Katastrophenmedizin praktisch gedacht

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  • Hallo zusammen,


    Angeregt durch die Diskussion, die sich in meinem Vorstellungsthread ergeben hat, eröffne ich auf Waldis Anregung und Wichtels Fragen dieses Thema. Ich hatte eigentlich angekündigt, mich erst still einzulesen, aber das Thema brennt mir nun doch unter den Nägeln und ich hoffe, es ist in Ordnung für alle Beteiligten, die Suchfunktion hat zumindest nichts Passendes ausgegeben.


    Hier soll es darum gehen, wie medizinische Versorgung im Notfall konkret aussehen kann, um Organisation und Übung des MANV (Massenanfall von Verletzten), Triage etc - für Mitarbeiter des medizinischen Bereichs, aber gerne auch für alle anderen!


    Mich würde interessieren: habt ihr das Gefühl, in eurer Einrichtung ist man für den Notfall gut vorbereitet oder weiß eher keiner, wofür die Triagefarben stehen? Wie sieht es mit der Evakuation von Schwerstkranken aus? Gibt es für den Zweifelsfall Pläne, die die Mitarbeiter kennen oder muss damit gerechnet werden, dass die Bettlägerigen dann verloren sind? Und weiß jemand, inwieweit in Deutschland sichergestellt ist, dass Versorgungszentren auch personell versorgt bleiben (z.B. bei Ausfall öffentlicher Verkehrsmittel, unsicherer Straßenlage etc.)?


    Auf eine spannende Diskussion und liebe Grüße
    hahnenkampf

  • Hallo Hahnenkampf,
    Wie ich schon in Deinem Vorstellungsthread geschrieben habe, fühle ich mich als Pflegepersonal ausreichend
    ( falls man das überhaupt kann) geschult und vorbereitet. Allerdings bin ich nun auch in einem Bereich wo
    keine Akutpat. aufschlagen. Aber für den Fall das Krisensituationen von außen auftreten was die Versorgung angeht
    oder Feuer ausbricht fühle ich mich bereit. Anders wird es, wenn die Krise länger dauert und die Versorgung mit Nahrung
    oder Medikamenten nicht mehr gewährleistet ist. Wenn keiner mehr da ist, der mich ablöst oder keiner mehr da ist,
    der mit Entscheidungen trifft, wie man mit 21 Pat. umgeht, die nicht mehr versorgt werden können, aber nicht frei gelassen
    werden dürfen. ( psychisch Kranke Straftäter )
    Ich glaube dafür gibt es keine Pläne. Das einzige was ich mir vorstellen könnte , das die Pat. Zu einem bestimmten Zeitpunkt
    in die JVA überführt werden, aber bei denen wird dann die Situation auch nicht besser sein.
    Gruselig, man mag sich das garnicht vorstellen
    LG Wichtel

    Der letzte macht das Licht aus

  • Ich frage mich wo diese Diskussion hinführen soll? Wie sollen wir auf Laienebene (ich bin Arzt und habe vorher lange im Rettungsdienst gearbeitet, Notfall- und Akutmedizin ist für mich als nichts Unbekanntes/Neues - trotzdem ist Katastropneschutz und Kathastrophenvorsorge etwas ganz anderes) hier gewinnbringender diskutieren und planen, als es die zuständigen Stellen (BBK, BMI, AKNZ, FW, THW, Ordnungsämter, HiOrgs, etc) tuen/bereits getan haben.
    Bin also gerne bereit mich zu beteiligen, würde aber vorher das Ziel/den Sinn wissen wollen.


    VG Hunted

    Take care!

  • Das gilt jetzt nur für mich, ich erhoffe mir, das Foris die in diesen Bereichen arbeiten, von ihren
    Erfahrungen schreiben. Ich kenne mich nur in meinem Bereich aus. Hat das Qualitätsmanagementmonster ( Ironie)
    in allen Bereichen Einzug gehalten ? Ich habe das Gefühl, ja es ist besser geworden.Das alle mehr geschult werden.


