Was tun, wenn... es 10 Minuten lang Tennisbälle hagelt?

  • Hallo,


    aus aktuellem Anlass, ein paar Tipps für die Selbsthilfe nach einem Hagelschlag.


    1. Eigenschutz geht vor: bei allen Aufräum- und Reparaturarbeiten auf Eigensicherung achten:
    - robuste, langärmlige/beinige Arbeitskleidung, ansonsten besteht Verletzugnsgefahr durch Glasscherben/Fenster mit Scheibenresten
    - schnittfeste Schutzhandschuhe tragen, rutschsichere profilierte Schuhe (möglichst Sicherheitsschuhe)
    - bei Arbeiten unterhalb beschädigter Dächer oder Fassaden: Vorsicht vor herabfallenden Trümmern/Ziegelscherben, auch nach dem Unwetter - Helm tragen!
    - bei Arbeiten auf Dächern: unbedingt Absturzsicherung verwenden: Gurt, Fallbremse, Seil - setzt natürlich solide Fixpunkte voraus, z.B. entsprechende Dachhaken
    - keine Arbeiten auf Dächern mit blanken Stromleitungen (erkennbar an den 4 Einzeldrähten, die zu Isolatoren am Dachständer führen)! Diese Leitungen muss der Versorgungsnetzbetreiber erst isolieren (macht er kostenlos).


    2. Eingelagertes Reparaturmaterial. Dachdecker und Dachziegel werden nach so einem Unwetter Lieferzeiten haben. Es schadet nicht, ein paar sehr grosse (z.b. 4x6 m) Universalplanen in guter Qualität, ein, zwei Bündel 3m Dachlatten und eine Packung 120er-Nägel für solche Fälle einzulagern. Für geborstene Dachfenster bietet sich transparente "Baufolie" an, die es als Rollenware preiswert gibt. Beschädigte Dachflächen kann man mit Universalplanen ganz gut für einige Wochen abdichten: die Folie(n) auseinanderfalten und dann von einer Seite her zu einer "Wurst" aufrollen. Dann aufs Dach klettern (zu zweit und Absturzsicherung beachten). Wenn es machbar ist, die Plane über den Dachfirst schlagen und abrollen. Plane an den Kanten mit aufgenagelten Dachlatten sichern (die Latten nagelt man auf die Traglattung des Dachs, Ziegel(reste) an entsprechenden Stellen entfernen.
    Dachfenster lassen sich sehr einfach provisorisch abdichten: vorgenannte Baufolie zuschneiden auf Dachfenstergrösse + 30cm Zuschlag in jede Richtung. Dann beschädigtes Dachfenster (vorsichtig) aufklappen und Folie von Innen her über die Aussenseite des Fensters ziehen und die Folienränder alle nach innen holen und straff spannen. Dann Fenster wieder schliessen, während man die Folie straff gespannt hält. Fertig. Gesplitterte aber nicht durchgebrochene Glasflächen mit durchsichtigem Paketklebeband stabilisieren.


    Zum Hintergrund: in den baden-württembergischen Landkreisen Reutlingen, Tübingen, Ludwigsburg und Esslingen hat sich am 28.7.2013 ein Unwetter mit bis zu tennisballgrossen Hagelkörnern ereignet, der "Beschuss" dauerte teilweise 10 Minuten an. In Reutlingen (100.000 Einwohner) geht die Einsatzleitung der Feuerwehr davon aus, dass es in der gesamten Stadt kein einziges Gebäude gibt, das nicht beschädigt wurde.
    Da der Hagel sehr langanhaltend und vor allem sehr "schräg" aus südwestlicher Richtung fiel, wurden auch aussergewöhnlich viele Fassaden massiv beschädigt, selbst verputzte Massivbauhäuser sehen teilweise aus wie nach Granatbeschuss, ich hab sowas bisher noch nicht gesehen. Am Reutlinger Kreiskrankenhaus wurd über 50 Fensterscheiben eingeschlagen, an einer Schule 56 Lichtkuppeln. In Metzingen sind fast alle Ampelanlagen zertrümmert worden, ein Kind wurde in einem fahrenden Auto von einem die Heckscheibe durchschlagenden Hagelball (Korn kann man da nicht mehr zu sagen) verletzt.


