Zwei Mal Atomkraftwerk

  • Zitat von Robert_Brannon;270531

    Schon der erste Satz von dir:
    "Das Problem ist eine unglaubliche Arroganz gepaart mit einem Mangel an Phantasie und einer Kultur des Vertuschens."
    Da steig ich nicht drauf rein. Ich habe die Absichten meiner Beiträge begründet. Schreit nur weiter, jeder fühlt sich hier anscheinend persönlich angegriffen... ich hab dabei keine Lust auf euch :winking_face:


    Das bezog sich auf die Atomindustrie.

    Aus gegebenem Anlass: ich distanziere mich hiermit ausdrücklich gegen jeden Form von Gewaltphantasien gegen andere, den Staat oder staatliche Organe. Ich betreibe prepping als Krisenvorsorge und als Hobby und tausche mich hier mit Gleichgesinnten aus.

  • Ja, da stimme ich dann aber zu.
    Mir ging es in erster Linie um die Panikmache der Medien. Wie gesagt, solche Katastrophen sind was schlimmes. Aber, wie weiter gesagt, das ist auch kein jonglieren mit Kettensägen und verbundenen Augen. Es gibt immer wieder Störfälle hier, und die Notabschaltung greift. Sonst wären wir schon nicht mehr hier (wenn man Beznau anschaut).


    Andere Foren sind zerissen ob diesem Thema. Darum lasse ich's jetzt. Ich habe schon den Fehler gemacht mich auf eine Diskussion einzulassen ohne Atomphysiker zu sein... auch wenn alle ihr mehr oder weniger autodidaktisch erworbenes Wissen um Atomenergie haben - nebst anderen Spezialgebieten; die Emotionen und persönliche Ansichten schwingen anscheinend einfach zu sehr mit.

  • Zitat von Robert_Brannon;270499

    Wie soll ich mir das vorstellen? Wenn man den meisten Leuten hier glaubt (und das sind Leute, die sich Gedanken machen), dürften die grössten zu erwartenden Gefahren für uns folgende sein: Stromausfall, Unruhen, wirtschaftlicher Kollaps. Keines dieser Dinge sprengt schnell mal ein AKW.


    Fakt 1: Wenn für ein laufendes AKW der Strom ausfällt, dann wirds gefährlich - Die Brennstäbe können nicht mehr raus gefahren werden.


    Fakt 2: Unruhen gefährden AKWs - siehe z.B. Ukraine und die Kämpfe im Osten:
    http://www.krone.at/Welt/Atomk…rten_warnen_-Story-417455


    Fakt3: Wirtschaftlicher Kolaps -> Wenn kein Geld mher da ist, wer betreibt dann noch die AKWs? End- bzw. Zwischenlagerung? Wartung? Rückbau von alten Anlagen dauert Jahrzehnte und kostet wieviel? Das macht bei einem wirtschaftlichen Kolaps wer nochmal?


    Also nee...

  • Der Unterschied zwischen einer persönlichen Ansicht und Tatsachen ist, dass Zweites nicht diskutabel ist.
    Du bist der persönlichen Ansicht, dass AKWs sicher sind, Technik immer funktioniert (Stichwort Notabschaltung), dass Ein GAU zwar schlimm wäre aber nicht so schlimm, wie die Risiken denen man in einer Großstadt ausgesetzt ist?



    Hier ein paar Tatsachen:


    - Wo Menschen handeln, passieren Fehler.


    - Hätte an nur einem Tag während der akuten Phase in Fukushima Nordwind geherrscht, hätte man 30 Millionen Menschen evakuieren müssen. Wohin?

    -
    Durch die Explosionen in den Reaktoren 1-3 und im Abklingbecken des Reaktors 4, den Rauch aus dem daraus folgenden Feuer, die gezielte Entlüftung der Reaktoren, um den Druck zu verringern, sowie der Verdampfung enormer Mengen Kühlwassers kam es zum Ausstoß von mehr als 30 verschiedenen radioaktiven Isotopen in die Atmosphäre.


    -Die gesamte Emission von Jod-131 in den ersten drei bis vier Tagen der Fukushima-Katastrophe entsprach etwa 20% des gesamten Ausstoßes von Tschernobyl. Die gesamte Emission von Cäsium-137 inden ersten drei bis vier Tage der Fukushima-Katastrophe entsprach etwa 40-60% des gesamten Ausstoßes von Tschernobyl.


