Psychiatrische Erkrankungen- Basiswissen (Einführung)
High!
In diesem Forum wurde schon viel über somatische (körperliche) Erkrankungen und deren Behandlung geschrieben. Nur wenigen dürfte bewusst sein, dass das Risiko selbst oder dass ein Mitglied der Gruppe psychisch erkrankt, speziell unter den extremen Bedingungen die hier für die Zukunft angenommen werden, sehr hoch ist. Denkt nur an die grosse Anzahl traumatisierter Soldaten in den gegenwärtigen Kriegen. Alle Vorbereitung wird nur wenig helfen, wenn du selbst oder deine Angehörigen nicht mehr so „funktionieren“, wie geübt oder angenommen wird, wenn ein oder mehrere Mitglieder ausflippen oder gar nichts mehr machen.
Ein anderer Aspekt des Zusammenbruches der staatlichen Ordnung ist die Freisetzung bisher untergebrachter psychisch kranker Menschen aus Akutpsychiatrien, Forensiken (straffällige, untergebrachte psychisch Kranke), Wohnheimen, geschlossenen Pflegeheimen, betreuten Wohngemeinschaften. Neben den „Normalverrückten“ werden euch dann so einige echt auffällige Typen auf den Straßen (hoffentlich nicht in euren Wohnungen/ Refugien…lach) begegnen.
Diese Folge von Beiträgen zu psychischen Erkrankungen ist für Laien geschrieben und soll diese in die Lage versetzen:
- die wichtigsten psychischen Erkrankungen zu (er)kennen
- im Umgang mit diesen Menschen sich „richtig“ oder adäquat zu verhalten
- einen Einblick in die Behandlungsmethoden zu bekommen, auch unter Survivalbedingungen
Um die Länge der Beiträge einzugrenzen und die Verständlichkeit zu erhöhen, ist eine gewisse Vereinfachung und Pauschalierung leider nötig. Die hier anwesenden Psychiater und/ oder Psychologen mögen mir dies verzeihen. Die folgenden Erklärungen und Anleitungen fußen jedoch auf den aktuellen, schulmedizinischen Erkenntnissen und Behandlungsmethoden.
Der Autor dieses Beitrages arbeitet seit 15 Jahren als Krankenpfleger auf einer großstädtischen, akutpsychiatrischen Station .
LG
Butzi
Grundlagen
Wir unterscheiden zwei große psychische Krankheitsgruppen:
- Psychosen
- Persönlichkeitsstörungen (früher Neurosen genannt)
Psychosen: Die Psyche (der Geist) ist in drei Aspekte aufgeteilt, Denken, Fühlen und Sinneswahrnehmungen. Im Zusammenhang mit geistiger Gesundheit oder Erkrankung interessieren hier die beiden Ersten. Die wichtigste Psychose des Denkens ist die Schizophrenie, die des Fühlens sind die Depression, die Manie und Mischformen aus beiden.
Die Ursache einer Psychose ist (schulmedizinisch) immer ein Ungleichgewicht der biochemischen Vorgänge an den Verbindungsstellen der Hirnnerven (Synapsen). Es gibt hier zu viel oder zu wenig eines oder mehrerer bestimmter Botenstoffe (Neurotransmitter). Diese Botenstoffe leiten die „Information“ von einer zur nächsten Nervenzelle weiter. Sind sie im Ungleichgewicht, wird die Information nicht korrekt weitergegeben und „Störungen“ entstehen. An dieser Stelle setzen auch alle psychiatrischen Medikamente (Psychopharmaka) an.
Persönlichkeitsstörungen (Neurosen): Sie haben keine Ursache in der Biochemie des Gehirns. Sie entstehen durch ein „an erworbenes Fehlverhalten“, eine unpassende Reaktion auf einen Auslöser (Trigger), eine undienliche Konditionierung. Sie werden überwiegend psychotherapeutisch behandelt, bei extremen Formen auch unterstützend mit Psychopharmaka.
Beispiele: Belastungsreaktionen, Ängste und Phobien, Zwänge, Borderline, Süchte etc. .
