Das Phänomen, dass Leute eher verhungern, statt sich aufzuraffen und mit Gewalt Nahrung zu erbeuten, hat man öfter. Entsprechende Berichte gibt es beispielsweise aus dem Holodomor in der Ukraine. Da war es interessanterweise eher die Land- als die Stadtbevölkerung, was auf die verfehlte sowjetische Wirtschaftspolitik zurückgeht, die das Land ausbeutete, aber industrielle Zentren durchaus versorgte. Damals sind Landleute in die Städte gekommen und einfach im Rinnstein verhungert, während die vergleichsweise gut versorgte Stadtbevölkerung dran vorbeigegangen ist.
Interessant finde ich auch den Vergleich mit dem Steckrübenwinter im Ersten Weltkrieg, der auch für mehr als 100.000 Hungertote gut gewesen sein dürfte (wenn auch überlagert durch die Spanische Grippe). Da entwickelte sich eine massive Streikbewegung, aus der sich die Novemberrevolution ein Jahr später speiste.
In einem ganz anderen Kulturkreis, aber in einem damals für die Region recht hoch entwickelten Land spielte sich 1984/85 die Hungersnot in Äthiopien ab. Auch dort gab es keine massenhaften Plünderungen. Die kriegerischen Auseinandersetzungen spielten sich vielmehr in erster Linie in Fortsetzung des eritreischen Unabhängigkeitskriegs ab. Vielmehr setzte eine umfassende innere und äußere Flüchtlingsbewegung ein.
In Somalia 1992 bis 1995 gab es dagegen häufig das Phänomen, dass Milizen Hilfslieferungen plünderten.
Man sieht daran, dass sich Hungerkrisen sehr vielfältig entwickeln können. Sicher spielt insgesamt eine wichtige Rolle, ob und in welcher Form es ein öffentliches Ordnungssystem gibt, das weiterhin Eigentumsrechte mit Gewalt absichert.