Abspaltungstendenzen in Europa

  • Hallo,

    Zitat von nashua;187993

    Nicht auszudenken, was in Europa geschehen wäre, wenn sie sich unabhängig erklärt hätten.
    Europa ist in meinen Augen im Augenblick nicht ganz so stark auf den Beinen um diese Welle, die das hervorgerufen hätte, zu verkraften.


    als alter "EU-Hase" (ich arbeite seit 10 Jahren jedes Jahr ein paar Wochen in Brüssel für die "Kommission") meine 2 Cents dazu:


    Ein unabhängiges Schottland wäre keine Katastrophe gewesen, im Gegenteil. Es wäre vielleicht der Anfang eines Denkprozesses gewesen, der gut für Europa sein dürfte. Angst vor Abspaltungstendenzen haben IMO vor allem die Anhänger eines zentralistisch gesteuerten Europas. Das ist die politische Denkweise, nach der Frankreich funktioniert: Paris ist Kopf und Herz der Nation, hier gibt es alles, ist alles machbar usw. Der Rest Frankreichs ist Provinz und hat der Zentrale zu folgen. Die EU ist nach diesem französischen Muster gestrickt: Brüssel ist das Epizentrum, der Rest hat sich unterzuordnen. Was in Frankreich noch auf jahrhundertealte Traditionen, die Revolution, Napoleon etc. zurückführbar und erklärbar ist, lässt sich aber auf Europa nicht dauerhaft übertragen. Die meisten anderen europäischen Staaten sind eher dezentral bzw. föderalistisch organisiert: Kantone, Bundesländer, autonome Provinzen usw. Und das funktioniert ja auch überwiegend ganz gut. Es bedeutet ja nicht, dass jede Region dann eine eigene Aussen- oder Verteidigungspolitk machen muss, das kann man ja seinem Bund übertragen.


    Meiner Meinung nach entstehen die Konflikte und Abspaltungsbewegungen nur da, wo versucht wird, Regionen zentralistisch zu regieren und die Menschen vor Ort zu bevormunden. Die EU1.0 ist nach französischem Muster zentralregiert und bevormundet die Menschen draussen in den Regionen. Deshalb haben Euroskeptiker, Unabhängigkeitsbefürworter und leider auch Nationalisten übelster Sorte immer mehr Zulauf.


    Es gibt aber auch Europa-"Visionäre" (selbst innerhalb der EU-Kommission), denen das zentralistische Modell nicht gefällt und die lieber ein "Europa der Regionen" haben würden. Das würde Europa meiner Meinung nach auch viel handlungsfähiger machen. Quasi ein Kantonsmodell für ganz Europa ergänzt durch eine europ. "Bundesregierung", die mit einer Stimme nach Aussen auftritt, die europäischen Interessen vertritt und notfalls auch auf der Welt interveniert (militärisch und humanitär). Europa 2.0 sozusagen.


    Diesen Umbau Europas hat es bislang nicht gegeben, weil es ein Stillhalte-Abkommen in Europa gab, wesentlich bestimmt durch die europäischen Alliierten aus dem zweiten Weltkrieg: Frankreich dirigiert den europäischen Kontinent, die Briten dürfen mitmachen, ohne nennenswert Beiträge zu bezahlen und sind die "Chefs" auf den Meeren und im Commonwealth und Deutschland akzeptiert das Modell, akzeptiert die ihm zugewiesenen Positionen und zahlt brav in die EU-Kasse. Dieses Modell hat jahrzehntelang funktioniert, bekommt aber langsam Risse. Die Befürworter autonomer Regionen lehnen sich dagegen auf, das französische Modell kommt selbst in Frankreich ins Stocken (wenn man daran festhält, wird die nächste Präsidentin dort Marine LePen heissen...) und UK, speziell Londons City, hat sich für den Rest Europas entbehrlich gemacht, Industrie und Handel in relevanter Form gibt es auf dem Inseln nicht mehr und als Finanzmarkt braucht England die EU auch nicht. In Deutschland wird die AfD-Bewegung (der ich keine lange Lebensdauer zumesse) die etablierten Parteien sehr wahrscheinlich aus dem Trott herauslösen, auf europäischer Ebene nur der Juniorpartner Frankreichs zu sein.
    Insofern sehe ich viele der Autonomie- und Anti-Zentralismus-Bestrebungen eigentlich als notwendig und heilsam an... Ich würde auch nicht von einem Zerfall Europas reden, eher von einem Ende des Zentralismus.