    Die Stadt Reutlingen hat ihrer Webseite momentan eine temporäre Webseite vorgeschaltet, die erahnen lässt, was sich da abgespielt hat


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    Grüsse


    Tom

  • So einen Hagelbeschuß gab es vor einem Jahr auch an der Mosel.
    Die Dachdecker sind bis heute noch nicht mit allen Dachreparaturen fertig.


    Besonders hart hat es Gärtnereien mit Gewächshäusern getroffen - ein Scherbenmeer!
    Ich überlege vorbeugende Schutzmaßnahmen für Gewächshäuser + Wintergärten:
    - eine Rolle dicke Blasenfolie am First, die man schnell abrollen könnte,
    - Glasflächen so bauen, daß sie senkrecht nach unten abgeklappt werden können.
    Hilft auch bei plötzlichem Massenanfall von Naßschnee.
    Die Pflanzen sind dann ungeschützt der Vernichtung preisgegeben, das wird aber durch Erhaltung einiger Scheiben wettgemacht.


    Zur Abdeckung großer Flächen ist Silofolie geeignet:
    Gibts auf Rollen in unterschiedlichen Maßen im Landhandel, ist UV-beständig und wenn weiß, fällt noch Licht durch kaputte Dachfenster.


    Fürs Auto hab ich bei Unwetterwarnung alte Steppdecken bereit zum Drüberwerfen.
    Wenigstens für die Frontscheibe kann man eine Isomatte mitnehmen.


    Wenn man sich im Heimatverein für die Aufstellung massiver Bänke, Tische und Unterstände einsetzt, finden auch überraschte Wanderer Schutz.
    Als Bushäuschen sollte man massive Holzhütten den fragilen Plexiglaskästen vorziehen - zum Schutz der wartenden Schulkinder!


    Übrigens dürften echte Grasdächer (mit mindestens 10 cm dicker Erdschicht) Hagel am schadlosesten verkraften.
    Dann noch ein großer Dachüberstand - und auch Fassade und Fenster dürften gut geschützt sein.

  • Ach. meine Fresse, was zum Geier?!
    (Ironie an) Toll das man von den Medien über so etwas informiert wird, und nicht etwa über Siemens, HSH Nord oder (mein Favorit) wie viel "Pep den Bayern fehlt"... (Ironie aus)
    Ich meine, das sieht ja wirklich schon fast nach Kriegsgebiet aus, aber für ne Top-Schlagzeile reicht es anscheinend nicht...:Kopfschuetel:


    Um zum Thema zurück zu kommen, was ich da machen würde? Deckung suchen und hoffen, dass es schnell vorbei geht. Ich wüsste sonst wirklich nichts anderes.


    Aber zum Glück kann das ja bei mir nicht passieren, dank der Heiligen Kunigunde (und wenn man ganz fest dran glaubt, dann isses auch so...)

    Du heil'ger Veit von Staffelstein,verzeih mir Durst und Sünde.

  • Hallo,


    bislang konnte man solche Wetterereignisse bei uns als "Jahrhundert-Unwetter" relativieren, selbst wenn es alle 20 Jahre passiert, konnte man noch damit leben. Doch viele Indikatoren (vor allem die der Schadensversicherer) deuten darauf hin, dass diese Wetter-Extreme häufiger werden (warum auch immer). Wenn es einer Gärtnerei die Gewächshäuser alle 20 Jahre verhagelt, kann man damit noch irgendwie leben, wenn es alle 2-3 Jahre passiert, macht der Betrieb wirtschaftlich keinen Sinn mehr.


    Wer nun sein Dach neu decken (lassen) muss, sollte prüfen, ob er nicht gleich bei dieser Gelegenheit eine Aufsparrendämmung aus Holzweichfaserplatten anbringen lässt. Die hat nämlich eine Menge Vorteile:
    - Sie ist alleine schon eine guter Wetterschutz (Pavatex z.B. gibt an, dass seine Faserplatten bis zu 6 Wochen direkt bewittert werden dürfen). D.h. im Schadensfall und zerstörten Dachziegeln bleibt das Dach trotzdem dicht und man muss in der Akutphase erst mal "nur" die Dachfenster dichten.
    - Sie ersetzt die Unterspannbahn und trocknet im Sommer sehr gut durch, d.h. evtl. aus dem Gebäude aufgenommene Luftfeuchtigkeit aus dem Winterhalbjahr wird abgegeben.
    - Sie hat eine aussteifende Wirkung, da sie flächig vernagelt wird und im Nut- und Feder-Prinzip verlegt ist, d.h. der Dachstuhl wird stabiler.
    - Sie verlangsamt die Aufheizung des Gebäudes bei starker Sonneneinstrahlung aufgrund der hohen spezif. Dichte. Wenn man es richtig dimensioniert, ist die Faserplattendämmung bis abends abends noch nicht "durchgeheizt" und gibt die Wärme nachts wieder an die Umgebung ab.


