Wenn die tatsächlich gelebte "Solidarität innerhalb Europas bei Gasmangellagen" doch etwas dürftig ist und dann Druck ausgeübte werden muss:
Gas-Solidarität: Von der Leyen erfüllt Deutschland einen großen Wunsch - WELT
Weit sind wir (Deutschland) ja scheinbar nicht gekommen.
Zitat: "Mit der Pflicht zur Solidarität erfüllt von der Leyen Deutschland einen Wunsch. Die Bundesrepublik war zwar Vorreiter bei der Verhandlung der SOS-Abkommen hat aber bis heute lediglich entsprechende Vereinbarungen mit Dänemark und Österreich. Mit den Niederlanden und Belgien beispielsweise, die von ihren Häfen und Flüssiggas-Terminals viel Gas nach Deutschland liefern, gibt es entsprechende Abkommen aber noch nicht. Die Niederlande haben lediglich öffentlich zugesichert, Deutschland auch bei einem Gasengpass beizustehen.
Die Bundesregierung will in der Energiekrise dringend weitere Abkommen schließen, eines mit Tschechien soll bis Dezember verhandelt sein. Aus Berliner Sicht blockieren aber viele Nachbarn: „Demgegenüber entziehen sich Belgien, Luxemburg, Niederlande sowie Polen den konstruktiven Verhandlungen und Abschlüssen der bilateralen Solidaritätsverträge mit uns“, hieß es Anfang September in einem Bericht des zuständigen Bundestagsausschusses.
Fortschritte gab es seitdem offenbar nicht. „Das BMWK verhandelt derzeit mit weiteren Staaten. Details oder Ergebnisse kann ich Ihnen noch nicht mitteilen“, sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums."
Ok, heißt wir haben zur Zeit lediglich mit 2 (in Worten: zwei) Staaten Vereinbarungen. Dann haben wir Wischiwaschi-Zusagen unter anderem aus den (noch) wichtigsten Zuleitungsländern für LNG und diverse Blockierer. Blöd auch, dass die Niederlande bocken, gerade mit dem Gasfeld Groningen vor der Haustür. Wollen wahrscheinlich keine lokalen Erdbeben mehr haben.
Dann bleibt noch die lustige Frage wie es sich bei Beistandssituationen mit dem Gas in den Speichern verhält von wegen der Besitzrechte. Wer darf wann darauf zugreifen? Ist ja Privateigentum der Händler und die Verscherbeln sowieso im Zweifelsfall an den Höchstbietenden.
Interessant in diesem Zusammenhang unser vertraglich-verbundenes Österreich:
Gas: Österreichs Speicher zu 80 Prozent gefüllt (sparkasse.at)
Zitat: "Am 2. Oktober waren in allen Speichern in Österreich zusammen 76,79 Terrawattstunden (TWh) Gas eingelagert. Österreich hat im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung sehr große Gasspeicher. Wenn sie zur Gänze befüllt sind, entspricht das ungefähr einem Jahresbedarf, der bei 90 TWh liegt........Allerdings ist nur ein Teil des in Österreich eingelagerten Gases für den österreichischen Markt reserviert. Laut Carola Millgramm, Leiterin der Gasabteilung der E-Control, ist „gut die Hälfte“ für den Verbrauch in Österreich gedacht. Genaue Zahlen soll es spätestens Anfang November geben, sagte sie im „ORF-Morgenjournal“. Dazu gehört jedenfalls die strategische Reserve, die von Österreich für den Verbrauch in Österreich eingelagert wird. Bisher liegen 7 TWh bereits in den Speichern, Österreich hat aber laut Ministerium bereit so viel Gas beschafft, dass die Einlagerung von 20 TWh bis zum 1. November gesichert sei. Auch der Speicher der OMV sei inzwischen zu 97 Prozent befüllt."
Das bedeutet aus meiner Sicht: von den österreichischen Reserven kann der Staat über 20TWh verfügen, der Rest gehört wieder irgendwelchen Händlern/Firmen die damit frei handeln können.
Deutschland hat laut Statista folgende Kapazitäten: "Technisch ist es demnach in Deutschland möglich, Erdgas im Wert von rund 240 Terawattstunden speichern zu können.".
