Leben in einer autarken Gemeinschaft - Ein denkbarer Weg?

  • Hallo C71,



    (ach,…es wäre so schön, wenn man seine Mitmenschen mit Namen ansprechen könnte!) :)



    Vielen Dank für den Link zum Shaolin-Kloster in Kaiserslautern!



    Ich habe mir erlaubt, die gesamte Dokumentation von 91 Minuten ins Forum einzustellen, da sie sehr interessant und aufschlussreich ist.





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    Zu jener Shaolin-Gemeinschaft hast Du geschrieben:


    Zitat

    Mal eine andere Gemeinschaft. Shaolin-Kloster in Kaiserslautern: Nur mal als Beispiel das es auch anders geht.



    Wenn man diese Shaolin-Gemeinschaft genau betrachtet, so wird man erkennen, dass sie sich nicht derart von anderen Gemeinschaften unterscheidet.

    Der Deutsche Julian möchte die hohe Kunst des Kung-Fu erlernen und hat sich daher bedingungslos in diese Lebensgemeinschaft begeben.


    Textauszug aus dem Video:


    Zitat

    Acht Stunden Training täglich, kein Alkohol, keine Mädchen, eine karge Unterkunft - es herrschen strenge Regeln im Shaolinkloster in Kaiserslautern. Julian träumt davon, Kung-Fu in Perfektion zu lernen und bewirbt sich bei Europas einziger Ausbildungsstätte für Kampfmönche.



    Die Grundprinzipien dieser Lebensgemeinschaft, die für alle Mitglieder verbindlich sind, werden auch dort in einem hohen Maße verinnerlicht.


    Nur sehr wenige Menschen könnten dieses bescheidene, selbst-disziplinierte und äußerst streng reglementierte Leben meistern.


    Die meisten Menschen würden schon bei dem Gedanken verzweifeln, kein Kino oder Supermarkt in ihrer Nähe zu haben…. :help:



    Ich persönlich habe vor dem Lebensweg von Julian höchsten Respekt!


    Denn er ist bereit ist, große Entbehrungen klaglos zu tragen und schwerste körperliche Strapazen auf sich zu nehmen, um sich auch mental-psychologisch weiter zu entwickeln.


    Lasst und lesen, was Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832) über solche mutigen und willenstarken Menschen bereits vor nahezu 200 Jahren geschrieben hat:



    Das Muß ist hart, aber beim Muß kann der Mensch allein zeigen, wie's inwendig mit ihm steht. Willkürlich leben kann jeder.



    Gruß sagt der Jörg

  • Sollte blos ein Beispiel sein wie ich mir so eine Gemeinschaft nach meinem Geschmack so vorstellen würde. Die körperlichen Anforderungen wären für mich bei weitem nicht zu bewältigen gewesen (auch nicht zu Zeiten als ich noch gesund war und wie ein halbirrer Sport gemacht hab) Die Messlatte ist mir einfach zu hoch. Ansonsten finde ich das eine tolle Sache. Es wäre zu begrüssen wenn sich diverse alternative Gemeinschaften sich das eine oder andere dort abschauen.


    Wozu braucht es Kino und Supermarkt wenn Du alleine durch köperliche Verausgabung ein Hochgefühl wie einen Rausch hast oder durch intesnsives Schiesstraining und Meditation in einen Trance-artigen Zustand kommst?

  • Hallo Harmlos,



    Du hast geschrieben:


    Zitat

    Außerdem würde es mir sehr schwer fallen, den "Entbehrungen" standzuhalten, während am Ende der Straße die Welt sich weiterdreht.



    Der von Dir genannte Grund der „Entbehrung“ ist für nahezu alle Menschen ausschlaggebend, sich nicht in solchen Gemeinschaften zu engagieren.


    Sicher hat auch die geistige Spiritualität, die zuweilen strenge kollektive Gemeinschaftsbindung wie auch das hohe Verantwortungsgefühl des Einzelnen an der Ablehnung seine Anteile,…


    ….aber das unbedingte gelebte Prinzip der Bescheidenheit und der Selbstlosigkeit, wie auch der Freigiebigkeit, folglich die Überwindung von Gier und Geiz, sind mit Abstand die größten Hürden.



