Lebenserfahrung weiterer Bericht

  • Hallo Michael,


    ich habe bis hier Deine sehr interessanten Berichte gelesen.
    Vielen Dank für die detaillierten Schilderungen.


    Was ich mich frage ist, warum Du Deinen Standort nicht näher an eine Süsswasserquelle gelegt hast und Du Dir eben die Mühe machtest, Meerwasser, dass Du offensichtlich ziemlich weit heranbringen musstest, zu entsalzen ?
    War der Standort so einmalig, dass sich das gelohnt hat ? Oder wolltest Du auch die Durchführbarkeit und die Funktionsfähigkeit Deines Systems testen ?


    Nach welchen Kriterien hast Du Dir eigentlich Deinen Standort ausgesucht ? Warst Du vorher schon mal da und hattest konkrete Vorstellungen wo Du genau hin wolltest ?


    Du hast Dich ja offensichtlich auch gut vorbereitet mit Deinen 65 kg Ausrüstung und Fahrrad ...


    Weiterhin berichtetest Du, wie Dich die Guardia Civil "ausgeräuchert" hat und die Erlebnisse mit den illegalen afrikanischen Einwanderern und den Baseballschlägern...ich frage mich, ob Du nicht einen Standort hättest finden können, auf dem Du - ganz legal - und deutlich sicherer in einer Hütte (verlassenen alte Finca ...) oder ähnlichem - hättest leben können, die entsprechend "verrammelt" weren könnte....
    Dann Deine Verletzungen, die Du Dir nicht hast "verarzten" lassen....


    Wolltest Du das nicht, oder kam es Dir darauf an, eine Art "Survival Training" auszuprobieren um Deine eigenen Grenzen kennen zu lernen ?


    Offensichtlich bist Du ja zwischendurch auch einkaufen gegangen, also bist Du nicht ohne Geld losgezogen, so dass es dann doch nicht ganz in ein "Robinson Crusoe Leben" ausgeartet ist .... :winking_face:


    Deine "Einsamkeit" hättest Du ja sicher auch in dem nächstgelegenen Örtchen etwas mildern können, wolltest Du das nicht ?
    Die Inseln sind ja ein beliebtes Touristisches Ziel, da wärst Du in der "Zivilisation" als Gringo ja nicht weiter aufgefallen oder ?


    Nach meinen Erfahrungen - ich bin in Lateinamerika geboren und aufgewachsen - ist alles, was nicht Niet- und Nagelfest ist, ständig ein Problem bei Kontakten mit anderen Leuten wie Deinen Afrikanischen Flüchtlingen, die eben fast gar nicht haben - das verschwindet scheller als Du gucken kannst.....

    Somit hätte ich mich wahrscheinlich an Deiner Stelle ziemlich verbarrikadiert, da Du, wenn Du längere Zeit auf dem gleichen Gebiet lebst, Spuren hinterlässt, die jemand der Dich finden will, auch "lesen" kann (ähnlich Wildwechseln) ....


    Ich würde gern verstehen, welche Deine Gadanken und Vorkehrungen zu diesem Thema waren....


    Mach bitte weiter !


    Gruss,


    Udo (DL 8 WP)


  • Hallo Michael,


    das kann ich (Segler) Dir erläutern.


    Eine richtig grosse hochseetüchtige Yacht ist etwa 15m lang und mittschiffs vielleicht 2,80m breit.


    Diese ohnehin schon kleine Decksfläche ist "vollgestellt" mit zwei Masten, Winschen, Umlenkrollen, Führungen für Schoten und Fallen. Auf dem Vorschiff ist das Dinghi (Beiboot) verzurrt, vielleicht noch das (trittfeste!) Solarpaneel angebracht.


    Rund um die Masten muss genug freier Platz bleiben, damit die Besatzung Segelarbeiten wie Setzen / Bergen Ein- / Ausreffen schnellstmöglich durchführen kann.


    Dann geht von der Decksfläche natürlich noch der Steuerstand ab.


    Dazu kommt die Eigendynamik des Bootes. Krängungen bis zu 45° sind normal. Bei Seegang von schräg vorn fährt das Boot die Welle hoch, da ist bei einer steilen 4m-Wellen der Bug mal ganz schnell 2m höher als das Heck.


    In das Wellental fährt das Boot nicht, es knallt runter und kommt unten mit einem richtigen Schlag auf.


    Bei einem hart am Wind, selbst bei einem mässigen Wind von 6-7 Bft spritzt die Gischt bis halbe Höhe Grossmast. Bei Sturm kommen die Wellen über, also massiv Salzwasser an Deck.


    Ein Grund weshalb alles an Bord solide vertäut sein muss und für die Besatzung für Vorschiffsarbeiten Laufleinen gespannt sind, in die sie sich mit Lifebelts (Sicherungsgeschirr, ähnlich Klettergurt) einklinkt, um nicht über Bord zu gehen.


    Zudem würden die Plastikplanen schon von einem 4 Bft arg strapaziert, 5 Bft würden sie vermutlich nicht überleben.


    Viele Grüsse und Danke für Deine tollen Beiträge



    Matthias

    They who can give up essential liberty to obtain a little temporary safety, deserve neither liberty nor safety.
    Benjamin Franklin (1775)

  • Eine Menge Fragen, da hab ich ja richtig zu tun:)


    Waldschrat
    Bezüglich Segeln:
    Da denke ich natürlich mehr an Notfälle. Es ist für mich vollkommen unverständlich wie jemand auf dem Meer verdursten kann. Ich hätte immer eine kleine Notausrüstung mit ein paar Planen an Bord, die ich bei Bedarf aufbauen könnte. Der Seegang und die damit verbunden Neigungen kann man durch eine Parzellierung der Gesamtfläche recht gut in den Griff bekommen.
    Als Beispiel nimm mal Deinen Eiswürfeleinsatz aus dem Gefrierfach wenn Du neues Wasser hinein gibst. Dann kannst Du ihn bequem bis fast 45° kippen, stark schaukeln und nichts läuft aus.
    Wenn dann der Seegang ein paar Tage noch stärker ist muss eben diese Zeit überbrückt werden.


    @Udo


    Ich will Deine detaillierten Fragen gern abarbeiten.


    Als ich angekommen bin und am Meer meinen ersten Standort errichtet hatte suchte ich im Landesinneren natürlich als erstes eine Süßwasserquelle. Bis ca. 20 km hinein, die Berge hoch fand ich nur eine (wie bereits beschrieben).
    Ehrlich gesagt habe ich mich da nicht rangetraut, denn dass Wasser war auch nach dem Versuch nach zu graben schmutzig und roch undefinierbar komisch. Da ich keine Filter dabei hatte hätte ich es zumindest abkochen müssen. Ein Standort dort war unmöglich, es gab Mücken ohne Ende.


    Die Standortauswahl ist natürlich das Thema überhaupt. Kriterien wie eine plane Fläche nicht im trockenen Flusstal, außerhalb von Wassermassen bei starken Regenfällen, nicht zu weit von der Küste (um angeln und baden zu können), aber nicht dort und eine einigermaßen gute Erreichbarkeit führen dazu, dass in der Gegend wenn man von den Stränden absieht ein riesiges Problem ist.
    Wenn man die Bodenformation, die Bodenerosion und den Verlauf von Wassermassen genau betrachtet bekommt man eine Vorstellung davon wie es aussieht wenn es schüttet. Ich habe es mehrfach erlebt. Es ist unglaublich was an Wassermassen von den Bergen kreuz und quer aber natürlich immer abwärts mit unglaublicher Wucht runterkommt wenn es alle paar Monate mal schüttet.
    Der falsche Standort und das Meer ist Behausung und allen Sachen gewiss.