    - Durch Rückfluss und das gezielte Ablassen des radioaktiven Abwassers aus dem Atomkraftwerk wurden und werden Meer- und Grundwasser radioaktiv verseucht. Mit dem Abfließen von radioaktivem Wasser mit einer Radioaktivität von etwa 15-27 PBq stellt die Fukushima-Katastrophe die größte singuläre radioaktive Kontamination der Weltmeere dar. Verdünnung und Dispersion könnte die Kontamination in der Umgebung um das Atomkraftwerk reduzieren, führen jedoch zu einer größeren Verteilung der langlebigen radioaktiven Isotope und somit zu einer Gefährdung einer noch größeren Bevölkerung.


    - Radioaktiver Niederschlag erfolgte hauptsächlich über dem Nordpazifik (79%), etwa 19% des Niederschlags verseuchte die Osthälfte der Honshu Insel, das Stadtgebiet von Tokio mit eingeschlossen. Dies hinterließ ein mit radioaktiven Isotopen verseuchtes Gebiet von über 1.000 km².


    - Etwa 200.000 Menschen waren gezwungen, ihre Häuser zu verlassen, als sie auf unbestimmte Zeit aus einem 20 km² großen Gebiet um das Atomkraftwerk evakuiert wurden.


    - Etwa 70.000 Menschen verblieben in einem hochkontaminierten Gebiet von 870 km² Größe außerhalb der Evakuierungszone. Hier wurden die Menschen zum Teil externer Radioaktivität ausgesetzt, die 100 mal höher war als die normale Hintergrundstrahlung.


    - Das Risiko des Entstehens von Krebs und anderen strahlungsbedingten Erkrankungen erhöht sich proportional zum Ausmaß der Strahlenexposition. Es existiert kein unterer Schwellenwert, da bereits die geringste Menge Radioaktivität zu einer Gewebsschädigung und zu Genmutationen führen kann.


    - Radioaktive Verseuchung wurde in allen Obst- und Gemüsesorten aus der betroffenen Region festgestellt,sowie im Fleisch der Tiere, die auf dem verseuchten Land grasten. Radioaktivität wurde ebenfalls in Milch, Tee und Leitungswasser festgestellt, sogar im Stadtgebiet von Tokio. Das Essen von nur 500g verseuchtem Gemüse kann zu einer inneren Strahlenexposition führen, die mehr als das 100-fache der normalen Jahresmenge an radioaktiver Ingestion bei Erwachsenen beträgt, und mehr als das 200-fache der Jahresmenge bei Kindern.


    - Im Nordpazifik gefangener Fisch und Meeresfrüchte sind zum Teil hoch kontaminiert, mit einer deutlichen Akkumulation von Radioaktivität in Tieren, die höher in der Nahrungskette stehen. Ausschwemmung und Bioakkumulation werden für viele Jahre zu einer radioaktiven Vergiftung der Meeresflora- und fauna führen.


    - Kinder sind am stärksten von Radioaktivität betroffen, da ihre Körper strahlenempfindlicher sind und sie durch ihre natürlichen Gewohnheiten einer größeren Dosis ausgesetzt werden. Indem die zulässige radioaktive Dosis auf 20 mSv erhöht und gleichzeitig Jodtabletten systematisch vorenthalten wurden, wurden die Kinder in der Präfektur Fukushima einer unnötig hohen Strahlendosis ausgesetzt.


    - Es ist noch zu früh und es existieren noch zu wenig Daten, um das Ausmaß der gesundheitlichen Folgen durch die Atomkatastrophe adäquat einschätzen zu können. Umfangreiche epidemiologische Studien werden benötigt, um die Folgen und das Ausmaß der gesundheitlichen Konsequenzen für die Bevölkerung festzustellen. Es ist wichtig, dass diese Forschung von unabhängigen Forschungsgruppen durchgeführt wird, die keine Verbindungen zur Atomindustrie haben, wie dies beispielsweise bei TEPCO, der JAEA, der IAEO und diesen angegliederten Organisationen der Fall ist.


    - Behauptungen von Wissenschaftlern der Atomindustrie, dass keine gesundheitlichen Folgen erwartet werden müssen, sind unwissenschaftlich und unmoralisch.


    (Quelle: ippnw)


    Lg. Nudnik

  • Zitat von Robert_Brannon;270534


    Mir ging es in erster Linie um die Panikmache der Medien. Wie gesagt, solche Katastrophen sind was schlimmes. Aber, wie weiter gesagt, das ist auch kein jonglieren mit Kettensägen und verbundenen Augen. Es gibt immer wieder Störfälle hier, und die Notabschaltung greift. Sonst wären wir schon nicht mehr hier (wenn man Beznau anschaut).


