Beschlagnamung Immobilien Bremen

  • Noch vor ein paar Jahren wäre jemand als kranker Spinner und rechtsradikaler Verschwörungstheoretiker beschimpft worden, wenn dann jemand warnte, dass wegen illegalen Zuwanderern Häuser beschlagnahmt werden könnten.
    :Sagenichtsmehr:

  • Roger:


    Wenn Du die laufende gesellschaftliche Debatte verfolgst, siehst Du, dass es derzeit gerade darum geht die illegalen Zuwanderer zurück zu schicken...


    Asyl ist in D ein verfassungsrechtlich verbrieftes Grundrecht und das ist gut so! Auch ohne Rückgriff auf unsere Vergangenheit, zeichnet es diese Bundesrepublik aus, dass sie zum ersten mal in der Geschichte unseres Volkes Menschen in akuter Bedrohungslage Zuflucht gewährt.


    Ich kann und will einfach nicht nachvollziehen, dass unsere Verfassung immer und immer wieder durch - ich reiße mich jetzt mal bezüglich der Formulierung sehr zusammen - unreflektierte Äußerungen in Frage gestellt wird!


    Und ganz nebenbei gibt es bei uns noch den Art. 14 GG (Verpflichtung des Eigentums):


    (1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
    (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
    (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.


    (Quelle: Bundesministerium der Justiz und Verbraucherschutz; Gesetzte im Internet - Einzelnormen)


    Hieraus ist nicht nur ersichtlich, dass ein Zugriff auf Eigentum einer Gesetzesregelung bedarf (ich verweise auf meinen Post #37) sondern auch der rechtlichen Prüfung bezüglich der Höhe der Entschädigung unterliegen kann. Auf diesem Wege ist behördlicher Willkür eine Rechtsnorm entgegengesetzt...


    Historisch gesehen lässt sich der Gedanke der Sozialverpflichtung des Eigentums bis in die Antike zurückverfolgen. Bereits der römische Konsul Cicero d.Ä. empfahl in seiner "De Officiis" „den gemeinsamen Nutzen in den Mittelpunkt stellen und durch gegenseitige Leistungen, durch Geben und Nehmen, ferner durch Fachkenntnisse, Hilfeleistung und materielle Mittel das Band der Zusammengehörigkeit der Menschen untereinander knüpfen“.
    Diese Philosophie lässt sich kontinuierlich über Thomas von Aquin bis hin zur Stahl´schen Philosophie des Rechts im 19. Jahrhundert verfolgen. Übrigens kannte bereits die berühmte Weimarer Verfassung in ihrem §153 die soziale Verpflichtung des Eigentums. Und dieser Grundstein der Demokratie in Deutschland war sehr wohl noch von den Traditionen und dem Standesdenken der gerade eben zu Ende gegangenen Wilhelminischen Zeit geprägt...


    Bitte denk mal drüber nach ...


    Christian


    ... was mensch nicht alles schreibt, um ein Dislike zu erklären ...

    Hier wird das Licht von Hand gemacht ... und der Motor gehört nach hinten!

  • @ Christian: Ich bitte Dich zu bedenken dass Roger in der Schweiz zu Hause ist und dass die Schweizer Gesetzgebung nicht uneingeschränkt derjenigen Deutschlands entsprechen muss.

  • "Beschlagnahmungen" oder Enteignungen von Grundstücken durch den Staat sind in D ja nichts Neues! Das kommt öfter vor. Man muß sich nur mal den Bau der A72 und A38 ansehen. Da baut der Staat auch einfach auf Privatgrundstücke ohne zu fragen, ohne zu informieren, ohne zu zahlen! Da klagen manche seit Jahren erfolglos gegen den Staat. Meine Familie ist auch von einer staatlichen Enteignung durch den Bau der A38 betroffen (auf unserer Plantage steht jetzt ein Brückenkopf), aber zu klagen lohnt nicht und das weiß der Staat.

    An der Kennzeichenbefestigung erkennt man die Ernsthaftigkeit eines Offroaders...

  • Gibt's natürlich auch in Österreich.
    Einem wirklich guten Freund von mir hat das sogar seine geistige Unversehrtheit gekostet! Sein Geburtshaus am Elterleinplatz(Wien) wurde einfach enteignet um ein Gemeindezentrum zu errichten. Er hat es einfach nicht durchgedrückt das sie so einfach das Haus in dem seit vielen Generationen seine Familie geboren und aufgewachsen ist beschlagnahmen konnten.


