Zivilschutz: Deutschland tut zu wenig für den Ernstfall

  • Die Kritik an fehlenden Zivilschutzinvestitionen in Deutschland wird lauter.


    "Krisen- und Katastrophenschützer sowie Landesminister schlagen Alarm: Der Bund investiert zu wenig, um die Bevölkerung zu schützen. Innenministerin Faeser verteidigt sich."


    Bemerkenswert auch die Historie seit dem Ahrtal-Unglück und wie der Bund die Länder hinhält bei notwendigen Investitionen.


    Und angeblich arbeitet das Bundesinnenministerium an einem "modernen Schutzraumkonzept".


    Zivilschutz: Deutschland tut zu wenig für den Ernstfall
    Krisen- und Katastrophenschützer sowie Landesminister schlagen Alarm: Der Bund investiert zu wenig, um die Bevölkerung im Ernstfall zu schützen.…
    www.handelsblatt.com

  • Ein weiteres Interview mit dem ehemaligen THW Präsidenten Broemme im Handelsblatt, ohne Bezahlschranke:


    THW-Präsident Broemme: „Wir müssen jetzt viel mehr über zivile Verteidigung reden“
    Katastrophenschutz: Das Technische Hilfswerk kritisiert, wie wenig Bundesinnenministerin Nancy Faeser für die zivile Verteidigung tut. Albrecht Broemme fordert…
    www.handelsblatt.com

  • Da der obere Artikel eine alte Sirene als Symbolbild hat. man wll ja wieder mehr Sirenen aufbauen.

    Und tatsächlich passiert das auch. in dem Landkreis wo ich arbeite sind die schon so gut wie fertig. Plötzlich stand da ein Hoher Mast, mit Photovolteikanlage und 5 Lautsprecher ähnlichen Gebilden dran.

    Also es passiert was... ABER: Wo sind die Hinweise was es alles für Warntöne gibt? Was muss man bei welchem Ton machen bzw. wie findet man heraus ob das für einen selber gerade gilt? Die Informationen müssen wieder allgegenwärtig, bzw. normal werden. Ich bin noch nicht so alt, aber ich weiss noch das es vor 20 Jahren noch Probealarme gab in der Stadt in der ich zu Schule gegangen bin. Da hing auch ein Uraltplakat mit den verschiedenen Tönen in einer Ecker der Hausmeister-Bude. Das Schulgebäude stammt aus den 1970ern. Die Keller hätte man sicher als behelfsschutzraum nehmen können.


    Jedenfalls funktioniert das mit der Aufklärungsarbeit mit dem Warnmix in Sachen Cellbroadcast mittlerweile ok.

    Ob die leute mittlerweile von selber Informationen der Landkreise und des BBK lesen weiss ich nicht. Es gab aber zumindest schon mal einen Bevölkerungsschutztag bei uns.


    Wenn man sich in einer Hilfsorganisation engagiert, hat man glaub ich unbewusst einen Vorteil und eventuell privat auch nen Blick dafür was man tun sollte. Was man sich aber gar nicht ausmalen möchte, wenn mal der Fall der Fälle eintreten sollte.

    Auch die negativen Seiten und da sind wir wieder beim Thema oben, man bekommt auch das hin und her mit den Finanzen bei den Übergeordneten Stellen und der Politik mit. Die müssten es doch eigentlich in den letzten jahren begriffen haben, einen vernünftigen Plan zu erstellen. Man muss ja nichts neu erfinden...

    Gruß David

  • Wo sind die Hinweise was es alles für Warntöne gibt?

    z.B. hier

    Luft-, Katastrophen- und ABC-Alarm: Die Bedeutung der einzelnen Sirenen (t-online.de) (weitestgehende Einigkeit :thinking_face: )



    früher konnte man im Amtliches Verzeichnis der Ortsnetzkennzahlen auch einiges zu Selbstschutz & Warnsignalen lesen, war ja auf Papier, und hatte fast jeder daheim :smiling_face_with_sunglasses:




    ... irgendwie ned ganz vollständig:

    Bürgerservice - Verordnung über öffentliche Schallzeichen Vom 15. Juli 1998 (GVBl. S. 509) BayRS 2011-2-5-I (§§ 1–8) (gesetze-bayern.de)


    und hier ist auch nochmal alles gut zusammengefasst:

    Warnung der Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland – Wikipedia

    Du kannst die Zukunft verändern mit dem was du heute tust. :face_with_open_mouth:
    - aus Oberfranken in DE -

  • Ein weiteres Interview mit dem ehemaligen THW Präsidenten Broemme im Handelsblatt, ohne Bezahlschranke:

    Der letzte Satz hat es in sich:


    Dazu ist Geld nötig, das dem Bund fehlt.
    Wir reden hier über eine politische Entscheidung. Wer sagt: „Mir ist die Bevölkerung egal“, der stellt kein Geld zur Verfügung.“


    Mir deucht, da hat einer die Faxen dicke. Transalp

    Planung ersetzt den Zufall durch den Irrtum!

