Für jeden der in einer größeren Stadt lebt mag der Titel vielleicht etwas reißerisch klingen. Ich aber bin definitiv ein Landei! Aufgewachsen in Ostwestfalen, dort wo der Teutoburger Wald langsam in das norddeutsche Tiefland übergeht. Fast konnte man dort schon die Nordsee sehen und riechen.
Meine Kindheit war also geprägt von täglichen Streifzügen in die nähere und weitere Umgebung. Wiesen, Acker, Bäche und Wälder. Das war mein Spielplatz. Zwar habe ich immer mal wieder in Großstädten gelebt, z.B. während meiner Ausbildung und des Studiums, bin aber immer wieder in ländliche Regionen zurück gezogen.
Nun war ich wirklich schon lange nicht mehr in einer Großstadt unterwegs. Klar, ein Projekt hier und ein Projekt dort. Das waren aber meist Industriegebiete, wo man morgens hinein fährt und abends es wieder verlässt.
Nun aber hat mich ein größeres Projekt in einem ehemaligen Staatsunternehmen nach Frankfurt Downtown verschlagen. Natürlich ist das ein Vorteil für mich: Ich bin abends daheim und kann, noch ganz ungewohnt für alle, am familiären Alltag teilnehmen.
Normalerweise also bin ich mit meinem Auto unterwegs. Ganz allein und unbehelligt konnte ich meine Kilometer abreißen, Musik hören oder meinen Gedanken nachhängen.
Nun macht eine Fahrt zur Bürozeit nach Frankfurt überhaupt keinen Sinn. Stau am Morgen, Stau am Abend. Und dann diese ewige Parkplatzsuche. Also fahre ich mit der S-Bahn. Mit 100en anderer Menschen auf engstem Raum. Permanent wird man berührt, angehustet und muss sich zwangsweise Unterhaltungen oder Telefonate, also eigentlich private Informationen, anhören ohne das man gefragt wird.
Für mich ist das auf der emotionalen Ebene wirklich schwierig. Aber immer noch besser, als mit dem Auto zu fahren. Zumal ich mich an die Umstände ja noch gewöhnen werden. Hoffe ich jedenfalls. Soweit, so gut.
Welche Vorsorgemaßnahmen muss ich treffen? Was kann mir unterwegs eigentlich alles passieren? Wie komme ich am besten wieder nach Hause, sollte etwas passieren?
Hier der Ablauf einer typischen An- und Abreise zu meinem Kunden:
Von daheim gehe ich die drei Kilometer zur Haltestelle zu Fuß. Ich könnte auch einen Bus nehme, der ist aber auch nicht schneller. Der Weg führt nach kurzer Zeit entlang an einer Hauptverkehrsstraße. Ich trete zum Einen Asphalt. Und zum Anderen atme ich jede Menge Abgase ein. Sehr unangenehm, aber für den Städter wohl normal. Der merkt das gar nicht mehr, denke ich. Für die ca. drei Km benötige ich 30 Minuten flotten Schritt.
Anschließend setze ich mich mit all den "anderen" in die S-Bahn. Hölle, aber geht nicht anders. Ca. 20 Minuten später bin ich dann in Frankfurt und steige dort am Hauptbahnhof aus. Noch mehr Menschen. Dichtes Gedränge am Bahnhof und sogar auf den Straßen. Gerüche nach Maschinen, Parfüm, Abgasen und diversen Fressbuden verwirren Nase und Geist. Dazu der Lärm.
Bis zum Kunden sind es nochmals ca. zwei Kilometer. Ach die gehe ich zu Fuß. Ich könnte auch eine Straßenbahn nehmen. Die wäre im Ticket enthalten. Aber ich bin ja nicht verrückt.
Am Abend dann die ganze Geschichte rückwärts.