Psychisches Trauma
Psychische Traumata (Wunden) sind das geistige Gegenstück zu körperlichen, schweren Verletzungen. Sie sind die Erinnerung bzw. der Eindruck, den ein einschneidendes Erlebnis in der Psyche der betroffenen Person hinterlassen hat. Ein psychisches Trauma kann sowohl durch ein körperliches als auch durch ein seelisches Erleben der betroffenen Person oder beides verursacht werden. Oft wird auch die traumatisierende Situation selbst als Trauma bezeichnet. Übersteigen Traumata das Verarbeitungsvermögen des Betroffenen, so entwickeln sich psychische Erkrankungen. Die Frage, ob ein Ereignis traumatisierend ist, ist zum einen abhängig von der Art und Stärke des Ereignisses/der Situation und von der Person, die der Situation ausgesetzt ist.
Bei der Verarbeitung des Ereignisses spielt die Gesamtverfassung des Betroffenen oft eine entscheidende Rolle. Daneben gibt es auch Ereignisse und Situationen, die bereits auf Grund ihrer Schwere oder Unvereinbarkeit mit menschlichen Leben für alle Menschen „traumatisierende“ Wirkung haben.
Umgekehrt gibt es auch Menschen, deren Bewältigungsfähigkeit und Abwehrmechanismen besonders stark ausgeprägt sind und die Empfindlichkeit überdurchschnittlich gering ist. Diese Menschen sind dann im Durchschnitt resistenter als andere.
Beispiele für Erlebnisse, die Traumata auslösen können, sind Gewalt, Krieg, Mord, Folter, Vergewaltigung, sexueller Missbrauch, körperliche und seelische Misshandlung, Unfälle, Katastrophen oder Krankheiten. Mitunter kann die bloße Zeugenschaft eines solchen Ereignisses auf die beobachtende Person traumatisierend wirken. Ein von Menschen verursachtes Trauma (Vergewaltigung, Folter…) wirkt schlimmer als wenn das Trauma „zufällige“ Ursachen hatte (Naturkatastrophen, Unfälle…).
Ist die Verarbeitung traumatisierender Erlebnisse gestört, entwickeln sich Erkrankungen/Störungen die sich ähneln aber in Intensität und zeitlichem Ablauf unterscheiden:
- Akute Belastungsreaktion
- Anpassungsstörung
- Posttraumatische Belastungsstörung
Akute Belastungsreaktion (AB)
Die AB ist eine psychische Störung von beträchtlichem Schweregrad nach überwältigenden, traumatischen Erlebnissen. Sie tritt direkt nach dem belastenden Trauma auf.
Symptome: treffen alleine oder in Kombination auf
- Psychischer Schockzustand: Erstarrung (sitzt oder steht bewegungslos da, weit aufgerissene Augen, antwortet nicht, lässt sich willenlos herumführen)
- Panik, Todesangst
- Blutdruckanstieg, Herzrasen, Engegefühl
- Bewegungsstörungen, z.B. unfähig die Hände zu bewegen, Beine versagen, Stimme versagt
- Lallt und geht wie betrunken
- Krampfanfälle
- Sensibilitätsstörungen, Blindheit, Taubheit
- Amnesie, erinnert sich später nicht mehr an die Situation
- Körperlicher Schockzustand:
- Bewegungssturm: Unruhe, läuft ziellos herum, wehrt sich, wenn er angefasst wird, schlägt mit dem Kopf gegen die Wand
- Blutdruckabfall, Pulsbeschleunigung, Zittern, Schwitzen, kühle Extremitäten, Blässe
Massnahmen:
- Erkrankten von auslösenden, traumatisierenden Reizen abschirmen, wenn möglich an ruhigen Ort bringen
- Wenn nicht bekannt sich unbedingt vorstellen, Kontakt aufnehmen
- Nicht alleine lassen
- Bei Panikattacken: Ruhe bewahren, eigene Unsicherheit steigert die Panik; hyperventiliert der Mensch, Gefahr eines Krampfanfalles: Auffordern ruhig zu atmen mit Betonung der Ausatmung, evtl. Tüte vor Mund und Nase halten und hinein atmen lassen (soll dicht sein), vorher erklären
- In beruhigendem Ton ansprechen: „Du bist jetzt in Sicherheit“, „wir tun alles Notwendige“
- Keine plumpen Beschwichtigungsversuche, lieber vorerst nichts zu dem belastenden Ereignis sagen als es zu banalisieren
