Die Zeltstädte in den USA

  • Hallo Foris,

    seit dem Jahr 2008, dem Beginn der Finanzkrise, gibt es in den USA eine zunehmende Anzahl von sogenannten Zeltstädten.

    Die Zeltstädte liegen meist etwas ausserhalb von Großstädten und sind eine Art Auffangbecken für die Bevölkerung. Dort gibt es, vorallem durch Spenden, kirchliche Organisationen, etc. wenigstens eine Minimalversorgung mit Wasser, Nahrungsmitteln und Hygieneartikeln.

    Die Gründe in eine solche Zeltstadt zu ziehen sind vielfältig.

    Viele Menschen, die Ihre Arbeit verloren haben und die Miete nicht mehr bezahlen können, kaufen sich von ihren letzten Dollars noch ein Zelt und ziehen dann in eine Zeltstadt. Manchmal sogar mit Frauen und Kindern.

    Andere wiederum haben familiäre Probleme, Alkohol Probleme, psychische Krankheiten und kommen ebenfalls in eine Zeltstadt.

    Wiederum andere sind tatsächlich Aussteiger und ziehen mit Ihrem Zelt in solch eine Zeltstadt weil sie nichts mehr mit der Gesellschaft zu tun haben wollen.

    Von den Behörden werden diese Zeltstädte überwiegend geduldet, da die Gemeinden, County's etc. teilweise selbst pleite sind oder nur wenig Geld besitzen.

    Mittlerweile gibt es in den ganzen USA hunderte von Zeltstädten und die Zahl steigt weiter.

    Hier 2 interessante Links dazu:


    https://www.youtube.com/watch?v=g_6MLTU8QBI


    http://"https://www.youtube.com/watch?v=g_6MLTU8QBI"https://www.youtube.com/watch?v=jH0a8dcxUBs


    Was denkt Ihr Foris? Eine Entwicklung die uns auch, hier in Mitteleuropa droht, oder eher nicht? Was würdet Ihr machen wenn ihr arbeitslos wärt und kein Geld mehr hättet? Würdet Ihr in eine Zeltstadt ziehen?

    Grüsse Vengard

  • Hallo zusammen,


    die Entwicklung hin zu Zeltstädten in der BRD sehe ich derzeit noch nicht.


    Verstärkt hat sich aber mittlerweile das Dauerwohnen auf Campingplätzen. Meines Wissens kommen die Leute aus zwei unterschiedlichen Gruppen:


    Dauercamper, deren Einkommen sich drastisch reduziert, geben ihre Wohnung auf und ziehen in die bisherige "Sommerbleibe".


    "Wohnungslose", die wieder eine Bleibe möchten, finden diese auf dem Campingplatz, z. B. alter billig erworbener Wohnwagen.


    Erlaubt ist das aber nur, wenn die Gemeinde das Wohnen auf dem Campingplatz zuläßt.


    Ich gehe davon aus, dass hier die Zahlen zunehmen werden, da die Mieten in vielen Gegenden ja immer mehr steigen.


    Gruß Sonne und Wind

  • Zitat von Vengard;118010

    Was denkt Ihr Foris? Eine Entwicklung die uns auch, hier in Mitteleuropa droht, oder eher nicht? Was würdet Ihr machen wenn ihr arbeitslos wärt und kein Geld mehr hättet? Würdet Ihr in eine Zeltstadt ziehen?

    Grüsse Vengard


    Ja, kommt auch zu uns. Gerade heute auf WON erschienen. Und die Südländer können da sowieso ein Lied von singen, Stichwort Zwangsräumungen.


    Zitat

    Tausende deutsche Rentner entscheiden sich für ein Leben im Wohnwagen. Das ist bequemer und geselliger, sagen sie. Und natürlich billiger. In der Not schaut sogar der Pflegedienst vorbei



    http://www.welt.de/wirtschaft/…mping-Urlaubers-Leid.html


    Gruß
    Vincent

    Kein Plan überlebt die erste Feindberührung. (Helmuth von Moltke)

  • Hallo Vengard.


    Angesichts der zunehmenden, wirtschaftlichen Schieflage in Mitteleuropa, würde ich eine "Amerikanisierung" in Richtung Zeltstädte und Trailerparks nicht ausschließen wollen. Im Gegenteil. Dazu passend:


    "Die Welt online", Artikel: "Des Rentners Freud ist des Camping-Urlaubers Leid" [18.11.12 08:35].


