Das richtige Timing

  • Ich habe mir mal ein wenig Gedanken zur richtigen Zeitabfolge der persönlichen Reaktionen auf einen Krisenfall gemacht, hier am Beispiel eines Stromausfalls, aber grundsätzlich auch übertragbar auf andere Punkte. Die Grundfrage lautet: Zu welchem Zeitpunkt reagiere ich wie, um einerseits der Lage gewappnet gegenüber zu stehen, andererseits aber nicht zu viel Arbeit und Ressourcen zu verschwenden, die später vielleicht überhaupt nicht benötigt werden?


    Bei der folgenden Überlegung spielt der Einfachheit halber keine Rolle, dass man sich eventuell außerhalb befindet. Auch über alles, was Interaktionen mit Hilfsdiensten oder öffentlichen Katastrophenschutzmaßnahmen betrifft, möchte ich hier eigentlich nicht diskutieren. Nehmen wir einfach mal an, dass man sich zu Hause befindet und der Strom weg ist. Es geht auch nicht so sehr um die einzelnen Maßnahmen an sich, zumal sie je nach Tages- und Jahreszeit bzw. sonstiger Rahmenbedingungen ohnehin verschieden ausfallen. Der Kern ist vielmehr, ob die Zeitabfolge in euren Augen so vernünftig gewählt ist und wie ihre die "Eskalationsschritte" eventuell anders terminieren würdet.


    Dazu habe ich mir jetzt die Abfolge von zwei Stunden, zwei Tagen und zwei Wochen zurecht gelegt.


    Stromausfall: Wenn ich einen Stromausfall feststelle, der nicht nach wenigen Minuten wieder zu Ende ist, greife ich mir, je nach Tageszeit, zuerst die Taschenlampe, schaue dann nach draußen, um festzustellen, ob auch Nachbarhäuser bzw. der Rest der Stadt betroffen ist, trenne dann alle empfindlichen Geräte vom Netz. Danach schaue ich, ob über das Smartphone bzw. das Batterieradio irgendwas in Erfahrung zu bringen ist. Ansonsten warte ich ab.


    Zwei Stunden nach Stromausfall: Da die Sache offenbar nicht ganz kurzfristig behoben wird, sammle ich Taschenlampen und Akkus zusammen, stelle Windlicht, Kerzen und Streichhölzer auf dem Küchentisch parat. In der kalten Jahreszeit würde spätestens jetzt der Ofen angemacht. Ich hole die 25-Liter-Kanister aus dem Keller und fülle 100 Liter Wasser aus der Leitung ab. Auch die Nottoilette wird bereitsgestellt. Ich versuche mir schnell einen Überblick über die Vorräte im Kühlschrank zu verschaffen, um zu sehen, was schnell weg muss. Alle Stunde höre ich das Radio ab, um Informationen zu erhalten. Ich versuche Kontakt mit Nachbarn aufzunehmen, um etwas herauszufinden. Vielleicht laufe ich zum Rathaus und zur Feuerwehrwache, um dort Informationen zu erhalten.


    Zwei Tage nach Stromausfall: Ich mache einen detaillierten Plan, was aus Kühl- und Gefrierschrank wann aufgebraucht werden muss. Falls noch Wasser aus der Leitung kommt, mache ich so viele Gefäße wie möglich voll. Die leeren Akkus werden per Trecking-Solarpanel bei jeder Gelegenheit geladen. Ich mache mir Gedenken zum Auffüllen des Nahrungsvorrats, falls derzeit in der Natur leicht etwas zu haben ist, versuche den Abfall optimal zu lagern, muss eventuell die Heizung entleeren.


    Zwei Wochen nach dem Stromausfall: Hier ist meiner Meinung nach der Punkt gekommen, an dem man zu so etwas wie Subsistenzwirtschaft umschalten muss. Also den Rasen am Haus umgraben und Kartoffeln pflanzen, eine Latrine in der anderen Ecke des Gartens anlegen, Brennholz und Wildpflanzen sammeln, jagen, wenn man kann und will, etc.


    Wie sieht euer Zeitplan aus? Ich bin gespannt.

