• Vielleicht noch so als Nachtrag zu den bösen Übergriffen der "Faschisten" auf russisch sprechende Ukrainer: Ich hatte gestern Kontakt zu einem ehemaligen Austauschsoldaten aus der OSt-Ukraine:


    "Hier laufen hunderte Leute rum, die behaupten, sie seien Ukrainer und angegriffen worden, weil sie russisch sprechen, die sind aber alle mit Bussen gekommen- und nicht von hier...sondern über die Grenze". Sounds like well planned...OT out.

  • Ich möchte mal von einer anderen Minderheit berichten, die Krimtataren, die beim Nato Partner Türkei um Hilfe gebeten haben wegen ethnischen Übergriffen durch Ukrainern, also nationalistische Tendenzen sind klar da und deshalb ist Putins Reaktionen nicht ganz unbegründet.


    Eine Sicherheit ethnischer Minderheiten sollte gewährleistet sein bevor die internationale Gemeinschaft die Ukrainie unterstützt.


    Die ganze Situation wird jetzt bestimmt nicht besser, der Hass gegen russigstämmige Ukrainier ist gewachsen.


    Menschliche Tragödien werden entstehen.


    Mc

  • Mich haben die Aufstände in der Ukraine aus Prepper-Sicht aufhorchen lassen. Auch wenn die Krise mit grosser Wahrscheinlichkeit regional beschränkt bleiben wird, erinnert mich doch einiges an die Ausgangslage im Jahre 1914. Denn wie damals spielen geopolitische Bestrebungen eine grosse Rolle, und wie damals könnte sich durch die Aktivierung verschiedener Bündnissystemen ein regionaler Konflikt plötzlich massiv auf Eurasien ausbreiten.


    Hier in der Schweiz spricht man immer von einer "Vorlaufzeit von 10 Jahren", bevor es zu einem Krieg kommen würde. In dieser Zeit könnten wir dann bequem unsere Armee aufrüsten, und wir Prepper könnten bequem unsere Lager usw. ausbauen.


    Allerspätestens (eigentlich schon lange zuvor...) seit dem was in der Ukraine passiert ist, empfinde ich solche theoretischen Vorlaufzeiten als hinfällig. Und die Gefahr eines sterbenden Russlands, dass noch einmal verzweifelt versucht seinen Einfluss nicht zu verlieren, empfinde ich als deutlich stärker als zuvor.


    Deshalb verfolge ich die Geschehnisse in der Ukraine und allem was drum herum passiert mit grosser Aufmerksamkeit.


    In dem Sinne, stay preppared.


    LG,
    Azrael

  • Hi Azrael,


    interessant was Du schreibst.


    Dieser Satz von Dir : "Und die Gefahr eines sterbenden Russlands, dass noch einmal verzweifelt versucht seinen Einfluss nicht zu verlieren, empfinde ich als deutlich stärker als zuvor.", den empfinde ich genauso in Bezug auf die USA. Denn spaetesten nach dem Syrienkonflikt hat sich gezeigt, dass die USA/Obama ihr Agenda gegenueber den Buendnisstaaten nicht mehr durchsaetzen kann, ja noch nicht einmal im eigenen Kongress.


    LG Simka

  • Hallo,


    Ich sehe das etwas anders. Es kommt mir eher so vor, daß Russland wieder erstarkt, und eher die EU und die USA abbauen. Damit kann es recht leicht zu einer Kräfteverschiebung kommen, was mich persönlich betreffen könnte. Würde Russland auf die Idee kommen, daß Rumänien und Ungarn wieder zurück unter den Mantel des russischen Bären schlüpfen sollte, dann wird auch Deutschland und Österreich nicht unberührt davon bleiben.


    Das Beste aus meiner Sicht wäre, wenn die Krim sehr schnell und möglichst Geräuschlos russisch wird. Am Besten durch eine Wahl, wie sie ja schon angesetzt wurde (Mitte März?)
    Derzeit ist noch kein einziger Schuß gefallen und das wird hoffendlich auch so bleiben. Die USA und die EU werden sicherlich laut schreien, aber ich denke nicht, daß es zu Kampfhandlungen kommt, eher zu einem Handelskrieg. Auf Erdgas bin ich nicht direkt angewiesen, aber Strom würde sich in so einem Fall verteuern, damit auch die Herstellungskosten für fast alles.