  • „Dazu ist Geld nötig, das dem Bund fehlt.
    Wir reden hier über eine politische Entscheidung. Wer sagt: „Mir ist die Bevölkerung egal“, der stellt kein Geld zur Verfügung.“

    Ja, ist auch so. Ist ja das Totschlagargument schlechthin, wenn man etwas nicht machen will: "Wer soll das bezahlen?"


    Die Frage stellt man nicht, wenn man den Bedarf verstanden hat und unterstützt. Siehe Wiederaufbaukosten Ahrtal, oder Wirtschaftshilfen während der Pandemie. Da sprudeln die Milliarden.


    Es ist einfach eine Sache des Willens und wenn man sich hinstellt und Länder wie Finnland für ihre Zivilschutzbauten lobt und sagt Deutschland braucht das auch, dann sollte man als nächstes auch das Geld dafür bereitstellen, sonst macht man sich ja lächerlich.

  • Ich sehe das Hauptproblem bei den Kosten darin, dass wir uns ein viel zu teures luxuriöses System leisten, was die Kosten für Fahrzeuge, Liegenschaften, Material und Ausstattung angeht.

    Ein paar anekdotische Beispiele aus meinen Umfeld:

    • Unsere Gemeinde beschafft gerade einen Gerätewagen-Transport (GW-T) für die freiwillige Feuerwehr. Kostenpunkt 498.000 Euro. Das dafür verwendete zivile LKW-Fahrgestell liegt da bei rund 100.000 Euro Anteil. Ein GW-T hat vorne eine Kabine für mehrere Personen (Staffel), Dann kommt ein Bereich mit feuerwehrtechnische Beladung, wie man es kennt: Rolladen-Fächer mit Auszügen) und das hintere Drittel ist ein universeller Frachtraum mit einer Ladebordwand am Heck, wie man es von typischen Liefer-LKWs kennt. In dem Frachtraum kann einsatzspezifische Sonderausrüstung in Rollcontainern verladen werden: Ölspurbeseitigung, Waldbrand, Schlauch-Fernleitung usw. Die Fahrzeuge sind meiner persönlichen Meinung nach unnötig wie ein Kropf, sind aber in aktuellen FW-Bedarfsplänen bei einer bestimmten Gemeindegröße quasi vorgeschrieben.
    • Ebenso beschaffen wir gerade einen Mannschafts-Transportwagen (MTW) für eine Feuerwehrabteilung, Basis ist ein roter Sprinter-Kastenwagen mit Allradantrieb. Bis das Auto foliert und mit Blaulicht etc. ausgestattet ist, kostet es (ohne FW-technische Beladung) schlappe 90.000 Euro.
    • Handfunkgeräte, digital für den Einsatzstellenfunk kosten pro Stück mit Zubehör rund 2.000 Euro - für ein dämliches Handfunkgerät, das technisch ein Zwitter aus einem Baofeng-Irgendwas und einem Smartphone der Einsteigerklasse darstellt.
    • Die im letzten Jahr beschafften Stromaggregate für die stationäre Notstromeinspeisung der FW-Gerätehäuser kosten pro Stück zwischen 20.000 und 30.000 Euro - weil sie einen DIN-Formfaktor haben müssen, der eine Verlastung in den Transportgestellen der FW-Fahrzeuge ermöglicht (obwohl sie dafür gar nicht vorgesehen sind und die Transportgestelle in den FW-Fahrzeugen ja schon mit einem portablen Aggregat pflicht-ausgestattet sind).


    Das sind nur vier kleine Beispiele, wie der Staat extrem viel Geld für vergleichsweise wenig Gegenwert ausgibt. Wenn ich das mal auf die rund 11.000 Gemeinden in Deutschland mit insgesamt rund 26.000 Feuerwehren hochskaliere und nur mal 1 Mio. Euro pro Feuerwehr für zusätzliche Zivilschutz-Ausrüstung ansetze, dann bin ich schon bei 26 Mrd. Euro. Und dafür kauft sich jede Wehr dann gerade mal zwei LKW.


    Der nächste Punkt ist die Unterbringung der Ausrüstung. Es gibt gar nicht genügend Unterstellraum für meinetwegen 50.000 zusätzliche Zivilschutzfahrzeuge.


    Was wir dafür flächendeckend bräuchten, wären Rettungszentren. Für mich ist die Referenz das Rettungszentrum Abtsgmünd in Baden-Württemberg.

    Leider hat das 8 Millionen Euro gekostet. Statten wir 11.000 Gemeinden damit aus, sind weitere 88 Mrd. ausgegeben.


    Würde der Staat 114 Mrd. Euro bereitstellen, hätte jede Gemeinde rechnerisch ein solide ausgestattets Rettungszentrum und 1 Mio. Budget für Zivilschutz-Equipment. Ein RZ wäre dann im Schnitt für ca. 7.600 Einwohner zuständig.

    Das sind die Dimensionen, in denen wir uns momentan bewegen.


