es keine Schule gibt, oder Bildungsstandort Fluchtburg

  • Danke an Bastler für die Infos!


    Ich hab mal auf die Schnelle das hier gefunden:
    Junghelferfibel frei als Download


    Ist sicher nicht so ausführlich, aber das was ich bis jetzt gelesen habe, fand ich gut!


    Edit: ich sehe gerade, daß Nachtfalke hier im Linkverzeichnis bereits den 2. Teil der THW-Fibel verlinkt hat:
    THW Fibel Teil 2


    Ciao,
    Occam

    "Alle, außer mir, haben sich verirrt!"... Indiana Jones

  • Zitat

    und wo wir gleich dabei sind. Das Techniklexikon beschreibt primitive Metallverhüttungstechniken mit Hochöfen aus Lehm, nur wie finde ich das Erz?


    Googel mal nach Raseneisen(stein). Den findet man relativ häufig.
    In Quellbereichen kann man häufig markant rostbraune Ablagerungen finden, die sich durch Oxidation und Ausfällung des im Wasser gelösten Fe(II) zu dem weniger löslichen Fe(III) bilden.
    Für eine industrielle Großproduktion dürften diese Vorkommen nicht ausreichen, für die heimische Verhüttung dürfte es aber reichen.


    z.B.:
    http://wiki-commons.genealogy.net/images/thumb/2/27/Coswig-Friedwald.jpg/450px-Coswig-Friedwald.jpg


    Gruß
    cholec

  • Hallo cholec,

    Zitat

    für die heimische Verhüttung dürfte es aber reichen.

    ja, das ist möglich doch recht aufwendig.


    Glaubst Du wirklich, dass der gesamte Stahl so von heute auf morgen verschwindet?!


    Wäre es nicht sinnvoller sich damit zu befassen, wie man vorhandenen Stahl oder (so man es denn noch findet) Eisen den Wünschen entsprechend zu verformen und zu bearbeiten - schmieden?


    Bevor jemand einen Rennofen baut, sollte er sich damit beschäftigen, wieviel Zeit er investieren muß und, dass das gewonnene Material im Vergleich zu einem normalen Stück Stahl (z.B. Eisenträger) durchweg als minderwertig bezeichnet werden kann und kaum (durch Schmieden) zu verformen ist und dies deshalb gleich in eine bestehende Form gegossen wird, wonach es durch Schleifen und Feilen weiter bearbeitet wird...


    Auch wenn die Zeiten sich ändern, bis jemand Eisen verhütten muß, weil er nichts zum Verformen mehr findet, werden einige Jahrhunderte vergehen...


    Schmieden lernen, Schmiedewerkzeug auch eine Esse sich zu besorgen und zu üben macht Sinn (und Spaß). Eisen erzeugen sicher nicht.


    Als Versuch eine tolle Sache, den Aufwand zu betreiben, um ein einziges Werkzeug herzustellen, dagegen nicht.


    Mit freundlichen Grüßen
    Nikwalla

    „Der Tag mag kommen, da das Zeitalter der Menschen tosend untergeht.Doch heute kämpfen wir!
    Haltet Stand! Menschen des Westens!“

  • Zitat von Nikwalla;72428

    Hallo cholec,
    ja, das ist möglich doch recht aufwendig.


    Glaubst Du wirklich, dass der gesamte Stahl so von heute auf morgen verschwindet?!


    Mal meine 2 Cents als Zwischenruf.