    Grüsse


    Tom


  • Das wird auf jeden Fall die Karten neu mischen was den Zentralismus in England betrifft. Die spanische Regierung täte gut daran sich ein Beispiel zu nehmen.

  • Nur mal so als Vergleich ohne Wertung...


    Ist es nicht so. Das die u s und a nicht auch eine (mehr oder minder gut) funktionierende "Loseblattsammlung" sind?


    Für uns sieht das immer so geschlossen aus, in Wirklichkeit kochen da alle ihr eigenes Sueppchen und haben eher nur die Fahne und den Dollar der sie verbindet...


    Es gab mal einen tollen Blog - USA erklärt hiess der, mal sehen ob der noch existent ist...



    Gruss Endzeitstimmung

  • Moin @ll,


    so ganz nebenbei gab es bei der Abstimmung da oben im Norden der Insel noch einen ganz klaren Gewinner:


    Die Demokratie!!!!


    Schaut doch einfach mal auf die Wahlbeteiligung. Solche Prozentsätze würde ich mir für jede (!) Wahl wünschen, dann denke ich würden sich auch mehr Menschen (akiv) für Politik interessieren und nicht nur beim Bier meckern. Das sollte einer parlamentarischen Demokratie gut tun, denn dann würde sich jede Partei etwas mehr anstrengen. Und sei es nur, wil die Komiker das Gefühl haben, dass ihnen mal wirklich einer auf die Finger guckt...


    Meint der


    Christian

    Hier wird das Licht von Hand gemacht ... und der Motor gehört nach hinten!

  • Hallo,


    Wahlfählschung, kann das sein??
    Es wäre schrecklich.


    http://homment.com/schottland2


    Kann so die hohe Wahlbeteiligung zustande gekommen sein??


    Wenn schon von vorneherein klar ist, dass es knapp wird, kann man schon auf die Idee kommen etwas drehen zu wollen.


    Gruß Aea

  • Die Schotten welche von England los wollen, werden noch einige Jahre warten, bis eine Abstimmung gar nicht mehr nötig sein wird. Ein Weltfinanz-Crash mit vielen Staatsbankrotten und kompletten Vertrauensverlust in die Zentralregierung (EU sowieso) + eine praktisch denkende nationale Opposition die erfolgreich HANDELT, werden Schottlands staatliche Unabhängigkeit wiederherstellen.

  • Als Ergänzung zu der Aufzählung noch :


    Es gärt sogar im sonst eher zurückhaltenen Norden Europa`s ,in Finnland : Man unterscheidet zwischen den Schwedisch - Finnen und den " echten Finnen bzw. wie sie sich selbst nennen " Ultra-Fiinnen " ,dort ist die Stimmung auch nicht eben gut..


    Was aber mMn alle Abspaltungswünsche gemeinsam haben :


    Jeder Mensch sieht und spürt ja im täglichen Leben das eine für ihn unerreichbare Machtelite - fernab seiner Heimat- alle Dinge aus der Hand nimmt. Über Dinge entscheidet die diese Leute meist nur vom Papier her kennen.


    Dazu kommt noch erschwerend das die Polit-Elite in Brüssel und Strasbourg sehr " industrieaffin" sind,in den Entscheidungen daher immer darauf achten sich die "Konkurenz vom Hals zu schaffen" also den Leuten wie Handel und Handwerk das Wasser abzugraben.


    Das äussert sich dann in abstrusen Umweltvorschriften,Hygienevorschriften,einem riesigen Aufwand was Papierkrieg und Dokumentation über sein Handeln anbelangt.


    Solche Dinge zu vermeiden bzw. rückgängig zu machen ist wohl die Hoffnung der vielen Abspaltungsbefürworter,egal in welchem Land :winking_face:


    Es gehen ja in vielen Dingen die Bestrebungen nach einer "Zentralisierung" , diese politische Form des Wiederstandes ist wohl die Einzige Hoffnung dem zu entgegnen...