    Eine reine Zeltstadt wäre für mich eher keine Option, aber gegen ein im Artikel genanntes, bescheidenes Holz-Fertighäuschen hätte ich weniger Bedenken.


    Allerdings hoffe ich inständig, dass ich nie in die Situation gerate zu einem solchen Leben gezwungen zu sein. Bei freier Entscheidung à la "living with less" ist das etwas anderes. Ansonsten ist eine noch so bescheidene-, aber feste Behausung, in unseren Breiten wohl immer vorzuziehen.


    Gruß,


    Wahlbayer.

  • Zitat von Vengard;118010


    Was denkt Ihr Foris? Eine Entwicklung die uns auch, hier in Mitteleuropa droht, oder eher nicht? Was würdet Ihr machen wenn ihr arbeitslos wärt und kein Geld mehr hättet? Würdet Ihr in eine Zeltstadt ziehen?

    Grüsse Vengard


    Bei uns hast Du dann idR Anspruch auf ALG II und adäquaten Wohnraum, den würde ich einem Zelt vorziehen....

    Aus gegebenem Anlass: ich distanziere mich hiermit ausdrücklich gegen jeden Form von Gewaltphantasien gegen andere, den Staat oder staatliche Organe. Ich betreibe prepping als Krisenvorsorge und als Hobby und tausche mich hier mit Gleichgesinnten aus.

  • Zitat von Schlack;118023

    Das die Zeltstädte wachsen ist in meinen Augen kein Wunder. Die Finazblasen lösen sich Stück für Stück in heiße Luft auf und hinterlassen verarmte Kleinanleger. Dass diese nach Alternativen suchen ist klar. Ob Zeltstädte oder Trailerparks - alles in allem sind das doch Auffanglager für die Opfer des zügellosen Kapitalismus.


    Also das was hier in den letzten Jahren praktiziert wurde auf der Welt ist (leider) kein reiner Kapitalismus.
    Wenn es reiner purer Kapitalismus gewesen wäre, dann hätte man die Banken verrecken lassen, die sich da so derbe verzockt haben, das wäre dann der reinigende Effekt gewesen, der alle paar Jahre im Kapitalismus zuschlägt.
    Das ist der gleiche Mechanismus, der in der Natur dafür sorgt, das ein gewisses Gleichgewicht besteht und wir z.B. nicht von Milliarden und aber Milliarden Mücken leer gesaugt werden.


    Was ich letztens auch gehört habe war, das immer mehr Rentner nach Chile oder Thailand verschwinden und sich dort ihren Lebensabend gestalten.
    Die Preise sind im Vergleich zu D-Land wesentlich geringer und sie können sich dort eine Vollpflegestelle leisten, die hier ihren Kindern (die ja schon erwachsen sind und evtl. selber schon Kinder haben...) quasi das (finanzielle) Genick brechen würde, da sie teilweise verpflichtet wären, für die Unterbringung ihrer pflegebedürftigen Eltern einen Großteil ihres Geldes ab zu treten.

  • Zeltstädte in D'land kann ich mir weniger gut vorstellen.
    Das liegt zunächst an den sozialen Sicherungssystemen, die eine Grundsicherung an Wohnraum gewährleisten (sollen)
    Das Phänomen der "Dauercamper" kann ich jedoch noch nachvollziehen. Es gibt genügend Menschen, die es vorziehen auch in der Not eigenständig zu bleiben und keine staatliche Hilfe in Anspruch nehmen wollen.


    Was ich bei voranschreitender Verarmung der Bevölkerung sowohl in Griechenland, Portugal, Spanien als auch in D'land voraussage sind der stärkere Anstieg an Mietnomaden und die häufigere Besetzung leerstehenden Wohnraumes.
    Zeltstädte/Wohnwagenkolonien sind mir z.Z. zusammen mit einzelnen Bevölkerungsgruppen wie die Sinti & Roma oder Kraftwerksgegnern bekannt.

  • Ich könnte mir vorstellen, übergangsweise in meinen Schafstall (4x5m)zu ziehen.
    Wobei man außerhalb genehmigter Campingplätze oder bebaubarer Privatgrundstücke mit dem deutschen Ordnungsrecht in Konflikt geraten könnte.

  • In Deutschlands Hauptstadt spielt sich etwas ähnliches ab,allerdings mit Asylbewerbern. Link
    Hier haben sich übrigens bereits Obdachlose hinzugesellt, wie man es auch von den Occupy-Camps in Hamburg und Frankfurt kennt.