    Denn kaum jemand will wirklich „Verzicht“ üben, kaum jemand will seine „berechtigenden Bedürfnisse“ in Frage stellen.



    Wer es gewohnt ist, nur zu bekommen und nicht zu geben, der kann in solchen autarken Gemeinschaften nicht existieren.



    Gruß sagt der Jörg

  • Entbehrungen kennen die meisten nur zu gut. Das kann glaube ich nicht der wahre Grund sein. Der wahre Grund ist wohl eher die Ungewissheit. Wird es wirklich gut gehen? Da bleibt man also lieber bei dem Leben was man schon kennt und stramplet im Hamsterrad anstatt sich in die Ungewissheit zu begeben.


    Nicht jeder hat den Drive alles Bekannte hinter sich zu lassen.

  • Zitat von C71;103066

    Entbehrungen kennen die meisten nur zu gut. Das kann glaube ich nicht der wahre Grund sein. Der wahre Grund ist wohl eher die Ungewissheit. Wird es wirklich gut gehen? Da bleibt man also lieber bei dem Leben was man schon kennt und stramplet im Hamsterrad anstatt sich in die Ungewissheit zu begeben.


    Nicht jeder hat den Drive alles Bekannte hinter sich zu lassen.


    Genau das ist der Grund warum ich noch mein Leben so führe.
    Du triffst den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf.
    Ich denke das dieser "Sprung" der größte Schritt ist...

  • Hallo C71,


    Du hast geschrieben:


    Zitat

    Entbehrungen kennen die meisten nur zu gut.

    Ich denke, man müsste sich zuvor bewusst werden, was wirklich Entbehrungen sind.



    Die Bandbreite der empfundenen Entbehrungen ist extrem.


    Selbst ein Benz- oder Porschefahrer wird es als Entbehrung empfinden, wenn er plötzlich „nur noch“ einen Lexus fahren kann.


    Dass allerdings ein Hartz-4-Empfänger oder Mini-Renten- Empfänger Entbehrungen erlebt, kann sich wahrscheinlich jeder vorstellen.


    Selbst rechtschaffende Arbeiter, zu weilen gar Facharbeiter sind an Entbehrungen gewöhnt, wenn das erarbeitete Geld gerade zur Sicherung der Lebensgrundlage für die Familie reicht, aber nicht darüber hinaus. (Z.B. für die zukunftsorientierte Kapitalanlage in Edelmetallen, Wertpapieren oder in seriösen teuren Altersversicherungen.)



    Zitat

    Der wahre Grund ist wohl eher die Ungewissheit. Wird es wirklich gut gehen? Da bleibt man also lieber bei dem Leben was man schon kennt und stramplet im Hamsterrad anstatt sich in die Ungewissheit zu begeben.


    Nicht jeder hat den Drive alles Bekannte hinter sich zu lassen.


    Das ist ganz sicher ein wesendlicher Faktor, der zu Angst, Besorgnis und Unentschlossenheit führt.


    Aber das ist nur eine Seite der Medaille.


    Ich kann nur darüber sprechen, was ich über Jahre hinweg selber erlebt habe.


    Der Eintritt in diesen autarken Gemeinschaften ist nicht damit vollzogen, dass man dort hingeht und sagt: „Hallo, ich bin der Paul oder die Pauline, und möchte jetzt mit Euch gemeinsam hier leben.“


    So einfach geht es nicht.



    In unserer damaligen autarken Gemeinschaft war es Voraussetzung, dass jeder sein gesamtes Vermögen in die Gemeinschaftskasse geben musste.


    Allein an diesem Punkt haben sehr viele Menschen den Gedanken aufgegeben, selbstlos in einer autarken Gemeinschaft zu leben.