    Nachdem man mich von meinem optimalen Standort vertrieben hat habe ich wirklich im Umkreis von ca. 30 km nur einen weiteren gefunden.


    Das grundsätzliche Problem wenn man in der Nähe der Küste bleiben will besteht auch darin, dass es andere auch schon versucht haben und es vor Jahren ein Gesetz gegeben hat, das Wohnen dort verboten ist, was ich nicht wusste. Alles was über ein einfaches Zelt hinausgeht wird dem Erdboden gleich gemacht.
    Höher in den Bergen interessiert es niemand, dort kann man tatsächlich problemlos wohnen oder hausen, aber darum ging es mir nicht.


    Bezüglich meiner Verletzungen liegt es an meiner Antipathie gegen Ärzte und das Gesundheitssystem. Solange ich noch kriechen kann mache ich es selbst und es funktioniert seit über 25 Jahren perfekt.


    Was mich dazu getrieben hat so eine Art Survialtraining zu machen und warum ich nicht einfach in eine erreichbare Disco gegangen bin beantworte ich in einem anderen Post.


    Auch bezüglich der Verbarrikadierung und Spuren hinterlassen habe ich meine Vorstellungen entwickelt und schreibe noch darüber.


    Entscheidend für mich ist, dass ich kein Survivalexperte bin und meine größten Abenteuer diesbezüglich zweimal vor vielen Jahren ein Zeltplatz in Dänemark war.
    Ansonsten nur Hotels.


    Aber es ging trotzdem.


    Im Jahr 1996 war ich vorher einmal für eine Woche in einem Hotel in Maspalomas.


    Gruß


    Michael

  • Wie ich zu einem Hund kam (und ihn wieder loswerden musste)


    Absurd.


    Als ich mich in und mit meiner neuen Behausung eingerichtet hatte hörte ich an einem Sonntag Morgen genau gegen 8.00 Uhr wildes Hundegebell von unten aus dem Tal kommend. Schon selten, denn ich hatte bisher nur zwei streunende Hunde überhaupt gesehen.


    Wenig später Schüsse. Und wieder.
    Ich sprang aus dem Zelt, ging zu meinem Ausblick und traute meinen Augen nicht.
    Da bewegten sich sicherlich 50 oder mehr Menschen mit Gewehren auf mich zu.
    Dazu Hunde ohne Ende.
    Schnell zurück, das Fernglas geholt und dann war es klar:
    Jäger (nur Männer) oder wie immer man sie bezeichnen konnte und eine Art Treibjagd.


    Eine wilde Ballerei setzte ein, was ich überhaupt nicht verstand.
    Sie alle und dieses eine halb verhungerte Kaninchen was ich gesehen hatte?
    Konnten die Hunde soviel mehr und schreckten massenweise Kaninchen auf?


    Als sie sich immer mehr näherten sah ich alles, nur keine Kaninchen oder sonstiges Wild.
    Sie ballerten einfach wild in der Gegend herum. Zwischendurch blieben sie stehen und stärkten sich mit einen ordentlichen Schluck, vermutlich Schnaps.


    Vor Schüssen habe ich keine Angst wenn das Gewehr nicht auf mich direkt gerichtet ist, aber ich bin nicht unvorsichtig, also blieb ich in meiner Deckung und ließ sie unter mir durchziehen.
    Keiner entdeckte mich gut 30 m über ihnen. Ich war gut getarnt.


    Leider hatte ich Hunde überhaupt nicht auf dem Schirm. Plötzlich fiel ein Rudel von 5 Jagdhunden laut bellend auf meinem Platz ein. Wunderschöne Tiere der Rasse Podenco Canario.


    Sie stürmten auf mich zu.
    Nun muss ich dazu sagen, dass ich mit Hunden sehr gut kann. Ich hatte immer zwei oder mehr Hunde. Sie mögen mich und ich mag sie.
    Also begrüßten sie mich schwanzwedelnd, hörten auf zu bellen und jeder bekam seine Streicheleinheiten wie es sich gehört.


    Dann ertönte unter mir ein lauter Pfiff, er war selbst zwischen der Ballerei zu hören und die Meute stürzte davon - bis auf einen.
    Er bleib einfach da und legte sich auf den Boden vor meine Füßen.
    Also noch ein paar Streicheleinheiten und er rollte sich selig zusammen.
    Ein wunderschönes Tier, ein bisschen mager, aber die Rasse ist so.


    Ich wurde ihn nicht los, er hatte beschlossen zu bleiben.
    Die Schüsse und das Hundegebell wurden leiser und ich hatte einen Hund.
    Im ersten Moment raste mein Herz vor Freude, doch dann wurde mir klar, dass er leider nicht in mein Konzept passte.


    Frauen (zu ihnen komme ich später) und Hunde hätten mein Leben komplett umgekrempelt. Beide mag ich sehr und bin auch bereit mein Leben dann anzupassen.


    Bevor ich Prügel bekomme lieber ein Statement:
    Wobei ich wohl nicht betonen muss, das es nicht die gleiche Ebene ist.


    Also was tun? Er wollte nicht weg.
    Stunden später kamen die "Jäger" laut grölend zurück.
    Es tat mir in der Seele weh, aber ich habe den Hund nach unten gezogen und mitten in der Schlucht an einem Strauch festgebunden.
    Nur nicht nochmal hinsehen und schnell weg.
    Von oben sah ich den grölenden und schwankenden Haufen. Sie sammelten den Hund ein als wäre es ganz normal.


    Jagdergebnis:


    Nicht ein einziges Kaninchen, aber die Hunde hatten viel Auslauf, bestimmt über 1000 Schuss verballert und mindestens 50 Flaschen Schnaps oder was auch immer gekillt.


    Dann kehrte wieder Ruhe ein.


    Nur ich hatte noch den ganzen Tag mit meinem wehen Herzen zu tun.


    Ganz schöner Mist wenn man sich was vorgenommen hat und die Linie beibehalten will.:traurig:



    Gruß


    Michael

  • Äußere und innere Lebenserfahrung


    Ich habe bisher einige äußere Erfahrungen meines Nomadenlebens dargestellt, aber die sind nicht das Wichtigste.
    Die daraus resultierende innere Lebenserfahrung ist in meinen Augen viel bedeutender.



    Es beschäftigt mich seit einigen Posts ob es Sinn macht in diesem Forum bei diesem Thema richtig in die Tiefe zu gehen und habe die Ausflüge dorthin bisher beschränkt.
    Aber da einige User doch sehr interessiert scheinen will ich es mal wagen und in einem Bereich ein bisschen weiter zu gehen.
    Wem das zu viel psychoanalytisches Gelaber ist der braucht es ja nicht zu lesen.



    Nach etwa einem Jahr ging es los, dass sich mich zunehmend sachlich mit mir selbst beschäftigen konnte.
    Neben den ganzen beschriebenen Schwierigkeiten meines Lebens dort gab es noch eine vollkommen andere Entwicklung.


    Die Frage warum ich mir das antat hatte eine kausale und schlüssige Antwort die ich bereits erkannt hatte, die Gesundheit.
    Aber je mehr ich in mich ging umso klarer wurde es, dass dies nur die halbe Wahrheit war.



    Wir nehmen in unserem Leben vieles als selbstverständlich hin was durchaus hinterfragt werden sollte.
    Jeder lebt in seiner eigenen Welt und wird bestimmt von äußeren Einflussfaktoren wie Gesellschaft, Familie, Beruf, dem Glauben wie auch immer,
    Hobbys und den damit verbundenen Zwängen wie Verantwortung und Verpflichtungen.
    Im Zusammenhang mit der ständigen Reizüberflutung sind die wenigsten in der Lage wirklich einen Abstand herzustellen und sich mit sich selbst
    tief greifend und sinnvoll zu beschäftigen, also einmal die innere Welt zu analysieren und zu hinterfragen.
    Ich konnte es nicht im mindesten als ich beruflich so eingespannt war. Selbst wenn ich interessante Berichte oder Bücher gelesen habe,
    die sich mit der Thematik beschäftigen so blieb alles konsequent an der Oberfläche.