    Das jedoch die Menschen misbraucht werden um eine Machtneuverteilung zu erhalten,das " Volksgruppen" gegeneinander aufgehetzt werden,ist echt übel.


    Das " Europa 2.0 " -so wie von Tom vorgeschlagen ist da die einzige Möglichkeit,so wie das im Moment läuft -nach Innen - kann es nicht bleiben.


    Das wichtige - nämlich ein nach Aussen entschlossenes gemeinsames Auftreten - ist leider weit entfernt von der Wirklichkeit,da setzt man die Prioritäten völlig Falsch !

    Aus dem Norden von DE bzw. dem Süden von ES gesendet

  • @Andreas: Hm, ich habe mit Bezug auf Europa eher den umgekehrten Eindruck: Die verstärkten Unabhängikeitstendenzen sind meiner Meinung nach eher die Folge der europäischen Einigung und keine Gegenreaktion. Es gibt ja das Stichwort "Europa der Nationen", und die EU hat viele Staaten dazu gedrängt, föderaler zu werden, nicht zuletzt mit der Bundesrepublik als Vorbild. Erst auf dieser Grundlage konnten sich überhaupt Abspaltungsbewegungen demokratisch formieren.


    Außerdem sind sie in ihrer Stoßrichtung in der Regel ausdrücklich gegen den jeweiligen Nationalstaat gerichtet, jedoch eher selten gegen Europa. Eines der Grundprinzipien der katalonischen Unabhängigkeitsbewegung ist die EU-Mitgliedschaft des zukünftigen Staats. Auch die schottische Unabhängigkeitsbewegung ist mehrheitlich ausgesprochen pro-europäische.

  • Zitat von Asdrubal;243840


    Außerdem sind sie in ihrer Stoßrichtung in der Regel ausdrücklich gegen den jeweiligen Nationalstaat gerichtet, jedoch eher selten gegen Europa. Eines der Grundprinzipien der katalonischen Unabhängigkeitsbewegung ist die EU-Mitgliedschaft des zukünftigen Staats. Auch die schottische Unabhängigkeitsbewegung ist mehrheitlich ausgesprochen pro-europäische.


    Genau diese Sache meinte ich wenn ich von " Machtmisbrauch" gesprochen habe.


    Die Bevölkerung wird von diesen Kräften ja förmlich gegen die jeweiligen Nationalregierungen aufgehetzt.Die Rechung derer die die Macht in den (Teil) Ländern gerne haben möchten geht aber deshalb nicht auf,weil die Wähler mit z.B. " Spanien" oder " Grossbritannien" gar nicht so unzufrieden sind.


    Die Unzufriedenheit aber mit einem Gang zur Wahlurne genau nichts mehr verändern zu können ist umso grösser,egal welche Partei man nun wählt. Ich denke eher das diese Abspaltungsbestrebungen die Auswüchse der völligen Ohnmacht der Bürger gegenüber der " Entscheidungen von Oben" sind,weil halt keine andere Alternative geboten wird.


    Die " Alternativen" in diesem Fall werden aber alles was den Zorn der EU betrifft vermeiden,es geht ja nicht um kleine Summen an Geld die dann wieder den Machterhalt sichern.Auf die Mittel aus den EU Töpfen können auch diese Leute nicht verzichten.


    Egal wie pro-europäisch oder nicht ,man muss weg von der Scheckbuchpolitik !


    Den Bürgern in den entsprechenden Ländern werden da üble Mogelpackungen angedreht,die jeweiligen Landesregierungen als Schuldige dargestellt...


    Das aber auf allen Ebenen ein völlig koruptes und marodes Finanzsystem dahintersteckt wird aber - auch bei noch so glänzend dargestellten Zukunftsaussichten - völlig vergessen.


    Das weiterhin geplante " Mitmischen " der EU -auch nach einer Abspaltung- hat den Abstimmungen bisher das Genick gebrochen.Die eigene "Political Corectness" nämlich nicht laut öffentlich an der EU zu kratzen- behindert da mehr als die vielleicht selber glauben mögen :winking_face:

    Aus dem Norden von DE bzw. dem Süden von ES gesendet