    Des Weiteren:


    1. Wer möchte sich womöglich ueber eine gewisse Zeit hinweg ein kleines Zimmer mit einer anderen Person teilen?


    2. Wer möchte 7 Tage die Woche arbeiten und dafür kaum Geld erhalten?


    3. Wer möchte für den anderen zusätzlich zu seiner Arbeit die Arbeitsdienste übernehmen, weil er krank ist?


    4. Wer möchte den eingetragenen Putzdienst übernehmen und 3 Tage am Stück schrubben?


    5. Wer möchte auf seine gewohnten Gifte wie Zigaretten oder Dreh-Tabak verzichten?


    6. Wer möchte seinem begehrten Lammbraten oder seiner Gänseleberpastete entsagen, weil diese Tiere für die Genusssucht des Menschen entsetzlich leiden müssen?


    7. Wer möchte auf seine Flasche Wein eines ganz speziellen Jahrgangs verzichten, weil der Wein für die Gemeinschaft zu teuer ist?


    Usw.…usw.…



    Die Liste des Verzichts ist wirklich nicht unerheblich.



    Die meisten Menschen in unserer knallharten Konsumgesellschaft haben Schwierigkeiten, selbstlos etwas einen anderen Menschen zu geben, weil der Mensch dazu neigt, sich mit dem Besitztum seines Daseins zu repräsentieren.

    Er bindet sozusagen sein Dasein an eine tote Materie und glaubt, er würde seine Wesenheit verlieren, wenn er seinen Besitztum verliert.


    Ich würde als Erfahrener die Unwahrheit sagen, würde ich behaupten, der Lebensalltag in einer autarken Gemeinschaft ist ist einfach. Die Wahrheit ist, es ist sehr schwer und erfordert sehr viel Selbstdisziplin und Willenskraft!


    Aber wer sich dennoch zu einem Leben in jenen autarken Gemeinschaften entschließt, wird paradoxerweise unter dem Strich mehr zurück erhalten, als er je gegeben hat.



    Zugegeben,…


    … er wird nach einigen Jahren der Zugehörigkeit die Gemeinschaft nicht mit einem 7er BMW und Armani-Anzug verlassen, aber dafür besitzt er unbezahlbares geistiges, emotionales und ethisches „Vermögen“, das mit Geld nicht zu bezahlen ist.


    Und genau jenes „Vermögen“ ist es, was diese Menschen oftmals in Form von Heimen für Straßenkinder, kostenlose Krankenhäuser, Schulen, Tierheimen und Umweltschutzverbänden in der Welt hinterlassen…



    Die Zeit ist schlecht? Wohlan. Du bist da, sie besser zu machen.


    Thomas Carlyle, schottischer Philosoph und Historiker (1795 - 1881)


    Gruß sagt der Jörg

  • Hallo SurvivalAsia,


    ich persönlich wäre eher bereit mich einer Zweckgemeinschaft zum überleben, als in einer sinnüberfrachteten quasireligiösen Gruppe. Gerade diese Sinnsuche, welche ich momentan nicht betreibe würde mich quasi automatisch aus einer solchen Gruppe heraustreiben, da ich sie ständig hinterfragen würde.


    Ich gebe dir völlig recht, dass Besitz in unserer Welt nicht alles ist und ich bin mir auch bewusst, dass all dies vergänglich ist. Aber jeder hat seinen Weg und wenn es hart auf hart kommt, dann würde ich lieber auf den Komfort verzichten, ohne dass mir jeden Tag gesagt wird, was ich zu denken und tun habe.


    Für mich wäre es erst die Ermangelung von Alternativen, welche einen Schritt in eine solche Gemeinschaft erst denkbarmachen würden. Und wenn, dann würde ich versuchen eine zu wählen, welche ohne den ideologischen Überbau auskommt.

    Brot ist nicht hart. Kein Brot ist hart!

  • Hallo Harmlos,




    Du hast geschrieben:


    Zitat

    Ich persönlich wäre eher bereit mich einer Zweckgemeinschaft zum überleben, als in einer sinnüberfrachteten quasireligiösen Gruppe.



    Was du schreibst ist absolut nachvollziehbar.


    Doch unglücklicherweise basieren die meisten Zweckgemeinschaften nicht auf absolute Loyalität, Vertrauen und Hilfsbereitschaft, sondern lediglich darauf, den größtmöglichen Nutzen oder auch Gewinn aus solchen Gemeinschaft zu ziehen.