    Auf CG habe ich zwei Jahre lang abends in meiner Behausung gesessen und versucht mich und meine innere Welt zu begreifen.
    Es geht um innere Dränge, Zwänge, Programmierungen des Unterbewusstseins, Emotionen, Glauben verschiedener Art,
    gelernte Verhaltensweisen und natürlich genetische Vererbung.
    Da könnte man problemlos einen riesigen Wälzer schreiben.


    Wir werden wesentlich mehr vom Unterbewusstsein und den Emotionen geführt und bestimmt als uns im mindesten bewusst ist.
    Erinnerungen lösen auch Gefühle aus, Gedanken lösen Gefühle aus, das ist allgemein bekannt und kann jeder nachvollziehen,
    Wenn dieser Schritt der Erkenntnis und innerer Verarbeitung vollbracht ist werden wir in unseren Einsichten und Handlungen wesentlich logischer,
    rationaler und authentischer indem was wir tun.



    Mittlerweile ist mir klar geworden, dass es in unserer normalen Welt kaum machbar ist solche Schritte zugehen.
    Leider muss man auch sehr konsequent sein, denn die alten gewohnten Verhaltensweisen greifen schnell und brutal wieder zu.



    Hätte ich den Hund behalten wäre ein toller tierischer Kamerad zugegen gewesen, mit dem ich gespielt hätte, den ich erzogen hätte
    und der mich immer begleitet hätte. Einsamkeit ade, Langeweile stark reduziert.
    Was eigentlich ein riesiger Vorteil ist hätte mich in meiner Selbstfindung gehemmt.


    Noch schlimmer wäre es mit Freunden gewesen die ich leicht hätte finden können.
    Diese Zusammenhänge sind mir zunehmend klar geworden.
    Früher habe ich es immer für Quatsch und Spinnerei gehalten wenn ich davon hörte, dass Menschen die Abgeschiedenheit suchen,
    um mit sich selbst weiter zu kommen, heute denke ich vollkommen anders darüber.



    Nach meinen Erfahrungen funktioniert es leider nur auf solch eine brutale Weise aber jeder sollte sich das gut überlegen ob er sich das antut
    oder ob er nicht lieber in seiner gewohnten Welt „vor sich hindämmert“, so empfinde ich mein Leben vor meiner Reise.


    Ich glaube es liegt auch eine große Gefahr darin.
    Es ist durchaus denkbar, dass manch einer nicht zurück findet und dort für sein weiteres Leben bleibt.
    Aber anderseits wenn er damit glücklich wird, warum nicht.



    Ich habe in einem vorherigen Post geschrieben ob ich es nochmal machen würde, nein.


    Spezifiziert:
    Unter nochmal verstehe ich eine Wiederholung, die ich auf auf keinen Fall machen würde, ich habe mein Ziel erreicht.



    Hätte ich es bis heute noch nicht durchgeführt säße ich nächsten Monat im Flieger um es mir anzutun.



    Gruß



    Michael

  • Zitat von Redack;199473

    Wir werden wesentlich mehr vom Unterbewusstsein und den Emotionen geführt und bestimmt als uns im mindesten bewusst ist.


    Das Unterbewusstsein, was genau meinst Du damit? Automatisiert ablaufende Prozesse im Gehirn die unreflektiert, also vom Intellekt unbemerkt, ablaufen? Wir tun etwas, wissen aber nicht genau, wieso eigentlich?


    Unser Denken ist ohne Zweifel hauptsächlich beeinflusst von chemischen/physikalischen Abläufen (Hormone, Botenstoffe, etc.) sowie Prägung/Erfahrung (Programmierung der Denkprozesse) durch äußere Einflüsse. Was ja auch kein Wunder ist, da das Gehirn schließlich ein Teil unseres Körpers ist. Denken und Körper stehen also in einer starken Wechselwirkung miteinander.


    Soviel zum Thema "Die Gedanken sind frei". :grosses Lachen:
    Oder: "Ich sage was ich denke". :grosses Lachen:
    Oder noch besser: "Ich sage immer ehrlich was ich denke"
    Oder: "Ich darf denken/sagen was ich will"


    Auf der einen Seite besteht natürlich die Möglichkeit, genau dies zu akzeptieren (man muss die Abläufe nicht mal zwingend verstanden haben) und dadurch zumindest bedingt so etwas wie eine Entkopplung von Körper und Geist zu vollziehen. Auf der anderen Seite besteht hierfür aber auf kultureller und soziologischer Ebene (der Mensch ist halt ein Rudeltier) kein allgemeiner Konsens, sprich: Niemand versteht dich.


    Hat man diesen Ansatz mal verinnerlicht, bietet es erweiterte Möglichkeiten hinsichtlich Selbstreflexion aber auch in der Interaktion/Kommunikation mit anderen Menschen. Ich persönlich habe das zumindest für mich in einem jahrelang währenden Denkprozess (also einer Umprogrammierung der Abläufe im Gehirn) bei mir etabliert. Mit diversen positiven aber auch negativen Ergebnissen.


    Aber bevor ich jetzt noch mehr dazu schreibe schaue ich erst mal, wohin es hier läuft. :face_with_rolling_eyes:

    I feel a disturbance in the force...

  • Hallo Michael und "Lord Helmchen",


    ich finde Eure Beiträge sehr interessent !


    Ich möchte das Thema einmal (vielleicht recht provokativ) aus meiner Sicht zusammenfassen:


    Man kann mbMn dieses Thema eigentlich auf die Grundsätze unserer Gesellschaft zurüchtitrieren, in dieser Gesellschaft werden "gut geölte" Industriesklaven hernagezüchtet, die möglichst ohne "Mullen und Knullen" in einer Konsumgesellschaft bei Laune gehalten werden sollen um "fleissigst" (in einer Art Hamsterrad mit ein paar Zuckerstückchen garniert) zu arbeiten....


    Die Industriegeselllschaft mit all Ihren "Segnungen" hat inzwischen die ganze Welt eingenommen und alt hergebrachte anders geartetet Kulturen zerstört.


    Angefangen hat es mit der sogenannten Kolonialisierung... und dem Sklavenhandel....


    TV und die Medien suggerieren dem "letzten Mohikaner" so muss ich auch leben....sonst bin ich nichts Wert.


    Mein Haus, mein Auto, mein Pferd.... ihr wisst worauf ich hinaus will....


    Heute sind wir de Fakto Sklaven des Geldes, das alles läuft viel subtiler ab.


    Wer das nicht hat, oder da immer fleissig mitmacht, ist "durchgefallen".... und bekommt eben nichts oder nur ganz wenig....


    In unseren Schulen werden schon die jungen Kinder "rausgeprüft".... (klar in China vielleicht noch mehr)
    Aber die sind auch "nur Menschen"....


    Welche Werte werden unseren Kindern in der Schule gelehrt ?


    Wie steht es um den "inneren Seelenfrieden" dieser vielen "Hamsterad-Beweger" denn eigentlich aus ?