    Gibt es zum Beispiel noch diese Schutzbunker,die in den 80iger Jahren gehegt und gepflegt wurden ?
    Wichtel

    Der letzte macht das Licht aus

  • Ja das System sieht man auch immer wieder mal in Filmen wo es Massenverletzte gibt.
    Ich kenne es aus Süd Afrika in den Townships wo es viele Messer - und Schußwunden gibt. Einen roten Klebi
    will man nicht haben :traurig: Wichtel

    Der letzte macht das Licht aus

  • Moin Hahnenkampf,


    nur mal so ins blaue gefragt:


    Wovon sprechen wir hier eigentlich?


    Die Begrifflichkeiten sind nach DIN 13050:2009-02 definiert. Ich bewege mich jetzt mal ausschließlich in D. Die Reglungen in den Nachbarländern sind z.T. gravierend anders, was einfach an völlig anders gewachsenen Strukturen liegt. Und diese Aussagen beinhaltet keinerlei Wertung!!!!


    Der BUND hat vier Versorgungsstufen definiert, die mit entsprechenden Schutzzielen aufbauend auf einem Vorschlag des Städtetages verbunden sind. Doch bereits bei der regionalen Ausgestaltung der Vorhaltung gibt es erhebliche Unterschiede beispielsweise im urbanen oder ländlichen Raum...

    MANV beginnt bereits bei durchaus noch übersichtlichen Betroffenenzahlen (5 - 50) und wird bei Lagen bis zu 500 Verletzten noch mit überregionalen Kräften gemäß den Gesetzlichen Regelungen des Bundeslandes versorgt. Hier sprechen wir jedoch durchaus bereits von ÜMANV-Lagen mit dem Einsatz entsprechender Komponenten, z.B. bei ÜMANV-T wozu Transportkapazitäten angefordert werden. Wir sprechen von Schutzstufen 1 und 2 ...


    Einsatzbeispiele sind hierfür die Zugunglücke von Eschede oder Brühl


    Darüber hinaus sprechen wir ab Schutzstufe 3 (äquivalent ab 500 Verletzten) von Lagen, die bereits auf Ressourcen gemäß Bund-Länder-Vereinbarungen zugreifen (z.B. Med Task Force des Bundes....). Das geht dann schon über den Grundschutz hinaus.


    Interessant ist, dass die ÜMANV-Komponenten in dieser Definition AFIK nur in den Ländern Nordrhein-Wesfalen und Hessen initiiert wurden und im Zuge der Vorhaltung für die WM 2006 auch in Bayern etabliert wurden.Andere Bundesländer haben andere oder z.T. keine Äquivalente.


    Bei alledem reden wir jedoch immer noch von Großschadenslagen. Die Begrifflichkeit Katastrophenmedizin wird heute vielfach anders verwendet. Sie bezieht sich eher auf Lagen die ausdrücklich als Katastrophe bezeichnet werden: Diese gehen über Großschadensereignisse hinaus, oftmals in Verbindung mit einer (großflächigen) Zerstörung von (Gesundheits-)Infrastruktur und sind nicht mehr mit "Mitteln und Einsatzstrukturen des Rettungsdienstes" alleine zu bewältigen.


    Ich sage es mal ganz spitz: Ein Krankenhaus kann keine MANV-Lage üben!


    Dort werden spezifischen Lagen zu üben sein, wie das Evakuieren eines Gebäudes (oder Teils...) oder die kurzfristige Aufnahme einer größeren Anzahl von Verletzen, die entsprechend der Ressourcemeldung des Hauses zugeteilt werden.
    Allein diese beiden Beispiele zeigen, dass *EIN* Haus völlig verschiedene Szenarien haben kann, die jedoch beide in völlig unterschiedlicher Art und Weise in eine Infrastruktur oder einen Kontext eingebunden sind. Und da haben wir bereits den Schritt auf die Stabsebene gemacht....


    So, über was wollen wir hier diskutieren?


    Be prepared!