    Was man in solchen Gemeinschaften insgeheim macht, ist gewöhnlich eine berechnete Kosten/Nutzen-Konstellation. Doch mit diesen Motiven ist eine autarke Gemeinschaft kaum zu erhalten.


    Einen grundehrlichen und überzeugten Bereitschaftswillen des Einzelnen gegenüber seinen Mitmenschen ist in diesen Zweck-Bündnissen nicht möglich, weil immer ein Anflug von Misstrauen und Vorteilnahme untereinander vorhanden ist.


    Sobald sich der Zweck erübrigt hat, oder es zu massiven Vertrauensbrüchen unter den Mitgliedern kommt, zerfällt die Zweck-Gemeinschaft in der Regel wieder.


    Das beste Beispiel sind die so genannten Zweck-Beziehungen von vereinsamten Partnern.


    Wir müssen sicher nicht drüber diskutieren, dass solche Beziehungen keinen Bestand habe können.



    Gruß Jörg

  • Zitat

    Doch unglücklicherweise basieren die meisten Zweckgemeinschaften nicht auf absolute Loyalität, Vertrauen und Hilfsbereitschaft, sondern lediglich darauf, den größtmöglichen Nutzen oder auch Gewinn aus solchen Gemeinschaft zu ziehen.


    Das unterschreibe ich sofort und ich gebe dir auch Recht, dass deswegen heutzutage Zweckgemeinschaften im großen Stil nicht funktionieren können. Zum einen werden immer Versuche stattfinden die Gemeinschaft auszunutzen und zum anderen steht die von dir genannte Gewinnsucht dem entgegen.


    Im kleinen Rahmen mit festgelegten Regeln kann sie heute schon funktionieren, aber das ist ein anderes Thema und auch von vielen Faktoren abhängig.


    In einem Krisenfall kann jedoch auch eine größere Zweckgemeinschaft funktionieren, da es für den Einzelnen mehr zu gewinnen gibt (Sicherheit, Gemeinschaft, Versorgung) und mehr zu verlieren. Außerdem wird es eine klare Linie zwischen einem Innen und Außen geben, welche die Gruppe zusammenschweißt. Zudem wird es weniger Alternativen geben und somit wird die Bereitschaft der einzelnen größer sein Einschränkungen in Kauf zu nehmen.



    Natürlich verstärkt ein ideologischer Überbau die Gruppenzugehörigkeit enorm. Aber mich macht es eben nicht an, wenn mir jemand das Denken abnehmen möchte.


    Denn ich glaube, dass im Namen von Missionierungen mehr Menschen umgekommen sind, als durch die Pest!

    Brot ist nicht hart. Kein Brot ist hart!

  • Hallo Jörg,
    die Kosten-Nutzen-Rechnungen finden aber in religiösen Gemeinschaften ebenso statt, insbesondere von Seiten des Führungspersonals.
    Von den Mitgliedern werden bewußt hohe Opfer in materieller und zeitlicher Hinsicht eingefordert, um die Loyalität unter Beweis zu stellen.
    Ungläubige wären zu so hohen Opfern nicht bereit.
    Und ein Ausstieg wird umso kostspieliger, je mehr man in die Gemeinschaft investiert hat, da in der Regel bewußt keine Kompensationsmechanismen vorgesehen sind.
    Und da ebenso bewußt versucht wird, soziale Beziehungen zu Nichtmitgliedern zu unterbinden, ist ein Ausstieg oft nur unter Inkaufnahme völliger materieller und sozialer Verarmung möglich.


    Harmlos hat völlig recht:
    Der Entschluß, einer (quasi)religiösen, ideologischen und tendenziell totalitären autarken Gemeinschaft beizutreten, ist mit beträchtlichen Risiken verbunden!

  • Hallo Harmlos, Du hast geschrieben:


    Zitat

    Denn ich glaube, dass im Namen von Missionierungen mehr Menschen umgekommen sind, als durch die Pest!


    Und Hinterwälder hat geschrieben:


    Zitat

    Die Kosten-Nutzen-Rechnungen finden aber in religiösen Gemeinschaften ebenso statt, insbesondere von Seiten des Führungspersonals.