    Die bisherige Rate für einen sGAU ist ca. einmal in 10.000 Reaktorbetriebsjahren (Fukushima gnädigerweise nur 1x gezählt).


    Bei rund 400 Reaktoren in der Welt macht das somit alle 25 Jahre mal einer. Würde man die AKW weltweit ausbauen auf meinetwegen 1000 Reaktoren oder 5000 Reaktoren bis die tatsächlich einen nenneswerten Beitrag zur weltweiten Energieversorgung liefern könnten (derzeit sind es 2%(!!!) am Endenergieverbrauch, Tendenz sinkend), dann wäre es eben nach heutigem Stand alle 10 Jahre bzw. alle 2 Jahre ein sGAU.


    Man mag argumentieren, dass die Erfahrung mit dem Betrieb der Anlagen steigt, andererseits steigt aber auch deren Alter.


    Auch einen sGAU alle 2 Jahre würde "die Menschheit" schon irgendwie verkraften, auch wenn das kein großer Spaß mehr ist. Die Weltwirtschaft würde das aber wohl kaum verkraften. Und es bleibt immer die Frage: Wozu?


    Zitat


    Andere Foren sind zerissen ob diesem Thema. Darum lasse ich's jetzt. Ich habe schon den Fehler gemacht mich auf eine Diskussion einzulassen ohne Atomphysiker zu sein...


    Auch ein Atomphysiker wäre keineswegs der richtige Ansprechpartner, denn von allgemeiner Kraftwerkstechnik und vor allem externen Risiken und Katastrophenmanagement hat der typische Atomphysiker auch wenig Ahnung. Einer meiner Arbeitskollegen ist "Kerntechnischer Ingenieur" (oder wie das in der DDR hieß) und hat an AKW mitgebaut. Fukushima hätte der so wie es passiert ist für vollkommen unmöglich gehalten.
    Wie ich bereits schrieb ist das einfach ein (gewollter) Mangel an Phantasie.
    Wenn etwas schief gehen kann geht es irgendwann auch schief. Es geht dann in 9 von 10 Fällen oder vielleicht auch 99 von 100 Fällen doch irgendwie noch gut, weil das Personal genau das richtige macht, die Sicherheitsmechanismen greifen oder man einfach Glück hatte. Und hin und wieder gibt es halt trotzdem den einen Fall, wo der GAU dann zum sGAU wird. Wir haben derzeit über 400 Reaktoren auf der Welt in Betrieb, die meisten davon sind "so billig wie möglich" gebaut in einer Zeit als man noch dachte, ein Unfall wäre 100%ig unmöglich, sie werden vom billigsten Anbieter gewartet und viele davon werden deutlich länger in Betrieb sein als ursprünglich mal geplant.


    Das wird aller Wahrscheinlichkeit nach wieder schief gehen. Die Frage ist nicht ob, sondern wann und wo.


    Man kann zum Entschluss kommen, dass das Risiko akzeptabel sein, meiner Meinung nach ist es das nicht. Wäre es akzeptabel könnte man es auch versichern. Die Konsequenz aus meiner Meinung ist natürlich, dass man das bisschen Atomstrom an unserem Energieverbrauch entweder durch fossile Energieträger erzeugen muss oder eben PV- und Windkraftanlagen in der Gegend herum stehen hat.


    Man muss auch mal die Bedeutung der Kernkraft betrachten. Weltweit sind das heute 2% des Endenergiebedarfs. In Deutschland waren es 2015 noch 92TWh an Strom. Das ist jetzt nicht besonders viel.
    Aus erneuerbaren Energien haben wir 2015 rund 196TWh Strom produziert und das Austauschsaldo mit dem Ausland war 2015 bei +52TWh, wir wussten die meiste Zeit also sowieso nicht wohin mit unserem Strom.


    Rein bilanziell sind die AKW in Deutschland recht schnell abschaltbar, die Kosten sind vernachlässigbar. Technisch betrachtet fehlen in Süddeutschland allerdings ein paar Hochspannungsleitungen (Bürgerproteste) und ein paar Gaskraftwerke (Situation am Strommarkt).


    Wenn man keine AKW mehr im eigenen Land hat ist schon viel gewonnen. Auch Polen, Österreich, Italien und Dänemark haben keine AKW, somit ist ein großer Teil des Landes "relativ sicher" und bei den meisten ausländischen AKW bliebe wahrscheinlich der Hauptschaden und der Großteil der Kosten bei denen im Lande. Dort wo grenznah und gegen die Hauptwindrichtung noch großes Risiko herrscht muss politischer Druck erzeugt werden, das ist aber nur dann wirklich glaubwürdig wenn man selber keine AKW mehr betreibt...