    Christian


    [COLOR="silver"]- - - AKTUALISIERT - - -[/COLOR]


    Zitat von wichtel688;264563

    Ja das System sieht man auch immer wieder mal in Filmen wo es Massenverletzte gibt.
    Ich kenne es aus Süd Afrika in den Townships wo es viele Messer - und Schußwunden gibt. Einen roten Klebi
    will man nicht haben :traurig: Wichtel


    Hmmm ... persönlich fänd´ich einen blauen blöder ... :traurig:


    Be prepared!


    Christian

    Hier wird das Licht von Hand gemacht ... und der Motor gehört nach hinten!

  • Zitat von wichtel688;264510

    Das gilt jetzt nur für mich, ich erhoffe mir, das Foris die in diesen Bereichen arbeiten, von ihren
    Erfahrungen schreiben. Ich kenne mich nur in meinem Bereich aus. Hat das Qualitätsmanagementmonster ( Ironie)
    in allen Bereichen Einzug gehalten ? Ich habe das Gefühl, ja es ist besser geworden.Das alle mehr geschult werden.


    Gibt es zum Beispiel noch diese Schutzbunker,die in den 80iger Jahren gehegt und gepflegt wurden ?
    Wichtel


    Die Zivilschutzkomponenten (Zivilschutzbunker, Hilfskrankenhäuser, Depots, Notlandeplätze usw) wurde massiv abgebaut und sind in weiten Teilen nicht mehr vorhanden. Mob-Teile (Reserveverbände der Bundeswehr) wurden großflächig eingestampft. Details hierzu findest du im Cold-war-Forum. In dem ein oder anderen Schulkeller finden sich noch ein paar Decken, die vor sich hin rotten, aber ansonsten kann man darauf nicht mehr bauen. 2015 wurde hier seitens der Bundesregierung eine Bestandsaufnahme in Auftrag gegeben, wie da der Stand ist weiß ich aber nicht.


    Im zivilen Rettungsdienst habe ich MasCal-Situationen im großen Sinne noch nicht erleben müssen, brauche ich auch nicht wirklich. Pläne gibts da zwar zu Hauf und jedes NEF/NAW und teilweise RTWs haben Triagekarten auf den Fahrzeugen und Verfahrensabläufe, aber als ersteintreffendes Fhz kannst du nur hoffen, dass du dich solange mit Absicherung/Eigenschutz und Evakuierung beschäftigen kannst bis der zuständige OrgL mit LNA vor Ort ist und die die Kiste schaukelt. Meiner Meinung nach wird das ganze viel zu selten trainiert, auch wenn der Organisations- und Kostenaufwand sehr hoch sind.


    Militärisch sehen die Vorbereitungen auf Großschadensfälle ein wenig besser aus, aber auch hier ist die dünne Personaldecke und Einsparungsmaßnahmen der letzten Jahre deutlich zu spüren. Wenn ich immer höre, man müsse in diesem und jenem Falle doch einfach die Bundeswehr aktivieren, frage ich mich wer da noch kommen soll... Grundlagenausbildung und Training sind Bestandteil jeder militärischen Rettungsassistenten- und Notarztausbildung, hier auch deutlich intensiver wie im zivilen Bereich. Im Bereich der Einsatzvorbereitung wird hier ebenfalls nochmals beübt. Eine andauernde In-Übunghaltung ist hier aber leider nicht gewährleistet.
    Qualitätsmanagement und Din-Iso-Zertifizierungen fanden auch im militärischen Bereich statt. Problem ist immer der einzelne Mensch. Man muss verstanden haben, dass QM nicht dafür da ist die eigenen Abläufe zu dokumentieren sondern dafür die eigenen Fehler zu erkennen und zu beheben. Aber auch hier helfen tausend Flussdiagramme und "zu erstellende Dokumente" wenig, wenn das Spektakel dann kaum trainiert wird. Von der zivil-militärischen Zusammenarbeit will ich gar nicht erst anfangen, da versagts schon mangels Funkschnittstellen an der Kommunikation...