    (Exkurs: -> In dem Grosskonzern in dem ich mein Leben mit viel Arbeit und Stress verbracht habe, nennt man sowas neumodisch "Life Work Balance" - um den Hamasterrad Bewegern zu suggerieren, man würde sie verstehen und sich um sie kümmern... dabei geht es eigentlich nur um die Gewinnmaximierung des Arbeitsfaktors Mensch.... "Personal-Marketing" - Mensch was sind wir gut - Burnotut ? Hörstürze ? - Psychische Krankheit ? Herzinfarkte ? bei uns doch nicht... aber so konkret wird das Kind nicht beim Namen genannt, es werden Sportübungen und Entspannungstraining angeboten... aber an der Quelle des Übels wird nichts gemacht.... immer schön so weiter, Shareholder Value kreieren - Exkurs aus)


    Wieviele halten dieses "System" inzwischen nicht mehr aus ?


    Was kann sich ein "Normaler" fleissiger Arbeiter / Angesteller eigentlich in diesem System mit eigener Schaffenskraft in abhängiger Arbeit an unvergänglichen Werten (nicht nur an Konsum- "Garbage in, Garbage out") denn erschaffen, wenn er nicht selbst seine Mitenschen (subtil unterdrückt und) für ihn arbeiten lässt ?


    Steuern, Beiträge, Abgaben immer fleissig bezahlt und was bleibt am Ende eines solchen Lebens dann übrig ?


    Die Europäer, Amerikaner und die sogenannte "erste Welt" nutzen "Schwellenländer" und die sog. "Dritte Welt Länder" als billige Werkbank und ein paar (Konzerne und Industrienationen) machen damit sehr guten Profit.


    Arbeitsplätze in den "Ersten Welt Ländern" werden damit vernichtet und die "einfacheren sogenannten gering qualifizierten Arbeiter" werden damit (als erste) arbeitslos.... und werden zunehmend unter Druck gesetzt. Mehr, schneller, weiter, billiger ...


    Das alles kann aber wohl nur so lange gehen, bis sich die Arbeitskosten in den "Dritte Welt Ländern" angeglichen haben....


    Wie steht es denn um die Zufriedenheit der Arbeiter in diesen Nationen, die unsere Handies zusammenbauen, unsere Hemden nähen und dafür einen (für unsere Verhältnisse) Hungelohn bekommen ?


    Diese fortschrittlichen Dinge werden in der EU zu sogenannten "Marktpreisen" gehandelt....


    Ein etwas besseres mittklassiges Hemd 50 € ?


    Und die ganzen "Damenfummel" ?


    Ich hatte während meiner aktiven Zeit so einge Studien in der Hand, u.a. aus der Textilindustrie....


    Eine Stunde qualifizierter Textilarbeiter zu der Zeit 50 US $ pro Stunde in CH oder D . In Vietman - das war damals das Billigland 0,29 US $ pro Stunde .... und dort - heute vielleicht in Bangladesh arbeiten die Näherinnen 14 oer 16 h am Tag....


    Sowas macht uns alle kaputt....


    Nur mal so am Rande... sagt einer, der auch in seiner aktiven Zeit schön mitgemacht hat und "sein Fett" (d. h.Macken ) abbekommen hat ....


    Michael ist wohl (noch rechtzeitig) aus dem "Kochtopf" in "dessen Suppe" er geschwommen ist (und aus der Perspektive man keinen Überblick bekommt) ausgestiegen, und hat so den Blick etwas schweifen lassen....
    Andere gehen villeicht ins Kloster ?


    Ich empfehle jedem über dieses Thema ganz intensiv nachzudenken und seine persönlichen Schlüsse zu ziehen, bevor es zu spät ist, und die Gesundheit und der Seelenfrieden/ heil total ruiniert.


    Michael, Danke für Deine Beiträge, bitte mach weiter !



    Gruss,


    Udo (DL 8 WP)

  • Eigentlich wollte ich mit meiner Antwort bezüglich der Frage nach dem Unterbewusstsein noch ein wenig warten,
    um zu sehen wie die allgemeinen Reaktionen auf meinen Post sind.
    Aber egal.



    @Udo


    Ich stimme inhaltlich vollständig mit Dir überein. Wer ein bisschen über den Tellerrand sieht muss diese Zusammenhänge erkennen.
    Bin mir bloß nicht sicher, wie die anderen User dieses Forums damit umgehen.
    Ich kenne zu wenig Inhalte.



    @lord helmchen


    Die Frage nach dem Unterbewusstsein:


    Ich könnte jetzt problemlos abendfüllend schreiben, aber da vermute ich auch, dass es den Rahmen dieses Forums sprengt
    bzw nicht hineinpasst.


    Deshalb bringe ich es komprimiert auf den Punkt:


    Wenn man das "wie" und das "warum" ausklammert ist für mich das Unterbewusstsein ganz einfach eine höherwertige Software
    auf einer chemisch/biologischen Basis als Board, bzw Rechner getragen von einem biologischen Körper (unser Körper) als eine Art Gehäuse.


    Wunderbar von außen programmierbar siehe Udos Beitrag.


    Eigentlich sollten wir die Software steuern, dass können wir aber nur wenn wir der Zusammenhänge wissen und wissen wie man es
    selbst programmiert und steuert.
    Tun wir es nicht werden wir gesteuert, meinen es selbst zu tun und sind teilweise sogar der Ansicht, es wären unsere eigenen Gedanken und Ideen.



    Wenn Du soweit in der Erkenntnis der Zusammenhänge und des Unterbewusstseins gekommen bist, Dich mit einer Trennung von Geist und Körper
    befasst hast, so hat sich Dir möglicherweise bereits die Frage gestellt, wer Du (Dein Ich) im eigentlichen bist.


    Aber das sollte jeder für sich selbst erkennen und es würde ebenfalls nicht in dieses Forum passen.



    Auf alle Fälle kann man feststellen, je weiter man in seiner Selbsterkenntnis kommt und je mehr Zusammenhänge man versteht,
    umso solider und fester wird man in seinen Ansichten und inneren Stärke, was "Previvallike" im Extremfall ein unbezahlbarer Vorteil ist.


    Gruß


    Michael

  • Mein Statement dazu, kurz und vielleicht provokativ / polemisch:


    Ich schätze Menschen wie redack als recht intellegent ein, diese Menschen beschäftigen sich oft mit sich selbst, also mit dem Unterbewusstsein.
    Sprich sich machen sich viele Gedanken um Ihr Leben.


    Dann gibt es Menschen die sind provokativ gesagt etwas einfacher gestrickt. Ich meine das diese Menschen häufig die Glücklicheren sind.


    Zu welcher Gruppe ich mich zähle sei mal dahingestellt, aber in meinem Bekanntenkreis kann ich einige eindeutig zuordnen.

    Man tötet nur was man isst !


  • Moment mal, niemand zwingt dich im Hamsterrad zu laufen. Ich mache mir über das Thema sehr viel Gedanken, gerade gestern wieder Cast Away im Fernsehen geschaut und davon geträumt auch mal 4 Jahre auf einer einsamen Insel zu verbringen. Der Tag wird dominiert von Wasser- und Nahrungsbeschaffung. Die übrige Zeit wird an Unterkunft und Ausrüstung gebastelt. Keine Verpflichtungen, keine Verantwortungen. Ich glaube halt, dass man immer von dem träumt, dass man gerade nicht hat. Mit Frau und Kindern träumt man davon, wie schön das Leben als Junggeselle war, als Junggeselle träumt man von einer Beziehung und einer Familie. Wenn du keinen Kühlschrank hast und weißt, dass du nächsten Tag wieder sammeln/jagen gehen musst wenn du was essen willst, dann ist das sicher auch nicht so entspannend.