    Derzeit ist bei mir noch Status Quo, keine besonderen Vorbereitungen nötig. Die Lage in der Ukraine wird jeden Tag neu eingeschätzt, sollte sich etwas dramatisch verändern, werde ich versuchen rechtzeitig zu reagieren. Jetzt ist bald pflanzzeit. Vielleicht werden es doch ein paar Bohnen mehr als ursprünglich angedacht.


    Gruß
    Gerald
    PS.: Das alles ist meine persönliche Einschätzung der Lage und ich habe versucht möglichst unpolitisch diese einzuschätzen.

  • Zitat von DerGerald;162192

    Würde Russland auf die Idee kommen, daß Rumänien und Ungarn wieder zurück unter den Mantel des russischen Bären schlüpfen sollte,


    Das glaube ich nicht. Maximal Rumänien wenn es selber seine innere Ordnung nicht aufrechterhalten kann, Ungarn aber nie! (bitte weniger hiesige Staatspropaganda schlabbern...)


    Russland ist eindeutig in einer Erstarkungs-Phase, auch wenn es noch so sehr von EU US angefeindet wird.
    In der Ukraine läuft gerade ein Bankrun. Es wurden lt. Berichten bereits ca. 3 Mrd. von den Konten abgehoben, obwohl es täglich limitierte Abhebesummen gibt... die österreichischen Tochterbanken von Bank-Austria und RAIKA können das dort schon mal als Übung für kommende Zeiten hierzulande ansehen.


    Die Blindheit dieser Gier-Bankiers wird deutlicher sichtbar: wann gab es jemals in der Geschichte einen Wirtschafts-Boom in Osteuropa? Und diese Typen haben dort unsere Spargelder investiert. Jeder 2. Kredit dort ist oberfaul. Die Ukraine wird auf ein bis zwei Jahrzehnte beschäftigt sein, überhaupt nur die Versorgung ihrer Bevölkerung sicherzustellen. Von Wirtschaftserfolgen werden die in den nächsten Generationen nichts sehen...

  • Hallo,
    was soll bitte diese Aussage?

    Zitat

    (bitte weniger hiesige Staatspropaganda schlabbern...)


    Das Ganze ist meine persönlich Einschätzung. Außerdem habe ich noch nirgends gelesen, daß Russland die Ungarn anektieren will. Gibts da Artikel dazu? Bitte Quellen posten, das interessiert mich.


    Gruß
    Gerald

  • Hallo,

    Zitat von DerGerald;162192


    Das Beste aus meiner Sicht wäre, wenn die Krim sehr schnell und möglichst Geräuschlos russisch wird.


    das ist sicher ein pragmatischer Ansatz, darauf wird es vermutlich auch hinauslaufen. Hat aber auch ein paar Haken:


    - Putin könnte sich bestätigt fühlen, dass er diese Art der Expansionspolitk auch anderswo durchziehen kann, um sich sein Reich in den Grenzen der alten Sowjetunion wieder zusammenzubauen. Was tut die Welt, wenn plötzlich "freiwillige Selbstverteidigungskräfte" in Litauen, Lettland, Estland schweigend vor baltischen Kasernen und Parlamenten herumstehen, um russische Bürger zu schützen? Das sind Nato-Mitgliedsstaaten - Stichwort "Bündnisfall": "Artikel 5, der den Bündnisfall definiert. Dieser erlaubt allen Mitgliedsstaaten, einen bewaffneten Angriff auf einen von ihnen als Angriff auf sie alle zu sehen."


    - Appeasement-Politik hat sich historisch nicht bewährt


    => Wir stecken möglicherweise in einem Dilemma: zuschauen oder zu(rück)schlagen?



    Daneben gibt es noch einen weiteren Aspekt - Energiepolitik. Möglicherweise stellt die Krimkrise sämtliche energiepolitischen Strategien komplett auf den Kopf. Die Rechnung ist einfach: Westeuropa ist extrem abhängig von Erdgas. 40% des deutschen Gasbedarfs wird von Russland gedeckt. 50% derzeit noch von den Niederlande, England und Norwegen. Allerdings sind diese Gasvorkommen schon im Decline. Holland hat für 2030 quasi einen Lieferstopp angedeutet. Deshalb ja die Bemühungen um Ost-West-Pipelines durch Ostsee (Russland-Gas) und den Kaukasus (Aserbaidschan-Gas). Wenn sich nun das politische Klima Ost-West per Schockfrostverfahren nun abkühlt, könnte das Gas für Westeuropa schneller aus sein, als man denkt.