    Hier noch ein "worst of" (best of möchte ich nicht sagen) einiger Hagelfilme von gestern, das erste Video beweist, dass auch Hagelforscher Opfer bringen müssen, beim zweiten Video den Ton aufdrehen, die Einschläge zu Beginn des Filmchens sind respekteinflössend:


    SWR: Das Unwetter zieht auch durchs Netz


    Eine Versicherung hat den Schaden in Kreis TÜ und Stadt RT heute auf 25.000 Gebäude und 100 Mio. Euro geschätzt. Es wird sich in den Schlagzeilen hocharbeiten, denke ich.


    Grüsse


    Tom

  • Wie immer bin ich für´s Bildmaterial zuständig :face_with_rolling_eyes:



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  • Mark Wilkins,
    Da ist ja wieder ein wahnsinns Schaden enstanden, und Handwerksbetriebe haben auch alle Hände voll zu tun!!!
    Gott sei Dank gibt es für sowas Versicherungen!

    "Another nice kettle of fish you've gotten me into!"

  • Hi Alle,


    bei uns in der Region Zürich ist es alljährlich dass irgendwo schlimme
    Hagelgewitter nieder gehen.
    Eines hatte ich selber erleben müssen bei einer Hochzeit als die Musik auf dem Parkplatz bei
    heissem und schönen Wetter spielte, innert 5 min. wurde es schwarz und dann kam das alles
    Vernichtende, ein extremer Hagelschlag, mein neues Auto war 1 Monat alt und schon ein
    Totalschaden.
    Aber wass man unbedingt sagen muss, wenn man glaubt in einer Unterführung das Auto und sich zu schützen,
    kann Fatal enden, das ist keine gute Idee, den die Abflüsse werden sofort verstopft und dann hat
    man alles im tiefen Wasser.
    Ich stelle ein paar Fotos von meinem Handy rein damit Ihr sehen könnt was ich meine.


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    LG

  • Hier im Raum Stuttgart kenn ich inzwischen zwei Handwerksbetriebe, die die Handwerkerferien gestrichen haben und durcharbeiten werden. Des einen Unglück, des anderen Glück, denn ein Betrieb davon war kurz vor dem Konkurs und kann sich jetzt nicht mehr vor Aufträgen retten. (ich gönne es denen, hätte mir aber die Aufträge ohne diesen Schrecken gewünscht).

  • Und grade so was zeigt mal wieder... Das wichtigste preppen ist eine gute Hausratversicherung wenn mal nich die ganze Welt sondern nur ein Landstrich untergeht.

  • Jaja, die Versicherungen.... immer schön drauf schimpfen, wenn die Beiträge steigen, aber was sollen die Unternehmen bei den steigenden Kosten für die vielen "Jahrhunderunwetter" auch sonst machen.
    Im Bereich der Kfz-Versicherungen (der Bereich, den viele Versicherer als Minusgeschäft ansehen) wurde 2011 ein Gewinn in Höhe von ca. 1,5 Milliarden Euro erwirtschaftet. Bei den Gebäudeversicherungen sieht das ganz anders aus. Hier wurde ein Verlust von fast 15 Milliarden eingefahren, hauptsächlich durch Wasserschäden und Unwetter verursacht. Wer sich dann noch wundert, warum seine Gebäudeversicherung so teuer wurde, hat hier die Erklärung. Was viele ja auch nicht wissen oder verdrängen: Man zahlt in eine Versichertengemeinschaft ein und das dort eingezahlte Geld kommt dementsprechend auch der Gemeinschaft zugute. Dumm dann nur, wenn z.B. viele Versicherte im Süden wohnen und einige wenige Mitglieder im Norden so hohe Sachschäden haben, daß sich dies auf die Prämien für alle auswirkt. "Mitgefangen - Mitgehangen" heißt es dann leider.

    Man sollte mal seine Gebäude- und Hausratversicherungen prüfen, ob Elementarschäden mitversichert sind, sonst kommt im Fall der Fälle das große Erwachen :staun:.


    Aber davon ab, die Hagelkörner sind schon der Hammer......



    der Björn

    Der Sinn des Lebens ist es, Leben weiterzugeben!