    Das perfekte Leben wird es nicht geben, davon bin ich überzeugt. Man muss also für sich einen Kompromiss finden. Wenn du keine Lust hast 8h / Tag im Hamsterrad zu verbringen dann lass es doch. Es zwingt dich keiner. Auf dich allein gestellt bist du jedoch gezwungen jeden Tag für Nahrung zu sorgen. Glaubst du das macht immer Spass? Also es gibt bei uns in Europa so einiges das ich nicht vermissen möchte, ich kenne auch das Leben in ärmeren Ländern und habe den Vergleich. Niemand zwingt in den dritte Welt-Ländern die Leute für 30 cent / Stunde zu arbeiten. Aber in deren Kontext ist das auch viel Geld und auch eine Alternative als sich nur um Nahrungsbeschaffung zu kümmern. Aber der Punkt ist, sie müssen nicht für europäische Konzerne arbeiten. Sie können sich auch am Reisfeld den Rücken krum schuften. Sklavenhandel wird übrigends in diesen Ländern viel öfter praktiziert als das bei uns in Europa vorkommt. Profit kannst du nur durch Gewinnspanne machen. Auf das läuft es im Endeffekt hinaus.


    Geld ansich ist nichts schlechtes, unsere Gesellschaft hat sich nur dorthin entwickelt, dass Geld misbraucht wird. Durch ehrliche Arbeit ist auch noch niemand reich geworden, du musst immer irgendwen oder irgendwas ausnutzen um den großen Proft zu machen. Des weiteren gilt in der freien Marktwirtschaft die Regel von Angebot und Nachfrage. Du kannst also frei entscheiden was und wie viel du kaufst. Aus diesen Variablen setzt du nun deine Prioritäten zusammen. Ich für mich versuche das Ganze mit einem Kosten/Nutzen-Faktor zu bewerten. Ich kaufe mir also nur was in mein Schema passt. Jemand der 30cent / Stunde verdient, wird auch nur das kaufen, dass er sich leisten kann. Aber das ist schon mehr, als sich derjenige leisten kann, der nur für seine Nahrung arbeitet. Übrigends ist gerade in Schwellenländern die Smartphonedichte vermutlich höher als in Europa, man sieht also wie die Leute ihre Prioritäten setzen. Ich persönlich besitze z.B. kein Smartphone sondern verwende noch immer ein gutes altes Nokia Handy. Und mir ist es bis jetzt auch noch nicht abgegangen.


    Und wenn du dich fragst was passiert wenn sich die Arbeitskosten und Lebensstandard an "uns" angleichen, dann wirf einen Blick nach Griechenland, Süditalien und Spanien...


  • Das Problem ist doch: als ganz normaler Arbeitnehmer bist du auch den größten Teil des Tages mit der Beschaffung von Wasser, Nahrung, Kleidung, Obdach beschäftigt.
    Mit dem kleinen aber feinen Unterschied: man macht es indirekt.
    Man destilliert sich also nicht das Trinkwasser oder jagt/angelt/sammelt, bessert mit Blättern und Stöcken die Unterkunft aus.


    Mir hat der Erfahrungsbericht von Redack sehr gut gefallen und deshalb möchte ich das Thema auch nicht zerreden.
    Ein paar Gedanken möchte ich an der Stelle aber doch loswerden.


    Erstmal: Respekt. Erstens braucht es ziemlich Arsch in der Hose, um so etwas nicht nur zu denken oder träumen, sondern das in letzter Konsequenz auch durchzuziehen. Und zweitens danach wieder in das Leben unter normalen Schafen äääh Menschen zurückzukehren, ohne komplett irre geworden zu sein. Das war nämlich auch so ein Punkt bei der FedEx-Werbung mit Tom Hanks. Der hat mental abgebaut. Nicht, dass er nicht mehr 1 und 1 zusammenrechnen konnte, oder sich um seine körperlichen Bedürfnisse und eine Flucht kümmern konnte, aber (noch so eine Unsitte von mir, Filmzitate...) "A mind needs a book, as the sword needs the whetstone" (Tyrion Lannister). Der Geist braucht Beschäftigung und Herausforderungen.
    Und das ist auch in meinen Augen der gewaltige Unterschied zwischen einer selbst-auferlegten Isolation und Abstand zur Gesellschaft und aus einer Notlage heraus dazu gezwungen werden.
    In der Notlage ist das Denken fokussiert, alle anderen Belange treten in den Hintergrund. In einem freiwilligen Eremiten-Dasein hat man hingegen die Möglichkeit, sich mit sich selbst und seinen innersten Gedanken und Gefühlen zu beschäftigen.


    Abkehr von der Gesellschaft kann auch genau andersherum laufen. Wenn sich nämlich die Gesellschaft von dir abwendet. Und auch das bedeutet unfreiwillige Isolation.
    Das habe ich leider persönlich auch kennenlernen 'dürfen'. Frei nach dem Motto "Haste was, biste was, haste nix, biste nix".
    Bei mir war der Grund, dass ich aus ziemlich idiotischen Gründen recht erfolgreich bis Ende 2010 mein Leben gegen die Wand gefahren habe. Bevor ich letztendlich in buchstäblich allerletzter Sekunde die Kurve gekriegt habe, habe ich 3 Jobs kurz hintereinander verloren oder geschmissen, bin aus meiner schimmligen (wurde nach Hochwasser nur neu gestrichen, nicht saniert und dann an mich vermietet) Kellerwohnung rausgeflogen, weil ich die Miete nicht zahlen konnte, hab mich von diversen unsauberen Geschäften und Hartz IV ernährt und als dann der Gerichtsvollzieher die Wohnung zwangsgeräumt hat, bin ich mit einem Rucksack und der Isomatte (einiges an persönlichen Sachen hatte ich vorher bei Muttern unterbringen können) in eine Obdachlosenunterkunft eingewiesen worden.
    An der Stelle ein kurzer Break.
    Was habe ich in dieser Zeit in meinem Umfeld bemerkt:
    Aus "jeder kennt mich, jeder grüßt mich, jeder liebt mich" wurde sobald ich nicht mehr den gesellschaftlichen Normen entsprach, ein "keiner sieht mich, keiner ruft mich an, keiner will was mit mir zu tun haben" (abgesehen von der Klientel mit denen der größte Teil der Gesellschaft ebenfalls nichts zu tun haben will...).
    Die Leute, die sich vorher als Freunde fürs Leben verkauft haben, haben mit SEHR wenigen Ausnahmen den Kontakt einschlafen lassen. Am Anfang stört man sich da noch nicht so groß dran, bei einem weitläufigen Bekanntenkreis, aber dann merkt man es rapide.
    Das Denken verändert sich. Wo man vorher gern gesehen war, ist man auf einmal geschasst, weil man nicht mehr ins Bild passt. Das hat natürlich weh getan, aber die Gedanken haben eigentlich nur noch um die Themen "Wo bekomm ich Geld und was zu essen her?" gedreht, oder ich habe mit zweifelhaften Leuten zweifelhafte Sachen gemacht (besoffen mit billigem Sprit nachts auf dem Spielplatz das miese Leben diskutieren war noch so ziemlich das harmloseste).
    Irgendwann kam dann Panik auf. Der Wunsch "da raus zu kommen", wieder "zur Gesellschaft zu gehören", so mies sie auch sein mag... ...gepaart mit völliger Antriebs- Arbeits- und Perspektivlosigkeit.
    Spätestens, wenn man von der Mutter zu Weihnachten eine Kiste mit Lebensmitteln geschenkt bekommt und fast das Flennen kriegt vor Freude, da wird auch dem letzten klar, dass man völlig falsch abgebogen ist.
    Zu der gesellschaftlichen Ächtung kam die Scham. Jeder wusste, was los ist (so hat es sich angefühlt), mitleidige Blicke, das Rechnen mit Kleingeld, ob es denn noch für Brot und Eier reicht, überall wo man hinkommt wird man abschätzig und von oben herab behandelt.