    Das ist unbestritten!


    Ein Blick in die religiöse Vergangenheit, aber auch in der Gegenart, sagt mehr als 1000 Worte! Ich bin bereits 1981 aus der traditionellen Kirche ausgetreten und werde sicher nie wieder zurückkehren.



    Wir machen aber im Moment den Fehler, autarke Gemeinschaften als reine religiös-verblendete Sekten zu betrachten, die ihren Mitgliedern „unantastbare“ Dogmen aufzwingen.


    Die Wahrheit ist, dass eben diese Mitglieder von autarken Gemeinschaften dogmatische Lehren und aufgezwungene religiöse Missionierungen zutiefst verachten!


    Wenn es nicht so wäre, würden sie dort nicht leben!



    Nur weil diese Menschen auf traditionellen Instrumenten gemeinsam Musik machen und sich beim Mittagessen die Hände reichen, weil sie sich für das Essen bedanken, sind sie keine fanatische Sekten-Brüder bzw. Schwestern.


    Es ist tatsächlich so, dass gegen Menschen, die außerhalb der „vorgeschriebenen und akzeptierten“ Gesellschafts-Normen einen anderen Weg suchen, sogleich religiöse oder sektenartige Feinbildern erhoben werden.


    Oder anders ausgedrückt:


    Wer anders erscheint, der macht sich verdächtig…!





    Harmlos hat geschrieben:


    Zitat

    In einem Krisenfall kann jedoch auch eine größere Zweckgemeinschaft funktionieren, da es für den Einzelnen mehr zu gewinnen gibt (Sicherheit, Gemeinschaft, Versorgung) und mehr zu verlieren.


    Auch das stimmt!


    Aber der Mensch, der sich im Krisenfall solchen Überlebens-Gemeinschaften anschließt, tut dies aus einer schweren Not heraus und nicht aus der Erkenntnis oder dem Wunsch, sich weiter entwickeln zu wollen.


    Er verändert weder seinen Charakter, seine ethischen Instanzen noch seine Rechtsauffassung.


    Kommt die Zeit, kommt auch das Wesen des einzelnen Menschen wieder zurück…



    Gruß Jörg

  • Zitat

    Wir machen aber im Moment den Fehler, autarke Gemeinschaften als reine religiös-verblendete Sekten zu betrachten, die ihren Mitgliedern „unantastbare“ Dogmen aufzwingen.


    An dieser Stelle habe ich mich wohl unklar ausgedrückt: ich meine durchaus nicht, dass solche Gemeinschaften immer auf einer religiösen Basis stehen. Zumindestens nicht auf dem, was klassisch unter Religion verstanden wird. Aber immer wenn ich Interviews mit heutigen Komunenbewohnern sehe, so fällt mir auf, dass diese sich per Ideologie und / oder Lebenswandel, der übrigen Gesellschaft für überlegen fühlen. Das fängt in einigen Fällen bereits bei der Ernährung an, welche manchmal quasi religiös ausgeprägt ist.


    Dieser ideologische Überbau ist in normalen Zeiten als Kit für die Gruppe notwendig, da ansonsten niemand mit Alternative die Entbehrungen auf sich nehmen würde. Dieser ideologische Überbau kann eine Sinnsuche, ein religiöses Ziel, oder das Streben nach eigener Vollkommenheit/Einklang auf eine bestimmte Weise sein.


    Daher würde ich nicht soweit gehen, dass die Gesellschaft alle Aussteiger in solchen Gemeinschaften perse verteufelt. Ich hege sogar eine gewisse Bewunderung für den Mut, sich außerhalb bestehender Normen zu bewegen, ohne dabei anderen zu schaden.


    Zitat

    Aber der Mensch, der sich im Krisenfall solchen Überlebens-Gemeinschaften anschließt, tut dies aus einer schweren Not heraus und nicht aus der Erkenntnis oder dem Wunsch, sich weiter entwickeln zu wollen.


    Er verändert weder seinen Charakter, seine ethischen Instanzen noch seine Rechtsauffassung.