    Nein, ich glaube es nicht, aber gerade als Ingenieur finde ich es faszinierend, mich mit den Grundlagen meines Fachs zu beschäftigen. Wir sind meist Zwerge, die auf den Schultern von Riesen stehen. Ich finde es spannend, wie von 3 Millionen Jahren unsere Grossmutter Lucy in der ostafrikanischen Steppe den vermutlich nicht ersten Faustkeil behauen hat, dass etwa vor 12.000 Jahren die neolithische Revolution mit der Erfindung von Haustierhaltung, Tierzucht und Agrikultur ausbrach (aus Sicht der Zeitgenossen natürlich keine Revolution, sondern ein über viele Generationen währender Prozess), dass wir vor etwa 6.000 Jahren die Kupferverhüttung, vor etwa 3.500 - 3000 Jahren die Eisenverhüttung entdeckt haben, vor vielleicht 250 Jahren die erste und ziemlich ineffiziente Niederdruckdampfmaschine, vor ca. 200 Jahren den Carnot-Prozess, vor gut 100 Jahren den Dieselmotor, vor etwa 70 Jahren die industriell nutzbare "Verhüttung" des Siliziums mit all ihren Folgen.


    Ich finde es spannend, nicht auf der Schulter eines Riesen zu stehen, sondern "in seinem Fell herumzukrabbeln" und die Dinge zu verstehen, die andere als selbstverständlichen und von Vorgängergenerationen schon längst verstandenen "state of the art" voraussetzen.


    Meine Frage lautet: Könnte ich die Vorprodukte, auf denen ich "selbstverständlich" aufsetze, wenigstens teilweise selber erzeugen?


    Das hat primär mit Survival wenig zu tun - obwohl es in dieser Beziehung nützlich ist - sondern eher mit Selbstverständnis, der Anforderung an mich selber, auch die historischen Grundlagen meines Fachs zu verstehen, eben nicht der Zwerg auf der Schulter eines Riesen zu sein.

    Zitat von Nikwalla;72428

    Wäre es nicht sinnvoller sich damit zu befassen, wie man vorhandenen Stahl oder (so man es denn noch findet) Eisen den Wünschen entsprechend zu verformen und zu bearbeiten - schmieden?


    Selbstverständlich ist das sinnvoll(er). Härten und Anlassen will allerdings auch gekonnt sein.

    Zitat von Nikwalla;72428


    Bevor jemand einen Rennofen baut, .....


    Als hochwertiges Material käme hochkonzentrierter Rost in Frage, der in Quantität und Qualität zur Verfügung stehen dürfte, die für jeden Stahlerzeuger früherer Jahrhunderte unvorstellbar gewesen wäre.

    Zitat von Nikwalla;72428


    sollte er sich damit beschäftigen, wieviel Zeit er investieren muß und, dass das gewonnene Material im Vergleich zu einem normalen Stück Stahl (z.B. Eisenträger) durchweg als minderwertig bezeichnet werden kann


    Stahl aus Rennöfen ist extrem minderwertig, weil hoch kohlenstoffhaltig (Versprödung, Bruch) und mit hohem Gehalt an Schwefel und Phosphor (Korrosion). Genau aus diesem Grund wurden im Nahen Osten und in Japan die Damaszenerklingen mit 100+ mal umfalzen und zusammenschmieden erfunden. Das hat genau diese Elemente als Zunder ausgetrieben.


    Wie heisst es in mittelalterlichen Rittersagen: Er erschlug den edlen Recken mit seinem Schwert. Ein moderner Gerichtsmediziner hätte als Todesursache festgestellt: Massive Einwirkung stumpfer Gewalt. Eine schmale und scharfe Klinge wäre zersplittert.


    Die Story von Siegfried in der Nibelungensaga, der sein Zauberschwert Balmung zur Schärfeprüfung in den Bach steckt und eine flussaufwärts hineingeworfene Feder wird von der Klinge im Vorbeitreiben zerteilt, war mittelalterliches Wunschdenken. Mit monomolekularen Grenzflächen - die aber immer noch weit von realen Klingen weg sind - wäre der Trick heute machbar.


    Viele Grüsse


    Matthias

    They who can give up essential liberty to obtain a little temporary safety, deserve neither liberty nor safety.
    Benjamin Franklin (1775)

  • Auch wenn ich den OT ungern unterstütze muss ich dem Ingeneur doch mal drastisch wiedersprechen.


