Die Grenzen des Systems - Teil 2

  • Hallo,


    der "2. Teil" ist nach wie vor getragen von einer globalen Auslöschungs-Theorie. Es erinnert einen fast an die Philosophie des Voluntary Human Extinction Movement.




    Zitat von Elf;91041

    Die beängstigende Grafik auf Seite 6 ist leider nicht erfunden. Bei den Modellprognosen habe ich mich auch an den Arbeiten vom Club of Rome orientiert.


    aber ohne belastbare Quellenangaben ('Glaser' und 'Modellschätzungen' als Beleg anzuführen, ist mir zu vage) bleibt Deine Prognose zur Bevölkerungsentwicklung arg spekulativ:


    - allein schon die Definition des Territoriums "Deutschland" von 400 V. Chr. bis 2030 n. Chr. dürfte eine Herausforderung sein,
    - die Qualität der statistischen Daten bezüglich der Einwohnerzahlen vor 1792 ist mehr als fragwürdig, da bis dahin keinerlei umfassendes Personenstandregister geführt wurde, das Land in zig, zeitweise hunderte Kleinststaaten zersplittert war und lediglich Kirchenbücher erst seit 1490 im deutschsprachigen Raum bekannt sind. Wobei die Kirche(n) nur "ihre" Schäfchen erfasste und oftmals die untersten Schichten der Bevölkerung überhaupt nicht erfasst wurden, da wurde fast nach Belieben geboren und gestorben.
    - der massive Rückgang der Bevölkerung bis Ende des 30jährigen Kriegs (Westfälischer Friede, 1641) um ca. 40% ist in der Kurve gar nicht zu erkennen,
    - der Einbruch bedingt durch den 1. Weltkrieg (~ 3 Mio.) und 2. WK (~10 Mio.) ist ebenfalls nicht sichtbar.


    D.h. die Kurve ist mehr oder weniger frei Hand geglättet. Für den gestrichelten zukünftigen Verlauf fehlt im Text eine fundierte Herleitung oder wenigstens ein paar Quellenangaben dazu. Das ist schade, weil es durchaus plausible Gründe für solche Szenarien gibt (Supervirus, mutual assured destruction, Kometenkollision, Supervulkane u.ä.), deren Eintrittswahrscheinlichkeit man allein aus der Statistik für längere Zeiträume herleiten kann.
    Der Theorie, aus dem Zusammenbruch unserer Gesellschaftlichen Ordnung könnte ein Chaos entstehen, das die Bevölkerung um 95% dezimiert, mag ich ohne plausible Begründungen nicht folgen. Gerade das deutsche Territorium war fast durchgehend im Betrachtungszeitraum Schauplatz fürchterlicher Kriege, Verfolgungen und Epidemien, dennoch konnte bislang nie ein Rückgang der Bewohnerzahl über 40-50% hinaus (30jähr. Krieg & Pest) nachgewiesen werden. Warum soll das jetzt möglich sein? Nur weil die Bevölkerungszahl (dank Fortschritten in Sachen Frieden, Medizin und Landwirtschaft) seit dem Mittelalter enorm angestiegen ist?


    Der gestrichelte Bereich der Kurve von Seite 6 deckt ca. 15 Jahre ab, in denen 75 Mio. Einwohner "verschwinden", d.h. es müssten 10 Leute pro Minute verschwinden oder 5 Mio. pro Jahr. Wie soll das passieren, bzw. was wäre die Ursache für ein solches Massensterben? Ausser den globalen Killern a la Kometen-Crash kommt kaum etwas in Frage.
    Aus der Epidemologie weiss man, dass selbst bösartigste Virusepidemien sich selbst stoppen, wenn die Sterberate der "Wirte" grösser ist, als die Ansteckungsquote, d.h. der Virus kann sich nicht mehr ausbreiten, weil sein Wirt keinen weiteren Wirt mehr infizieren kann, bevor er stirbt. Dieser "Endpunkt" einer Epidemie liegt (gottseidank - sonst wäre die Erde mittlerweile von allen höheren Tierarten entvölkert) weit vor dem Auslöschungspunkt einer Spezies. Das ist auch der Grund dafür, warum fiese Krankheiten wie Ebola zwar schlagartig und brutal "breit" ausbrechen können, die Epidemie aber genauso schlagartig wieder aufhört.


    Einen scharfen Bevölkerungrückgang zu prognostizieren hat sicher was gruseliges, aber die Herleitung muss plausibler sein.