  • Danke tomduly für den Beitrag.



    Ich hatte am Sonntag noch mal Glück, es wurden bei mir nur 2 Rollläden "zerschossen", die anderen Rollläden konnte ich zum Glück noch rechtzeitig hochziehen. Wenn es allerdings die Scheiben zerschlagen hätte, hätte ich ein gewaltiges Problem gehabt, da es in meinem Haushalt keinerlei brauchbares Material gegeben hätte, um die Fenster abzudichten. Ich werde Deinen Rat beherzigen und mir schnellstmöglich eine Rolle der von Dir beschriebenen Baufolie kaufen und einlagern.

    Gruß Claudia

  • Hallo Marc,

    das Video der Wetter-Katastrophe ist wirklich absolut überzeugend. Wer in so einem Horror-Hagel gerät und keinen Unterstand findet, kann sogar in Lebensgefahr geraten!

    Ich habe meiner burmesischen Frau dieses Video soeben gezeigt…..und sie konnte nicht fassen, dass es solche Unwetter überhaupt gibt!

    Dank’ Dir fürs Einstellen!



    Gruß Jörg

  • Hi, Wenn man selber baut, kann man darauf achten, etwas stabiler zu bauen. Gerade für Carport oder Glasdächer kann man recht günstige Dächer haben, aber vermutlich macht sich Panzerglas nach den ersten mittleren Hagelunwetter bezahlt. Hat übrigens auch den Vorteil, dass man zum Reinigen des Dachs ohne große Sorge drauf rumlaufen kann. Nick

    Quidquid agis prudenter agas et respice finem

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    Ein solches Eregnis hatten wir auch vor mittlerweile 6 Jahren. Ich kann mich noch genau erinnern, dass plötzlich alles am Himmel gelb war und kein einziger Luftzug zu spüren war. Ich war gerade draussen als ich ein "ziiiiiiiiisch" und gleich darauf ein dumpfes "plopp" hörte... das fing dann an sich zu wiederholen und nach dem 5ten mal "plopp" konnte ich sehen, dass dies Tennisballgröße Hagelkörner waren die einzeln runtersaussten und im weichen Boden beim Aufschlagen richtige kleine Krater machten.


    Das Auto war schnell unter Dach gestellt und die freistehenden Teile wurden mit schnell herangeschafften Luftmatratzen vom Pool geschützt über die wir noch Steppdecken legten. Die Arbeit habe ich nur unter Vollschutz durch meine Einsatzjacke und Schutzhelm mit Visier gemacht.


    Die einzelnen Hagelkörner wurden leider schnell immer immer mehr und schliesslich war der Spuck nach gut 15 Minuten vorbei. Unser Haus ist das einzige Haus in der Gegend, dass keine Dachziegel hat sondern flexible Kunststoffplatten. Sämtliche(!) Häuser (bis auf unseres) im Bereich des Hagelschauers mussten neu eingedeckt werden. Die Sachschäden waren enorm und waren noch Monate danach teilweise zu sehen. Ein Hagel"korn" hat unser Dachfenster direkt getroffen. Ausser einem sehr lauten Knall, war aber gsd nichts weiter an Schäden zu verzeichnen. Durch die schiere Menge hatten wir teilweise 15cm hoch Hagel auf den Straßen und ein Schneepflug räumte der Feuerwehr den Weg frei.


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  • Danke, Sokaris!
    Kannst Du sagen, welche Kunststoffplatten genau?
    Und wie verhalten sich die im Brandfall?
    (Leider wird ein Vorteil oft mit einem Nachteil erkauft...).


    Weitere Frage an alle:
    Gibt es schon Schutzkonzepte für Solaranlagen? (PV u. Th.)
    Etwa blitzschnell vom First abrollbare Schutzmatten?


    Wie verwundbar sind flexible PV-Matten (z.B. von Alwitra)?


    Freistehende nachführbare Paneele ließen sich so konstruieren, daß man sie senkrecht oder gar negativ neigen kann und somit die Impaktwahrscheinlichkeit minimieren - fehlt bloß noch ein Hagelsensor und eine flotte Schwenkautomatik...gibts sowas?

  • Sind etwas bessere Bitumendachschindel die ein Brandverhalten der Klasse E (=normal entflammbar, ohne brennendes abtropfen oder abfallen) aufweisen.

    acta, non verba - viribus unitis