Heißt wiederum das bei "nur" 20 TWh auf die Österreich direkten Zugriff hat sowohl Österreich selber versorgt werden muss als auch aus dieser Menge Abgaben als Soli-Beistands-Kontingent abgegeben werden müssten. Über welche Größenordnungen sprechen wir nun beim deutschen Verbrauch in einem normalen Winter? Nehmen wir einen Referenzwert. Von Oktober 2020 bis März 2021 wurden etwa 632 Terawattstunden Gas verbraucht. In sehr kalten Wintern dürfte es deutlich mehr sein. Insofern relativiert sich die Größenordnung aus Österreich sehr schnell.
Und je mehr LNG-Terminals man in Nord- und Ostsee baut umso höher die Chlorbelastung im Meer:
Fraglich am Ende ob sich die Wattwürmer und Kleinlebewesen dann noch wohl fühlen. Die DUH ist ja schon am Überlegen zu Klagen.....
Allgemein befinden wir uns somit in einem Problemfeld mit diversen wichtigen Stellschrauben und Unbekannten die uns innerhalb eines sehr kurzen Zeitraumes einen Strich durch die Rechnung machen können:
1. Wird die Strominfrastruktur in der Ukraine weiter zerstört wird vermutlich Europa einspringen. Dann haben wir Millionen zusätzlicher Verbraucher an der Hacke was vermutlich im Umkehrschluss zu einer höheren Verstromung von Gas führen wird.
2. Kriegt Frankreich seine AKW nicht rechtzeitig saniert wird auch mehr Gas in die Verstromung fließen, weil die Franzosen ja in einem viel höheren Maß als z. B. die deutschen mit Strom heizen
3. Wir haben zur Zeit ein Bottleneck in Europa was die Kapazitäten von LNG-Terminals anbelangt. Umweltaspekte werden zur Zeit aus einer Orientierung an den Realitäten hinten an gestellt. Die 2 Terminals die Anfang 2023 up-and-running sein sollen werden hier den Kohl nicht fett machen, aber zumindest für ein wenig Erleichterung sorgen
4. Die Pipelineverbindung für Gas in den Norden über die Pyrenäen wird weiterhin von Frankreich verzögert aus wirtschaftlichem Eigeninteresse. Insofern sind die LNG-Kapazitäten in Spanien für uns quasi wertlos.
5. Die Frage von Turiksh-Stream ist weiterhin ungeklärt, Putin will die Türkei gerne zum Gas-Hub machen, damit begibt sich Europa in neue Abhängigkeiten mit der Türkei und Geld für Gas fließt dann über diesen Umweg nach Russland
6. Mit den nach Deutschland von der Kapazität her großen Gasspeicher-Ländern Italien, Niederlande und Frankreich bestehen keine direkten bilateralen Beistandsverträge bei der Gasversorgung.
Erdgasspeicherkapazitaeten_Europa_2022_online_o_jaehrlich_Ki_04052022_1Qm0sQS.pdf (bdew.de)
7. Die Frage eines Beistandes aus England bei Gasmangellagen in der EU ist ungeklärt, letzte Andeutungen aus England gehen eher dahin, das die Engländer die gesamten Kapazitäten aus ihren Nordseefeldern für sich alleine beanspruchen würden
8. Die skandinavischen Länder sind an ihrer Höchstgrenze (technisch und durchleitungstechnisch) bei der Gasförderung angekommen und die Decke ist erreicht
9. trotz der höchsten Einspeichervolumina in Europa droht Deutschland immer noch in eine Notsituation beim Gas zu kommen, erschreckend zu sehen wie wenig Kapazität einige europäische "Randstaaten" haben.
Erdgasspeicherkapazitaeten_Europa_Karte_2022_online_o_jaehrlich_Ki_04052022_2SBxVnV.pdf (bdew.de)
Für mich zur zeit keine rosige Gesamtsituation. Wir können meiner Meinung nach nur auf einen warmen (sehr schön warmen) Winter hoffen und darauf, dass Putin nicht die ganze energietechnische Infrastruktur in der Ukraine platt macht.