    Mit dem Abschalten ist es nicht getan. Danach beginnt der Rückbau, womit bisher nur sehr wenige auf der Welt Erfahrung haben und dann die Langzeitlagerung... Das ist dann ein eigenes uns sehr spannendes Thema.


    MfG

    Aus gegebenem Anlass: ich distanziere mich hiermit ausdrücklich gegen jeden Form von Gewaltphantasien gegen andere, den Staat oder staatliche Organe. Ich betreibe prepping als Krisenvorsorge und als Hobby und tausche mich hier mit Gleichgesinnten aus.

  • Um zu sehen wie unsicher (und Scheiße) die Atomkraft ist lohnt ein Blick auf die Versicherbarkeit solcher Anlagen. Das spiegelt die Risikoeinschätzung wieder und zwar von den Versicherern mit 1000den dahinterstehenden Mathematikern, Statistik-Lurchen, Gefährundungsbeurteilern, Risikoanalysten etc.


    Das deutsche "Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz - AtG)" regelt unter anderem die Haftungsfragen für Atomkraftwerke.
    Gemäß § 25 AtG "Haftung für Kernanlagen" haften einerseits die Betreiber für Schäden summenmäßig unbegrenzt, d. h. mit ihrem gesamten Vermögen.Es können damit jedoch bestenfalls Schäden gedeckt werden, die dem Wert des Unternehmens entsprechen.
    Da alle größeren Energieversorger Aktiengesellschaften sind, würde der Aktienwert des Unternehmens im Falle eines GAUs einbrechen – der ehemalige Börsenwert wäre nur noch Makulatur. So war es beim japanischen Konzern TEPCO der Fall, welcher schließlich verstaatlicht werden musste. Der japanische Staat übernahm mehr als 50 % der Stimmrechte. Ohne diese Maßnahme hätte TEPCO Insolvenz anmelden müssen.
    Bei einem GAU in Deutschland und der Insolvenz des Betreibers müsste die Bundesregierung, und damit der Steuerzahler, für Evakuierungsosten, Dekontaminationsmaßnahmen, Entschädigungszahlungen etc. aufkommen.


    Die Betreiber der Atomkraftwerke müssen für die Erfüllung gesetzlicher Schadensersatzverpflichtungen eine Deckungsvorsorge von derzeit 2,5 Milliarden Euro vorweisen. Tatsächlich ist jedes Atomkraftwerk aber mit nur 256 Millionen Euro über eine Haftpflichtversicherung bei einer Versicherungsgesellschaft versichert. Die restlichen 2,244 Mrd. Euro, und damit den Großteil, sichern die Betreibergesellschaften durch gegenseitige Garantiezusagen ab.
    § 34 des Deutschen Atomgesetzes (AtG) legt fest, dass "der Bund den Inhaber der Kernanlage oder den Besitzer radioaktiver Stoffe von Schadensersatzverpflichtungen freizustellen [hat], soweit diese von der Deckungsvorsorge nicht gedeckt sind oder aus ihr nicht erfüllt werden können". Der Höchstbetrag der Freistellungsverpflichtung wird auf 2,5 Milliarden Euro gedeckelt. Die Freistellungsverpflichtung des Bundes bedeutet einfach ausgedrückt: Der Staat übernimmt die Pflicht zur Zahlung von Entschädigungsleistungen.
    In den Medien ist bislang kaum thematisiert worden, wann der Betreiber von Atomkraftwerken im Falle eines Unfalls haftet. Nur bei eigenem Verschulden, wie z. B. menschlichem Versagen oder Konstruktionsmängeln an Atomkraftwerken? Oder auch bei Naturkatastrophen, Flugzeugabstürzen, Terrorangriffen, Krieg, Ursachen also, die der Betreiber nicht direkt verursacht hat?


    Im "Pariser Atomhaftungsübereinkommen" von 1960 ist zu Gunsten des Inhabers höhere Gewalt ausgeschlossen worden.


    In § 25 des Deutschen Atomgesetzes ist diese Regelung jedoch nicht übernommen worden: "Die Bestimmungen des Artikels 9 des Pariser Übereinkommens über den Haftungsausschluß bei Schäden, die auf nuklearen Ereignissen beruhen, die unmittelbar auf Handlungen eines bewaffneten Konfliktes, von Feindseligkeiten, eines Bürgerkrieges, eines Aufstandes oder auf eine schwere Naturkatastrophe außergewöhnlicher Art zurückzuführen sind, sind nicht anzuwenden."