    Die Eisenherstellung mit dem Rennofen.
    Man hat als Zutaten, neben Lehm für den Ofen, nur Holzkohle und idR Raseneisenstein, der ziemlich frei ist von Phosphor und Schwefel, zur Verfügung.


    Der klassiche Turmaufbau mit Belüftung von unten und regelmässigen nachbesschicken mit geröstetem Erz und Kohle hat sich bis heute nicht verändert.
    Da kann man einfach mal ne Suchmaschine bemühen.
    Am Ende dieser Stundenlangen Plackerei hat man manchmal einige Zentner Holzkohle (die wiederum selbst ettliche Ster Holz waren ) und viel Erz inverstiert um einige Kilo Renneisen zu erzeugen.
    Das wiederum ist noch lange kein guter Werkstoff.
    Die Klumpen werden erst mal grob zusammengeschmiedet und dabei bereits nach ihren Eigenschaften wie Schweissbarkeit und Härte getrennt
    Diese müssen dann weiter raffiniert werden.
    Das macht man indem man sie ausschmiedet und faltet, wie es die mysteriosen Samuraischmiede im TV auch tun.
    Auf diese Art werden die restlichen Schlacken entfernt und zeitgleich sorgt der Schmied für eine homogene Stahlqualität durch den Prozess der Gärbung.
    Gärbung ist das Ausschmieden zu Stangen die dann in regelmässigen Abständen eingekerbt und gehärtet werden.
    Nun biegt man die Stangen und je nachdem ob die Kerbe bricht oder sich biegt kann man den Kohlenstoffgehalt erkennen der sich auf wenigen cm deutlich unterscheiden kann.
    Je nachdem ob man Halbzeug für dem Weiterverkauf oder Werkstoff für einen Bestimmten Anlass produzieren will, bündelt man entweder Stücke gleicher Qualität oder unterschiedliche um genau den Stahl zu erzeugen den man haben will. zu Garben (=Gärb- oder Gerbstahl) und schweisst sie zusammen.
    Auch dieses Gerben wird bei Bedarf mehrmals wiederholt womit wir auch schon wieder bei den hunderttausenden von Lagen der Japaner wären.
    Unterm Strich kann man durch die Steuerung des C -Gehaltes und eine entsprechende Wärmebehandlung Stahl für jeden Zweck selbst herstellen.
    Deutlich einfacher und ressourcensparender ist es aber Schrott weiterzuverarbeiten der wie oben bereits angeführt uns wohl nicht so schnell ausgehen wird.


    Und nun noch weiter OT.
    Diese populärwissenschaftliche Polemik der rückständigen (Klingen)Schmiede in Europa und des geheimen Wissens der östlichen Stahlphilisophie kotzt mich an.
    Hier möchte ich darauf hinweisen das das Mittelalter etwa tausend Jahre lang ist und es in der Rüstzeugentwicklng zB erst im 14ten Jhd zur Einführung der Plattenrüstung kam.
    Davor hatte man Lederpanzer, Schuppenpanzer, Kettenhemden etc etc
    In einem Kampf gegen einen geharnischten Gegner bringt eine filigrane scharfe Klinge einfach nix, da muss man eben mit einer Wuchtwaffe kämpfen, während davor bis in die Antike mit scharfen und spitzen Waffen gekämpft wurde.
    Lesen bildet, womit wir wir wieder beim Thema wären :)


    Allein der normale Menschenverstand muss einem solche Spinnereien doch austreiben
    Hat man sich etwa mit stumpfen Klingen früher rasiern können?
    Hat man stumpfe Äxte in den Wald geschleppt und Tiere mit stumpfen Klingen zerlegt?
    Was scharf sein musste war scharf , rasiermesserscharf.


    Aber zurück zum Thema
    Wer sich für Rennöfen interessiert muss nur mal bei den üblichen Verdächtigen nachfragen etwa beim rheinischen Rennfeuertreffen, den Erzgruben Grünten, Peter Broich, etc etc
    Deutlich mehr würde ein Schmiedekurs bringen , wie oben ja schon angesprochen wurde.