    Das Geld hat ihm nichts bedeutet, er hatte genug aber sie haben ihm seine Identität gestohlen. Als friedfertiger Mensch hat er nicht gekämpft sondern sich in sein Inneres zurückgezogen ohne jeglichen Bezug mehr zur Außenwelt.


    Das ist allerdings in einem Prepperforum ein sehr kritisches Thema, das verteidigen des eigenen Besitzes gegen den Staat!


    LG Wolfgang

  • Eigentum verpflichtet. Ja, das ist richtig. Aber das Grundgesetz sieht ausdrücklich nicht vor, WIE man sein Eigentum zum Wohle der Allgemeinheit einsetzen muss/soll. Es ist für jeden, der über Besitz verfügt, eine ziemlich bittere Pille, wenn der Staat auf das Eigentum eines Privatiers zurückgreift, noch was großspurig von "Eigentum verpflichtet faselt" und über die Köpfe der Eigentümer hinweg entscheidet und Tatsachen schafft.


    Solange wir eine funktionierende Justiz haben, mag das ja vielleicht noch gehen. Aber habt ihr schon mal als Eigentümer versucht, die Bewohner eures Eigentums herauszuklagen? Weil a) kein Mietzins gezahlt wird und b) die Wohnung regelrecht herunterkommt? Okay, bei den Eltern eines Freundes waren es Mietnomaden, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht hatten, eine Wohnung solange zu "besetzen" bis sie nun wirklich kurz vor der Räumungsvollstreckung standen (da vergehen mitunter Jahre) und am Ende sitzen die Eigentümer auf mehrere tausend Euro Schaden für die Renovierung.


    Glaubt ihr, bei so einer Zwangsenteignung würde es sehr viel anders gehen? Selbst wenn ein Gericht im Sinne des Eigentümers entscheiden würde, dass die Enteignung des Eigentums nicht rechtens war: Wie lange würde es bis dahin dauern? Ein Jahr? Zwei Jahre? Und selbst wenn das Gericht so entscheiden würde, dann sind die derzeitigen Bewohner ja immer noch in der Immobilie. Wehren sich vielleicht mit Händen und Füßen gegen eine Zwangsräumung.


    Bei Gewerbeimmobilien im Sinne von Bürogebäuden und Hallen mag das ja noch anders aussehen. Aber bei Wohnimmobilien, womöglich noch im Privatbesitz, wäre das der politische Tod des Politikers, der dieses auch nur billigt. So ein Politiker muss damit rechnen dass er in der Tagespresse nicht gut bei wegkommt und seine Wiederwahl akut gefährdet wäre. Und die Immobilie sollte dann sicherheitshalber auch besser gesichert werden, bevor da jemand in seiner Verzweiflung auf die Idee einer heißen Sanierung kommt.

    aus Niedersachsen, DE gesendet...


    "Der Klügere gibt nach! Eine traurige Wahrheit, sie begründet die Weltherrschaft der Dummheit." Marie von Ebner-Eschenbach


    Dorfleben. Entweder du liebst es oder du liebst es nicht. Es gibt kein Versuchen!


    "Dein Rad kann viel mehr, als du ihm zutraust. Das findet schon seinen Weg. Einfach laufen lassen, wenig bremsen, den Flow finden." (ein Freund zu einem Silk Road Mountain Race Teilnehmer)

  • Moin @ll,


    Jaws: Ja, ich habe gesehen, dass Roger in der Schweiz beheimatet ist. Deswegen habe ich auch noch ein wenig detaillierter begründet. Ich denke, dass das gewachsene Rechtsempfinden in der Schweiz auch etwas anders gewichtet, als bei uns - und das achte ich ebenfalls. Es geht hier im Faden allerdings um ein Gesetz in D ...