    Das ging dann noch knapp ein halbes Jahr so weiter auf der Abwärtsspirale. Als ich dann wegen wiederholten Verstoßens gegen die Hausordnung und Nichtbezahlens des Eigenanteils für die Obdachlosenunterkunft sogar da rausgeflogen bin, hatte ich meinen absoluten persönlichen Tiefpunkt erreicht und das als allerallerletzten Warnschuss des Schicksals begriffen.


    Und dann habe ich doch noch die Kurve gekriegt. Das war ein langer und schmerzhafter Prozess. Ende 2010 bin ich zu meiner Freundin gezogen worden, könnte man sagen, habe die Region gewechselt und damit bis auf die Familie also so ziemlich alle Brücken hinter mir abgebrochen.
    Meine Erkenntnis zur damaligen Zeit waren recht simpel: die einzigen Menschen, die mich nie aufgegeben haben und immer zu mir gestanden haben, waren mein bester Kumpel (mittlerweile seit 20 Jahren) und meine Freundin, die mich an Silvester 2008/9 als exzessiv feierwütigen, ziemlich durchgeknallten Typen kennengelernt hat. Meine Familie hat mich obwohl sie Zweifel hatten, ob ich nochmal die Kurve kriege, trotzdem nicht fallengelassen. Auch wenn das Vertrauen natürlich erstmal nachhaltig zerstört war.
    Fazit: ich bin also mit 40.000+€ an Schulden und völlig mit der Welt am Ende quasi aus meiner Vergangenheit geflüchtet und erst als ich dann so zwei Wochen mit meiner Freundin zusammengewohnt habe, bin ich dann aufgewacht.
    Was da noch alles nachkam... Ärger mit Arge und häufiger Besuch von Gerichtsvollziehern... Unzufriedenheit mit dem Leben im Allgemeinen...


    Letztendlich habe ich bei meinem Aufwachen für mich elementare Erkenntnisse gezogen:
    -dahin zurück will ich definitiv niemals und unter keinen Umständen wieder und ich würde im Wortsinne über Leichen gehen, um das zu verhindern
    -ich bin nicht allein und nur für mich verantwortlich, sondern habe eine Partnerin, die mit mir wirklich durch die Scheisse gegangen ist und die mir den entscheidenden Impuls in meiner dunkelsten Stunde gegeben hat -und der will ich nicht zur Last fallen
    -es liegt ganz allein und ausschließlich bei mir, mein Verhalten zu ändern


    Was habe ich also gemacht? Ich habe intensivst Jobsuche betrieben, zum 1.2.2011 wieder angefangen zu arbeiten, habe mich dann langsam vorwärts gearbeitet, mit einem Minimum an Geld, weil der Löwenanteil für die Abzahlung der diversen Schulden drauf ging, mich weitergebildet und im Job verbessert, mich wieder in die 'reguläre Gesellschaft' (also zu den Hamstern) eingegliedert und mir selbst ein neues Mindset verordnet.


    Mittlerweile haben wir nach ihrer Wohnung die zweite gemeinsame Wohnung (und haben uns beide Male deutlich verbessert), meine Schulden sind bereits auf unter 20K abgezahlt, ich arbeite in einem Beruf, der zwar stressig, aber ziemlich erfüllend ist (IT-Projektmanager), das Feiern mache ich deutlich moderater und nur noch am WE oder im Urlaub (obwohl mir das nach wie vor Spaß macht) und ich genieße das neue -oder auch zweite- Leben, das ich so bekommen habe.
    Und ja, ich genieße es auch, wieder ein Teil der Gesellschaft zu sein, auch wenn mir daran beileibe nicht alles gefällt.


    Entgegen meiner sonstigen Gewohnheiten habe ich damit mehr gesagt, als ich den meisten Menschen die ich kenne, erzählen würde, aber mir war wichtig auch den Aspekt "unfreiwillige Isolation" zu betrachten und was das aus Menschen machen kann.
    Auch wenn ich immer noch Altlasten mit mir rumtrage, habe ich mir dieses Jahr einen Phönix stechen lassen, weil ich einfach das Gefühl hatte und habe, dass ich mir den wirklich und wahrhaftig verdient habe.


    Sorry für den doch so langen Post!


    So long,
    Sam

  • Hut ab vor der Freundin die zu Dir gehalten hat.:)


    Da kann man nur hoffen, dass Du es wirklich verstanden hast welches Juwel Du an Deiner Seite hast
    und dankst es Ihr langfristig.


    Ich will das nicht zu sehr vertiefen, aber teilweise liegt das Ausgliedern aus der Gesellschaft auch an den Betroffenen,
    die logischerweise immer frustrierter werden und sich selbst sei es aus Scham oder aus Frust zurückziehen
    oder unausstehlich werden.


    Für manchen ist solch ein gravierender Einschnitt im Leben auch ein Reinigungsprozess (wenn er es schafft
    wieder aufzustehen) und seine Betrachtung der eigenen Persönlichkeit und des Umfeldes klettert
    auf ein anderes, besseres Niveau.


    Wenn man in der Situation steckt kann man es sicher nicht als Chance sehen, aber im Nachhinein.


    Gruß


    Michael

  • Zitat von Grübler;199568


    . Niemand zwingt in den dritte Welt-Ländern die Leute für 30 cent / Stunde zu arbeiten. Aber in deren Kontext ist das auch viel Geld und auch eine Alternative als sich nur um Nahrungsbeschaffung zu kümmern. Aber der Punkt ist, sie müssen nicht für europäische Konzerne arbeiten. Sie können sich auch am Reisfeld den Rücken krum schuften..


    Hier irrst Du Dich gründlich. Auch in der 3. Welt gehört alles Land irgendjemanden.
    Wenn ein Bauer ein Stück Land hat, von den er gerade so über die Runden kommt und 2 Söhne, so muß sich einer der Söhne woanderst nach einen Einkommen umsehen.


  • Da frage ich mal ganz provokant zurück: Spielt das eine Rolle?


    Letztendlich ist es doch so, dass jeder von uns fremdgesteuert ist. Auch ich wäre natürlich lieber völlig unabhängig, würde das Hamsterrad lieber heute als morgen verlassen. Aber kann ich das? Theoretisch ja, vorausgesetzt, ich kann es mir leisten. Denn: meine Grundbedürfnisse bleiben bestehen. Ich muss essen, trinken, brauche Wärme, Schutz, etc. Im Grunde war die Menschheit schon immer in einem Hamsterrad namens Überlebenskampf gefangen. Als Schuldigen kann man hier wohl die Natur bezeichnen, deren Teil auch wir sind.


    Das Aussteigerspiel habe ich ebenfalls mal gespielt. Mit dem Ergebnis, dass es in Europa nicht wirklich möglich ist. Es sei denn, man möchte aus Mülltonnen oder von der Wohlfahrt/Harz4/... leben. Vom sozialen Umfeld in dem man dann landet möchte ich gar nicht sprechen. Oder es ei denn, man ist reich. In meinen Augen also eher was für Privilegierte. Siehe Sams eindrucksvolles Beispiel. Und auch Redack hat sich dann auch entschieden wieder zurück zu kehren. Warum wohl...


    Zu Deinen anderen Punkten gebe ich Dir absolut recht. Aber da dreht sich die Menschheit im Kreis. Dank unseres einzigartigen Organs zwischen den Ohren wäre es ja überhaupt kein Thema viele der aktuell durch Geldsystem/Religion/Fremdenhass/usw. verursachten Probleme vielleicht nicht zu lösen (man kann es unmöglich jedem Recht machen) aber doch wenigstens abzuschwächen. Die Tools dazu hat die Menschheit schon längst entwickelt. Nur kommen diese Tools halt nicht zum Wohl der Allgemeinheit zum Einsatz sondern nur derer, die die Macht über diese Tools haben.