    Aber wir haben Kohle, die Braunkohlevorräte in D werden auf 35-40 Mrd. Tonnen geschätzt, was bei derzeitigem Förderumfang 230 Jahren Reichweite entspricht. Selbst bei verdreifachter Förderung würde man noch fast 80 Jahre lang Kohle als inländischen Energieträger nutzen können.


    Es liegt auf der Hand, dass nun Begehrlichkeiten wachsen, frei nach dem Motto: "Beim Klimawandel haben wir eh schon verloren, also was solls..."


    Grüsse


    Tom

  • Hallo Tom, hallo zusammen,


    Zitat von tomduly;162210

    ...
    Westeuropa ist extrem abhängig von Erdgas. 40% des deutschen Gasbedarfs wird von Russland gedeckt. 50% derzeit noch von den Niederlande, England und Norwegen. Allerdings sind diese Gasvorkommen schon im Decline. Holland hat für 2030 quasi einen Lieferstopp angedeutet. Deshalb ja die Bemühungen um Ost-West-Pipelines durch Ostsee (Russland-Gas) und den Kaukasus (Aserbaidschan-Gas). Wenn sich nun das politische Klima Ost-West per Schockfrostverfahren nun abkühlt, könnte das Gas für Westeuropa schneller aus sein, als man denkt.


    m.E. muss man aber auch berücksichtigen, dass Russland auf die Devisen aus dem Gas- und Ölverkauf angewiesen ist, das ist keine einseitige sondern eine gegenseitige Abhängigkeit.
    Energieträger bilden ca. 2/3 des gesamten russischen Exports http://www.deutschrusse.ru/rss…ur-russischer-foederation (Zahlen sind nicht ganz aktuell, dürften sich in den letzten Jahren aber nicht großartig verändert haben).
    Daher glaube ich auch nicht, dass "der Russe einfach den Gashahn zudreht", solange es nicht tatsächlich zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen NATO und Russland kommt (was sicher keiner will - die Politiker auf beiden Seiten mögen machtbesessen sein, aber so dumm ist denk ich niemand).

    Gruß
    Paddy

  • Hallo,

    Zitat von Paddy;162217

    m.E. muss man aber auch berücksichtigen, dass Russland auf die Devisen aus dem Gas- und Ölverkauf angewiesen ist, das ist keine einseitige sondern eine gegenseitige Abhängigkeit.


    das stimmt natürlich, aber man darf dabei nicht vergessen, dass es ausser Europa auch noch andere energiehungrige zahlungskräftige Staaten gibt, die gerne russisches Öl/Gas kaufen, wenn "wir" es nicht mehr bekommen. China z.B.


    Dazu kommt halt noch der Aspekt, wie berechenbar Putin und sein Machtapparat ist. Viele der Spekulationen über Gas&Co. beruhen auf der Annahme, dass alle Beteiligten rational und vernunftbegabt handeln. Was aber, wenn Putin sagt: "Ich pfeif auf Eure Devisen."?


    Grüsse


    Tom

  • Hallo nochmal,


    Zitat von tomduly;162219


    das stimmt natürlich, aber man darf dabei nicht vergessen, dass es ausser Europa auch noch andere energiehungrige zahlungskräftige Staaten gibt, die gerne russisches Öl/Gas kaufen, wenn "wir" es nicht mehr bekommen. China z.B.


    Das ist richtig, China hat auch die bisher einzige (Öl-)Pipeline von Russland nach China mit günstigen Krediten finanziert, diese hat derzeit eine Kapazität von 30 mio. t/a bei einem Gesamtexport von 245 mio t Öl und 170 mio. t Gas (beides 2010 http://www.laender-analysen.de…beitspapiere/fsoAP113.pdf S. :smiling_face_with_sunglasses: ist dies (bis jetzt) nicht gerade viel, soll aber ausgebaut werden und muss man langfristig im Auge behalten.


