Es ist Sonntag, und damit die zweite Woche der unbeschreiblichen Ereignisse vorüber. Das Zusammentreffen in der Mitte der Woche hatte unsere kleine Siedlung wieder etwas Mut gemacht, bis, ja bis zwei Reiter sich durch die Schneewehen und die gefrorenen Äckern und Wiesen zu uns durchgekämpft haben. Es stellt sich heraus, dass die beiden Tochter und Schwiegersohn der Verstorbenen sind. Maria war hier aufgewachsen und viele Nachbarn kannten sie noch von früher, auch wenn sie seit 10 Jahren hier nicht mehr lebte.
Den Schock müssen sie erstmal verdauen, dachte ich, denn vom Tod ihrer Eltern hatte Maria keine Ahnung.
Sie kamen aus Münster und sind seit einer Woche unterwegs. Sie sagten, dass sie noch ein Packpferd dabei gehabt haben, das ihnen aber bewaffnete abgenommen haben und sie nur mit knapper Not entkommen sind. Seit dem haben sie sich von menschlichen Behausungen ferngehalten und in Scheunen irgendwo in der Pampa übernachtet. Sie hatten seit drei Tagen nichts mehr gegessen und sie haben es nicht mehr geglaubt hier heil anzukommen.
Wir halten trotzdem weiter Abstand und geleiten sie zu ihrem Haus. Die Pferde stellen sie bei einem Bauern unter, der nur 500 Meter auf der anderen Seite unserer Siedlung wohnt. Dort haben sie auch für die Pferde Futter und eine Unterstellmöglichkeit. Sicher können die Pferde uns noch einige gute Dienste leisten, wenn der Schnee weiter anhält.
Auch haben sie uns ein Geschenk mitgebracht. Mehrere Packungen Impftests, welche wir gut gebrachen können, da unsere Vorräte keinen großen Spielraum mehr zulassen.
Nun können wir uns wieder testen, falls wir mit anderen in Kontakt gekommen sollten. Das hilft uns weiter, den immer mit der Angst zu leben Corona zu haben ist sehr belastend. Wir unterziehen uns erstmal alle einem Test, auch die beiden Neuankömmlinge. Alle sind negativ. Uns fällt ein Stein vom Herzen.
Am Abend schlägt das Wetter um und ein nasskalter Wind aus Nordwesten zwingt uns in eine geschützte Unterkunft. Wir sitzen in dem Partyraum von Steven, der sonst von seinen Kindern bevölkert wird und meist am Wochenende den Berg mit Musik beschallt..
Der Ofen in dem verhältnismäßig großem Raum bullert, was er hergeben kann, da wir sicherungsbedingt zu beiden Seiten die Türen halb geöffnet haben, sodass ständiger Durchzug herrscht. Trotzdem fröstelt man leicht.
Aber wir wollten unbedingt wissen, was wirklich auf den Straßen und der Umgebung los ist. Die Nachrichten oder Kommentare sahen wir nicht wirklich als Abbild der Geschehnisse an, und sonst haben wir kaum mit der Außenwelt Kontakt gehabt. Da war es schon besser, wenn man ein paar Augenzeugen berichten ließ.
Und das, was sie erzählten, ließ unsere Befürchtungen weit über das hinaus gehen, was wir für möglich hielten.
Vor allem in den größeren Städten wie Münster, sah es verheerend aus. Der Rechtsstaat schien hier nichts mehr zu melden, auch wenn weiter einige Polizisten und Hilfsorganisationen ihr Bestes taten.
Kriminelle Banden gegen Gruppen von Bürgerwehren lieferten sich wahre Straßenschlachten. Ausgebrannte Häuser dienten als Abschreckung. Der Schusswaffengebrauch hatte sich massiv gesteigert. Zunehmend wurden automatische Waffen eingesetzt. Woher die kamen, fragte keiner, aber nicht selten tauchten Waffen der BW und der Polizei in fremden Händen auf.
Aber vermutlich gab es zu wenig Munition, und so verhallten nach zwei drei Tagen die Orien der Sturm und Maschinengewehre und nur noch vereinzelnde Schüsse waren zu hören.
Der Hunger hatte Münster fest im Griff, und wer konnte versuchte ein Durchkommen ins Umland, was meistens am Schneechaos scheiterte. Ab und zu sahen wir auch Hubschrauber, die große Pakete über bestimmten Stellen in der Stadt abwarfen. Für wen oder was das war konnten wir nicht sehen, aber kurz danach hörten wir immer mehrere Schüsse.
Da entschlossen wir uns abzuhauen. Zum Pferdestall war es nicht weit. Dort fanden wir fremde Menschen, die ein Pferd geschlachtet hatten und dabei waren, es zu zerteilen. Wir ließen sie gewähren, passten aber auf, dass sie uns nicht zu nahe kamen, da unsere Abschreckung stark genug war. Da wir schon des öfters längere Wochenritte unternommen hatten, brauchten wir nicht lange überlegen und nahmen unser Packpferd mit. Da war alles, was wir für mind. 14 Tage brauchten. In der Nähe der Auffahrt zur A43 wurden wir beschossen und unser Packpferd wurde getroffen. Wir schafften es gerade noch so zu entkommen.
Wir sind dann auf der A43 weitergeritten, zuerst dachten wir das sie mit Menschen überfüllt wäre, aber nichts. Nicht einer Menschenseele sind wir begegnet, bis zum Abzweiger Coesfeld-Dülmen. Ab hier schlugen wir uns über Schleichwege bis hierher.
Seid froh, dass ihr hier so abgeschieden seid. Aber ich denke, das wird nicht lange so bleiben. Wenn der Schnee anfängt zu tauen kommen die Menschen auf der Suche nach essbarem. Wir sind unten am Dorf vorbeigeritten und haben hungernde und frierende Menschen gesehen. Da kommt was auf uns zu, wenn wir uns nicht vorbereiten. Die wissen, dass es hier was gibt, nur der Schnee hält sie davon noch ab, da sie zu schwach sind, aber sie werden kommen, zumindest die noch kräftig genug sind.
Als die beiden ihren Horrorbericht beendet hatten, trat ein langes Schweigen ein.
Josef war, der erste der das Heft in die Hand nahm. Als Erstes brauchen wir rund um die Uhr eine Wache, Meinte er und schaute in die Runde. Vor allem in der Nacht.
Da wir nur 18 Leute sind, müssen wir gut planen, sonst verzetteln wir unsere Kräfte.
Wenn ihr damit einverstanden seid, entwerfe ich einen Plan für die Wache. Ich denke, ab Morgen Mittag sollten wir die ersten Wachen aufstellen. Die Schneewehen sind noch nicht verschwunden und durch den nassen Schnee zu stiefeln ist sehr kräftezehrend."
Alle willigten ein, wünschten sich eine ruhige Nacht und verließen den Raum.
Warum hast du nichts von den vielen Toten gesprochen, die wir auf unserem Weg gesehen haben, fragte Maria.
Ich denke das werden sie noch früh genug erfahren.