    Schlussendlich bleibt das Problem der Realversorgung. Man kann nicht mal eben die Schockräume/OPs und Bildgebung wie CT/MRT/Röntgen der Charité aus dem Netz nehmen und komplett beüben. Man wird immer erst "danach" sehen ob es funktioniert...


    Grüße

    [HR][/HR]Klar komme ich nach der Apokalypse in die Hölle, aber mit VIP-Bändchen und Freigetränk.
    [HR][/HR]

  • Krankenhäuser werden ja auch immer mehr geschlossen oder zentral verlegt. Was hat die Regierung den für Pläne wenn es
    mal knallt und viele verletze behandelt werden müssen. Entstehen dann Zelteinheiten mit mobilen Teams oder was ist dann
    geplant ?
    Danke für Eure Ausführlichen Berichte, ich find das sehr interessant auch wenn ich einige Abkürzungen nachlesen muß :Gut:
    LG Wichtel

    Der letzte macht das Licht aus

  • Also ohne Abkürzungen, Sorry :winking_face:


    Definiere "mal knallt" :winking_face:


    Es gibt schon ein paar Großschadenseinheiten, die Frage ist immer in welchen Größenordnungen man denkt. Es heißt ja nicht umsonst Katastrophe... Verlegbare Behandlungseinheiten hat zum Beispiel das Rote Kreuz mit Abrollbehältern, diverse Rettungszentrumausführungen der Bundeswehr und viele zersplitterte Einheiten, die alle auf Landesebenen organisiert sind. Typisch deutsch halt, jeder bastelt drauf los.
    Das ein oder andere MANV-Zelt dürfte sich in den meisten Ortsvereinen des roten Kreuzes finden. Diese lokalen Möglichkeiten sind aber eher in dem Bereich der "kleineren" MANV-Lagen wie Busunglück usw anzusiedeln.
    Bei einem soliden Terroranschlag in der Allianz-Arena z.B. mit 75.000 Plätzen käme das Rettungswesen sehr schnell an einen Punkt der auch unter Zuhilfenahme des Katastrophenzustandes nicht mehr sauber abzuarbeiten ist. 2005 war ich hier an einer "Großschadensübung" beteiligt mit 300 Verletzten zur Vorbereitung auf die WM. Was für eine Tragödie... Ich geh in kein Stadion mehr...

    [HR][/HR]Klar komme ich nach der Apokalypse in die Hölle, aber mit VIP-Bändchen und Freigetränk.
    [HR][/HR]

  • Es knallt......ich denke da an ein Atomkraftwerk das hoch geht und eine ganze Stadt und das Umland verstahlt sind, an ein Flugzeugabsturz in
    die Volkswagenwerkhallen , eine Bombe im Fußballstation ( gutes Beispiel) oder so. Also da, wo mehr als 300 Menschen med. Versorgung brauchen. Daran dachte ich.
    Aber auch durch die Selbstmordattentate die jetzt in Europa angekommen sind, ändert sich ja das Bild.....was ist eine Katastrophe und wie gut sind wir darauf vorbereitet. Hoffe das daran irgendwo gearbeitet wird, sich Gedanken gemacht wird.
    Habt ihr schon mit bekommen, das was wieder aufgerüstet wird ( Zivilschutz ) ?
    Das mit bestimmten Themen die vorher weit weg waren ( Selbstmordattentate ) jetzt ernster genommen werden und im Bereich des Möglichen liegen bzw. nicht mehr ausgeschlossen werden ?
    LG Wichtel

    Der letzte macht das Licht aus

  • Ich gebe nur kurz meine persönliche Beobachtung wieder. Ich habe in den letzten 15 Jahren in 5 Krankenhäusern (meist Grund/Regelversorgung, ca. 500 Betten) gearbeitet. In keinem Krankenhaus wurde auch nur einmal ein KatSchutz Szenario geübt, geschult, nicht mal besprochen. Triagekonzepte kannte dort niemand (außer vielleicht den 2% des Personals, das sich am Notarztdienst beteiligte). Wenn ich mit Kollegen aus anderen Einrichtungen sprach, auch keine Erfahrung/Unkenntnis. Also durch die Bank düster.