- Vorsichtig Körperkontakt aufnehmen z.B. Hand halten, oft nimmt er/sie gar nicht wahr, was man sagt, spürt aber durch die Berührung, dass jemand da ist
- Bei Zurückschrecken vor Körperkontakt, die Grenzen akzeptieren, nicht aufdringlich sein und nicht beleidigt zurückziehen
- Immer erklären, was man macht, auch wenn es so aussieht als ob es nicht wahrgenommen wird, was man sagt
- Bei körperlichen Schocksymptomen (Blutdruck nieder und Puls hoch): Beine hochlagern, zudecken
- Bei Zittern: Decke anbieten- das Einhüllen vermittelt Geborgenheit
- Trinken und Essen anbieten, wird meist zunächst abgelehnt, nicht nachdrücklich werden
- Fragen, ob auf die Toilette muss, begleiten, Menschen im seelischen Schock können schlecht für sich selber sorgen und nehmen oft die eigenen Bedürfnisse nicht wahr
- Tatsachen nicht beschönigen, keine Notlügen, sachliche Aufklärung ohne ins Detail zu gehen
- Für viel und ruhigen Schlaf sorgen
Prognose: Die Prognose ist gut. Gelingt es den erkrankten Menschen aus dem traumatisierenden Umfeld herauszuholen und wohlwollend, geduldig, rund um die Uhr und eventuell sogar liebevoll zu betreuen, so dauert die AB von einigen Stunden bis zu einigen Tagen.
Medikamente: In schweren Fällen oder wenn ein Entfernen aus der auslösenden, traumatisierenden Situation der betroffenen Person nicht oder nur bedingt möglich ist:
- Benzodiazepine: Lorazepam (Tavor) 3 mal 0,5 bis 3 mal 2,5 mg pro Tag (bestes Medikament gegen Ängste aber hohes Abhängigkeitspotential bei längerer Gabe (wenn mehrere Tage, dann Ausschleichen)) oder Diazepam (Valium) bis maximal 60mg pro Tag (wie Tavor)
- Niederpotente Neuroleptika (wenn keine Benzos vorhanden oder zum garantierten „Schlafenlegen“): Promethazin (Atosil) bis 1000mg pro Tag, Levomepromazin (Neurocil) bis 600mg pro Tag (Achtung: Echte K.O.- Tropfen, kein Suchtpotential aber ziemlich Blutdrucksenkend!)
- Hohe Dosierungen nur unter erfahrener Betreuung und keine Verantwortung des Autors!!
Über Psychopharmaka wird es noch einen eigenen Beitrag geben, bis dahin bitte nichts geben!..lächel
Posttraumatische Belastungsstörung (PTB)
Unter dem Begriff posttraumatische Belastungsstörung versteht man eine verzögerte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine außergewöhnliche Bedrohung. Übersteigen Traumata das Verarbeitungsvermögen des Betroffenen, so kann sich eine PTB entwickeln. Diese Störung kann sich Tage, Wochen oder Monate nach dem auslösenden Trauma entwickeln.
Die Häufigkeit/ Wahrscheinlichkeit eine PTB zu entwickeln richtet sich nach der Art des Traumas:
- Ca. 50% nach Vergewaltigung
- Ca. 25% nach anderen Gewaltverbrechen
- Ca. 20% bei Kriegs- und 15% Verkehrsunfallopfern
Symptome: Treten einzeln oder in Kombination auf
- Depressivität
- Abstumpfung, Betäubung, allg. Rückzug, Interessenverlust, innere Teilnahmslosigkeit und Leere
- Überregtheit, Schlafstörungen
- Bewusste oder unbewusste Meidung von mit dem Trauma verbundenen Reaktionen
- Angst und erhöhte Schreckhaftigkeit, Panikattacken
- Alpträume und Flash- Backs mit emotionalem Wiedererleben der traumatisierenden Szenen
- Selbstverletzendes Verhalten, Suizidalität
- Erinnerungen, die jeder Zeit durch ähnliche Situationen, Stichwörter, Geräusche etc. wachgerufen (getriggert) werden können
Etwas Neuropathologie oder „was läuft hier im Gehirn falsch“:
Stress: In einer bedrohlichen Situation reagiert der Körper mit einer Stressreaktion. Es werden Hormone ausgeschüttet (Adrenalin, Noradrenalin), die den Organismus auf Kampf oder Flucht vorbereiten. Als Folge steigen Blutdruck und Atemfrequenz. Sind aber weder Kampf noch Flucht möglich, bleibt der Organismus in unterdrückter Alarmbereitschaft. Diese „gespeicherte“ Stressreaktion springt bei bestimmten, dem Trauma ähnlichen Reizen sofort wieder an.