    Für Kurse gibt es Seiten wie diese :
    http://www.metall-aktiv.de/termine/kurse-workshops.html
    http://www.kursschmiede.de/HTML/home.htm
    http://www.mehr-als-werkzeug.d…tung-2778_3116/detail.jsf
    Und viele andere.


    Und zu guter Letzt sogar für den Eröffnungsbeitrag die beiden Klassiker in gedruckter Form:
    http://www.amazon.de/Die-Kunst…=1-1&tag=httpswwwaustr-21
    http://www.amazon.de/Schmied-A…_b_4?tag=httpswwwaustr-21

  • Zitat von Buddelbär;72461

    ...


    Die Eisenherstellung mit dem Rennofen.
    Man hat als Zutaten, neben Lehm für den Ofen, nur Holzkohle und idR Raseneisenstein, der ziemlich frei ist von Phosphor und Schwefel, zur Verfügung.


    Hallo Buddelbär,
    erst mal ganz herzlichen Dank für Deinen kenntisreichen Beitrag.


    Phosphor und Schwefel kommen erst mal aus dem Erz. Pyrit oder Markasit sind klassische Eisenerze und kommen auch sehr gern vergesellschaftet mit Phosphatmineralien vor. Auch Holz enthält S und P als Bestandteile des Zellstoffwechsels. Bei der Verschwelung von Holz wird zwar der Schwefel typischerweise ausgetrieben, der Phosphor sammelt sich allerdings als Phosphat im Feststoffanteil "Holzkohle" an.


    Reine Oxid-, Hydroxid-, oder Carbonaterze wie Magnetit, Hämatit, Goethit, Limonit oder Siderit hätte man gern, ist aber leider die Ausnahme. Da Eisenerzvorkommen durchweg durch Magmaströme/ Vulkanismus aus dem Erdinnerenkommen, sind sie sowieso mit jedem Element der Erdkruste chemisch verbandelt.


    Ich widerspreche Dir insoweit nicht, als der Bidenhänder als Wuchtwaffe seine militärische Berechtigung gehabt hat - sonst hätte er sich nicht solange gehalten. Dennoch - und das ist historisch nachprüfbar - haben wir die Technologie zur Erzeugung scharfer und schnitthaltiger Stähle etwa im Zeitalter der Kreuzzüge aus den Nahen Osten übernommen.

    Zitat von Buddelbär;72461



    Herzlichen Dank! Ich glaube, dass ich einen von den Kursen buchen werde. Das liest sich extrem interessant


    Viele Güsse


    Matthias

    They who can give up essential liberty to obtain a little temporary safety, deserve neither liberty nor safety.
    Benjamin Franklin (1775)

  • Servus


    Ein wichtiger Aspekt ist aber das bei der Verhüttung mit Holzkohle aus der Kohle kein Schwefel in den Stahl kommt, ganz im Gegensatz zur Verhüttung mit Steinkohle/Koks.
    Erfahrungsgemäss ist im Renneisen nur C zu finden, sogar der im Erz enthaltene Mangan schlackt (leider) fast vollkommen aus.
    Das zeigen diverse funkenspektrometrische Messungen.


    Was die orientalischen Einflüsse angeht wage ich dir zu wiedersprechen da dort auch nur mit Wasser gekocht wurde bzw Eisen auf die selbe Weise verhüttet und vergütet wurde.


    C60 bleibt nun mal C60


    Eigentlich war man im Frankenreich sogar schon soweit den Stahl so gut zu raffinieren das man Schwertklingen ohne zusätzliches aufstählen einer Schneidleiste herstellen konnte.
    Das ist im übrigen der Grund das die wurmbunten Klingen ab 1000 sozusagen verschwinden, was wiederum dazu führte das Mustergesteuerter"Damast" in Europa erst wieder, und auch nur als dekoratives Element, auftrat als in den Türkenkriegen damaszierte Beutewaffen wie Säbel oder Gewehre in europas besseren Kreisen salonfähig wurden.
    Die besondere Häufung rheinischer Schwertfunde in Skandinavien zeugt vom guten Ruf der dortigen Schmiede.
    Desweiteren sprechen ettliche Skelettfunde mit feinst durchtrennten Knochen eine klare Sprache.