    Nachtrag: Diese KHs lagen in Deutschland, genauer Rheinland-Pfalz, NRW, Sachsen;

    IN LIBRIS LIBERTAS

  • Zitat von wichtel688;264664


    Habt ihr schon mit bekommen, das was wieder aufgerüstet wird ( Zivilschutz ) ?


    Gedanken werden sich hier an allen Ecken und Enden gemacht, aber gedacht ist noch lange nicht getan, vor allem auf behördlicher Seite...


    Und nein, die letzten Zivilschutzbunker wurden 2007 aufgegeben, Ahrweiler schon 2001, flächendeckende Bevölkerungsalarmierung 1992. Vielleicht sagt uns NINA noch kurz vorher Bescheid, das war's dann mit Bevölkerungsschutz seitens des Bundes... Der Rundfunk wird mittels SatWaS alarmiert. Also wenns "knallt", Radio an. Aber deswegen sind wir ja alle hier, weil die meisten begriffen haben, dass die staatliche Vorsorge nicht ausreicht.
    Ob hier noch was kommt wird die Zeit und die politische Entwicklung zeigen. Die ersten Stimmen nach höherem Wehretat werden laut, dass hilft dem Bürger aber wenig, wenn ein paar Milliarden mehr in die Marine gepumpt werden oder neue Drohnen zur Verfügung stehen. Grund genug zur Aufrüstung des Zivilschutzes gibt es mMn genug, aber auf mich hört ja keiner :face_with_rolling_eyes:...


    Das driftet aber vom Thema ab, es geht ja um die Vorbereitung von medizinischem Fachpersonal bei Großschadensfällen und das halte ich im Mittel für nicht ausreichend. Und schlussendlich kann jeder nur in seinem eigenen kleinen Bereich tätig sein, also ruhig einfach mal die Führung fragen, wie denn die Notfallpläne aussehen. Muss ja kein dritter Weltkrieg ausbrechen...

    [HR][/HR]Klar komme ich nach der Apokalypse in die Hölle, aber mit VIP-Bändchen und Freigetränk.
    [HR][/HR]

  • Danke, ich wollte ja hören wie es in anderen Bereichen aussieht :) . Und wie man sieht....man sieht nicht das sich was ändert oder noch keiner daran glaubt das was passieren muß. Ich bin Personell in meinem Bereich verwöhnt, das geht es aber auch um Sicherheit, da dürfen die nicht reduzieren. Du hast recht, wir sind nicht umsonst hier....hilf Dir selbst.
    Wichtel

    Der letzte macht das Licht aus

  • Zitat von wichtel688;264689

    ...Du hast recht, wir sind nicht umsonst hier....hilf Dir selbst.
    Wichtel


    Genau meine Meinung!
    Statt sich dem Philosophieren über den Vorbereitungsstand öffentlicher Institutionen hinzugeben, den man nach der Lagefeststellung eh kaum ändern kann und die einzige Folge Desillusion (oder positive Überraschung) sein mag, ist mein Weg, durch Aus- und Weiterbildung und dem Anlegen geeigneter Vorräte möglichst viel aus dem Bereich sanitätsdientliche Eigenversorgung individuell abzudecken.


    Mir ist durchaus bewusst, daß spätestens bei einer qualifizierten Folgeversorgung Schicht im Schacht bzgl. Fähigkeiten und Ausstattung ist, NUR ist das auch bei wirklichen Großschadensereignissen bei den genannten öffentlichen Institutionen der Fall.


    Somit ist nach meiner Bewertung der wesentliche Unterschied darin, das ich im einen Fall auf die Ankunft qualifizierten und ausgestatteten Personals warte, das mich findet und versorgt, im anderen Fall ich mir und Anderen -zwar beschränkt, aber immerhin- selber helfen kann.


    Train yourself...