    Statt also einer "Flucht aus dem System" (ist doch eh alles scheiße hier) halte ich es für besser, an mir persönlich zu arbeiten und mit dem Hier und Jetzt klar zu kommen und mich in meinem sozialen Umfeld auf die wirklich wichtigen Dinge zu konzentrieren. Die Entwicklung von Akzeptanz, Toleranz und Spiritualität (nicht Religion!) spielen bei mir in dem Rahmen ein wichtige Rolle.


    Aber das ist auch nur meine persönliche Strategie. Ignoranz oder Egoismus können ebenfalls perfekte Strategien sein um durchs Leben zu kommen. :face_with_rolling_eyes:

    I feel a disturbance in the force...

  • Zitat von Udo (DL 8 WP);199504


    Man kann mbMn dieses Thema eigentlich auf die Grundsätze unserer Gesellschaft zurüchtitrieren, in dieser Gesellschaft werden "gut geölte" Industriesklaven hernagezüchtet, die möglichst ohne "Mullen und Knullen" in einer Konsumgesellschaft bei Laune gehalten werden sollen um "fleissigst" (in einer Art Hamsterrad mit ein paar Zuckerstückchen garniert) zu arbeiten....


    Hallo Udo,


    ich sehe das anders. Ich interessiere mich ein wenig für Geschichte. Nicht die Geschichte, die von Königen, Generalen und Politikern geschrieben wurde, sondern die Frage, wie die Menschen in verschiedenen Epochen gelebt haben.


    Wenn ich mir eine Wiedergeburt wünschen könnte, dann wäre das in keinem anderen Zeitalter als dem unseren und in keiner andren Gesellschaft als der westlichen Industriegesellschaft.


    Schau Dir mal an, wie ein Bauer zur Zeit des Feudalismus und der Leibeigenschaft oder ein Industriearbeiter im 19. Jahrhundert lebten. Das waren Sklaven - und zwar ohne Zuckerstückchen. Da war Survival das tägliche Brot, nämlich der Kampf um dasselbe in 12-14 Stunden am Tag. Bei nahezu völliger Rechtlosigkeit und absolutem Zwang zu politischer, religiöser und gesellschaftlicher Konformität (sexuelle eingeschlossen)


    Dagegen in unserer heutigen "Industriesklavengesellschaft"? Ich erhielt von der Grundschule bis zum Uni-Diplom kostenlos eine erstklassige Bildung. Ich konnte mir meinen Beruf frei aussuchen. Ich hatte und habe trotz einer ca. 45h-Woche letztlich Freizeit ohne Ende. Allein, dass ich als Moderator einige Stunden pro Woche in diesem Forum tätig bin, spricht doch schon Bände ....


    Ich hatte mehrere Beziehungen, ehe mir schliesslich meine BEVA über den Weg lief, auch mit der habe ich einige Jahre unehelich auf Probe zusammengelebt. (früher: Scheiterhaufen). Ich gehöre keiner Religion an und bis sogar aktiver Religionskritiker (früher: Scheiterhaufen). Ich nehme in politischen Diskussionen kein Blatt vor den Mund (früher: Gefängnis)


    Meinen Kleidungsstil kann ich zumindest in der Freizeit absolut individuell wählen. (früher: unmöglich)


    Ich fahre mit meinem HZJ75 in die Sahara oder gehe in der Karibik segeln. Sklavenmerkmale? Noch meine Oma ist nicht viel über ihr Dorf rausgekommen. Eine Fahrt in die Kreisstadt zum Einkaufen war ein Ereignis.


    Allein auch meine Ausrüstung und meine Vorräte. Der Proletarier des 19. Jahrhunderts war froh, wenn er Lebensmittel für den nächsten Tag im Haus hatte. Eine Diskussion über das beste Messer, den besten Schlafsack oder die beste Taschenlampe wäre ihm so fremd gewesen, wie uns eine Diskussion über einen A380 als Privatflieger.


    Meint


    Matthias

    They who can give up essential liberty to obtain a little temporary safety, deserve neither liberty nor safety.
    Benjamin Franklin (1775)

  • Waldschrat


    Das Thema überhaupt.


    Alles richtig, so ähnlich ist es mir in meiner Entwicklung auch ergangen.


    Selbstverständlich würde auch ich nicht in einer der vorherigen Gesellschaften leben wollen.


    Aber wenn man tiefgreifend darüber nachdenkt erscheint es (zumindest mir) in einem anderen Licht.


    Der Punkt liegt darin, dass Udo leider auch Recht hat.


    Wir müssten nach Jahrhunderten der "Aufklärung" eigentlich in der Lage sein, eine "noch" gerechtere Gesellschaft bereits geformt zu haben
    als unsere jetzige.


    Auch wenn wir hier in Deutschland eines der besten politischen, gesellschaftlichen und rechtlichen Systeme der gesamten Welt haben
    so bleibt doch vieles offen.
    Mit etwas besseres meine ich nicht Kommunismus oder ähnliche Formen.


    Aber solange eine Überbewertung in allem liegt, was mit Kapital zu tun hat wird es nicht funktionieren.
    Ich will hier keine politischen Diskussion eröffnen, aber wenn man die politischen Prioritäten der letzten Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte
    betrachtet dann ist es am besten man schließt die Augen und sagt:
    Es ist wie es ist, Punkt.


    Zur Zeit erleben wir in der Welt sogar die abstruse Entwicklung einer Rolle rückwärts sichtbar in Ideologien (Russland u.a.) und Religionskriegen, auch wenn sie meist
    nur ein Vorwand sind für egoistische Machtgelüste.


    Leider bin ich zu der Auffassung gekommen, dass wir es in diesem Jahrhundert nicht mehr schaffen werden.
    Vielleicht sind nachfolgenden Generationen reifer die wahren Werte des Lebens zu erkennen und in den Vordergrund zu stellen.



    Ich glaube in vielen von uns ist eine umfassende menschliche und soziale Verantwortung anderen gegenüber verankert (warum eigentlich?).


    Sie begrenzt sich in der realen Anwendung allerdings auf die Familie, vielleicht noch auf Freunde und das war es.



    Gruß


    Michael

  • Das Leben das wir hier führen können wir auch nur führen indem wir andere Menschen ausnutzen. Wenn es nur ein paar Millionen Menschen auf der Welt geben würde, dann hätte jeder genug Platz und Abstand um sein Leben so zu führen wie er will und würde keinen anderen stören. Aber wollen wir das wirklich?


    Waldschrat hat das sehr gut beschrieben. Wenn ich Urlaub in der Karbik machen will, dann sind da sicher an die 100 Menschen beteiligt, dass ich das machen kann. (Flugpersonal, Hotelangestellte,...) Diese Menschen werden alle ungleich ungerecht bezahlt (das Zimmermädchen wird für 10-12h / Tag ~800 Euro netto erhalten, der Pilot bekommt für 1x starten und landen 5000 Euro. Aber wenn ich nun glaube, dass Pilot der beste Beruf ist, denn ich mir auf der Welt vorstellen kann, dann kann ich diesen Beruf auch selber ausüben. Niemand hindert euch daran Politiker zu werden und die Entwicklung der Gesellschaft positiv zu beeinflussen.


    Man kann wie hier gezeigt als Aussteiger oder HartIVler leben und natürlich gibt es auch in diesem Leben immer wieder Situationen die bewältigt werden müssen. Das wird es in jedem "Job" geben, das Schlaraffenland ist und bleibt ein Märchen. Aber ich finde es toll Geld als Programmierer zu verdienen. Das ist auch nicht immer ein Honigschlecken, aber im Endeffekt überwiegt für mich die durch mein Einkommen erreichte Flexibilität gegenüber meinem Arbeitseinsatz. Als Nebeneffekt kann ich durch meine Dienstreisen die Welt kennenlernen, positiv als auch negativ. Ich finde die Berichte hier super und der Gedankenaustausch hier im Forum bringt mir persönlich etwas, aber ihr solltet euch auch im klaren sein, dass hier im Forum sudern NICHTS an unserer Gesellschaft ändern wird.