Informationsverarbeitung: Um auf Gefahren schnell zu reagieren, kürzt das Gehirn die Reizleitung ab. Es wäre z.B. fatal, wenn wir lange überlegen müssten, ob ein auf uns zurasendes Auto gefährlich ist. In diesem Moment wird ein Teil des Gehirns, die Amygdala (Mandelkern), aktiv. Erst nachdem die Gefahr vorbei ist, wird die Information bewertet und in einem anderen Teil des Gehirns, dem Hippocampus, gespeichert. Genau dieser Prozess der Speicherung ist aber bei Traumapatienten gestört. Die Traumaspuren bleiben im Gehirn wie „eingebrannt“. Als Folge kommt es zu einer stark erhöhten Empfindlichkeit auf Ereignisse oder Reize (Trigger), die an das Trauma erinnern.
Maßnahmen:
- Herstellen einer Sicheren Umgebung
- Bei einer BTP muss das Erlebte verarbeitet werden. Dazu dürfen die Erinnerungsgedanken nicht unterdrückt und Vermeidungsstrategien nicht aufrecht erhalten werden.
- Eine professionelle Psychotherapie wird den Erkrankten behutsam an das Trauma heranführen und ihn damit konfrontieren. Das Trauma wird rekonstruiert, Erinnerungen, Vorstellungen und Empfindungen in Worte gefasst. Emotionen wird freier Lauf gelassen.
- Eine Verhaltenstherapie wird angewendet, um antrainierte Schutzmechanismen (den Triggern ausweichen) zu umgehen und aufzulösen
- Entspannungstechniken werden erlernt und angewendet (Autogenes Training, progressive Muskelentspannung nach Jakobsen, Yoga etc.)
- Psychoedukation, d.h. der Betroffene kennt sich selbst mit der Erkrankung aus, kennt Symptome und Verlauf
- Bei Panikattacken: Verständnis zeigen, helfen zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart zu unterscheiden, Ruhe ausstrahlen, Sicherheit vermitteln
Selbsthilfe:
Vielen Menschen, die Schreckliches erfahren mussten, hilft es, immer wieder über die belastenden Ereignisse zu sprechen. Denn bei Traumapatienten ist die Speicherung des Erlebten in einem bestimmten Gehirnareal, dem Hippocampus, gestört s.o. . Das Sprechen über das Erlebte beschleunigt die Ablage im Hippocampus. Die Folge: Der Mensch kommt innerlich zur Ruhe.
Hilfreich sind Sport und Bewegung, weil sie angestaute Stresshormone abbauen. Zudem wird der Körper durch die Anstrengung auf natürliche Weise ermüdet.
Immer wiederkehrende Alpträume können mit der Imaginationstechnik gemildert werden. Der Betroffene ruft sich tagsüber den Alptraum ins Gedächtnis, erfindet nun aber ein gutes Ende: Er verändert die Handlung entweder zum Positiven oder lässt Helfer auftreten, die Rettung bringen. Auch das Aufschreiben eines positiven Ausgangs kann helfen, den Alptraum für immer „abzulegen“.
Medikamente:
Im Vordergrund der Behandlung stehen zunächst Beruhigung und Stabilisierung- Vorübergehend eventuell Benzodiazepine.
Prognose:
Verlauf und Dauer der PTB sind individuell sehr unterschiedlich. Die Behandlung kann sich über Jahre erstrecken. Je früher die Störung psychotherapeutisch behandelt wird, umso besser sind die Heilungsaussichten.