  • Da ich mich derzeit mit derTrinkwasserproblematik beschäftige, würde ich gleich unmittelbar nach dem Stromausfall die Badewanne und vorhandene leere Gefäße /Leergut et. mit Leitungswasser füllen. Bei einem "Fehlalarm" einen halben Kubikmeter Wasser umsonst "gekauft".


    Im Winter würde ich, wenn sich das Haus nicht mehr mit denHolzöfen beheizen lässt, das Wasser aus den Leitungen , Heizkörpern und der Heizung ablassen.


    Nach zwei Tagen würde ich mal mit dem Verbarrikadierung der Behausung anfangen.


    frieder

  • Asdrubal

    Grundsätzlich in etwa der gleiche Ansatz.

    Ergänzung von meiner Seite:

    Sobald klar ist, dass der Grund für den Stromausfall nicht im Haus sondern extern liegt, würde ich meine Familie informieren. Ich will so bald als möglich meine Schäfchen bei mir haben oder zumindest sicher stellen, das alle Bescheid wissen....


    Da in der Nachbarschaft ein paar alte Witwen wohnen die ich schon von klein auf kenne, würde ich wohl bei nächster Gelegenheit vorbeischauen und meine Hilfe anbieten.


    Ansonsten würde ich abwarten und Tee trinken, es ist alles vorbereitet.


    Tsrohinas

  • Grundsätzlich sieht mein Ablauf ähnlich aus.


    Wobei ich mir um die Zeit von mehr als 14 Tage wenig Gedanken machen. Ah sind die Möglichkeiten in einer Großstadtwohnung limitiert und irgendwo verwischen dann m.E. die Grenzen zur "Vorbereitung auf eine Apokalpyse". (Ich will niemanden angreifen, der sich auf längere Zeiträume vorbereitet!)


    Ich sehe es aber ähnlich zu frieder59. Das Abfüllen von Wasser würde ich viel eher machen. Unter Umständen reicht der Wasserdruck nach 2-3h schon nicht mehr aus. Gerade im 6 Stock eines Mehrfamilienhaus.


    Auch finde ich sich um den Kühlschrank erst nach 48h recht großzügig. Ich meine der Hersteller gibt an, das unser Kühlschrank 72h die Temperatur hält, aber dennoch würde ich bereits nach max. 24h überlegen was weg muss. Gerade so Artikel wie Grillgut etc. lässt sich glaube ich Problemlos innerhalb der ersten 48h Problemlos zubereiten ohne das die halbe Nachbarschaft mit knurrendem Magen daneben steht.


    VG wit4r7

    Wer bei der Planung versagt, plant sein Versagen.

  • Ebenfalls grundsätzlich ähnlich.


    Wasser sofort in die Wanne und die nicht benutzten Gärbehälter. Auto so umparken dass ich direkt ohne Wenden wegfahren kann (egal wegen was). Fenster im OG kippen und 2 gut einsehbare im EG, da unsere Lüftungsanlage nicht gehen würde. Gaszufuhr trennen, sagt mir mein Bauch, keine Idee warum...


    Eltern besuchen, falls möglich, und prüfen wie deren Versorgung ist (schwer pflegebedürftig). Hier liegen große Angriffspunkte....


    Mit den Nachbarn, die ich eng kenne, ähnliche Vorgehensweisen besprechen und umsetzen!


    Aber warum sind die Kanister im Keller leer? Fülle sie ab und mische ein bißchen Katadyn Micropur Classic ein und du kannst sie voll bequem alle 4-6 Monate rotieren (als Gieß- oder Klowasser) und hast damit ein grundsätzliches Problem und damit verbundenen Aufwand begrenzt. Das Jagen und Brennholz sammeln käme für mich nicht in Frage, da wir Platz haben und damit 7rm Holz (neben einer knappen Tonne Kohlevorrat sowie Grillkohle und Gas) haben und ausreichend Vorräte, auch Trinkwasser.


    14 Tage ohne Fremdhilfe die die Ordnung halbwegs garantiert stellt mich vor andere Probleme als Licht, Wasser, Heizung und Nahrung.... Eher Sicherheit und Einigkeit und Organisation in der unmittelbaren Nachbarschaft sowie die Pflege näher Angehöriger...

  • Vielen Dank schon mal für eure Einschätzungen!

    Auch finde ich sich um den Kühlschrank erst nach 48h recht großzügig.