    Auch unter meinen Bekannten ist jemand, der in Berlin 2010 einige zeit keinen Wohnort hatte und die Nächte auf dem Zeltplatz neben dem Hauptbahnhof verbrachte.


    Alles in allem würde ich sagen, dass Zeltstädte, sofern geduldet und eventuell wie in den USA durch Spenden und Ehrenamt mit Frischwasser und grundlegender Hygiene beschenkt, durchaus Anklang unter der hiesigen, schlecht situierten oder abenteuerlustigen Bevölkerung finden würden.


    Vermutlich werden auch bald wieder Rentner in Kleingärtenparzellen wohnen und nur bei ihren Kindern gemeldet sein oder ähnliches. Der Trend geht ja zum (unfreiwilligen) Sparen...


    Revedere

  • Entschuldige, aber was die Asylbewerber da machen ist kein passender Vergleich.


    Das eine ist eine Form des Überlebens aufgrund von echter Not, das andere einfach nur eine unverschämte Protestform, die aus falschverstandener Toleranz noch nicht aufgelöst wurde.

  • Und dennoch zieht es auch Obdachlose dorthin und zu Occupy. Sobald also ein Angebot im weiteren Sinne steht, kommen Menschen, die es auch nutzen, gleich ob "real Bedürftige" oder nur "Aussteiger" im weitesten Sinne (wie eben Occupisten"). Das wir hier noch keine Zeltstädte haben.liegt also eher in der mangelnden Koordination der "Bedürftigen" als in mangelnder Nachfrage begründet.


    Revedere

  • Es gibt immer "Gründe" (assoziales, kriminelles Verhalten, Drogen, Alkoholsucht...) warum Hilfsbedüftige die notwendigen Einrichtungen nicht aufsuchen wollen oder nicht mehr dürfen. Ein armer Mensch in Deutschland muss jedoch ohne eigenes Verschulden nicht auf der Straße leben und schon gar nicht in einer Zeltstadt.

  • Largo, erzähle diese letzte Sache mal einem Obdachlosen.
    Diese Aussage ist völlig pauschalisierend, und fernab der Realität. Es hat sich da ein Bild in den Köpfen festgesetzt, übel.
    Wäre es wirklich so wie Du schreibst, gäbe es keine Obdachlosen, die z.B. in Abrisshäusern wohnen, oder in Parks schlafen (müssen) usw usw. Es gibt genug Menschen darunter, welche nix mit Alkohol, Drogen, und den üblichen Klischees zu tun haben, und dennoch vom "System" keine Hilfe erwarten können. Man schau dabei mal die U25 jährigen, teils aus gutem Elternhaus, studiert... an, welchen keine Perspektiven geboten werden.
    Oder Soldaten, die völlig traumatisiert aus Krisengebieten zurückkamen, und dann "auf der Strasse" gelandet sind. Darunter sind auch Lehrer, Diplominhaber u.a.
    Seltsam...
    In den Städten steigen die Mietpreise ins bodenlose, und die (ehemaligen?) Sozialwohnungen werden entweder abgerissen um die Grundstücke zu verkaufen; oder fristen ein Gnadendasein am Rande der Gesellschaft, woraus sich erst recht Parallelgesellschaften entwickeln.
    Aber das soll ja nicht das Thema sein...
    Zeltstädte halte ich (noch) für relativ unwarscheinlich in unseren Ländern; schließe aber nicht aus, daß derartiges in naher Zukunft entstehen könnte.
    Man sollte dabei immer in Betracht behalten, daß sich D/A/CH nicht mit den US vergleichen kann, diese sind eine Staatengemeinschaft; wenn dan max. Vergleiche mit der EU, und in dem Zusammenhang existieren solche Zeltstädte bereits; wie auch Höhlenwohnungen usw.
    Nur bekommt man davon aus den Massenmedien nicht viel mit, und es sind nicht nur Aussteiger die so leben, sondern auch ehemals "normale" Bürger, die unter der Sparpolitik versch. Länder leiden.


  • Ich bestreite ja gar nicht, dass es Obdachlose gibt, aber es hat entweder psychische Gründe, warum sich einer vom sozialen Netz fern hält, oder er will es so. Unter psychische Gründe kann man alles mögliche rein packen, vielleicht Scham oder auch tatsächlich Traumata. Aber du willst mir doch nicht ernsthaft erzählen, dass man durch soziale Netz fallen kann in einem Land, dass als größten Haushaltsposten Arbeit & Soziales hat und Millionen rauswirft für Menschen, die nicht ihr eigenes Geld verdienen (können).

