Hallo,
nachdem ich nun in mehreren Threads sinngemäss die Aussage "Wenns kracht, kräht eh kein Hahn mehr danach, ob das legal ist oder nicht" gelesen hab - egal, ob es um Waffenbesitz, Autos ohne Zulassung, rezeptflichtige Betäubungsmittel usw. geht - möchte ich doch mal eine Diskussion starten, ob dieser (viele Planungen natürlich wesentlich vereinfachende) "gesetzlose Zustand" überhaupt so realistisch ist, wie manche sich das wünschen, oder ob nicht eher sogar das Gegenteil der Fall ist?
Nach Naturkatastrophen und bei politischen Unruhen und kriegerischen Auseinandersetzungen verhängt der Staat mindestens nächtliche Ausgangssperren und manchmal auch Versammlungsverbote (bei Unruhen). Katastrophengebiete und evakuierte Zonen werden zu "No-Go-Areas" erklärt, die Zufahrtsstrassen mit Checkpoints gesichert und wer keinen Passierschein hat, wird nicht reingelassen.
Ein weiterer Sammelbegriff in diesem Feld ist der "Ausnahmezustand", der dann und wann verhängt wird und meistens die bürgerlichen Rechte massiv einschränkt und dafür die Exekutivbefugnisse stark ausweitet (Durchsuchungen, Beschlagnahmen, Festnahmen ohne richterliche Anordnung etc.)
Wer gegen diese Regeln verstösst, ist nach der schlichten Logik von Sicherheits-, Polizei- und Militärapparaten ein Krimineller, der im besten Fall verhaftet, im schlechtesten Fall erschossen wird. Diese Denkweise machen sich auch bewaffnete Privatleute ganz schnell zu eigen.
Im Lada-Niva-Schrottauto-Thread kam das Thema "Bundesleistungsgesetz" hoch und hat manche aufgeschreckt. Ja, so isses aber. Im Notfall (bzw. Notstand) gehen die Uhren etwas anders: der Staat als Summe aller seiner Bürger beansprucht plötzlich Dinge und Leistungen für sich, die eigentlich dem einzelnen Bürger gehören und erdreistet sich, ihm diese Dinge auch noch wegzunehmen (gegen angemessene Entschädigung übrigens), um ein den Staat bedrohendes Ereignis zu bekämpfen.
Ich konstruiere mal einen Extremfall:
Block B vom AKW Gundremmingen in bayrisch Schwaben fällt aufgrund von Wartungsmängeln und Pfusch spontan auseinander, die verseuchte Zone reicht anschliessend von München, Nürnberg, Kempten bis Stuttgart. Es darf keiner rein (und ggf. auch keiner raus, die amtlichen "Sammelräume" für Evakuierte aus der Kernzone liegen alle innerhalb der 50km-Fernzone).
Nun kommt Preppie Fuchs, wohnhaft in Wiesbaden, von Beruf IT-ler mit Survival-Hobby, auf die Idee, seine Eltern in Ulm aus einem Sammellager "rauszuhauen".
Er tankt seinen alten Lada Niva ohne Strassenzulassung voll, schmeisst noch ein paar Kanister Diesel hinten rein, packt sein B.O.B mit Schwerpunkt "Medical" mit ein (mit ein paar BTM-Medis, weil er, als das Telefonnetz noch ging, hörte, dass sein Vater bei der hastigen Evakuierung stürzte und sich eine sehr schmerzhafte Rippenserienfraktur holte und im Sammellager aufgrund der Triage-Zuordnung als nicht behandlungsbedürftig eingestuft wurde) und schiebt den nicht angemeldeten Karabiner 98 unter die Wolldecke auf dem Rücksitz.
Was glaubt ihr, wie weit wird er kommen (der Einfachheit angenommen, dass der Niva die 600km hin- und zurück tatsächlich ohne Pannen schaffen würde)?
Wer Einsatzkräfte und Hilfsorganisationen (= alles, was ein Blaulicht haben darf) aus der Praxis kennt, weiss, dass die "Ich bin hier das Gesetz"-Mentalität dort latent in jedem steckt und sofort durchbricht, sofern er "Untergebene" hat, die er kommandieren kann. Und Zivilisten sowie Unbeteiligte/Gaffer gehören per Definition zur untersten Kaste der Untergebenen. D.h. es braucht nicht einmal mehr einen durchgreifend effektiv organisierten und handlungsfähigen Staatsapparat, um Notstands-Gesetze u.ä. vor Ort durchzusetzen, es genügen die lokalen "Entscheider", die machen das schon.
D.h. den eingangs angesprochenenen "gesetzfreien Raum" im Worst-Case-Szenario wird es nicht bzw. nicht sehr lange geben. Dauert eine Krise längere Zeit an, werden die Daumenschrauben - Notstandsgesetze - eher sogar strenger angezogen, also vor dem Eintritt der Krise.
Natürlich gibt es bei fast allen Szenarien - egal, ob Naturkatastrophe, Technik-GAU, Unruhen oder Krieg - immer auch gesetzlose Phasen oder ein kurzfristiges Machtvakuum. Aber das wird in der Praxis recht schnell wieder gefüllt.
Es ist was anderes, bei der akuten Lebensrettung eines in Not befindlichen Menschen, z.B. bei einem Wohnhausbrand, beim einzigen Nachbarhaus einen Einbruch zu begehen, um dort eine durchs Garagenfenster zu erkennende Leiter zu "stehlen", um einen Menschen vom Balkon des brennenden Hauses zu retten. Das fällt in D z.B. unter den rechtfertigenden Notstand. Aber daraus kann ich sicher nicht das vorbeugende Einlagern von (für mich) illegalen Dingen ableiten, die im Notstand hilfreich sein könnten.
Nur mal so als Denkanstoss.
Grüsse
Tom