    Rocky: Ich bin bei weitem *NICHT* der Meinung, dass bei uns alles Gold ist, was glänzt - und unsere Politik macht IMHO z.T. gewaltige (handwerkliche) Fehler. Allerdings hilft da unsachliche Kritik nicht weiter und ich bin fest davon überzeugt, dass wir diese Fehler nur durch sachliche Agrumentation und auf dem gegebenen Weg der Demokratie beheben können. Und das unsere Justiz seit Jahren überlastet ist, ist ein offenes Geheimnis. Allein das verzögert die Verfahren in einer Art und Weise die - vorsichtig gesagt - indiskutabel ist!
    In Deinem Beispiel verstehe ich jedoch einiges nicht:
    Vor dem Bau eine BAB steht ein jahrelanges Plan- & Planfeststellungsverfahren. Das geht doch nicht völlg "lautlos" an einem vorüber? Und bevor es hier zu Enteignungen kommt steht doch normal auch noch eine Verkaufsanfrage, oder etwa nicht?


    UrbanTrapper: Die Geschichte mit "säumigen Mitzahlern" bis hin zu Mietnomadentum kenne ich aus eigener leidvoller Erfahrung aus meinem "früheren Leben" - da handelt es sich jedoch um etwas völlig anderes. Speziell im diskutierten Fall bleibt ja der Staat im Besitz der Immobilie bis zu deren Rückgabe. Auch ist die Maßnahme im Gesetz ausdrücklich terminiert. Das ist in sofern nicht vergleichbar, zumal ja im Fall des Mietnomandentums auch noch das Mietrecht dem Schutz des Eigentums gegnüber stht. Das macht die Gescchichte in der tat nochmals komplizierter...
    Die Inbeschlagname ist nur zur Beseitigung einer unmittelbar drohende Gefahr (in diesem Fall Obdachlosigkeit, sie Artikel in Post #38, danke Bärti!) gerechtfertigt - oder halt eben auch nicht. Es handelt sich nicht um eine Vermittlung von Wohnraum im klassischen Sinn...
    Diese ganze Situation kann nicht mit einem Mietverhältnis, dem ja ein Vetrag auf Basis des BGB / Mitrecht zu Grunde liegt, verglichen werden.


    Bezüglich der Konsequenzen für einen Politiker sind wir uns ja völlig einig- :face_with_rolling_eyes:


    In diesem Sinne


    Christian

    Hier wird das Licht von Hand gemacht ... und der Motor gehört nach hinten!

  • Fakt ist das der Staat wenn er auch einen entsprechenden Preis offerieren würde die Immobilien auch mieten könnte. Das Ganze ist nur dafür da um die Besitzer prellen zu können und da passt so ein für Schweizer völlig unverständlicher Artikel wie "Eigentum verpflichtet" perfekt. Es ist schon eine ganz andere Hausnummer und das gibt es auch bei uns wenn irgendwo ein Zug oder eine Autobahn durch muss... (weil in dem Fall es wirklich nicht anders geht). Bei den Flüchtlingen will mir keiner erzählen das der Staat auf den ganzen Territorium Deutschland keine Immobilie mieten kann...Flüchtlinge sind mobil, Strasse er weniger...


    Für mein Rechts Empfinden ist man da zu den kommunistischen Zeiten zurück.

  • Hallo,


    Zitat

    Fakt ist das der Staat wenn er auch einen entsprechenden Preis offerieren würde die Immobilien auch mieten könnte.


    Dir ist aber schon klar, wer der Staat ist und mit wessen Geld er das machen müßte?
    Du willst also, daß der Staat dein Steuergeld nimmt und es kapitalistischen Großgrundbesitzern in den Rachen wirft? Dann ist ja gut.


    Gruß
    Gerald

  • Zitat

    Fakt ist das der Staat wenn er auch einen entsprechenden Preis offerieren würde die Immobilien auch mieten könnte. Das Ganze ist nur dafür da um die Besitzer prellen zu können und da passt so ein für Schweizer völlig unverständlicher Artikel wie "Eigentum verpflichtet" perfekt. Es ist schon eine ganz andere Hausnummer und das gibt es auch bei uns wenn irgendwo ein Zug oder eine Autobahn durch muss... (weil in dem Fall es wirklich nicht anders geht). Bei den Flüchtlingen will mir keiner erzählen das der Staat auf den ganzen Territorium Deutschland keine Immobilie mieten kann...Flüchtlinge sind mobil, Strasse er weniger...


    Das ist mit Sicherheit eine andere Nummer. Aber wie vor Jahren kann man sich in der Schweiz auch dagegen erfolgreich wehren. Da wurde mittels eines Tunnels eine Gaststätte "umkurvt" weil sich der Besitzer durch alle Instanzen sehr erfolgreich gewehrt hatte. Es dürfte sicherlich eine Ausnahme (und ein verdammt guter Anwalt) gewesen sein, denn normalerweise sind auch bei uns solche Urteile eher selten.