  • Doch Largo, genau das sage ich aber.
    Sicher kann man nicht abstreiten, daß D (noch) ein relativ gesichertes Sozialsystem hat. Und daß, zumindest theoretisch, niemand auf der Strasse leben müßte. Die Praxis ist aber nun doch eine andere. Ich weiß ja nicht, inwieweit Du Dich mal in den ganzen Gesetzmäßigkeiten und weiteren Zusammenhängen des SGB und Hartz IV bzw Grundabsicherung befasst hast. Da sind Sachen dabei, die gegen die Grundrechte verstoßen und Menschen Ihrer Menschlichkeit "berauben". Die Beschwerden welche da bei den Sozialgerichten sich türmen, sprechen eine eigene Sprache.
    Das geht von kleinen "Kürzungen" bis hin zum totalen Streichen sämtlicher Bezüge, und das wird oft rigoros unternommen. Viele Leute vergessen, daß die Jobcenter Agenturen sind, keine Ämter (mehr)! Oder wie erklärt man sich sonst Gewinne 2010 um die 1,3 (muss nochmal genau nachschauen) Milliarden €.
    Schau doch mal, whin man die Leute abschiebt, die ohne Wohnsitz sind, aus welchen Gründen auch immer. Da würde wohl jeder irgendwann das Vertrauen in dieses so gute System verlieren. Die Leute werden da stellenweise behandelt wie der letzte Dreck, und da macht man keinen Unterschied. Es wird einfach pauschalisiert.
    Und die von Dir benannten Ausgaben für Arbeit & Soziales: Ja wo fliessen diese Gelder denn hin? In den sozialen Wohnungsbau? In die Schaffung neuer Bildungsmöglichkeiten?
    Nein, die Gelder fliessen in private "Bildungsträger" wo man Arbeitslose mit Beschäftigungstherapie und Massnahmen zur "Integration in den ersten Arbeitsmarkt" steckt, nur um eine gewisse Quote aufrecht zu erhalten. Nach den Zahlen von JC Mitarbeitern wurden nach solchen Massnahmen gerade einmal 5% wieder in Stellen vermittelt.
    So schaut die Realität aus. Ich könnte dazu jetzt noch weitere Sachen aufzählen, die aufzeigen, daß zwischen der uns vorgequasselten Theorie und dann der Praxis große Kluften sind.
    Sicher herrschen hier noch nicht solche Zustände wie in anderen EU Ländern; aber die Tendenz zeigt an, wohin es gehen wird.


    Nicht abstreiten kann man auch, dass es sicher viele gibt, die sich in dieser "sozialen Hängematte" wie sogern geschrieben wird, wohlfühlen. Die Mehrheit ist es aber dennoch nicht! Nur solange in den Medien immer das Bild eines mit Bier im Unterhemd vorm TV sitzenden Irgendwas eingebleut wird, hält der Großteil der Masse eben genau das dann für wahr.
    Versteh mich da bitte nicht falsch, ich finde dieses linksliberale Öko Friede Einerlei Gutmenschentum in dem Zusammenhang (oder auch allgemein) für völlig daneben und künstlich gepusht; nur beobachte ich dann im Alltag, was eben so passiert, und wie mit Menschen umgegangen wird.
    Das geht von der Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland, über das Streichen von Geldern für Bildung, zu der uns vorgelogenen Schwindelei vom Fachkräftemangel uvwm.
    Und genau da sehe ich dann eben, wie im letzten Posting von mir, den Bezug dazu, daß sich, wenn diese Entwicklung weiterverläuft, eben jenen Einschnitt, daß Zeltstädte oder auch Wagensiedlungen bzw. das Leben im Garten so langsam dann doch zum Alltagsbild gehören könnte.
    Hoffen wir lieber das Beste...


  • Auch wenn das Thema schon ein paar Tage alt ist, möchte ich nochmal auf den Kernaspekt zurückkommen.


    Die Frage ist, ob in Deutschland bald solche Zeltstädte entstehen werden. Die ganz klare Antwort kann nur nein sein. Was passiert wenn plötzlich alles zusammenbricht, steht auf einem anderen Blatt, aber selbst dann wird vorhandener Wohnraum genutzt werden, notfalls per Einquartierung.