    Auf jeden Fall ist ein Schmiedekurs eine super Investition.
    Evtl sieht man sich ja mal auf irgend nem Schmiedefest in Süddeutschland, ich werd wohl auch wieder antikes Eisen aus allen Jahrhunderten zur Weiterverarbeitung mitbringen.


    Servus

  • Hi Nikwalla,


    Zitat

    Glaubst Du wirklich, dass der gesamte Stahl so von heute auf morgen verschwindet?!


    Habe ich das behauptet?
    Ich glaube, ich habe nur versucht, auf die Frage von Fundstätten für Eisenerz einzugehen. Mit "heimisch" habe ich gemeint, dass man nicht allzuviel erwarten darf...
    Das ganze war eher akademischer Natur und nicht als praxisorientierte Anleitung zu verstehen (siehe vorherigen Thread).
    Und das der Wald-und-Wiesenstahl ST 37, der hier in Mio. Tonnen-Größenordnung gediegen vorkommt, um Längen besser ist als die Luppen aus dem Rennofen kann man sich auch denken.


    Zitat

    Schmieden lernen, Schmiedewerkzeug auch eine Esse sich zu besorgen und zu üben macht Sinn (und Spaß). Eisen erzeugen sicher nicht.


    Sicher??? Ich kenne einige, die sich Just-for-fun einen funktionierenden Rennofen gebaut haben. Natürlich ging es nicht primär um die Versorgung mit Eisen.
    Das gleiche kann man aber auch irgendwie vom Schmieden behaupten: Warum selbst schmieden, wenn man Werkzeug in jeglicher Qualität kaufen kann? Wir haben genug Messer und anderes Gerät, um uns bis ans Lebensende mit gebrauchsfertigen Klingen etc. zu versorgen, auch wenn die Versorgung total zusammenbricht. Da brauche ich nicht schmieden. Trotzdem interessiert es mich.
    Wenn man so etwas durchzieht, geht es ja wohl eher um das Interesse und die Bewahrung alter Techniken und nicht um Ökonomie. Ok, manche Schmiede verdienen auch ihr Geld damit. Aber in der Regel ist das was für Liebhaber und Enthusiasten.


    Gruß
    cholec

  • Abgesehen von der Tatsache, dass hier sehr gute Anregungen gegeben werden, wie man sich einen Wissensvorrat anlegt und was er beinhalten sollte, frage ich mich doch, was passieren muss, damit man seine Kinder - überspitzt gesagt - im Luftschutzbunker unterrichten muss. Kurz: An welche Krise wurde hier gedacht?


    Wenn nun eine Krise käme, die etwas länger dauern sollte (gehen wir von einem Jahr aus) und in der an Schulbesuch nicht zu denken ist, dann ist doch das Wichtigste das Überleben und Anwenden von vorhandenem Wissen und ggf. das Anlernen der Kinder, damit sie helfen können - also eher Praktisches. Oder irre ich da? Bin selbst zu jung für Kinder und habe daher keine wirkliche Ahnung.


    Also, wenn nicht ein Bunkeraufenthalt à la 'Eve und der letzte Gentleman' ansteht, denke ich nicht, dass Unterricht im Sinne von mehrstündiger, täglicher Wissensvermittelung notwendig ist.


    Oder, um meine Frage mal beispielhafter zu stellen: Ist es nicht im Krisenfall wichtiger wie der Kocher funkioniert und wie essbare Pilze aussehen als zu wissen, wann die Varusschlacht war und was die chemische Formel für Glucose ist?

  • Zitat von John;72806

    Oder, um meine Frage mal beispielhafter zu stellen: Ist es nicht im Krisenfall wichtiger wie der Kocher funkioniert und wie essbare Pilze aussehen als zu wissen, wann die Varusschlacht war und was die chemische Formel für Glucose ist?