    Grüsse


    Tom

  • Hallo Tom,
    besten Dank.
    Die Zahlen seit 400 v. Chr. habe ich aus der Literatur genommen. HIer ist die Quelle. Der Autor gilt als sehr renommiert. Ich denke das ist eine valide Quelle.
    Glaser et.al. 2008, Geographie Deutschlands, WBG, Darmstadt. S. 132, (im Internet erhältlich)


    Die Modellschätzungen ab 2010 haben: http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Grenzen_des_Wachstums als Basis.
    "Im Jahr
    2004 veröffentlichten die Autoren das 30-Jahre-Update. Darin brachten sie die verwendeten Daten auf den neuesten Stand, nahmen leichte Veränderungen an ihrem Computermodell World3 vor und errechneten anhand verschiedener Szenarien mögliche Entwicklungen ausgehend vom Jahr 2002 bis zum Jahr 2100. In den meisten der errechneten Szenarien ergibt sich ein Überschreiten der Wachstumsgrenzen und ein anschließender Kollaps („overshoot and collapse“) bis spätestens 2100. Fortführung des „business as usual“ der letzten 30 Jahre führe zum Kollaps ab dem Jahr 2030"


    Ich habe das ganze als mit Hilfe des Sornette-Modells modelliert. http://www.er.ethz.ch/publicat…s_Engler_final2_Apr10.pdf
    Das ist zum Beispiel im Fall von Bürgerkriegen oder Atomanschlägen meiner Meinung nach eine durchaus gerechtfertigte Methode.


    Aber Du hast natürlich recht. Ein Modell enthält nur Modellwerte. Die können, müssen aber nicht, mit der Realität übereinstimmen. Genau wie bei der Wetterprognose, die ja auch oft daneben liegt. Ich würde mich also nicht zu sehr auf die Grafik fokussieren. Die Grafik dient nur zur Untermauerung der anderen Aspekte im Dokument. Am Ende kommt es ja sowieso wieder ganz anders als geschätzt- genau wie bei der Wetterprognose.

    Danke und Gruss,
    11

  • Das Wissen um mögliche Reaktionsmuster von Menschenmassen kann helfen, tödliche Fehler zu vermeiden.
    Dafür noch eine Ergänzung zum Thema Massenpaniken aus der Zivilschutzforschung (sorry wg. des ausnahmsweise langen Zitats, aber in diesem besonderen Fall hab ich absichtlichts gekürzt).


    "Die vorliegenden Dokumente und Analyseergebnisse zeigen, dass Massenpaniken
    danach relativ selten sind. Allerdings gibt es gehäuft kurzfristige Paniken, die Einzelmenschen
    oder auch Gruppen entwickeln. Die Massenreaktionen sind meistens
    Fluchtbewegungen in bestimmte Richtungen (Dok. 13, 14, 32). Das ist vor allem
    dann der Fall, wenn in die Menschenmenge aus einer zu erkennenden Richtung
    geschossen wird. Das war z.B. in Ostberlin am 17. Juni 1953 der Fall (Dok. 32).
    Viel häufiger ist dagegen Panikverhalten in begrenztem Umfange nachzuweisen
    (Hamburg 1943, Schön 1970, Dok. 14, 49). In Hamburg (1943) trat nach Augenzeugenberichten
    nach dem Auftreten von Feuerstürmen und dem Explodieren von
    Bomben zielloses Verhalten auf, das für die Menschen oftmals einen tödlichen
    Ausgang nahm. Die Panikaktionen wurden durch das Eingeschlossensein in den
    Luftschutzbunkern oder durch das Feuer ausgelöst. Ebenso kam es zum Panikverhalten
    beim Untergang der Goya. Es handelt sich hier um ein Schiff, das mit 7.200
    Flüchtlingen an Bord am 16. April 1945 von zwei sowjetischen Torpedos getroffen
    wurde. 172 Menschen haben überlebt. Die Augenzeugen berichteten (Schön 1970)
    von den dramatischen Szenen des Unterganges, der nur 240 s dauerte. So wurden
    Kinder niedergetrampelt, das Rettungsprinzip „Frauen und Kinder zuerst“ galt
    nicht mehr. Einige schossen sich von den Luken unter Deck den Weg über die Leitern
    frei. Die Bedrohung fuhr auch in die Beine, sie versagten ihren Dienst. Die
    Handlungskontrolle setzte aus.