    In Deutschland kommt damit eine unbeschränkte Gefährdungshaftung zur Anwendung. Wie in einer Studie des BEE ausgeführt wurde, bedeutet dies, "es kommt bei einem Schaden nicht auf dessen Widerrechtlichkeit oder Verschulden des Inhabers an. Vielmehr haftet der Inhaber eines KKW unbegrenzt und unabhängig vom Verschulden gegenüber Schadenersatzansprüchen Dritter." Dies wird auch auf der Website "kernenergie.de" des Deutschen Atomforums (DAtF), der wichtigsten Lobbyorganisation in Deutschland, bestätigt.


    Zugleich deckelt der Staat die Haftungshöchstgrenze: Im Falle eines bewaffneten Konfliktes, Feindseligkeiten, eines Bürgerkrieges, eines Aufstandes oder einer schweren Naturkatastrophe außergewöhnlicher Art wird laut § 31 AtG "die Haftung des Inhabers auf den Höchstbetrag der staatlichen Freistellungsverpflichtung begrenzt". Das sind gegenwärtig 2,5 Milliarden Euro.


    Laut Dirk Harbrücker, Geschäftsführer der Deutschen Kernreaktor-Versicherungsgemeinschaft (DKVG), werden die "Folgen eines atomaren Unfalls, der unmittelbar auf eine außergewöhnlich [sic] Naturkatastrophe zurückgeht", nicht von den Versicherungsgesellschaften versichert.


    "Die Versicherer zahlen nicht, wenn der Schaden auf einen bewaffneten Konflikt, Aufstand, Bürgerkrieg oder eine schwere Naturkatastrophe zurückzuführen ist. Bei leichteren Naturereignissen wie Stürmen steht die DKVG dagegen in der Pflicht. Dasselbe gilt für Terroranschläge, technisches oder menschliches Versagen


    http://web.archive.org/web/201…ung_Atomkraftwerke_EU.pdf


    In einer Studie der Versicherungsforen Leipzig (2011) wurde angenommen, dass eine Finanzierung der Haftpflichtversicherung durch eine vollständige Umlage der jährlichen Risikoprämie auf den Strompreis erfolgt. Für die Berechnungen wurde die gesamte im Jahr 2010 durch deutsche AKW erzeugte Strommenge verwendet. Dabei wurden unterschiedliche Versicherungsszenarien und unterschiedliche Bereitstellungszeiträume errechnet. Als Beispiel sollen nur zwei der errechneten Szenarien dargestellt werden: Bei Einzelversicherung aller 17 [seit 2009: 16] deutschen AKW und einem Bereitstellungszeitraum von 100 Jahren müsste in Summe eine jährliche Prämie von 331,5 Mrd € bezahlt werden. Auf die jährlich erzeugte Strommenge von 140,5 Mrd kWh aufgeteilt ergäbe sich dadurch eine Nettopreiserhöhung auf den Atomstrom von 2,36 €/kWh. Bei einer gemeinsamen Poolversicherung aller deutschen AKW wiederum würde die jährliche Prämie 19,5 Mrd € betragen, was immer noch eine Nettopreiserhöhung von 0,14 €/kWh ausmachen würde.


    Jedes versicherungsunternehmen würde eine Versicherung mit unbeschränkter Höchstsumme ablehnen.

    Der Bote der Wahrheit braucht ein schnelles Pferd

  • Hallo in die Runde,


    ich habe mich mit dem Thema "Radioaktivität - Entsorgung - Strahlung - Gau" intensiver die letzten Woche beschäftigt. Tatsächlich gibt Tschernobyl beiden Parteien scheinbar recht: es gab an direkten Todesfällen infolge des Super-Gaus "nur" knapp 50 Tote, was mich jetzt stark beim Recherchieren doch überrascht hat. Bei den "Folgetoten" wird es schwierig: hier schwanken die (seriösen) Schätzungen zwischen 4000 und 40 000 für die nächsten Jahre. Grund ist die Differenz zwischen den kausalen Folgen einer Kontamination / Verstrahlung, wo mind. ab 100mS/a biologische Schäden zu erwarten sind (ab 7 S/a ist der Tod wohl unabwendbar) und den indeterministischen Effekten schwacher Verstrahlung, wo biologische Schäden nur für Gruppengrößen, d.h. statistisch wahrscheinlich sind.