  • Hallo zusammen,


    Ich gehe mal gesammelt auf "Was diskutieren wir hier überhaupt?" ein: ich hatte nicht an eine bestimmte Richtung gedacht, sondern die spannende Diskussion erhofft, die dann ja auch in Gang gekommen ist :) Natürlich geht es nicht darum, sich anzumaßen, dass man bessere Konzepte erdenkt als die entsprechenden Organisationen! Ich dachte eher an einen Meinungsaustausch zur eigenen Lage und zu den eigenen Möglichkeiten, für Eventualitäten vorbereitet zu sein.


    @wichtel668
    Spannender Bereich, in dem du tätig bist! Was mit geschlossenen Abteilungen im Fall des Falles passiert, habe ich noch gar nicht bedacht. Aber wie du schon sagst: gruselige Vorstellung...


    @nasha
    Da bist du ja offensichtlich in guter Gesellschaft; auch ich habe die Erfahrung gemacht, dass selbst bei Leuten "vom Fach" nicht die notwendigen Kenntnisse bestehen und das bestätigt sich in diesem Thread ja leider auch.


    ksbulli
    Ich würde sagen: beides! MANV und Katastrophenmedizin kamen in meinem Vorstellungsthread zur Sprache und letztlich sind sie ja irgendwie "verwandt". Deiner Aussage, man könne keinen MANV üben, würde ich vorsichtig widersprechen. Eine Unfallchirurgin berichtete mir von einer Übung mit rund 300 Schauspielpatienten, die sich sehr realitätsnah angefühlt haben soll und wirklich gut verlief.


    Corvinjus
    Dein Hinweis "es kommt auf die Menschen an" macht mir daran Angst. Vor kurzem las ich hier, wie jemand sagte, insbesondere Deutsche seien oft ja schon mit der Kontrolle am Flughafen maßlos überfordert da graut es mir ehrlich gesagt vor größeren Fällen vor unkooperativen Patienten und deren Angehörigen, aber ebenso vor uneinsichtigem Personal.


    Marodeur
    Train yourself klingt gut, welchen Kenntnissen/Fähigkeiten würdest du da höchste Priorität zuordnen?


    Liebe Grüße
    Hahnenkampf

  • Oha, eines meiner liebsten Kinder *ironie*


    Vorab mal was persönliches:


    Ich denke das diese ganze Diskussion hier, sofern man das so nennen kann, kein Ziel hat. Das liegt nicht etwa an einem schlechten Thema noch an der falschen Frage. Aber sind wir mal ehrlich! Alleine alle hier im Forum auf einen Stand zu bringen das man mit den "gebräuclichsten" Abkürzungen auf einer Augenhöhe diskutieren kann ist schon fast unmöglich. Und die Grundfrage ist eine die 1000e hochbezahlter Menschen in BUND, Ländern, AKNZ usw usf nicht gelöst kriegen. Die schaffen es nämlich nicht mal ein einheitliches Konzept zu finden. Da scheitert es auch schon an Definitionen und Begrifflichkeiten. Nur mal als Beispiel schaue man sich die Rettungsdienstgesetze der Länder und ihre Unterschiede an, dann blickt man mal auf die Ausstattung und Verteilung der Katastrophenschutzeinheiten, apropos Katastrophe.... Ein Zustand der in kaum einem Bundesland fest definiert ist; und einige Bundesländer haben ihn per Gesetz ganz abgeschafft oder vor kurzem wieder angeschafft :grinning_squinting_face:
    Ihr sehr das Thema ist in seiner Gänze zu Komplex um es ganz zu erfassen. Aber das ist nur so ne persönliche Anmerkung von mir...