  • Freundschaft und Partnerschaft


    Als Themen Eröffner ist man meiner Ansicht auch so etwas wie ein Moderator für sein Thema.
    Wir leben alle von und mit unterschiedlichen Erfahrungen, Meinungen und Diskussion, die uns dann im Allgemeinen weiterführen in unserer Entwicklung.


    Deshalb finde ich die in diesem Thread auch geäußerten sehr persönlichen Beiträge und Meinungen anderer User sehr belebend.



    Ihr habt es so gewollt, dann schreib ich noch ein bisschen:


    Bevor ich jetzt weiter über mein Nomadenleben schreibe möchte ich noch eine vorhergehende Phase darstellen, die mit Auslöser für meine Reise war.


    Im Jahr 1994 war ich mit meinem relativ kleinen Planungsbüro bestens aufgestellt und hätte in überschaubarem Rahmen in Ruhe so weiterarbeiten können. Teilweise arbeitete ich bei Großaufträgen sehr gut mit einem anderen größerem Architekturbüro zusammen.


    Bei einem gemeinsamen Projekt wurde mir ein Bauleiter zugeteilt, der es wirklich richtig drauf hatte. Wir kamen auch über persönliche Themen ins Gespräch, es harmonierte und machte Spaß.
    Ein halbes Jahr später war er schon mit seiner Freundin bei uns zu hause und auch die Frauen verstanden sich.


    Schleichend manifestierte sich der Gedanke ihn doch zu mir zu holen. Als wenn er es schon erwartet hatte ging er sofort darauf ein. Allerdings Bauleiter war er ja schon, kommen wollte er nur in einer neuen Position als Geschäftsführer.
    Nach reiflicher Überlegung wie ich meinte wurde 1995 der Vertrag aufgesetzt und er zum Geschäftsführer bestellt. Ordentliches Gehalt, gehobener Dienstwagen auch privat nutzbar, was man so braucht.



    Klappte prima. Er machte die Bauleitung und Abrechnung, ich die Akquisition und Planung. Statt 120 000 km im Jahr fuhr ich nur noch die Hälfte. Um das erhöhte Volumen zu schaffen hatten wir noch ein paar Bauingenieure eingestellt und den kaufmännischen Bereich vergrößert.


    Im folgenden Jahr kam meine Buchhalterin zu mir und erklärte, dass unsere Zahlen rapide in den Keller gingen. Da sie eine gute Bilanzbuchhalterin war gab es für mich keinen Zweifel daran.
    Nach etlichen Krisengesprächen mit meinem Geschäftsführer stabilisierte es sich auf niedrigen Niveau und ich habe mir nicht soviel Gedanken darübergemacht.



    Baustellen liefen prima, der Umsatz hatte sich glatt verdoppelt und die Kunden waren zufrieden allerdings blieb viel zu wenig über.
    Meine Buchhalterin maulte ständig. „Da stimmt was nicht!!“
    Aber nur anhand der Zahlen konnte sie es nicht konkretisieren.
    Ich habe nicht auf sie gehört.



    Osternsonntag 1998 um 9.00 Uhr klingelte bei mir daheim das Telefon. Einer meiner ältesten Kunden mit dem ich mich ausgesprochen gut verstand. Ich sollte mich sofort ins Auto setzen und zu ihm kommen. Wichtig.
    "Wir hätten doch die Planung und Bauleitung bei einem Kunden XY. Das wäre ein guter Bekannter von ihm. Seit wann wir denn schwarz abrechnen würden?"


    Ich fiel aus allen Wolken und erspare Euch das weitere Procedere.
    Jedenfalls hatte mein Geschäftsführer, der mittlerweile mein Freund war in die eigene Tasche schwarz abgerechnet und Kickbacks gemacht wann immer möglich.


    Ich habe ihn sofort raus geschmissen und versucht den Schlamassel zu klären.
    Anschließend eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft beauftragt. Sie fanden nichts belegbares aber seien sich sicher, dass ich im großen Stil betrogen worden bin. Es gab nichts handfestes, nicht schriftliches.
    Mein sauberer Freund verklagte mich anschließend vor dem Arbeitsgericht für den fristlosen Rausschmiss und da ich keine Beweise hatte zahlte ich noch brav ein halbes Jahr sein Gehalt.



    Das alles hätte ich überstehen können, denn eigentlich war es nur Geld und eine riesige menschliche Enttäuschung.


    Bloß jetzt stand ich da ohne kompetenten Bauleiter mit einem viel zu großem Auftragsvolumen. Meine jungen Bauingenieure waren noch nicht weit genug.
    Man kann solche Geschichten nicht schlagartig runter fahren, manche Projekte dauern bis 2 Jahre.
    Das eigentlich befreundete größere Architekturbüro, das mir problemlos hätte helfen können war nicht mehr befreundet nachdem ihr bester Bauleiter bei mir angefangen hatte



    Im Dezember 1999 war ich durch.
    Aufträge abgearbeitet, Firma gerettet und geschrumpft, 11 Mitarbeiter entlassen, Ehe kaputt, Kinder stinkend sauer und meine Herzprobleme fingen an.


    Genau am 25. Dezember lag ich abends allein im Bett meiner kleinen Mietwohnung (meine Frau war mit den Kindern im Haus geblieben) und die Tränen schossen mir so was von mächtig aus den Augen wie ich es noch nie erlebt habe. Heute weiß ich, dass es ein totaler Burnout war.


    Die Gedanken drehten sich immer im Kreis, ich wurde vollkommen antriebslos. Ich habe sage und schreibe 3 Wochen im Bett gelegen, hatte keinen Appetit und hab nur Wasser getrunken.
    Nach 4 Tagen habe ich ab und an ein Stück Schokolade gegessen. Toilettengänge bezogen sich nur noch aufs Wasserlassen.
    Dusche? Wozu??


    Immerhin habe ich es geschafft auf Anrufe von Freunden und Verwandten recht solide zu antworten, sonst hätten sie mich abholen lassen.



    Und komischerweise nach diesen 3 Wochen eines morgens fühlte ich mich zwar schwach, aber ich hatte Appetit und die irrsinnige Lust Musik zu hören.
    Ein vollkommen befreiendes Gefühl setzte zunehmend ein.


    Ich war wieder da und schmiedete Pläne wie es auch privat weitergehen konnte.
    Die Ehe war nicht mehr zu retten, aber meine Kinder haben mir verziehen.



    Im Februar 2000 habe ich das Büro wieder eröffnet und mit kleiner Mannschaft weitergearbeitet bis...
    seht Post 1.



    Heute betrachte ich das alles ganz nüchtern und rational als Lebenserfahrung die mich zu dem gemacht hat der ich heute bin.



    Gruß


    Michael

  • Redack, auch wenn du von deinem Geschäftsführer hintergangen worden bist und dadurch im Burnout gelandet bist, so hast du dadurch doch fast die komplette Bandbreite des Lebens kennen gelernt. Ich danke dir hier für deine offene und ehrliche Art wie du von deinen Erfahrungen berichtest. Ich vermute mal, dass du zu deinen besten Zeiten im 5-stelligen Bereich verdient hast und das auch komplett ausgegeben hast, oder? Kannst du uns sagen ob es das wert war? Ich meine, den Stress, den Aufwand und ob du glücklicher und zufriedener warst, als du mehr Geld ausgeben konntest?