    Natürlich muss man auch innerhalb der ersten 48 Stunden was essen. Da sollten natürlich eventuell bereits gekochte Sachen, geöffnete Packungen oder besonders empfindliche Sachen, die im Kühlschrank stehen, aufgebraucht werden. Wirklich systematisch überlegen, was ich in welcher Reihenfolge aufbrauche, oder Verlagerungen von Tiefkühlgut in den Kühlschrank würde ich aber erst nach 48 Stunden anstellen.


    Aber warum sind die Kanister im Keller leer?

    Das Einlagern von Wasser im größeren Umfang halte ich für nicht sinnvoll. Wir haben rund 120 Liter Mineralwasser in Flaschen eingelagert, was fürs reine Trinken rund einen Monat ausreichen sollte. Der Monat sollte genügend Zeit bieten, dass entweder die Wasserversorgung wiederhergestellt ist oder wir ein zumindest halbwegs brauchbares System zum Auffangen von Regenwasser gebastelt haben.


    Die Langfristlagerung in Kanistern bringt aus meiner Sicht einen nicht sinnvollen Mehraufwand für den zu unwahrscheinlichen Fall, dass ein Wasservorrat über mehr als einen Monat nötig ist: Die Dinger sind bei der nötigen Rotation relativ schwer zu bewegen und nehmen Platz bei der Lagerung weg. Die Rotation selbst bedeutet Verwaltungs- und Zeitaufwand. Man muss das Wasser chemisch behandeln. Dennoch wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit irgendwann Verkeimung oder einen Biofilm geben. Da man diese Keime nie wieder hundertprozentig da raus bekommt, führt das dazu, dass die Behälter in dem Fall, dass ich sie wirklich brauche (siehe oben), nur eine begrenzte Lagerzeit ermöglichen.


    Deshalb lasse ich die Kanister und Wassersäcke lieber trocken und platzsparend übereinander gestapelt stehen und setze sie dann ein, wenn sich eine Notwendigkeit abzeichnet.

  • Grundsätzlich wäre der Ablauf bei uns ähnlich. Das Feststellen des Umfangs einer Versorgungsstörung stünde an erster Stelle. Falls mehr als Teile des Ortes oder gar mehr als der eigene Ort betroffen wäre, würden wir aber sofort Wasser in allen verfügbaren Behältern einlagern. Zwar funktioniert bei uns die Wasserversorgung ohne Pumpen über Hochbehälter, aber irgendwann könnte auch im Wasserwerk Schluss sein, dass die Hochbehälter über Gravitation speist. Jedenfalls lieber einmal 100 l zu viel Wasser bereithalten, als nachher denken „hättest du mal“. :)


    Danach (wenn der ganze Ort oder mehr betroffen ist) würde ich mich zur FW aufmachen, um die Bereitschaft zu verstärken und herauszufinden, woran es liegt. Je nach Jahreszeit müsste ich zu Hause vorher noch kleinere Vorbereitungen treffen, aber im Grunde ist alles da, sodass Einkaufstouren o.ä. entfallen.


    Nach zwei Wochen ergibt sich bestimmt ein anderes Lagebild, auf das wir situationsbezogen reagieren müssten. Je nachdem, wie großräumig der Stromausfall ist, käme auch ein vorübergehender Aufenthalt im (nicht betroffenen) Ausland in Frage. Oder eben das Ausweichen zu entfernt wohnenden Familienangehörigen. Oder es gibt eine improvisierte Organisation vor Ort, die Sicherheit und Ordnung aufrecht erhalten kann, dann würden wir es hier aussitzen und versuchen an einer Verbesserung der Lage mitzuwirken. Das würde ich immer vom Einzelfall abhängig machen.

  • Das Einlagern von Wasser im größeren Umfang halte ich für nicht sinnvoll. Wir haben rund 120 Liter Mineralwasser in Flaschen eingelagert, was fürs reine Trinken rund einen Monat ausreichen sollte. Der Monat sollte genügend Zeit bieten, dass entweder die Wasserversorgung wiederhergestellt ist oder wir ein zumindest halbwegs brauchbares System zum Auffangen von Regenwasser gebastelt haben.