    Die derzeitige Lage ist aber, dass jeder, der will auch eine Unterkunft erhält. Jeder Obdachlose kann sich an ein Amt oder eine Soziale Einrichtung wenden und erhält zumindest eine Notunterkunft zugewiesen. Ich habe Zivildienst bei einer Hilfseinrichtung für Obdachlose gemacht. Der Wohnraum ist nicht das Problem, sondern das mit dem eigenen Leben klarkommen. Langjährige Obdachlose sind nicht "wohnfähig". Nur mit Betreuung und mehreren Anläufen schaffen es einige wieder sesshaft zu werden.


    Jeder der diese Probleme nicht hat, erhält in Deutschland ein heizbares Dach über dem Kopf, selbst wenn er Schulden und kein Einkommen hat. Anderes zu behaupten ist letztlich eine Diffamierung des derzeit bestehenden Sozialstaats. Protestcamps haben mit der Thematik wenig zu tun.

  • Zitat von Kreutzner;128165

    Auch wenn das Thema schon ein paar Tage alt ist, möchte ich nochmal auf den Kernaspekt zurückkommen.


    Die Frage ist, ob in Deutschland bald solche Zeltstädte entstehen werden.


    Sie werden vermutlich entstehen, siehe z.B. Spiegel Online oder andere Nachrichtenportale.


    Wenn es ein Land auf dieser Welt gäbe, in dem die leistungslosen Sozialleistungen, die ich ab Ankunft beanspruchen könnte, ein Mehrfaches meines derzeitigen Arbeitseinkommens in D betragen würden, ich würde sofort in dieses Land auswanden. Den Menschen, die - legal aus EU-Ländern - zu uns kommen, kann ich also keinen Vorwurf machen. Sie verhalten sich absolut vernünftig. Ich täte in ihrer Situation das gleiche. Der Vorwurf geht an eine deutsche Lebenslüge, die seit den 60ern des letzten Jahrhunderts das Matra "wir sind kein Einwanderungsland" murmelt, statt zu erkennen, ja, wir sind ein Einwanderungsland und wir werden wie klassische Einwanderungsländer, z.B. USA, Kanada, Australien, Kriterien erstellen, die Einwanderung in gesuchte Berufe und Qualifikationen erleichtern (die sind in Deutschland leider extrem bürokratisch und schwer, um einen Brasilianer einzustellen, der topqualifiziert war, musste ich unsere Rechtsabteilung um Hilfe gegen die Ausländerbehörde bitten, aber sowas kann sich halt nur ein Grosskonzern leisten ...) und dagegen Einwanderung in die Sozialsysteme wirksam verhindern.



    Ich habe beispielseise während meines Studiums (lang ist's her, jedenfalls lange vor dem Schengen-Abkommen) ein gutes Jahr in den absolut liberalen Niederlanden gelebt. Nur: Ich musste damals bei der Polizei eine Aufenthaltserlaubnis beantragen und hierfür ein Formular unterschreiben, in dem ich bestätigte, dass ich mein Leben in den Niederlanden aus eigenen Mitteln bestreiten kann und für den Fall, dass ich dem niederländischen Steuerzahler je zur Last fallen sollte, mit meiner Abschiebung einverstanden bin und auf Rechtsmittel verzichte.


    Um für meinen Aufenthalt in Indien im letzten Jahr ein Arbeitsvisum zu bekommen, musste ich den indischen Behörden meinen Lebenslauf, die Diplomurkunde, den Anstellungsvertrag mit der indischen Tochter meines Unternehmens vorlegen. Samt einer Versicherung seitens meines Unternehmens, dass mein Lebensunterhalt in Indien gesichert ist und sie mich im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder Ausweisung wegen strafrechtlicher Vergehen notfalls auf ihre Kosten nach Deutschland zurückfliegen.



    Die USA, in denen ich auch ein paar berufliche Gastspiele hatte, hätten im Falle des Falles mit mir ohnehin nicht lange gefackelt. Ab in den nächsten Flieger, good bye USA.


    Genau an diesen und an sich vernünftigen Mechanismen fehlt es in Deutschland.


    Meint


    Matthias



    ... den deutsche Gutmenschen jetzt wahrscheinlich einen Rechtsextremisten schelten würden, wenn es sie hier gäbe.

    They who can give up essential liberty to obtain a little temporary safety, deserve neither liberty nor safety.
    Benjamin Franklin (1775)