  • Ja will ich weil ich für Marktwirtschaft und gegen gescheiterte Experimente bin wie der Kommunismuss der so viel Leid gebracht hat. In einer funtionnierenden Wirtschaft und insbesondere wenn man die grösse D zu Verfügung hat gibt es keinen Grund das man den Markt aushebeln muss.


    Und am Schluss man bezahlt mit seinen Steuern was uns die Politiker verursachen, wenn es einem nicht passt gibt es demokratische Wahlen um eine Kurs Korrektur zu kriegen.

  • Eigentum verpflichtet. Stimmt. Damit ist aber nicht das Eigentum des kleinen Mannes (Frau natürlich auch) gemeint sondern das Eigentum der wirklich reichen, die den Reichtum auf dem Rücken der Arbeiter erlangt haben.


    Wer hier die Gesetzgebung preist hat (Entschuldigung) wenig Ahnung wie die in der Praxis funktioniert.
    Gleiches gilt für die Rechtsprechung.
    Und das Grundgesetz? Damit begründe ich alles was ich will.



    Die Rechtsprechung ist äußerst dehnbar. Und das GG ist nicht viel besser.

  • Hallo,


    Zitat

    Ja will ich weil ich für Marktwirtschaft und gegen gescheiterte Experimente bin wie der Kommunismuss der so viel Leid gebracht hat. In einer funtionnierenden Wirtschaft und insbesondere wenn man die grösse D zu Verfügung hat gibt es keinen Grund das man den Markt aushebeln muss.


    Sehr gut. Habe das mal gebookmarked und werde dich bei Zeiten daruaf hinweisen.


    Danke


    Bin dann wieder raus hier :)


    Gruß
    Gerald

  • ksbulli: Danke für den Hinweis auf den von Bärti verlinkten Artikel. Den hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht gelesen gehabt. Nur die dem Artikel zugrunde liegende behördliche Verfügung in LG war mir bekannt und dass da eine gerichtliche Entscheidung anhängig sei. Dass diese um so schneller entschieden wurde und auch bereits im Sinne des Eigentümers entschieden wurde, trägt hoffentlich dazu bei, dass zumindest vorerst so etwas wie Rechtssicherheit hergestellt wurde und hoffentlich viele Hauseigentümer und Mieter wenigstens etwas ruhiger schlafen können. Denn das Gericht hat ja ganz offensichtlich festgestellt, dass für einen derartigen Eingriff in die Eigentumsrechte, mithin also auf Mieter runtergebrochen: die Wohnung, hohe Hürden anzulegen seien. Mal so eben Wohnungen und Häuser enteignen, um dort Flüchtlinge unterzubringen, geht somit wohl zum Glück doch nicht so einfach.


    Wäre es anders gekommen: Ja, durch die Zwangseinquartierungen wäre kein ordentliches Mietverhältnis zustande gekommen. Aber was, wenn nach Ablauf des Mietverhältnisses (der Stadt, Gemeinde, wer auch immer) und nicht mehr Vorhandensein des Notstandes (Winter, der aber in der Form zum Glück nicht einfach so auf Privatleute abgewälzt werden kann und darf), sich die Einquartierteten weigern, die Immobilie zu verlassen und im Frühjahr zum Beispiel in eine Zeltstadt zu ziehen oder in eine leerstehende Lagerhalle, die mittlerweile ersatzweise angemietet werden konnte? Das wäre dann ja sowas wie eine Hausbesetzung. Natürlich auch nicht rechtens. Aber so eine Hausbesetzung räumt man auch nicht mal so eben.


    mueller: Ja, Gesetze sind nicht immer eindeutig. Die Auslegung der Gesetze kann als dehnbar, auslegungswürdig und/oder -bedürftig angesehen werden. Die Alternative wäre aber, Gesetze zu haben, die jeden einzelnen Fall, jede Eventualität antizipieren und bereits einschließen. Kann sinnvoll sein, ist es aber meistens nicht.
    Was das Grundgesetz angeht: Davon kann man halten, was man möchte, aber es ist 1. unser Grundgesetz, seit der Wiedervereinigung 1991 bin ich sogar geneigt zu sagen, unsere Verfassung, weil es den Status der Vorläufigkeit nicht mehr so richtig inne hat. Und 2. sind in diesem Grundgesetz die Grundsätze unserer Staatsordnung und unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens festgelegt. In Teilen sicherlich auslegungsbedürftig, ergänzungsbedürftig oder schwammig formuliert. Aber auf der anderen Seite: Kein Gesetz darf im Widerspruch zum Grundgesetz stehen. Ansonsten wird es durch Karlsruhe ziemlich schnell kassiert. Ist ja auch bereits mehrfach geschehen.

    aus Niedersachsen, DE gesendet...