Ich fange mal an mit dem, was mir alles so passieren könnte und welche meine präventiven Maßnahmen sind:
Auf dem Weg zur S-Bahn sehe ich alles im grünen Bereich. Ich gehe an einer stark befahrenen Straße auf der linken Seite. Der Verkehr also kommt mir entgegen. Die können mich sehen, ich kann sie sehen. Das ist vielleicht nicht völlig ungefährlich, aber ich gehe auf dem Weg ganz links außen um einen möglichst großen Abstand zum Verkehrsgeschehen zu haben.
Am Bahnhof angekommen stelle ich mich relativ genau in die Mitte des Bahnsteigs zwischen die beiden Gleise. Zwar ist hier nicht ganz so viel los wie in Frankfurt, aber trotzdem ist so die Chance gering durch irgendeinen dummen Zufall auf das Gleis zu geraten während der Zug einfährt. Bin ich paranoid?
Ich stehe aber so, dass eine Einstiegstür in nächster Nähe zu mir hält. Ich steige nicht vorne oder hinten, sondern in der Mitte des Zuges ein. Was genau am meisten Sinn macht muss ich noch in Erfahrung bringen.
Ich verbringe die Fahrt stehend, angelehnt an eine Trennwand mit dem Blick nach hinten, meinem Rücken also in Fahrtrichtung. Meinen Rucksack habe ich zwischen den Beinen stehen. Ich stehe etwas abseits, so dass ich von herein- und heraus stürmenden Bankern nicht umgerissen werden kann.
Außerdem trage ich jetzt im Winter sehr warme Stiefel und einen Parka. Alles viel zu warm für die insgesamt 10 Kilometer die ich recht schnell marschiere. Im Rucksack befindet sich, außer dem Bürokram mein EDC-Survival-GHB-Kit, eine Packung (lecker) und ein Liter Wasser in einer Nalgene Flasche.
Warum bin ich so warm angezogen bin? Falls der Zug mit Maschinenschaden (Niederflurbahn mit Dieselmaschine) liegen bleiben sollte bin ich der, der nicht frieren wird. Wenn ich sehe wie die "anderen" so gekleidet sind... Allein die Schuhe... Da kann ich nur mit dem Kopf schütteln.
In Frankfurt angekommen steige ich als letzter aus dem Abteil und gehe etwas langsamer um nicht im eiligen Pulk am Ausgang stecken zu bleiben.
Auf der Straße das gleiche Spiel wie auf dem Weg zum Bahnhof. Ich gehe ganz links mit dem Verkehr im Blick. Allerdings sind am Bahnhof auch jede Menge Menschen unterwegs, die es in Ihrem Leben nicht so gut getroffen haben wie ich. Um nicht angesprochen zu werden richte ich den Block auf den Boden und schaue nur ab und zu mal auf um andere Passanten nicht zu rempeln.
An den Fußgängerampeln warte ich in gebührendem Abstand zum Verkehr und nicht wie die meisten anderen Fußgänger direkt am Straßenrand wo sie mit ihren Hufen scharren um in dem Moment los zu springen wo die Ampel auf grün geht.
Zum Glück sitze ich beim Kunden im Erdgeschoss. Ich muss also keine Abseilvorrichtung mit schleppen. :grosses Lachen:
Tja. Und das war es.
Das Schöne ist, dass ich von Tür zu Tür zu Fuß "nur" 18 Kilometer laufen müsste. Ich bin also im Notfall nicht auf irgendwelche Verkehrsmittel angewiesen wie sonst immer. Sobald das Wetter etwas besser ist, werde ich sowieso mit dem Rad fahren. Und sobald es etwas heller ist, werde ich an einem Freitag mal wirklich zu Fuß heim gehen um die Strecke dann auch mal getestet zu haben.
So. Dies ist ein kurzer Abriss meiner Gedanken zum Thema "Überleben in der Großstadt als Landei".
Sollte es noch Anregungen von echten Großstadtprofis geben, wäre ich wirklich dankbar.