    Zitat


    Dazu kommt halt noch der Aspekt, wie berechenbar Putin und sein Machtapparat ist. Viele der Spekulationen über Gas&Co. beruhen auf der Annahme, dass alle Beteiligten rational und vernunftbegabt handeln. Was aber, wenn Putin sagt: "Ich pfeif auf Eure Devisen."?


    Ich kenne Putin natürlich nicht persönlich (genausowenig wie Obama, Merkel & Co), aber dumm oder einfältig ist er glaub ich nicht, und ich bin mir nicht sicher ob seine manchmal zur Schau gestellte Arroganz nicht auch Berechnung ist (auch im Hintergrund seiner KGB Vergangenheit).


    Gruß
    Paddy

  • Das Problem bei der Einschätzung der Lage in der Ukraine und was dort aktuell wirklich passiert ist sehr schwierig, weil wir hier immer auf Sekundärquellen angewiesen sind. Entweder auf die veröffentlichte Meinung unserer Nachrichtenorgane oder auf alternative Internetseiten. Da muss jeder, der das will, sich selbst eine Meinung bilden.


    Eine Binsenweisheit ist, dass im Krieg die Wahrheit immer das erste Opfer ist.


    Und dass wir es hier mit kriegerischen Handlungen zu tun haben ist zweifelsohne der Fall.


    In solchen Fällen hilft es, wenn man sich fragt "qui bono?".


    Einen interessanten Beitrag dazu gibt es im Gelben Forum: http://www.dasgelbeforum.de.org/forum_entry.php?id=308986


    Netter Nebeneffekt der ganzen Geschichte wäre, dass das so verhasste Fracking in Deutschland wieder salonfähig werden könnte. Und wer hatte sich gleich nochmal die Schürfrechte in Deutschland gesichert...?


    Egal ob Lybien, Griechenland oder Ukraine, es geht immer um den Zugang zu Energiequellen (und im Gegenzug um "Petrodollars"), was für den Prepper bedeutet, dass er sich an dieser Flanke besonders breit aufstellen sollte um langfristig(!) nicht von nur einer Energiequelle abhängig zu sein...


    Ping

    [SIZE=2]Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei und Unwissenheit ist Stärke.[/SIZE]

  • Zum Thema Energie für die Zukunft sicherstellen:


    Die meiste Energie wird ja doch fürs Heizen benötigt, also warum nicht statt des verzweifelten Suchens nach sicherer Energie einfach
    sparen indem man passiv baut?


    Auch Stromsparen kann cool sein. LED braucht nur 20% , ein Wärmepumpentrockner spart gewaltig und ein Induktionskochfeld ebenso. Ich muss nicht zurück ins Mittelalter um Strom zu sparen. Es geht auch mit einem Schritt in die Zukunft.


    Das ist auch eine Form des preppens , nicht nur riesige Holzstapel vor der Tür und Allesbrenneröfen.


    LG Wolfgang

  • Hallo,

    Zitat von Isuzufan;162228

    Zum Thema Energie für die Zukunft sicherstellen:
    Die meiste Energie wird ja doch fürs Heizen benötigt, also warum nicht statt des verzweifelten Suchens nach sicherer Energie einfach
    sparen indem man passiv baut?


    für Neubauten ist das kein Problem, die Bauvorschriften werden ja in Bezug auf Energiebedarf Jahr für jahr verschärft, d.h. da kann man das steuern. Nur, was macht man mit dem Immobilienbestand? Abreissen und neu als Passivhäuser bauen?
    In D z.B. gibt es ca. 38,2 Mio. Wohnungen, von denen die Hälfte (49%) mit Erdgas beheizt wird. Das sind über 18 Mio. Altbauwohnungen, wie will man die umrüsten? Und selbst mit forcierten Wärmedämmprogrammen macht man aus einem 60er Jahre Plattenbau kein Passivhaus.
    Und beim Neubau ist Erdgas bislang auch die Heizenergie Nr. 1: 50% der Neubauten in D werden ebenfalls mit Erdgas beheizt.
    (BDEW-Zahlen zu zu Heizungssystemen in Neubau und Bestand)


    Grüsse


    Tom

  • Lieber Tom!


    Das ist keine Frage des Könnens sondern des Wollens, siehe Beispiel:


    http://www.energie-blog.at/ind…hausstandard-eine-bilanz/


    Damit verliert ein möglicher Lieferstopp der Russen an Schrecken, man muss es nur wollen.