    Kommt die Zeit, kommt auch das Wesen des einzelnen Menschen wieder zurück…


    das widerum glaube ich nicht: Das Leben in einer solchen Gemeinschaft verändert jeden auch, wenn es aus der Not heraus erfolgt. Es kommt natürlich darauf an, ob es eine eher gute Erfahrung ist, in der derjenige das Gefühl hat Freiheiten und Schutz zu genießen, oder ob es eher einem Gulag ähnelt.


    Ich denke, dass unsere Auffassungen sehr dicht beisammen sind und danke dir sehr für die bislang sehr sachliche Diskussion.

    Brot ist nicht hart. Kein Brot ist hart!

  • Hallo Harmlos,



    Du hast geschrieben:



    Zitat

    Ich denke, dass unsere Auffassungen sehr dicht beisammen sind und danke dir sehr für die bislang sehr sachliche Diskussion.



    Das sehe ich ebenso wir Du!



    Und auch ich danke Dir und den anderen Diskussionsteilnehmern für den vorurteilsfreien Meinungsaustausch! :Gut:



    Gruß Jörg

  • Hallo allerseits,


    ich bin endlich dazu gekommen, den Bericht zu schauen. Ein interessanter Einstieg in die Thematik, wie mir scheint.
    Für mich persönlich kommt ein Leben in einer fast autarken Gemeinschaft nicht in frage. Ich habe starke Wurzeln in meiner Umgebung und Familie, die ich nicht aufgeben möchte. Wenn meine Familie mitmachen würde, könnte ich mich am ehesten in einer der nicht religiösen Gemeinschaften wieder finden.


    Warum allerdings diese Gemeinschaften mit Entbehrungen und mangelnde Individualität assoziiert werdern, erschließt sich mir nicht so ganz (Außnahme vielleicht der Verein in Ungarn). Es scheint doch gerade der hohe Grad an Individualität zu sein, der die meisten Leute anzieht. Sich auf einem Stück Land vollständig verwirklichen zu können. Und sei es, unter seiner Badewanne ein Feuer zu machen und Wein zu schlürfen. :)


    Beim Thema Entbehrungen hätte ich gerne mal gewusst, was für Entbehrungen denn befürchtet werden.


    Grüße
    JBDenimco

  • Bei Entbehrungen denke ich vor allen an den autarken Part einer solchen Gemeinschaft. Wenn wirklich Autarkie angestrebt wird, dann ist nur vorhanden, was die Gemeinschaft erwirtschaftet. Alles andere ist Luxus. Das gleiche gilt also für andere Konsumbedürfnisse/wünsche.


    Dann kommen Entbehrungen in der Freiheit, dass ich noch stärker, als in einer Anstellung dem Gruppenzwang ausgesetzt bin und nicht über meine (Frei)zeit verfügen kann.


    On Top (und das wär für mich das K.O. Kriterium) oft der Verlust an Meinungsfreiheit, da es einen bestimmten ideologischen Überbau gibt, dem zu folgen ist. Meine Meinungsfreiheit ist dahingehend begrenzt, dass ich entweder in dieses ideologische Konstrukt passe, oder als Fremdkörper abgestossen werde. Bislang hat mich noch kein ideologischer Überbau einer solchen Gemeinschaft sei es Religion, oder Idologie überzeugt, so dass ich mir ein Leben in einer solchen Gemeinschaft nicht vorstellen kann.


    Aber das muß jeder für sich entscheiden und ich will auch niemanden seinen Weg ausreden. Letztendlich muss jeder für sich abwägen, ob das was er von einer solchen Gemeinschaft erwartet mehr wert ist, als die Opfer die ein solches Leben kostet im Vergleich zum bisherigen Leben.


    Beste Grüße

    Brot ist nicht hart. Kein Brot ist hart!

  • Hallo Harmlos,



    Du hast geschrieben:


    Zitat

    Wenn wirklich Autarkie angestrebt wird, dann ist nur vorhanden, was die Gemeinschaft erwirtschaftet. Alles andere ist Luxus. Das gleiche gilt also für andere Konsumbedürfnisse/wünsche.