    Die Langfristlagerung in Kanistern bringt aus meiner Sicht einen nicht sinnvollen Mehraufwand für den zu unwahrscheinlichen Fall, dass ein Wasservorrat über mehr als einen Monat nötig ist: Die Dinger sind bei der nötigen Rotation relativ schwer zu bewegen und nehmen Platz bei der Lagerung weg. Die Rotation selbst bedeutet Verwaltungs- und Zeitaufwand. Man muss das Wasser chemisch behandeln. Dennoch wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit irgendwann Verkeimung oder einen Biofilm geben. Da man diese Keime nie wieder hundertprozentig da raus bekommt, führt das dazu, dass die Behälter in dem Fall, dass ich sie wirklich brauche (siehe oben), nur eine begrenzte Lagerzeit ermöglichen.


    Deshalb lasse ich die Kanister und Wassersäcke lieber trocken und platzsparend übereinander gestapelt stehen und setze sie dann ein, wenn sich eine Notwendigkeit abzeichnet.

  • Hi, das ergibt dann für Deine Situation Sinn. Ich habe zwar eine ähnliche Menge an Mineralwasser da, aber ggf. mehr Leute zu versorgen. Als Reservebehälter leer habe ich ja noch die Gärfässer und Kanister... Grüße

  • Flexibel bleiben. Das Timing hängt bei mir sehr stark von den Informationen ab, die so eintrudeln.


    Erste Minuten: Vemutlich merke ich gar nichts, weil ich sitze nicht die ganze Zeit am Computer, Lichter sind nur in der Dämmerung an, und auch sonst läuft bei uns vieles auf Akkus. Fernsehen und Radio sind fast immer aus. D.h. Falls ich es überhaupt merke, dann in der Dämmerung oder nachts --> Taschenlampen raus, Internet und Radio kurze Informationssuche. Falls keine Infos vorhanden (Also Radio funktioniert, aber es gibt keine Katastrophenmeldung) dann weiterpennen.


    Nächster Morgen: In der Dämmerung Drohne aufsteigen lassen, um umliegende Dörfer und Stadt nach Beleuchtung abzusuchen.


    Ist alles tot, und auch zur Arbeitsstelle kein Kontakt möglich, dann bleibe ich erst mal daheim. Da gibts immer was zu werkeln. Wenn man draußen jemanden trifft, dann Informationstausch. Alles noch ohne Panik.


    Spätestens am zweiten Tag würde ich versuchen ein bischen zu organisieren. Feuerwehr, Schützenverein... irgendjemand sollte aufs Dorf oder die Nachbarschaft aufpassen, kleine Stoßtrupps bilden, falls jemand seine Oma oder Opa oder sonstige wichtige Dinge herholen will.


    Ich glaube auch, da liegt das wichtigste... die Verwaltung und Organisation muss funktionieren, damit kein Machtvakuum entsteht. Am zweiten Tag würde ich auch anfangen, mich leicht zu "bewaffnen", d.h. noch mit legal führbarem Zeug aus dem Baumarkt, noch nichts was meine Zuverlässigkeit kaputtmachen könnte ...


    Arbeit gibts sicher genug. Bei Freunden müssten das Vieh versorgt werden, ein Meldesystem für Notfälle aufgebaut werden,... Mit solchen Dingen würde ich mich die erste Woche beschäftigen.


    Wenn dann immer noch der Strom weg ist, wirds ungemütlich. Ich nehme mal an, dass jetzt langsam die umliegenden Wälder leergejagt werden. Das wird bei unserer Bevölkerungsdichte nicht lange dauern.


    Spätestens nach drei Wochen sollte man entweder eine funktionierende Gemeindschaft aufgebaut haben, oder eine kleinere Gruppe verschworener gebildet haben. Alleine wirds nach dieser Zeit schwer.


    Noch weiter in die Zukunft geht schon Richtung SciFi... Schwierig. Angenommen der Strom bleibt für mehrere Wochen oder Monate weg... Es gibt bei uns in der Nähe ein Bauernhofmuseum, in dem Höfe im Originalzustand von 1600-1950 sind. Die meiste Zeit gabs keinen Strom, und ich bin ein echter Fan des Museums. Man kann ohne Strom ganz gut leben.



    Nick

    Quidquid agis prudenter agas et respice finem