    Bei Tschernobyl hat mich auch überrascht, dass die von Touristen berichteten Verstrahlungswerte von 5 - 8 µS/h nicht so hoch scheinen: eine ordentliche Pechblende bringt in 10 cm Abstand erheblich mehr auf die Waage. Insoweit also, rein technisch-wissenschaftlich scheinen die menschlichen "Schäden" der Atomkraft kalkulierbar - solange man die indeterministischen Effekte unter den Tisch kehrt.


    Auf der anderen Seite schaut man sich das Papier mal an (on der Entdeckung der Radioaktivität zur Nutzung der Kernenergie Das Problem der radioaktiven AbfälleVorlesung /Seminar 24269 a+b - Sommersemester 2013 - Prof. Dr. Walter A. Franke) könnte es einem Angst und Bange werden. Wenn es, so unwahrscheinlich es auch immer ist, zu einem S-GAU in unserem "Ländle" (D) käme, hätten wir aufgrund unserer Bevölkerungsdichte größere Probleme als die Ukrainer und Weißrussen. Dann zahle ich lieber 20 -30 C je kw/h mehr und weiß ich mich auf der sichereren Seite.


    Gruß
    Peter

  • Man staunt immer wieder wie man bei solchen mit exorbitant hohem Gefährdungspotential existierenden technischen Einrichtungen scheinbar gerne auf Leiharbeiter zurückgreift. Da fasst man sich echt an den Kopf das immer probiert wird noch am letzten Kostenblock zu sparen und das sind dann die Konsequenzen. Kann zwar auch mit eigenem Personal erfolgen, da ist aber die Gefahr so einen Griff ins Klo zu tätigen geringer wegen Bindung an den Betrieb und meist auch höheren Löhnen. Irgendwann sparen wir uns im wahrsten Sinne noch mal zu Tode.

    Der Bote der Wahrheit braucht ein schnelles Pferd

  • Zitat von Bärti;270649

    Man staunt immer wieder wie man bei solchen mit exorbitant hohem Gefährdungspotential existierenden technischen Einrichtungen scheinbar gerne auf Leiharbeiter zurückgreift...


    Das hat möglicherweise auch etwas mit der Strahlungsdosis zu tun. Man darf so einen Job halt nur einige Male ausführen bis man seine zulässige Dosis hat und für die Kernkraftwerksbetreiber wäre es ungünstig, das "gute Stammpersonal" für Wartungsarbeiten quasi zu verheizen. Also setzt man vor allem nahe des Reaktors besonders gerne Leiharbeiter ein, weil man die austauschen kann.


    Die wohlwollendere Interpretation wäre, dass Spezialfirmen einfach die größere Expertise bzgl. Wartung und Prüfung der Anlagen haben als das Stammpersonal.


    Ist natürlich auch ein Risiko in Bezug auf Terrorismus. In Frankreich waren schon Islamisten als Leiharbeiter in den AKW tätig.


    Aber es wird schon nix passieren, bei uns gibt es ja keine Tsunamis :winking_face:

    Aus gegebenem Anlass: ich distanziere mich hiermit ausdrücklich gegen jeden Form von Gewaltphantasien gegen andere, den Staat oder staatliche Organe. Ich betreibe prepping als Krisenvorsorge und als Hobby und tausche mich hier mit Gleichgesinnten aus.

  • Zumindest mal steht Cattenom in einem Erdbebengebiet.


    Zitat

    Das Kernkraftwerk Cattenom wird als ein Sicherheitsrisiko wegen mangelnder Erdbebensicherheit der technischen Installationen angesehen, da sicherheitsrelevante Ventile nach einem Erdbeben nicht mehr funktionieren würden.[9] Presseberichten zufolge stuft Betreiber EDF Cattenom als erdbebensicher bis Stärke 5,4 ein.[10]


    https://de.wikipedia.org/wiki/…aftwerk_Cattenom#Erdbeben



    Auch der über 100 Km entfernte Stausee für die Notfallkühlung liegt in einem Erdbebengebiet:


    Zitat

    In über 100 km Entfernung befindet sich auf der Westseite der Vogesen in Lothringen der Speichersee Lac de Pierre-Percée[11] (auch Lac du Vieux Pré oder Lac de la Plaine). In Notfällen soll dieses Reservoir als Wasserlieferant über den Meurthe-Nebenfluss Plaine und den Mosel-Nebenfluss Meurthe dienen, um in der Mosel einen für die Kühlung ausreichenden Flusspegel aufrechtzuerhalten. Auch diese Talsperre unterliegt mit ihrer Staumauer den örtlich vorhandenen Erdbebenrisiken.


    https://de.wikipedia.org/wiki/…_Cattenom#Notk.C3.BChlung



    In Trier gibt es einen Verein, der die Reaktoren sehr sehr genau hinsichtlich ihrer Strahlenemissionen misst und dokumentiert.


    http://www.maus-trier.de/


    Als Laie kann ich mit den Werten halt nicht so viel anfangen. Aber man hat ein paar Augen auf den Reaktoren...