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  • Hi ksbulli,


    es wird ja immer gerne vom "Geist des Gesetzes" geredet, als dieses beschlossen wurde. In der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist neben der Bekräftigung des Eigentums als eines elementaren Grundrechts vor dem Hintergrund einer freiheitlichen Ordnung die Sozialbindung verschiedentlich konkretisiert worden, auch in dem Sinne, dass nicht jedes Eigentum einer solchen Bindung unterliege, sondern nur solches, das soziale Relevanz habe. Darüber hinaus hat das Verfassungsgericht festgelegt, dass Regelungen im Sinne des Artikels 14 Absatz 2 nicht allein aufgrund von Verwaltungsakten und Rechtsprechung zulässig sind, sondern der Gesetzgebung bedürfen.


    Aus dem Grundgesetz leitet sich beispielsweise eine soziale Verantwortung der Eigentümer von Häusern, Firmen, aber auch sehr wohlhabenden Privatpersonen ab. So sind Immobilienbesitzer verpflichtet, ihr Eigentum instandzuhalten und nicht verkommen zu lassen. Mieten sollten dem Einkommen der Bevölkerung angepasst sein. Für Unternehmen gilt es, Arbeitsplätze nach Möglichkeiten zu sichern und Beschäftigten faire Löhne zu zahlen und langfristige Verträge anzubieten. Auf Entlassungen und Standortverlagerungen, die allein damit begründet werden, den Gewinn bzw. die Rendite zu steigern, sollte verzichtet werden. Statt auf Gewinnmaximierung zu setzen, sind Unternehmen dazu angehalten, sozial und ökologisch verantwortungsvoll zu wirtschaften und zu investieren. Darüber hinaus sollten Unternehmen soziales Engagement zeigen, indem sie ihren Mitarbeitern z. B. Betriebsrenten, Betriebssport, Betriebskindergärten oder günstige Mitarbeiterwohnungen anbieten und sich gesellschaftlich, z. B. in der Kommune, engagieren. Wohlhabende Personen werden vom Staat steuerlich stärker belastet, so dass ihr Vermögen auch der Gesellschaft zugutekommt. Darüber hinaus haben sie die Möglichkeit, über Spenden oder Stiftungen Bedürftige an ihrem Vermögen teilhaben zu lassen.


    Einen aktuellen Bezug hat der Verfassungsgrundsatz der Sozialpflichtigkeit etwa in der Frage der Vermögensteuer bzw. Maximalbesteuerung entfaltet. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts „ist der Vermögensertrag einerseits für die steuerliche Gemeinlast zugänglich, andererseits muss dem Berechtigten ein privater Ertragsnutzen verbleiben. Die Vermögensteuer darf deshalb zu den übrigen Steuern auf den Ertrag nur hinzutreten, soweit die steuerliche Gesamtbelastung ... in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand verbleibt …“


    Für den Bereich in dem dem Eigentum ein übergeordneter "Dienst" zum Wohle der Allgemeinheit zugeordnet wurde lässt sich Folgendes bezüglich Enteignungen/Beschlagnahmungen sagen:


    a) als das Gesetz so geschrieben wurde, war das Wohl das der Allgemeinheit dienen musste darauf ausgelegt, dass vom Eigentum kein Schaden für Andere ausgehen soll (der Ast der vom Baum auf dem eigenen Grundstück dem Fußgänger auf dem Gehweg vor dem Haus auf den Kopf fällt sollte vermieden werden).


    b) für übergeordnete Infrastrukturmaßnahmen die notwendig sind (warum auch immer) dem Staat die Möglichkeit an die Hand zu geben diese auch durchsetzen zu können und um zu verhindern, dass Bauer X der seinen Acker nicht verkaufen will eine ganze Autobahn platt machen kann. Unter diesen Punkt würden auch Straßen, Flughäfen, Wasserstraßen, Energieleitungen etc. fallen, also Bauten, die für die infrastrukturelle Versorgung der Bevölkerung dienen.