    Hallo John,


    Du darfst bei diesen Planspielen nicht erschrecken. Manche sehen durchaus die Zivilisation wie wir sie kennen, auf dem Rückzug. Welches Szenario man dafür zugrunde legt, ist individuell verschieden. Es muss nicht gleich das Ende einer Indianer-Zeitrechnung sein oder ein Kometeneinschlag. Manchen macht das Thema Klimaerwärmung sorgen, anderen "Peak Oil" (was lt. einigen Experten durchaus das Potzenzial hat, uns innerhalb weniger Generationen zurück zu primitivem Ackerbau und Viehzucht zu bringen) und andere sehen das globale Finanzsystem soweit ausgehöhlt, dass ein normales gesellschaftliches Leben nach einem finalen Finazcrash bis auf weiteres nicht mehr möglich ist. Pessimisten vermischen diese Szenarien dann noch...


    In einer akuten Notsituation gilt natürlich "erst kommt das fressen, dann die...[Bildung]" - wenn sich aber nach einer Krise ein Dauerzustand etablieren sollte, der durch einen passiven/handlungsunfähigen Staat und zerfallende/fehlende Infrastruktur gekennzeichnet ist, dann gelten schlicht die darwinschen Regeln vom "Survival of the Fittest". Wer dann über einigermassen gut ausgebildete Leute verfügt, ein Wertesystem aufbauen und erhalten kann, dürfte im Vorteil sein. Ausserdem sollte das Ziel einer "intelligenten Rasse" sein, sich nach einem Crash wieder aufrappeln zu können. Dann reichen mündlich überlieferte Erkenntnisse, wie man einen Kocher bedient und welche Pilze essbar sind möglicherweise nicht weit aus. Die Liste der failed states und damit der Regionen mit Analphabeten und bildungslosen Dumpfbacken wird von Jahr zu Jahr länger: Afghanistan, Somalia, Sudan, Irak, Kongo, Nigeria. Direkt anschliessend tummelt sich eine Warteschlange mit weiteren Kandidaten für den gesellschaftlichen Zerfall: Mexiko, Balkan, Nordafrika, Nahost, Russland, USA. Lass uns in 20 Jahren nochmal darüber reden, wie sicher die gesellschaftlichen Strukturen (und damit das Bildungswesen) in Europa sind...


    Bildung vermittelt auch, dass das Leben auch "schön" sein kann und nicht nur ein Überlebenskampf darstellt, das sollte man bei allem Survival-Eifer nie vergessen.


    Wir reden uns heute ein, in einer Informationsgesellschaft zu leben, merken dabei aber nicht, dass die wirklich nützlichen Informationen immer schwerer zu finden und zu bewahren sind, weil alles in eine sehr flüchtige temporäre Masse von Pseudo-Informatione in den globalen Datennetzen gepackt ist. Cloud computing und Datenspeicherung "im Web" sind da zwei Beispiele für eine sehr spannende Entwicklung. Früher hatte man ein Familien-Fotoalbum, heute liegen die Fotodaten digital in irgendeinem Online-Account wie Facebook, dem man blind vertrauen muss und nicht mal weiss, wo die Daten lagern, wer Zugriff dazu hat usw. Firmen wickeln dem Zeitgeist folgend, ihre gesamte Buchhaltung virtuell z.B. in der SAP-Cloud ab. Alles schön und gut. Es darf nur keiner mal ein hässliches Virus programmieren oder ein grosser Datenhoster pleitegehen und entgegen seinen Spielregeln aus reiner Profitgier halt kein regelmässiges Backup gemacht haben.


    Gleichzeitig bietet die moderne Datentechnik bisher nie dagewesene Chancen, extrem viel Wissen auf ein paar winzigen Chips zu speichern. Warum also nicht? Der Thread hier soll ja auch dazu dienen, "gute" Fachliteratur herauszuarbeiten.