    Wenn man jetzt herginge und die Rettungszentren in Einheitsbauweise aus vorgefertigten "Systemhallen" der Industrie herstellen würde, dann käme man vermutlich mit 2 Mio. pro RZ aus. Und wenn man dann noch die Standards bei Fahrzeugen und Ausrüstung deutlich absenken würde (eine normale Schaufel mit Frankfurter Blatt kostet bei Bauhaus 8,99 Euro, eine "Stechschaufel (Frankfurter Schaufel) SHW PREMIUM" aus dem Feuerwehrbedarf kostet 30 Euro), dann könnte man mit einer Mio. Euro pro RZ ne Menge brauchbares Material in Handwerkerqualität beschaffen. Dazu müsste man aber die Lieferantenkartelle im Blaulichtbereich knacken. Das ginge über eine Absenkung der Ausrüstungs-Standard-Vorschriften. Die Lieferanten-Lobby wird sich dagegen natürlich wehren.

  • Wir hatten im OV (THW) ebenfalls das Problem mit den Unterstellmöglichkeiten für unsere Fahrzeuge und Material.

    Die BiMa oder auch das Thw sind da keine Hilfe, selbst wenn sie, aus Versehen, doch wollen, ist nie genug Geld da. So stehen sauteure Ausrüstung und Fahrzeuge im Regen...

    Wir haben das über den Helferverein gelöst und über private Mittel und Spenden Container und -zelte beschafft und aufgebaut.

    Kostete einen winzigen Bruchteil eines Massivbaus, der eigentlich vorgeschrieben ist, aber eben nie realisiert wird.


    Zur Schaufel:

    Da nutzen wir in der Firma oft teurere als eure FW-Schaufel, das schlimmste das es gibt, ist billiges Werkzeug. Tatsächlich arbeitet man mit einer (sehr) guten, professionellen Schaufel um Welten bequemer und ermüdungsfreier.

    Von der Stabilität mal abgesehen.

    Muss man sich dann halt überlegen, was das einem wert ist oder eben nicht.


    Die völlig überteuerten Fahrzeuge (-umbauten) von Rosenbauer, Metzner und Co ist sowieso ein Kapitel für sich und schlägt in die gleiche Scharte wie die überteuerte Ausrüstung oder Munition der Bw.

    "Gegen eine Dummheit, die gerade in Mode ist, kommt keine Klugheit auf." Theodor Fontane


    Als ich zur Schule ging, fragten sie mich,

    was ich werden will, wenn ich erwachsen bin.

    Ich schrieb: "Glücklich".

    Sie sagten mir, ich hätte die Aufgabe nicht verstanden.

    Ich sagte ihnen, sie hätten das Leben nicht verstanden.

    - John Lennon -


    DE/Hessische Bergstrasse

  • Previ : Die Schaufel sollte das Dilemma ja nur veranschaulichen. Ich habe den Eindruck, dass der Aufschlag für das Attribut "Feuerwehr-" locker dem Dreifachen des üblichen Marktpreises beträgt. Wie du schreibst, ist es das gleiche Problem wie bei Bundeswehr und Munition.


    Die "Schlanker-Staat"-Politik der letzten Jahrzehnte wurde leider mit Erfolg umgesetzt und sämtlicher technischer Fachverstand aus den Ministerien und Behördern rausoptimiert. Frei nach dem Motto "Die Wirtschaft kann das besser". Deswegen können beschaffende Behörden oftmals gar nicht mehr beurteilen, was die ihnen angebotenen Ausrüstungen überhaupt wert sind. Und die Lieferantenkartelle sorgen dafür, dass bei öffentlichen Ausschreibungen die Bieter alle in der gleichen Größenordnung (überteuert) anbieten.


    Übrigens, mein Auslöser vor zehn Jahren in die Kommunalpolitik einzusteigen, war ein Sitzungsbericht aus unserem Gemeinderat, in dem es hieß, dass man ein Ingenieurbüro beauftragt hätte, das herausfinden soll, welche neue Heizungszentrale in die örtliche Turnhalle eingebaut werden solle (als Erssatz für die alte Ölheizung). Der Auftragswert für das Gutachten lag bei 19.000 Euro. Wohlgemerkt, für das Gutachten. Das Ergebnis des Gutachtens ließ sich in einem Satz zusammenfassen: "Es wird empfohlen, einen Pellet-Heizkessel einzubauen." So eine Aussage ist der Kommune 19.000 Euro wert gewesen. Das hätte auch ein örtlicher Heizungsbau-Betrieb herausfinden können und für die 19.000 Euro wäre der Pelletkessel schon fast bezahlt gewesen.

    Diese technische Ahnungslosigkeit gepaart mit einer "Verantwortungs-Vermeidungs-Strategie" (der Gutachter hats ja so empfohlen) sorgt für völlig abstruse Kosten bei der öffentlichen Hand. Die planerische Begleitung durch ein Ingenieurbüro für 500m Feldweg-Ausbau nach aktuellem EU-Standard kostet übrigens 32.000 Euro.


    Uns sind als Gesellschaft Eigenverantwortung und Pragmatismus abhanden gekommen. Stattdessen versuchen wir alles über viel Geld zu lösen.