Zusammenfassung 1
Nachdem nun die wichtigsten Störungen nach Traumaeinwirkung besprochen sind, stellen sich folgende Fragen:
- Wie habe ich selbst durchgemachte psychische Verletzungen verarbeitet?
- Was war/ist hilfreich bei der Verarbeitung, was erschwehrend?
- Welche Möglichkeiten gibt es generell mit (schwierigen) Situationen umzugehen?
- Was ist in Punkto Vorbereitung möglich?
In der psychiatrischen Forschung gibt es interessante Untersuchungen zum Thema Resilienz.
Unter Resilienz wird die Fähigkeit verstanden, schwierige Lebenssituationen erfolgreich zu meistern. Resiliente Personen haben typischerweise eine Reihe von Eigenschaften:
- Sie gehen mit Stress effektiv um
- Sie haben gute Problemlösefähigkeiten
- Bei Problemen bitten sie um Hilfe
- Sie glauben, dass es Möglichkeiten gibt, mit Lebensproblemen umzugehen
- Ihre Beziehungen zu Freunden und Familienmitgliedern sind eng
- Sie teilen vertrauten Menschen mit, ein Trauma erlebt zu haben
- Sie sind oft spirituell/religiös eingestellt
- Statt als „Opfer“ (victim) sehen sie sich als „Überlebende“ (survivor)- diese Unterscheidung im Englischen bedeutet, ob sich die traumatisierte Person als passiv und hilflos („Opfer“) erlebt oder als stark und selbstbestimmt, in der Regel in Verbindung mit einem bewussten Umgang mit dem Trauma („Überlebender“)
- Sie helfen Anderen
- Sie versuchen, dem Trauma etwas Positives abzugewinnen
Welche dieser Eigenschaften könnt ihr für euch als zutreffend abhaken? Entsprechend eurer Selbsteinschätzung bekommt ihr schon ein recht gutes Bild eurer eigenen „Traumaresistenz/Wiederstandsfähigkeit“. So bekommt ihr auch Hinweise, an was ihr eventuell noch zu arbeiten habt.
Arbeit bei Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst, Krankenhaus, Katastrophenhilfe etc. „härtet“ bis zu einem gewissen Grad ab, ist jedoch durch professionellen Umgang mit Dritten oder Fremden gekennzeichnet. Es ist daher keine Garantie, dass so eigenes Leiden und eigene (körperlich und psychische) Schmerzen, selbst erlebte Gewalt und „Schicksalsschläge“ und die enger Bezugspersonen, besser überstanden werden.
Der Umgang mit traumatisierten Menschen (und eigentlich mit allen Menschen!) sollte ehrlich, offen, zugewandt, fürsorglich, ruhig und echt sein. Wenn ihr euch um traumatisierte Personen kümmert, seid ganz da, ganz bei dem, was ihr mit dem Erkrankten macht. Gebt ihm/ihr das Gefühl für in/sie da zu sein, für Sicherheit zu sorgen, egal was auch passiert. Euer Gemütszustand hat einen sehr großen Einfluss auf den verletzten und verstörten Menschen. Hier ist eher Gefühl als Intellekt gefragt.
Sehr schön ausgedrückt hat das Samuel Shem:
„ Schau, ich will doch nichts weiter als lernen, wie man die Psychologie einsetzt, um Menschen zu helfen.“
„ Psychologie hilft den Menschen nicht.“
„Jetzt reicht’s mir aber. Ich gehe.“
„Warte!“ Er packte mich an der Schulter. „Das, was den Menschen hilft, hat nichts mit Psychologie zu tun. Es geht nicht darum, welche Theorie du anwendest oder Worte du gebrauchst.“
„Was hilft den Menschen dann?“
„Wenn jemand sich wahrgenommen fühlt, und wenn du spürst, daß er sich wahrgenommen fühlt, und du dich von ihm wahrgenommen fühlst. Genau dann, in diesem Moment, macht sich ein Hauch des Spirituellen bemerkbar. Das ist es. Das ist alles. Das Spirituelle. In der Psychotherapie ist Heilen ein spiritueller Akt.“
Samuel Shem
Mount Misery
Seite 362