    Gleich noch ein paar Beispiele für Literatur, die man speziell für Kinder/Jugendliche haben sollte (wenigstens in Papierform) und die es heute in der (inhaltlichen) Qualität nicht mehr gibt:


    - "Der Natur auf der Spur" von Hans Jürgen Press
    - "Chemische Experimente (die gelingen)" von Römpp/Raaf
    - "Herders buntes Bilderlexikon" (aber nur die Erstauflage)



    Grüsse


    Tom

  • Hallo Tom,

    danke für die ausführliche Erklärung und die Erläuterungen zum Thema. Manchmal geh ich zu sehr von einem Thema / einem Szenario aus und denke dann zu fixiert darüber nach... Du hast natürlich Recht, was die Möglichkeiten an Szenarien und die evtl. Folgen angeht..

    Grüße,
    John

    PS: An der Sinnhaftigkeit / Sicherheit des sog. Cloutcomputing und sonstiges 'nachhaltiges' ins-Netz-setzen zweifle ich übrigens auch.

  • Hab mal meine Bücher durchgekramt und ein gutes Buch zur Pädagogik gefunden:


    Gudjons, H. (2008). Pädagogisches Grundwissen. 10. Auflage.
    ISBN-10: 3825230929
    ISBN-13:
    978-3825230920


    Greift alle gängigen Theorien auf, ist aber natürlich Schulbezogen.

  • Hallo John,
    es mag seltsam erscheinen, aber wenn in einer außergewöhnlichen Situation es nicht möglich ist das Haus zu verlassen
    oder man sich mit einer Gruppe von einem begrenzten Gebiet (z.B. USA Katharina Notunterkünfte) nicht entfernen kann,
    dann ist es recht wichtig sich selbst und vor allem die Kinder und Jugendlichen zu beschäftigen und Normalität einkehren zu lassen.


    Dann geht es halt nicht in die Schule sondern xxy erzählt eine Geschichte, xxz stellt Denksportaufgaben und übt Kopfrechnen und xxa macht Spiele oder ...
    So fallen die Kinder den anderen nicht zur Last, was Ruhe einkehren läßt und die Gereiztheit senkt.


    Sperre mal 20 erwachsene Leute in ein Wohnhaus und beobachte, wie sich diese nach kürzester Zeit gegenseitig auf die Nerven gehen (Weihnachten) oder eine Gruppe von Erwachsenen und mehrere Kinder unterschiedlichen Alters bei schlechtem Wetter in ein großes Zelt (Ausflug)...


    Es muß ja nicht für das Abi in drei Wochen gelernt werden, beschäftigt halten reicht.
    Mit freundlichen Grüßen
    Nikwalla

    „Der Tag mag kommen, da das Zeitalter der Menschen tosend untergeht.Doch heute kämpfen wir!
    Haltet Stand! Menschen des Westens!“

  • Für die Notwendigkeit dieser Maßnahme reicht schon Peak Oil.... In den Dörfern gibt es keine Schulen mehr, die Kinder müssen für die Grundschule ein zwei Käffer weiter gebracht werden, für höhere Bildung, also alles was über Grundschule hinaus geht müssen die Kinder noch weiter gefahren werden....


    Was wenn der Sprit so teuer wird, das er zu wertvoll zum verfahren ist? Wer wird es auf sich nehmen die Kinder trotzdem in die Schulen zu karren? Der Staat?? Wäre seine Pflicht, aber aber der ist ja eh schon ziemlich Pleite, also unwahrscheinlich...


    Die Chemische Formel von Glucose mag auf den ersten Blick nciht sooooo Wichtig sein, aber wenn man neue Materialien, neue Grundstoffe, neue Medikamente entwieckeln will oder muß sollte es doch schon einige Menschen geben die sowas können... Und dann stellt sich die Frage für welche Werte dieses Wissen, diese Entwieckluingen zu haben sein werden, wenn es nur noch eine Winzige Elite, oder nur noch ein zwei Länder gibt die es gebacken bekommen haben trotz Krise ihre Leute auszubilden....