    Entnommen aus: http://www.schutzkommission.de…df?__blob=publicationFile
    Seite 50


    und Seite 52:
    In Hamburg und Heilbronn kam es zu erschreckenden Panikszenen in den einzelnen
    Kellern. Die Ursachen waren versperrte Fluchttüren durch Feuer, Hitze und
    Qualm. Auch waren z.T. die Ausstiege verschüttet. Weiterhin waren Kohlevorräte
    in den Kellern in Brand geraten, sodass sich zu den äußeren Hitzeeinwirkungen
    noch körpernahe Hitzebedrohungen entwickelten. Anhand der vorgefundenen
    Lage der Opfer in den Kellern müssen sich dort z.T. geradezu extreme Panikszenen
    abgespielt haben. So gab es offensichtlich Auseinandersetzungen zwischen
    den Menschen, ob ausgestiegen werden soll oder nicht. Der Hintergrund war, dass
    die Erfahrungen von Hamburg und anderen Städten administrativ nicht umgesetzt
    wurden. Diese Erfahrungen besagten, dass nach dem Fallen der letzten Bomben
    die Bevölkerung sofort die Luftschutzkeller zu verlassen habe, um durch Funkensturm,
    Hitzeentwicklungen, Kohlenoxyd und anderweitige Verbrennungsgase
    sowie Paniken in den Kellern die Verluste gering zu halten. Diese Erfahrungen
    wurden allerdings z.B. in Städten wie Heilbronn nicht umgesetzt. Sie wurden verschwiegen.
    So wurden Evakuierungen der Menschen abgelehnt, weil Bedrohungserfahrungen
    und das z.T. richtige Verhalten der Menschen als geheim eingestuft
    wurden. Dadurch stritten sich z.B. in Heilbronn die erfahrungsorientierten
    Menschen und die befehlsgebundenen in den Kellern. So kämpften sie an den
    Ausgängen miteinander in höchster Panik. „In einem größeren Luftschutzraum
    muss es zu einer heftigen Auseinandersetzung über das Für und Wider des Aussteigens
    gekommen sein, bis endlich das Kohlenoxyd dem Streit ein Ende bereitete;
    bei der Bergung der Toten ergab sich, dass manche der Erstickten Hieb- und
    Schlagwunden trugen. In manchen Durchbrüchen fanden sich Zusammenballungen
    von dreißig und vierzig menschlichen Leibern, die nach der Freilegung nur
    mit Gewalt voneinander gelöst werden konnten“ (Steinhilber 1961, 83)."

  • Die Grenzen des Systems - 3. Teil....


    ...könnte schneller fertiggestellt werden, wenn mir jemand aus dem Forum beim Programm Indesign helfen könnte.
    Ausserdem brauche ich jemand, der das ganze mal vor Veröffentlichung Korrektur hier im Forum nochmal kritisch lesen könnte (zufällig ein Germanist hier unterwegs?)


    Der Inhalt des Dritten Teils sollen Bewältigungsstrategien für Bagatell-Krankheiten / Infektionen sein, an denen in Krisensituationen die Mehrheit der Menschen zu Grunde gehen. Mit Beispielen aus der Historie, wie zu früheren Zeiten Menschen bspw. mit den gegebenen Ressourcen die Überlebenswahrscheinlichkeit im Krankheitsfall erhöhen konnten.
    Dafür wäre es sehr hilfreich, wenn Leuten vom Fach (Biologie, Pharama, Medizin etc.) einem Unwissenden ein paar Literaturtipps geben könnten. Damit könnte der Rechercheaufwand erheblich abgekürzt werden.L
    ieben Dank und ich freue mich darauf, die gesammelten Gedanken dann wiederum allen hier kostenlos zur Verfügung zu stellen.


    11

  • Hallo zusammen,


    der dritte und damit letzte Teil des Artikels "Die Grenzen des Systems" ist fertig.
    Ich möchte allerdings niemandem die gute Laune verderben und sende daher den Artikel gerne auf Anfrage an jeden hier im Forum zu.


    Schöne Grüsse, 11

  • Hätte auch Interesse an allen 3 Teilen.



    EDIT: uupps Sorry hab gesehen das mindestens schon die ersten zwei Teile hier im Thread verlinkt sind.

  • hallo 11


    kannst du mir den 3.Teil auch zuschicken würde es gerne als Lesewerk ablegen.


    Danke

  • Hallo elf,


    kann uns das so schocken?
    Haus raus.


    Gruß

  • Hallo zusammen,
    sobald ich den Download-Link von den admins erhalten, schicke ich es Euch durch.
    Danke und Gruss
    11

  • Ich hätte auch gerne Teil 3.
    Teil 1 und 2 haben mir schon sehr gut gefallen!
    Gruß, TheZero

  • Hallo elf,
    könntest du mir ebenfalls den 3ten Teil schicken?
    Teil 1 & 2 waren sehr interessant, Respekt und Danke an deine Arbeit!


    Grüße

  • Hallo
    Ich hätte das auch sehr gerne.
    Wenn möglich auch Teil 1 und 2
    Viele Grüße
    Der Anfänger

  • Hallo Elf,



    mit großem Interesse habe ich Teil 1. + 2. gelesen, und ich würde mich freuen, wenn ich von dir auch den dritten Teil erhalten könnte.