    LG Wolfgang


    [COLOR="silver"]- - - AKTUALISIERT - - -[/COLOR]


    Bei Neubauten bist Du heutzutage schon bei Plusenergiehäusern in Fertigteilbauweise (Bien Zenker zb)!


    Da sind 2 E Autos auch noch mitversorgt.


    LG Wolfgang

  • Es geht weiter:


    Ukrainische Armee testet mit landesweiten Übungen seine Gefechtsbereitschaft!


    Zitat:Die ukrainische Armee gilt als sehr schwach, ein aktuelles Lagebild westlicher Militärs nennt die Streitkräfte sogar "nur bedingt einsatzbereit". Demnach sei die Armee ähnlich gespalten wie die Bevölkerung, große Teile sympathisieren demnach mit Russland, doch selbst die proeuropäischen Teile zeigten bis dato eine Art "Schockstarre". Die jetzige Übung dürfte demnach auch ein Test sein, wie viele Soldaten den Befehlen der Kommandeure eigentlich noch folgen.



    Quelle: Spiegel Online
    http://www.spiegel.de/politik/…ereitschaft-a-957846.html



    Tsrohinas

  • pinguin: Danke für deinen sehr informativen Beitrag!


    Die Betrachtung beider Seiten fehlt nahezu vollkommen, das Meiste wird nur aus der Sicht der westlichen (von den USA geprägten Staaten) dargestellt.
    Dass auch die USA nicht den Friedensengel in Person darstellt, dürfte wohl allen klar sein, weswegen sich mir bei Artikeln wie: "US-Außenministerium listet zehn Putin-Lügen auf"
    die Nackenhaare aufstellen...

  • Hallo,


    was mich trotz der ganzen Tragik feixen lässt: die ganzen Finanzcrash-Verschwörungstheoretiker haben sich nun jahrelang über geheime Logen, Freimaurer, Bilderberger, Rothschilds usw. ereifert, die eine "Neue Weltordnung" mittels Finanzmanipulation usw. herbeiführen wollen. Und da kommt Vladimir Putin daher, einfach so, und schafft innerhalb von wenigen Tagen den Grundstein für eine - seine - neue Weltordnung.


    Man muss Putin nicht verstehen, nicht mögen und nicht hassen. Was er macht, und das finde ich auf gewisse Weise faszinierend, ist, dass er im Grunde ein neues Machtsystem etabliert, ein Zwischending aus Demokratie, Old-School-Diktatur und Königreich. Und dass es genügend Leute gibt, die ihm dafür zujubeln. Weil er Regeln bietet und den Menschen ein ungestörtes Leben innerhalb seiner Regeln verspricht und gleichzeitig brutal gegen Regelverletzer vorgeht. Das ist massenkompatibel (das haben wir in D leidvoll 1933-45 durchexerziert). Regellosigkeit und Freiheit vetragen die meisten Normalbürger nicht und suchen dann relativ schnell "Halt" bei Personen, die Regeln bieten:


    - Motorradclubs wie die Hells Angels boomen gerade in Europa auf beängstigende Weise.
    - Minarette und Zuzüger stören plötzlich, ihre Ablehnung, basierend auf einer Angst vor Überfremdung (durch Regelverletzer).
    - Als die USA und ihre Allierten Saddam Hussein wegbombten, versank der Irak in blutigem Chaos - es sind nicht wenige Iraker, die sich Saddam zurückwünschen, alleine wegen der "Regeln", die für eine gewisse Ordnung sorgten
    - Afghanistan wird in wenigen Jahren von den ISAF-Truppen verlassen sein. Danach wird das Land ebenfalls im Chaos untergehen. Die Menschen werden sich dann die Taliban "wünschen" und zugunsten von Regeln auf Mädchenschulen etc. verzichten.
    - Die Ukrainer haben auf dem Maidan mit vergleichsweise wenig Blutvergiessen einen Despoten verjagt. Danach hat man das "nation building" völlig vergeigt, hat eine von Neonazis durchsetzte "Übergangsregierung" und völlig handlungsunfähige oder -unwillige Sicherheitsorgane. Die Welt schaut zu, wie der ukrainische Staat z.B. OSZE-Beobachter ohne jeglichen Begleitschutz an den "freiwilligen Selbstverteidungungskräften" auf der Krim abprallen lässt. Kiew hat derzeit keine Handlungsfähigkeit, lässt sich auf der Krim vorführen, überlässt die dort stationierten ukrainischen Soldaten und Marine-Einheiten dem willkürlichen Spiel der maskierten prorussischen "Playmobilmännchen" mit ihren Kevlarhelmen, Sturmhauben und diskreten Funkgeräten mit Knopf im Ohr. Die Ukraine agiert völlig kopflos bzw. befindet sich in einer Schockstarre. Warum? Vielleicht, weil den Ukrainern auf einmal die "Regeln" abhanden gekommen sind. Der Westen bietet - mal wieder - nur "Freiheit" und Geld. Er hat aber null Verständnis für die "ukrainische Seele" resp. für die russische. Es fehlt an Empathie dafür. Unsere westlichen Strategien funktionieren hier genausowenig wie im Irak oder in AFG.


