Hallo Prepper und Survivalisten,
in diesem Forum wird ja immer wieder besprochen, wie man eine medizinische Versorgung sicherstellen kann, wenn eine Krise eintritt.
Nun bin ich ja selber diplomierter Krankenpfleger und habe vorher einige andere Berufe im Gesundheitssystem in Deutschland und Österreich ausgeübt. Meine Frau ist Assistenzärztin auf der Lungenabteilung in einem Universitätsklinikum.
Ich glaube, die wahrscheinlichste gesellschaftspolitische Krise, ist ein Zusammenbruch der medizinischen Versorgung - als eigenständige Krise, nicht als Folge einer anderen.
In den letzten 15 Jahren tauchen in den Medien immer öfter Meldungen über Ärzte- und Pflegemängel auf - besonders in den letzten 5 Jahren besonders häufig. Selbst RTL sendet mit Wallraff einen fragwürdigen Bericht, der, wenn auch total überspitzt, schon jetzt reale Auswirkungen zeigt - die keine seltenen Ausnahmen darstellen.
Im Alltag bemerken wir das schon eine Weile, aber gerade in den letzten paar Jahren spitzt es sich massiv zu - so werden Turnusarztstellen oft nicht mehr besetzt, weil es keine Bewerber mehr gibt. (Turnus = 3 Jahre auf versch. Stationen, dann erst Ius Practicandi - also Erlaubnis als Allgemeinmediziner zu agieren) Das ist insofern erschreckend, da gerade in großen zentralen Häusern die Personalsituation oft besser ist, als in kleinen Häusern in der Peripherie. Auch Assistenzstellen bleiben oft länger frei, als gedacht. Meine Frau arbeitet an vielen Wochen 60+ Stunden, Ausnahmen darunter sind selten.
Letztens ist in einem österreichischen Klinikum aufgefallen, dass ein Chirurg in einer Woche 7 Tage hintereinander 12-Stunden-Schichten gearbeitet hat, was die erlaubte Maximalarbeitszeit von 72 Stunden "leicht" überstieg. Die Realität in "unserem" Haus ist ähnlich, wird aber durch Fälschungen der Anwesenheitszeiten kaschiert.
Mein Thema in meiner Fachbereichsarbeit (ein Teil der Prüfungen zum Berufsabschluss als Pflegefacherson) war der jetzige Fachkräftemangel in der Pflege, wo ich bemerkt habe, dass in Österreich ca. 30% der Pflegefachpersonen (zumeist weiblich) über 50 sind, der Anteil der unter 30-jährigen aber nur etwa 10% ausmacht - bei derzeit gleichbleibenden Abschlusszahlen. Ergo also innerhalb von 10 Jahren im optimistischsten Fall 15% der aktuell vorhandenen Pflegekräfte einfach weg sind. Und das aber bei steigender Arbeitsbelastung, die schon jetzt so hoch ist, dass Patienten in Lebensgefahr sind (Bspw.: Hygienemängel). Schon jetzt fehlen im Alltag zusammengerechnet etwa 10% der Pflegefachkräfte und Pflegekräfte allgemein. In 10 Jahren dürften dann etwa 1 von 4 Pflegekräften fehlen.
Das ist in Deutschland so ziemlich das selbe.
Erschreckend wird es, wenn man Zahlen kennt. So gibt es in D etwa 1,4mio Pflegekräfte. In Ö, weil kleiner, etwa 150tausend. Ihr könnt euch ausrechnen, wieviel davon 15% sind. Um das später auszugleichen, müssten ab sofort in D zig Tausend junge Menschen eine Pflegeausbildung starten - soviele Schulen haben wir nicht, geschweige denn Lehrer.
Doch nicht nur das, in einem anderen Thread wurde schon die Thematik erwähnt, dass bereits jetzt schon Medikamente nicht immer in ausreichenden Mengen lieferbar sind. Und das dies keine "exotischen" Medikamente sind, sondern welche, die im System standardmäßig verschrieben werden.
Worauf ich hinaus möchte:
Ist euch bewusst, dass wir auch ohne eine explizite gesellschaftliche Krise schon jetzt auf eine lebensbedrohliche Situation zusteuern? Vielen wird sicher klar sein, dass zu wenig Ärzte nicht gut sind. Aber viele wissen nicht, dass eine Pflegefachperson in vielen Fällen den Unterschied zwischen Leben und Tod macht.
Dazu müsst ihr nicht erst alt werden. Eine Mandel- oder Blinddarm-OP erwischt auch ansonsten gesunde Menschen. Mal eine FSME bekommen oder angefahren werden reicht aus, kompetente medizinische und pflegerische Hilfe zu benötigen. Auf meiner Intensivstation habe ich öfters Herzinfarkte, die sind weit unter 50 (mein jüngster zuletzt 43 - "witzigerweise" ein Rettungssanitäter).
Daher also meinerseits mal ein paar Fragen in die Runde:[INDENT]- Wie glaubt ihr, können wir uns auf eine Situation vorbereiten, in die adäquate medizinische Versorgung nicht mehr gewährleisten kann und mehr oder minder die einzige Krise darstellt?
- Wie lange wird so eine Krise dauern, in der man nicht einfach mal "bildungsferne" Menschen einsetzen kann, da es sich um fachlich höchstwertige Berufe handelt?
- Tut ihr schon jetzt etwas? Engagiert ihr euch zum Beispiel politisch? Oder schreibt Abgeordneten eure Wünsche als mündiger Bürger?
- Glaubt ihr, dass unser preppen, was medizinische Güter angeht, ausreichend sein kann, um einer solchen Krise, auf die seit Jahren zugesteuert wird, gewachsen zu sein? Besonders unter dem Augenmerk, dass sich zur Zeit keiner aktiv und nachhaltig um die Verbesserung kümmert? Und das mehr Personal mindestens 3 (Pflege) bzw. 5-6 Jahre (Mediziner) dauern wird?
- Oder habt ihr, weil dessen bewusst, gar selber eine Ausbildung in der Richtung absolviert?
[/INDENT]
Ich habe das Gefühl, dass Ihr sehr wohl um den Wert der Gesundheitsvor- und fürsorge wisst. Aber ich möchte darauf aufmerksam machen, dass dieser Bereich ganz alleine auf eine Krise zusteuert und nicht alleine als Folge einer anderen Krise auftauchen wird. Außerdem wird diese Krise in meinen Augen besonders langwierig, da die schiere Menge an benötigten Personal viel Zeit bzw. Geld kosten wird.
Um euch die Situation noch etwas näher zu bringen: http://www.freitag.de/autoren/…g/katastrophe-krankenhaus mit einem zitierwürdigen Teil: "ständige Überlastung bewirkt bei Menschen, dass sie zwar immer besser funktionieren, dafür aber immer weniger wahr nehmen was sie tun. Menschliche Medizin braucht teilnehmendes Mitgefühl, Funktion distanziert. Je imperativer die ökonomische Fuchtel dominiert, desto inhumaner wird Medizin. Patienten sind keine Kunden, Gesundheit keine Ware, Ärzte und Schwestern kein Service-Personal, Kliniken keine Reparaturbetriebe. Soll ein Gesundheitssystem Gewinn erbringen, muss es funktionell sein. Medizin als zwischenmenschliche Beziehung wird dabei versachlicht. Profit für Wenige macht Alle zu Opfern. Interessanterweise wird die unerbittliche Kälte dieser Entwicklung allgemein ignoriert."
Mich interessiert hier besonders die Meinung medizinischer Laien, denn Gesundheitspersonal weiß warscheinlich eh, was los ist...
Grüße
Basmyr