    Ich würde es nciht gern sehen, wenn auch bei uns Bildung wieder zu einem Privileg des Geldes wird... Auch hier wie bei allem ist vorbereitung alles


    Und weil wir gerade beim Thema sind... Da es in vielen Dörfern heutzutage nicht mal mehr einen Arzt gibt... neben erste Hilfe Fiebeln wäre eine Sammlung Medizinischer lehrbücher vieleicht auch nicht verkehrt


    Basiswissen Innere Medizin (Springer-Lehrbuch)
    Innere Medizin: Lehrbuch für Pflegeberufe von Linus Geisler
    Notfallmedizin (Springer-Lehrbuch) von T. Ziegenfuß
    Biochemie des Menschen: Das Lehrbuch für das Medizinstudium von Florian Horn, Marco Armbruster, Silke Berghold und Franziska Blaeschke von Thieme (Es ist hilfreich zu wissen wie wir funktionieren um zu verstehen warum Substanzen wie bei uns wirken)
    Anatomie von Karl Zilles und Bernhard Tillmann von Springer

    ich bin ich, was sollte ich auch sonst sein??

  • Zwei Sachen möchte ich anmerken:
    1. Was den Bedarf von Bildung angeht:
    Hier ist thematisiert worden, dass in einer Krise definitiv nicht an Bildung gedacht werden muss/ kann, da das Anlernen in Überlebenstechniken wichtiger sei. Mein alter Herr hat die ersten jahre des letzten Weltkrieges als Schüler erlebt und ist dann von der schulbank weg einberufen worden. Sein Abi konnte er - weil es für ihn glücklich ausging - mit Mitte 20 in Abendschule gegen Bezahlung nach seinen Arbeitsschichten im Bergbau nachholen. Nach 15 Jahren ohne jeglichen Unterricht war es - abgesehen von den dargestellten Rahmenbedingungen - auch eine Quälerei, Grundwissen wieder reinzukriegen. Insofern hat auch das behelfsmäßig Überbrücken auf Laienbasis durchaus eine wichtige Funktion: Man ist nicht "raus aus dem Stoff".


    2. Was die Organisation angeht:
    Es geht nicht um einen vollen Arbeitstag für ein erwachsenes Gruppenmitglied, der "verschwendet" wird. Es geht - wie es Nikwalla bereits darstellte, um ein paar Stunden; sei es als Beschäftigung, sei es um zu lernen (je nach Alter zumindest Lesen, Schreiben, Dreisatzrechnen) - daneben kommen sicher auch Anwendungsthemen, die immer wieder in der Praxis gebraucht werden: ein Baum ist umgestürzt und hat Papa da drunter begraben - wie kann ich auch als kleines Kind Kraft einsetzen, um den Stamm zu bewegen? - Hupps, Hebelgesetze - angewandte Physik....
    Lernen tun Kinder am liebsten, wenn man ihnen Sinn vermittelt!


    Gruß vom bastler
    ... in dessen Dorf auch ne Lehrerin (Gymnasium) wohnt...

  • Also, danke erstmal für die belehrenden Worte.


    Ich hab mal meinen Bücherschrank durchgeguckt und ein paar Bücher bei ebay-kleinanzeigen reingestellt. Nebst anderen Büchern sind auch viele Lehrbücher dabei, die der eine oder andere hier vielleicht erwerben möchte (natürlich ist bei einzelnen Büchern auch ein "Fori-Rabatt" möglich :winking_face: ). Es sind hauptsächlich Bücher der Sekundarstufe 1.


    Hier mal ein Link zur Liste (zur der in den nächsten Tagen noch mehr Bücher dazukommen werden):
    http://kleinanzeigen.ebay.de/a…liste.html?userId=6216526


    Falls Fragen zu einzelnen Büchern (Inhalt, Erscheinungsjahr, etc.) aufkommen sollten, schreibt mir einfach.


    Grüße,
    John