    Was es bräuchte, wäre eine Art "Regionalkonferenz": Russen, Ukrainier, Polen, Weissrussen - die unmittelbaren Anrainerstaaten. Keine westliche Bevormundung (aber auch keine aus China).


    Die Russen erleben seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion Ende der 1980er Jahre eine Nonstop-Demütigung: der Grossteil der Staaten des Warschauer Pakts ist abtrünnig geworden, die meisten sind sogar in die NATO eingetreten. Die osteuropäischen Staaten, die in die EU kamen oder sogar dem Schengener Abkommen beitraten, erlebten einen ungeheuren Wohlstandszuwachs. Polen, Litauen, Lettland, Estland sind mit dabei, haben den Euro eingeführt - wurden quasi zu "Westlern". Was blieb den Russen? Nicht viel. Eine kaputte Föderation mit Pleitestaaten, gerissene Oligarchen, die sich an die Spitze von Sowjet-Industrien setzten (Gazprom, Rosneft etc.) und die zu Milliardären wurden. Die teuersten Hotels in Europa findet man - in Moskau. Doch für die breite Masse der Bevölkerung änderte sich nichts. Weder Wohlstand noch Freiheit, nur die "Ausbeuter" in den Unternehmen sind nun andere.


    Als nun Janukowitsch zu wanken begann, die EU unbeirrt auf eine Annäherung der Ukraine drängte (das entsprechende Abkommen war unterschriftsreif, als Putin erstmalsa dazwischen ging), wurde es für Putin offensichtlich zu bunt. Die Ukraine drohte, seine Agenda durcheinander zu bringen. Putin ist gerade dabei, einen Gegenentwurf zur EU zu konstruieren, eine Zollunion der russischen Föderation unter seiner Kontrolle. Jetzt pickt ihm aber der Westen die letzten Rosinen aus dem Teig. Das lässt er sich nicht bieten.


    Was aus meiner Sicht die Situation brandgefährlich macht, ist die Konzeptlosigkeit des Westens. Jetzt heisst es, die Diplomatie sei am Ende. Nun müssten Sanktionen sprechen. Nur wie will man seinen Haupt-Energie-Lieferant wirksam sanktionieren? Schritt drei auf der Eskalations-Skala nach Diplomatie und Sanktionen ist üblicherweise Krieg. Aber wer soll gegen wen Krieg führen? Europäer gegen Russen? Eine "Allianz" a la Irak oder Afghanistan? Gegen die "freiwilligen Selbstverteidigungskräfte" auf der Krim? Weltkrieg? Alle gegen alle? Die Vernunft sagt nein - doch nicht wegen der Krim oder der Ukraine (von der die meisten Schüler in CH/A/D bsi vor kurzem vermutlich noch nicht einmal genau wussten, wo sie auf der Landkarte zu finden ist).


    Andererseits: wenn man Putin die Krim oder die Ukraine "kampflos" überlässt - dann haben wir morgen das gleiche in den baltischen Zwergstaaten (die sind in der Nato).


    Sollte es wirklich zu einer grösseren bewaffneten Konfrontation kommen, könnte das neben allen unvorhersehbaren Kriegsfolgen zu einem schlagartigen Aufstieg Chinas als einziger Weltmacht führen.


    Wir leben in spannenden Zeiten.


    Grüsse


    Tom