    I feel a disturbance in the force...

  • Zitat von Roger;270440

    In der kleinen Schweiz sterben jedes Jahr rund 25 Menschen durch Lawinen und über 200 Menschen sterben im Strassenverkehr. Bei euch im grossen Kanton Deutschland sterben jedes Jahr annähernd 3500 Menschen im Strassenverkehr, das sind mehr als 9 Menschen täglich. In der zivilen Luftfahrt kommen jedes Jahr 200 bis 1000 Menschen ums Leben. Und durch Kernenergie? Das letzte grosse Kernenergieunglück mit Toten war Tschenobyl. In Fukushima starb durch den AKW-Unfall bisher kein einziger Mensch. Es gab damals viele Tote durch den Tsunami, also durch eine Naturkatastrophe mit rund 20 m hohen Wellen.
    Die wirkliche Gefahr lauert nicht im AKW, sondern direkt vor der Haustüre auf der Strasse.



    Da hast du meiner Meinung nach einen Denkfehler. Du gehst davon aus, dass der Betrieb und die Sicherheit von AKW für alle Zeiten besteht. Neben Erdbeben, schweren Stromausfällen halte ich aber auch Terrorangriffe auf Atomkraftwerke inzwischen für möglich.


    Wenn in dichtbesiedelten Gegenden Europas ein Atomunfall passiert, dann ist in Reichweite der Strahlung für die nächsten paar tausend Jahre Leben weitgehend unmöglich. Dass es Störfälle aller Arten gibt, wird immer wieder bekannt, ich bin aber auch sicher, da wird genug vertuscht.

  • Im Jahre 1945 wurden von den US-Amerigaunern zwei Atombomben über Hisoshima und Nagasaki abgeworfen. Alles war zerstört, mindestens 200 000 Menschen waren daran qualvoll gestorben und das Gelände radioaktiv verstrahlt. Theoretisch sollte das Gebiet über die nächsten paar Tausend Jahre derart stark verstrahlt sein, dass dort kaum ein Grashalm mehr wächst. Jegliches Leben wäre dort absolut unmöglich. Heute sind beide Städte aber dicht bevölkert. Nagasaki hat 400 000 Einwohner und in Hiroshima leben gar 1.2 Millionen Menschen. Japan hat eine der höchsten Lebenserwartungen weltweit. Vor 71 Jahren waren beide Städte noch für die nächsten 10 000 Jahren so stark verstrahlt, dass ein Leben weitgehend unmöglich ist. Irgendwo ist da ein Denkfehler versteckt, aber wo?

  • Zitat von Roger;271115

    Im Jahre 1945 wurden von den US-Amerigaunern zwei Atombomben über Hisoshima und Nagasaki abgeworfen. ... Theoretisch sollte das Gebiet über die nächsten paar Tausend Jahre derart stark verstrahlt sein, dass dort kaum ein Grashalm mehr wächst. ... Heute sind beide Städte aber dicht bevölkert. Nagasaki hat 400 000 Einwohner und in Hiroshima leben gar 1.2 Millionen Menschen. ... Irgendwo ist da ein Denkfehler versteckt, aber wo?


    Es gab mal auf Arte eine sehr interessante Doku über die Erforschung der Folgen von Tschernobyl (Wirkung von Strahlung auf Lebewesen und Pflanzen). Ein Teil geht über den dortigen Leiter des Messlabors für Radioaktive Strahlung, der seit 20 Jahren nen Schrebergarten in der Todeszone betreibt. Sehenswert finde ich.


    https://www.youtube.com/watch?v=-WhIDtP64aw

  • Zitat von Varminter;271101

    Da hast du meiner Meinung nach einen Denkfehler. Du gehst davon aus, dass der Betrieb und die Sicherheit von AKW für alle Zeiten besteht. Neben Erdbeben, schweren Stromausfällen halte ich aber auch Terrorangriffe auf Atomkraftwerke inzwischen für möglich.


    Wenn in dichtbesiedelten Gegenden Europas ein Atomunfall passiert, dann ist in Reichweite der Strahlung für die nächsten paar tausend Jahre Leben weitgehend unmöglich. Dass es Störfälle aller Arten gibt, wird immer wieder bekannt, ich bin aber auch sicher, da wird genug vertuscht.