    Zunächst möchte ich Dir sagen, dass ich Deine Arbeit als sehr seriös und glaubwürdig erachte und darüber hinaus erfreut bin, dass Du Deine Arbeit unentgeltlich der Allgemeinheit zur Verfügung stellst.


    Das ist heute nicht mehr selbstverständlich! Denn alle wollen nur noch Kohle machen…


    Sicher wird nicht jeder Leser eine ähnliche Auffassung haben, mancher wird eher denken, …..“Da will doch einer dem Volk nur Angst einflössen, da will einer Unruhe stiften!“…...



    Ich sehe das nicht so. Im Gegenteil, die von Dir geschilderten Szenarien waren einst die grausame Realität, und ich denke, dass uns in der Zukunft ähnliche oder gar gleiche Schicksalsschläge treffen werden.



    Ich will kein Pessimist sein, aber für mich persönlich gibt es keinen Grund nur ansatzweise anzunehmen, dass es in der Zukunft ansteigend sozialer, tugendhafter und gerechter werden wird.


    Allemal wird es schleichend schlechter…


    Ich denke, den Zenit des Wohlstands und des „besseren Lebens“ haben wir überschritten,…nun geht es für die meisten Menschen
    nur noch bergab…



    Gruß Jörg

  • Zitat von Elf;91171

    Das Wissen um mögliche Reaktionsmuster von Menschenmassen kann helfen, tödliche Fehler zu vermeiden.
    Dafür noch eine Ergänzung zum Thema Massenpaniken aus der Zivilschutzforschung (sorry wg. des ausnahmsweise langen Zitats, aber in diesem besonderen Fall hab ich absichtlichts gekürzt).


    [...]


    Um nochmal auf das Verhalten bei Massenpaniken einzugehen:



    Letztes Jahr bin ich in eine Situation geraten, in der eine Panik hätte ausbrechen können.


    Ich war damals auf dem Heimweg am Frankfurter Hauptbahnhof an einer unterirdischen S-Bahn-Station. Der Bahnsteig hat an beiden Enden in etwa 100Meter Entfernung zueinander eine bzw zwei Rolltreppen, die auf das darüberliegende, ebenfalls unterirdische Geschoss führen. Dazwischen sind einige Pfeiler. Links und rechts des etwa 15Meter breiten Bahnsteigs fahren im 5-Minuten-Takt Bahnen ein und aus.
    Es kam auf einmal zu einem sehr lauten Knall, so laut dass er trotz voll aufgedrehter Musik im Ohr geschmerzt hat. Woher der Knall kam, konnte ich und scheinbar sont auch niemand sofort erkennen, weil alles gekachelt ist und es dadurch von überall her zurückgeschallt hat.


    Fast schon im gleichen Augenblick roch es stark verbrannt, irgendwie nach Elektronik. Dann lag eine Art Nebel/Rauch in der Luft, zwar nicht besonders dicht aber dafür viel.
    Die Reaktion die ich selbst in dem Moment hatte war zuerst "Deckung!" und fast gleichzeitig "Aber du glaubst gar doch nicht an Terroranschläge!"
    (Die Anschläge auf die Moskauer Metro waren zu der Zeit noch nicht lange her)


    Die meisten Leute die ich beobachten konnte, sind sofort und ohne nachzudenken hauptsache irgendwohin gelaufen, ohne zu wissen, was passiert war und wo sie jetzt hinsollen.
    Nach etwa einer halben Minute stellte sich dann heraus, dass sich blos eine der Oberleitungen zerschossen hatte, man konnte irgendetwas von der Decke hängen sehen.


    Ich hatte an dem Tag Berufsschule und war entsprechend nicht zu einer der Hauptpendlerzeiten unterwegs. Alles in allem ist nichts besonderes passiert, aber ich denke jeder der Anwesenden dachte im ersten Moment
    an einen Anschlag. Wie das zu einer der Hauptverkehrszeiten ausgesehen hätte, und sich dabei nicht entsprechend schnell herausgestellt hätte, dass das soeben geschehene harmlos war, kann ich mir jetzt gut vorstellen.


    Im Gegensatz zu den meisten habe ich versucht, nicht irgendwo hinzurennen, sondern wenigstens ein paar Sekunden dazu zu nutzen, die Herkunft des Knalls zu lokalisieren und dann entsprechend zu handeln.
    Ich denke dass das in dieser Situation von großem Vorteil sein kann, um nicht mit der Masse aus Reflex irgeneinen womöglich nachteiligen Ausweg einzuschlagen.