    Wer aufgrund seiner Auslegung in einer von ihm/ihr ausgewählten autarken Gemeinschaft leben möchte, wird ebenso davon überzeugt sein, die autark erwirtschaften Produkte zu konsumieren bzw. diese gegen andere einzutauschen, die von anderen autarken Gemeinschaften erzeugt werden.

    In der Regel funktioniert das recht gut.

    Zitat

    On Top (und das wär für mich das K.O. Kriterium) oft der Verlust an Meinungsfreiheit, da es einen bestimmten ideologischen Überbau gibt, dem zu folgen ist.



    Genau das ist der ultimative Grund, der diese Leute dazu veranlasst hat, autarke Gemeinschaften zu gründen!



    Diese Leute haben die Nase voll von staatlicher Bevormundung, aufgezwungenen moralischen Dogmen und religiösen Strafpredigten!

    Sie wollen frei und selbst bestimmt leben und wollen ihre Meinung sagen dürfen, ohne schreckliche Konsequenzen fürchten zu müssen.

    Eben diese Freiheit finden sie in diesen autarken Gemeinschaften, weil alle das gleiche Ziel haben und alle an einem Strang ziehen.



    Leider haben sie nur innerhalb der Gemeinschaft diese Freiheit, außerhalb der Gemeinschaft beginnt wieder der Kampf in der „Ellenbogen–Gesellschaft“.

    Ich denke, das Problem ist, dass die meisten Menschen denken, in solchen autarken Gemeinschaften leben die Mitglieder verängstigt wie bei der Scientology Sekte.

    All diese Vorurteile entstehen durch große Unwissenheit, die darin begründet liegt, dass man selbst nicht eine Minute seines Lebens in einer autarken Gemeinschaft verbracht hat.

    Ich habe jahrelang in einer autarken Gemeinschaft gelebt und kann sagen, dass diese Zeit einer meiner wertvollsten und erfahrungsreichsten meines Lebens war.

    Gruß Jörg

  • Zitat

    Diese Leute haben die Nase voll von staatlicher Bevormundung, aufgezwungenen moralischen Dogmen und religiösen Strafpredigten!


    Tauscht man nicht die eine Bevormundung gegen eine andere? Außerhalb solcher Gemeinschaft kann ich weitestgehen sein wie ich will, aber als Atheist in einem Kloster, als Rechter in ein einer linken Komune werde ich viele Schwierigkeiten bekommen und schlimmstenfalls sogar aus der Komune ausgeschlossen.


    Das funktioniert also nur, wenn meine Meinung und Einstellung zu der der Gemeinschaft passt. Ist dies nicht der Fall, oder ändere ich meine Meinung bekomme ich mehr Schwierigkeiten als in der normalen Gesellschaft, da ich meine wirtschaftliche Basis verliere, wenn ich meine Meinung ändere.



    Wie gesagt: ich will niemanden diesen Weg schlechtreden, aber jeder Weg sollte bis zum Ende überdacht werden.

    Brot ist nicht hart. Kein Brot ist hart!

  • Zitat von Survival-Asia;103470

    Ich habe jahrelang in einer autarken Gemeinschaft gelebt und kann sagen, dass diese Zeit einer meiner wertvollsten und erfahrungsreichsten meines Lebens war.


    Gruß Jörg


    Hallo Jörg


    Was war denn das für eine Gemeinschaft? War die noch in D oder schon in Asien?
    Was war der Grund warum Du da dabei warst?


    Bzw. welche Motivation bzw. Maxime haben da geherrscht?


    Würde mich freuen wenn Du uns einige Details erklärst.


    Viele Grüsse, Ernst

  • Hallo Harmlos,

    Du hast geschrieben:

    Zitat

    Tauscht man nicht die eine Bevormundung gegen eine andere?



    Du musst natürlich wissen, welcher autarken Gemeinschaft Du Dich anschließt bzw. in welcher Gemeinschaft Du Deine Prinzipien, Überzeugungen und Interessen am glaubwürdigsten und ehrlichsten vertreten siehst.

    Diese Entscheidung fällt keiner aus Jux und Dollerei heraus.