    c) dem Eigentümer muss ein mindesten hälftiger Gewinn verbleiben, wenn die Allgemeinwohl-Schiene zum tragen kommt


    Eine genauere Beschreibung bezüglich Enteignung findet man hier, wirklich 19 lohnenswerte Seiten die man lesen sollte:


    http://dewitt-berlin.de/files/…93-Entsch%C3%A4digung.pdf


    Der Trick den der Staat im Falle der "Enteignung" wählt ist ja der, dass eigentumsrechtlich nicht enteignet wird bei den Immobilien, sondern sich der Staat nur ein Nutzungsrecht einräumt. Gefühlt bei den Bürgern als Enteignung, aber das ist es ja nicht, da das Grundbuch ja nicht auf den Staat umgeschrieben wird.


    Wir befinden uns hier in einem moralischen und rechtlichem Dilemma wo die Grundfrage lautet: Ist das recht auf Gewaltausübung über das eigene Eigentum höher oder geringer anzusetzen als die Bedürftigkeit von Zuwanderern. Was kann den Zuwanderern zugemutet werden, bis das Eigentumsrecht direkt oder indirekt ausgehöhlt wird? In wie fern kann der Staat dieser moralische Frage beantworten und seinen Willen den Eigentümern aufdrücken?


    Wie ich finde sehr interessante gesamtgesellschaftliche Fragen die auch wirklich einer Klärung bedürfen. Dann wird man zumindest Klarheit haben ab welchen Grenzen eben Eigentumsrechte doch nicht mehr das wert sind, was die Meisten seit einigen Dekaden dachten.

    Der Bote der Wahrheit braucht ein schnelles Pferd

  • Das Ganze hat auch eine historische Dimension. Zum Zeitpunkt der Formulierung stand beispielsweise die Verstaatlichung der Großindustrie noch in den Grundsatzprogrammen von mehreren CDU-Landesverbänden. Der Alte von Rhöndorf hat mit sowas dann schnell Schluss gemacht, aber grundsätzlich wäre auch ein umfassendes Enteignungsprogramm auf der Grundlage des Grundgesetzes machbar gewesen. Bärti merkt allerdings richtig an, dass die Rechtspraxis in eine ganz andere Richtung gegangen ist.

  • Hallo,


    vor einigen Wochen hab ich an anderer Stelle hier im Forum von ein paar Leuten mächtig Prügel bezogen, als ich aus der kommunalen Praxis berichtet habe, die den behördlichen Zugriff auf Immobilien im Rahmen von Notverordnungen/-verfügungen schon jetzt und ohne Gesetzesänderungen ermöglicht.


    Man sollte in diesem Zusammenhang ein paar juristische Feinheiten beachten. So wie es einen Unterschied zwischen Eigentum und Besitz gibt, gibt es auch einen Unterschied zwischen Enteignung und Beschlagnahme. Einem Eigentümer gehört eine Sache, z.B. ein Auto. Wenn ich der Eigentümer eines Autos bin und das Auto an einen Freund ausleihe, dann ist das Auto zwar in seinem Besitz, ich bleibe aber weiterhin der Eigentümer (es gehört nach wie vor mir). Ähnlich ist es bei der Beschlagnahme von Sachen - sie sind nach wie vor mein Eigentum, auch wenn sie meinem Zugriff entzogen wurden. Beschlagnahmte Sachen werden nach Ende der Beschlagnahme wieder an den Eigentümer zurückgegeben (z.B. der bei einer Hausdurchsuchung von der Polizei mitgenommene PC)
    Anders dagegen bei einer Enteignung: hier verliere ich mein Eigentum und jemand anderes wird Eigentümer der enteigneten Sache.


    Jemand, der sein Häuschen mittels Kredit finanziert ist zunächst erst mal nur Haus-Besitzer, Eigentümer(in) ist die finanzierende Bank. Erst nach Ablösung der Grundschuld findet eine Eigentumsübertragung an den Besitzer statt und erst dann ist er auch Haus-Eigentümer...


    Das Thema "Immobilien-Beschlagnahmung" ist momentan vor allem eine Drohkulisse gegenüber Immobilienspekulanten, die z.B. alte leerstehende Gewerbeimmobilien bewusst verfallen lassen, um einen Grund für einen Abriss zu bekommen, um die frei werdenden Flächen mit Geschäftsvierteln, Shopping-Malls und ähnlichem gewinnbringend zu bebauen.