    Hallo Varminter



    Kernkraftwerke in der Schweiz haben Mehrfachbarrieren. Wie es in andern Ländern aussieht weis ich nicht.
    Wird aber vermutlich ähnlich sein.


    Unsere Reaktoren sehen etwa so aus.


    previval.org/f/index.php?attachment/33726/
    Quelle: Kernenergie.ch


    Was einfach zu treffen wäre, sind die äusseren Anlagen wie Trafos, Kühltürme etc…...


    Mit Vertuschung ist auch nichts, den Radioaktivität lässt sich nicht vertuschen und es gibt einfach zu viele Messstellen.


    Weitere Infos unter : https://www.kernenergie.ch/de/…hutz-systeme-kkw-akw.html


    Bei den Störfällen gebe ich dir teilweise Recht, nur wird in den Medien aus einer Mücke ein Elephant gemacht. Verkauft sich halt besser:staunen:


    gruss unabhäniger

  • Zitat von Roger;271115

    Im Jahre 1945 wurden von den US-Amerigaunern zwei Atombomben über Hisoshima und Nagasaki abgeworfen ... Theoretisch sollte das Gebiet über die nächsten paar Tausend Jahre derart stark verstrahlt sein, dass dort kaum ein Grashalm mehr wächst. Jegliches Leben wäre dort absolut unmöglich. Heute sind beide Städte aber dicht bevölkert ... Irgendwo ist da ein Denkfehler versteckt, aber wo?


    Der Denkfehler ist die Zusammensetzung der Spaltprodukte. bei einer Atombombe wird durch die Explosionswirkung das spaltbare Material (bestimmte Uran- bzw. Plutioniumisotope) relativ schnell wieder auseinandergestreut und auch der Ablauf des Spaltprozesses ist schnell und kurz, sodass nur eine "geringe" Menge an radioaktiven Spaltprodukten entsteht. Die Belastung durch die Strahlung sinkt "relativ schnell" wieder, das heißt die Gebiete sind nach einigen Jahren wieder bewohnbar. Die Dauer hängt allerdings auch von der Art und Stärke der Kernwaffen ab.


    Bei AKW hingegen läuft der Kernspaltungsprozess langsam und kontinuierlich ab. Die führt zur Bildung einer sehr viel größeren Menge an Spaltprodukten als bei Kernwaffen mit entsprechend potentiellem Risiko.


    Was von den beiden schlimmer ist, möchte ich nicht beurteilen und kommt auch auf den "Standpunkt an". Um es mal salopp auszudrücken: Wenn eine Atombombe in 300 km Entfernung gezündet wird, wären die Auswirkungen erstmal nicht so hoch, als wenn in gleicher Entfernung ein AKW eine große Menge Spaltprodukte freisetzt und der Wind in meine Richtung weht.




    Die besten Mehrfachbarrieren für den Reaktor nützen dir nichts, wenn im Lagerbecken etwas passiert. Das radioaktive Inventar ist stellenweise größer als im Reaktor selbst, da in den Becken teils viele Brennelemente zum Abklingen gelagert sind. Genau das ist bei Fukushima u.a. Block 4 zum Verhängnis geworden, denn vom Lagerbecken zur Umwelt gab es leider keine Mehrfachbarrieren.
    Und auch bei den Schweizer Reaktoren ist das nicht anders.
    Gib mal bei Google die Stichworte "kernkraftwerk lagerbecken containment" ein - da kommt ein PDF am Ende der ersten Suchseite vom der Schweizer Atombehörde ENSI zum Vorschein (das PDF werde ich nicht direkt verlinken, da der rechtliche Status mir nicht bekannt ist), wo genau das bei einem Schweizer AKW angemerkt wird - wobei diese Anordnung des beckens auch technisch Vorteile bietet.
    Sobald die Brennelemente allerdings im Castor sind, wirds weniger risikoreich - da gibt es schöne Videos auf Youtube zu Belastungstests dieser Behälter.


    Die Einschätzung über eine Eintrittswahrscheinlichkeit von Störfällen/Unfällen und Vermeidungs-/Bewältigungsstrategien ist genau der Punkt wo sich die Geister anfangen zu scheiden: "das Risiko ist vertretbar" vs. "das Risiko ist zu hoch".


    PS: Ich bin vor einiger Zeit in Hiroshima, wie auch in Nagasaki gewesen und habe die dortigen Atombombenmuseen besucht. Beeindurckend und bedrückend.


    PPS: Bezüglich Terrorismus gibt es weitaus "bessere" Ziele als Einrichtungen von AKW, aber das gehört in keine öffentliche Diskussion.