Es gibt seit 11. Oktober 2021 einen neuen Report, der im Rahmen des Ariadne-Projekts (das vom BMBF finanziell gefördert wird) erstellt wurde:
"Deutschland auf dem Weg zur Klimaneutralität 2045: Szenarien und Pfade im Modellvergleich"
Es werden darin erstmals die plausibelsten Szenarien zur Erreichung dieses Ziels dargestellt und miteinander verglichen. Der 366 Seiten starke Report hat es in sich.
Es gibt eine 20seitige Zusammenfassung, als Einstiegshilfe.
Der Report könnte das Zeug zur "Bibel für die Energiewende" haben, so mein Eindruck. Allerdings bedeutet das Ziel Klimaneutralität auch, dass sprichwörtlich jeder Stein in unserer Energiewirtschaft umgedreht werden wird.
Grundtenor ist eine alles betreffende Elektrifizierung. Sämtliche Sektoren, in denen Energie benötigt wird, müssen sich soweit es irgendwie geht, auf die Nutzung von elektrischem Strom als Energieträger umstellen: Verkehr, Wohnen, Wirtschaft.
Das führt dazu, dass nach dem Report je nach Modellszenario dann im Jahr 2045 rund 780-1.580 TWh an elektrischer Energie pro Jahr bereitgestellt werden müssen (zum Vergleich: 2020 war die Stromproduktion in D bei 566TWh). Hinzu kommt ein im "Ausland induzierter Strombedarf" von 900 bis 1.500TWh durch den Import von Wasserstoff oder E-Fuels.
Neben H2- bzw. E-Fuel-Import sieht der Report die Notwendigkeit, ca. 3% der Landesfläche für Wind- und Solarparks zu nutzen, dafür aber den Anbau von Biomasse zur Stromerzeugung (aka Mais für Biogasanlagen) zurückzufahren, der jetzt schon 6%(!!!) der Landesfläche ausmacht, aber gegenüber Wind- und Solarparks nur einen Bruchteil des Stromertrags pro Hektar liefert. Unterm Strich würden durch die Reduktion des Maisanbaus für Biogasanlagen sogar wertvolle Angrarflächen freiwerden.
Erwähnt wird auch die Weiterentwicklung von Freiflächen-Solarparks zu sogenannter Agriphotovoltaik, bei der die Solarmodule mit größerem Reihenabstand aufgestellt werden und die Modulreihen als 1-achsige Tracker ausgeführt sind. D.h. die Module sind schwenkbar und folgen dem Gang der Sonne von Osten nach Westen. Dadurch können die Module auch senkrecht gestellt werden, was dann eine Bewirtschaftung der Flächen zwischen den Modulreihen mit herkömmlichen Landmaschinen ermöglicht undgleichzeitig ist der Stromertrag durch das Tracking über 50% höher als bei konventionellen Freiflächen-Solaranlagen. Agriphotovoltaik stelle auch eine attraktive Substitution der Biogasproduktion dar, weil auf der gleichen Fläche landwirtschaftliche Produkte/Lebensmittel angebaut werden können und wesentlich mehr Strom produziert wird, als mit der angebauten Biomasse über Biogasverstromung möglich wäre.
Stromerzeugung und Energiespeicherung müsse massiv dezentralisiert werden.
Auf dem Gebäudesektor müsse eine energetische Sanierungsrate von 2-3% des Altbestands pro Jahr erreicht werden.
Aus Gründen der Ressourcenökonomie müssten z.B. die Energiespeicher in Autos (Akkus) möglichst klein ausgelegt werden, was gegen den momentanen Trend wäre, der zu immer größeren Akkukapazitäten geht.
Wird spannend...und der Weg dorthin könnte durchaus holprig sein (rolling power outages, Blackouts).
Grüsse
Tom