    In der Fläche auf kommunaler und Kreis-Ebene ist man sich der Sensibilität des Themas sehr bewusst. Hier geht der Trend eher zu ambitionierten Bauprogrammen durch die öffentliche Hand, das wird man in den nächsten 1-2 Jahren deutlich beobachten können. Derzeit werden private Eigner freier Bestandsbauten angefragt, ob sie als Wohnraum geeignete Flächen vermieten würden. Da mittlerweile das Baurecht bezüglich Notunterkünften stark vereinfacht wurde (Zulässigkeit von Unterkünften in Gewerbegebieten), steigt grade das Angebot von vermietbaren Objekten an - die Eigentümer haben erkannt, dass sich damit durchaus Geld verdienen lässt.


    Beschlagnahmt wird in der Praxis derzeit recht wenig und enteignet schon gar nicht - für Notunterkünfte, ich denke das wird sich auch nicht ändern - vorher wird im Schnellverfahren überall neu gebaut - da bringt sich die Baulobby auch schon in Stellung und drängt förmlich danach.


    Zwei Beispiele:
    Als die Stadt Staufen das Ansinnen bekannt gab, eine Notunterkunft zu bauen, bewarben sich aus dem Stand 17 Bauträger und Planungsbüros darum - obwohl es noch gar keine formelle Ausschreibung gegeben hatte. (LINK)


    Ein in Süddeutschland aktiver Projektierer von Kindergärten in Systembauweise ("Eurokindergarten") hat nun auch "Eurowohnheime" im Angebot. (LINK).


    Grüsse


    Tom

  • ksbulli
    Mir ist nicht klar, wo ich in meinem Beitrag (https://www.previval.org/forum…856&viewfull=1#post246856) unsachlich bin.
    Fakt ist, die A38 ist fertig gebaut. Fakt ist, ein Brückenkopf steht auf unserer ehem. Plantage. Fakt ist, kein Vertreter des Staates oder sonstwer hat sich an mich, meine Brüder oder meine Mutter bzgl. Kauf des Grundstücks, Entschädigung, Bau der A38 o.ä. gewandt oder gefragt.
    Selbstverständlich bin ich nicht gegen die A38. Aber man hätte uns fragen und entschädigen können!
    Und Du kannst gerne auch in der Presse Artikel nachlesen, daß es beim Bau der A72 wohl genauso ablief. Da klagen Bauern seit Jahren um Entschädigungen.
    Der Staat weiß genau, daß bei den Bodenwerten, den Grundstücksgrößen usw. es sich für Viele nicht lohnt dagegen zu klagen.

    An der Kennzeichenbefestigung erkennt man die Ernsthaftigkeit eines Offroaders...

  • Hi Tom,


    du beschreibst den Status Quo sehr treffend. Trotzdem komme ich hier mit einem "aber". Der Grund dafür ist folgender: ich habe was das Thema anbelangt Angst was die Zukunft betrifft.


    Ich sehe auch hier in HH, dass auf Wiesen die noch vor kurzem als unantastbar galten (sei es als Naherholungsgebiet oder weil dort irgendeine geschützte Käferart fleuchte und kreuchte) nun problemlos mit Holz-Modulhäusern zugepflastert werden können. Das zeigt wie von dir beschrieben genau, dass der Staat (zur Zeit) versucht Beschlagnahmungen bzw. die Aneignung des Nutzungsrechtes so "sozialverträglich" für die Bevölkerung zu machen wie möglich. Hätten wir massenhaft direkte Einquartierungen in Bestandswohnungen etc. dann hätten wir binnen Tagen einen Volksaufstand. Meine Angst vor dem Thema entsteht auf mehreren Ebenen:


    a) Winter
    Ist im Winter nicht genügend fester Wohnraum vorhanden entstehen wie bereits jetzt zu sehen frustrationsbedingte Gewaltausbrüche in den Flüchtlingsunterkünften selber. Diese könnten sich auch auf die Umgebung ausweiten.


    b) Baukapazität
    Die vorhandenen Flüchtlinge könnten vielleicht noch zu einem Betrag von X Milliarden in festen Unterkünften untergebracht werden, dazu braucht es aber noch Zeit. Irgendwann sind die Baukapazitäten aber erschöpft.


