherheit, dass du da herauskommen willst. Dann richtest du deine Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Moment, ohne ihn irgendwie zu benennen. Du erschaffst also kein Urteil über das Jetzt. Dadurch wird auch kein Widerstand, keine emotionale Negativität aufgebaut. Du akzeptierst das “So-sein" dieses Momentes. Dann schreitest du zur Tat und tust alles, was du kannst, um aus dem Schlamm herauszukommen.
Eckhart Tolle
Alles klar? Versucht es einfach. Und wenn wirklich nichts zu machen ist? Dann ist das das Jetzt, du nimmst es an- und bist im Frieden (oder kommst ihm wenigstens etwas näher :sleep:)
LG
Butzi