    Zitat

    Außerhalb solcher Gemeinschaft kann ich weitestgehen sein wie ich will, aber als Atheist in einem Kloster, als Rechter in ein einer linken Komune werde ich viele Schwierigkeiten bekommen und schlimmstenfalls sogar aus der Komune ausgeschlossen.



    Da hast Du vollkommen Recht!

    Aber welcher Atheist geht in ein katholisches Kloster?

    Welcher Neo-Nazi geht in eine antifaschistische Wohngemeinschaft?

    Welcher gift-sprühender Pestizid–Fanatiker geht in eine Lebensgemeinschaft von Umweltschützern?

    Welcher leidenschaftliche Fleischesser geht auf einen vegetarischen Bio-Hof?

    Richtig – niemand!



    Man kann natürlich nur in den Gemeinschaften leben, die eine ähnliche Lebenshaltung, die gleiche Prinzipien und Maxime verinnerlicht haben.


    Zitat

    Das funktioniert also nur, wenn meine Meinung und Einstellung zu der der Gemeinschaft passt.



    Deine Meinung ist ein wichtiger Teil der Gemeinschaft!


    Eine Ehe kann auch nur auf Dauer funktionieren, wenn beide ein gemeinsames Ziel verfolgen und wenn zudem Respekt und Achtung untereinander herrscht.


    Zitat

    Ist dies nicht der Fall, oder ändere ich meine Meinung bekomme ich mehr Schwierigkeiten als in der normalen Gesellschaft, da ich meine wirtschaftliche Basis verliere, wenn ich meine Meinung ändere.



    Wenn Du Deine Meinung änderst, weil Du im Laufe der Zeit zu einer anderen Erkenntnis gekommen bist, wirst Du der Erste sein, der die Konsequenzen zieht und die Gemeinschaft verlässt.

    Dann müsstest Du schauen, ob es andere Gemeinschaften gibt, die Deinen Idealen und neu erworbenen Überzeugungen eher entsprechen.

    Oder Du lebst wieder wie gewohnt in der „klassischen Gesellschaft“.



    Es ist alles nicht so schwer, wenn man es verstehen will!



    Als gutes Beispiel könnte folgendes gelten:

    Du hast 4,5 oder 6 sehr gute, langjährige Freunde, denen Du vertraust und die auch Dir vertrauen.

    Seit vielen Jahren habt Ihr ein gleiches Ziel, eine gleiche Neigung, eine gleiche Überzeugung einer Sache, die Euch zutiefst verbindet.

    Die Sache oder das Projekt selbst ist hier nicht wichtig, denn das ist nicht der Kernpunkt.

    In mehreren gemeinsamen Gruppengesprächen kommt Ihr auf den Gedanken,…

    …“Wir arbeiten doch schon so lange an diesem Projekt/Sache, sollten wir uns nicht ganz zusammen schließen, eine Interessengemeinschaft gründen, um unser Projekt 100%ig verwirklichen zu können?“

    Nun Harmlos, bist Du gefragt:

    Würdest Du Deinen Freunden vertrauen oder eher nicht?

    Gruß Jörg

  • Hallo Jörg,


    als Ruderer weiß ich, wie Teambildung funktioniert und ich habe auch schon große Regatten mit einer eng zusammengewachsenen Mannschaft durchgezogen, neben Familie, Beruf und dem ganzen Rest. Und obwohl ich mit diesen Jungs durch dick und dünn gegangen bin, so ist es nicht ein kleiner Teil von dem was es für mich heißen würde in eine solche Gemeinschaft zu gehen.


    Ich steh halt auf mein Recht, meine Meinung jederzeit ändern zu dürfen, ohne dass mir Wohnung Job und Freunde genommen werden. Das bedeutet für mich Freiheit!


    Aber es freut mich sehr, dass du damals gute Erfahrungen gemacht hast und ich bewundere deinen Mut, einen solchen Schritt zu gehen. Auch ich würde gerne wissen, was für eine Gemeinschaft das war und was deine Beweggründe waren dort ein- und wieder auszutreten.


    Beste Grüße

    Brot ist nicht hart. Kein Brot ist hart!