    c) Klusterbildung
    Jede jetzt fest installierte Flüchtlingsunterkunft wird auf Jahre die engere Region beeinflussen. Das kann zu Problemen mit der dortigen Bevölkerung führen.


    d) Infrastruktur
    Die dazugehörige Infrastruktur wie Schulen, Einkaufsläden, Kindergärten, Straßen etc. unterliegt weiterhin dem "normalen" Baurecht und kann nicht im erleichterten Verfahren hergestellt werden. Wir werden hier "Lücken" in der Versorgungsinfrastruktur haben in der Zukunft.


    e) Familiennachzug
    Wenn man wie der Presse zu entnehmen war pro Einzelflüchtling mit 3-4 Personen im Familiennachzug zu rechnen haben, dann ist ein solches Bauprogramm nicht zu bewerkstelligen. Dafür reichen schlicht und ergreifend die Kapazitäten nicht aus. Nur mal so im Größenvergleich: wenn dieses Jahr etwa 1,2 Mio Flüchtlinge kommen und davon sagen wir mal die Hälfte anerkannt wird sprechen wir von 600.000 Leuten. Nehmen wir mal an, davon könnten 50% einen Familiennachzug beantragen mit nur 3 Personen, dann hätten wir 300Tsd. Berechtigte + 900Tsd. Nachzügler + 300Tsd die keinen Nachzug wollen = 1,5 Mio. Nur für 2015 mit einer Zeit X als Langzeitwirkung wo Nachzüge erfolgen. Das System kollabiert, weil wir eben nicht jedes Jahr 1 x Hamburg neu bauen können.


    f) Ballungsgebiete
    Die Flüchtlinge wollen in die Ballungsgebiete bzw. zumindest in die Kreisstädte, weil da sowohl Arbeit als auch Anschluss an die eigene Volksgruppe leichter möglich ist. So viel Bauland kann um die Ballungszentren herum gar nicht erschlossen werden, damit man dort die Leute unterbringen kann.


    g) Zeitdruck
    Die Zeitspanne bis die Flüchtlinge in den Massenunterkünften auf Grund der Wohnsituation "explodieren" ist eng bemessen. So schnell kann man nicht bauen.


    etc.


    Ich denke, dass durch die normative Kraft des Faktischen ein Wohnungsbauprogramm in der Größenordnung nicht aufgestellt werden kann. Deshalb werden im Laufe der Zeit immer mehr Beschlagnahmungen notwendig werden. Sonst ist das Zahlenmäßig schlichtweg nicht zu wuppen. Sollte diese Entwicklung in 2016 weiter anhalten gehe ich mit einem sprunghaften Anstieg der Beschlagnahmungen aus, auch gegen den Wiederstand der Eigentümer. Wobei ich dann auch die Beschlagnahme von Einzelwohnungen als möglich ansehe. Und davor habe ich Angst, weil das die Gesellschaft immer weiter polarisieren wird und dann ein Kampf um Wohnraum beginnt, schlimmer als in jedem Stadtviertel das der Gentrifizierung unterliegt. Wohnungsbauprogramme werden das zwar punktuell lindern, aber wir reden hier über Zeiträume von 10+ Jahren bis alleine bautechnisch eine Lösung nur für die Unterbringung und Nahversorgung etabliert ist. Dabei ist ein weiterhin anhaltender hoher Zustrom nicht mit eingerechnet.


    Ich habe hier wirklich Angst vor der Zukunft, da ich an allen Ecken nur Konfliktpotentiale sehe. Die Wohnraum- bzw. Gewerberaumbeschlagnahme ist für mich da nur ein sehr offensichtliches Zeichen wie schlimm es um die Situation bestellt ist. Die jetzige "Drohkulisse" wie du es nennst wird meiner Erwartung nach ein Dauerzustand werden. Und betroffen werden davon nicht nur Gewerbeimmobilienbesitzer sein. Ich hoffe, dass ich mit meinem Blick in die Glaskugel falsch liege, habe aber ein ganz blödes Gefühl in der Magengegend.

    Der Bote der Wahrheit braucht ein schnelles Pferd

  • @Bärti


    An dieser Stelle einen besonderen Dank für Deine Zusammenfassung. Ich glaube, dass Du damit vielen aus der Seele sprichst! :Gut:


    Wolfgang