    BTT:


    Ich arbeite in einem Maximalversorgerkrankenhaus (wieder so ein Begriff wo kaum einer weiß was das heist). Einen MaNV Fall haben wir bereits mehrfach beübt, theoretisch un praktisch. Was soll ich sagen, es funktioniert so lang man sich an die Pläne hält. Die kennt nur leider keiner, und das ein paar leitende Ärzte und Pflegekräfte bis dato gar nicht im Alarmplan hinterlegt waren... Naja kann passieren.
    Kleinere Häuser haben grob gesagt nicht mal den Monatsetat was unsere "Übungen" kosten. Also werden keine abgehalten. Mein alter Kollege Frequenzkatastrophe hat das schon ganz nett gesagt. 2% vom Personal wenns hoch kommt die Wissen was überhaupt grob zu tuen ist.


    Aus dem Bereich der Präklinik kann ich nur sagen das es läuft. Aber bitte nicht zu viel.
    Bei der bereits erwähnten Übung mit 300 Verletzten im Jahre 2005 war ich auch beteiligt. Gott sei Dank haben einige Bereiche seit dem ihre Hausaufgaben gemacht. Einige, bei weitem nicht alle. Ohne tieferes erzählen zu wollen oder zu können kann ich aber sicher sagen. Bei einem Fall mit 500 und mehr Verletzten wird jede Struktur zusammenbrechen und mussin dem Geschehen rudimentär neu aufgebaut werden. Weil DAS hat keine bisher geübt, höchstens mal als Planspiel auf dem Papier. Und ganz ehrlich niemand hat Erfahrungen damit.


    Ich habe mal mit einem israelischen Sanitätsmajor gesprochen. Die haben Konzepte, Übungen, Kenntnisse und Erfahrungen da träumen wir nur von. Alle 5 Jahre eine MMCD (massive-multi-colateral-damage) Übung mit bis zu 1500 Statisten die auch bis in die Krankenhäuser geflogen werden, quer durchs Land. Da kann dann auch der Verletzte aus Bonn in die Charitee nach Berlin kommen. Zusammen mit 11 anderen Verletzten in einem Militärhubschrauber. Aber diese technische Option haben wir ja gar nicht. Und dort ist alles staatenweit vereinheitlicht. Wir bekommen ja schon Probleme wenn wir nur bedenken das die ersten keine Analogen Funkgeräte mehr haben aber andere noch nicht eins von den digitalen. Prost Mahlzeit sag ich mal.

  • Zitat von TheHamster;264859

    Oha, eines meiner liebsten Kinder *ironie*


    ...... Prost Mahlzeit sag ich mal.


    Dito!


    Ich hab diesen Thread bis jetzt verfolgt. Bis jetzt konnte ich mich zurück halten....


    Die letzte Zeit habe ich mehrfach die Ehre gehabt, medizinische Fachleute aus verschiedenen Nationen zum Thema MANV / MASCAL oder wie man das auch immer nennen will auszubilden. Kenne mich also rudimentär aus.
    Ohne jetzt die Hose herunter zu lassen. Es gibt, aufgrund der aktuellen Bedrohungslage, wohl durchaus Bestrebungen in diesem Sektor "besser" zu werden.


    Für den allgemeinen Bereich, also in den zivilen Krankenhäusern etc. sehe ich das so nicht. Das liegt wohl am Geld?


    Tsrohinas

  • Moin @ll,


    Hahnenkampf: Ich wollte mit meiner Aussage darauf hinaus, dass ein Krankenhaus nicht einfach sagen kann "Wir üben mal den MANV" ohne zu definieren, welches Szenario dahinter steht. Sprich es gibt völlig unterschiedliche Richtungen:

    Beispiel 1: In diesem Haus muss ein Gebäudeteil mit drei Stationen, darunter um mal das wilde Beispiel weiter zu spinnen die "Operative Intensiv", wegen Brandes geräumt werden.


    Merkst Du was? Auf einmal sind 60 Patienten von Normalstation unterzubringen. Bei einem regulär vernünftig ausgelasteten Haus intern unmöglich. Und als Sahnehäubchen kommen noch fünf bis zehn Intensivpatienten dazu ...


    Da hast Du mal grob überschlagen drei PTZ10 plus einen für Hausintern (Transfer der Patienten von Station zum Übergabepunkt) plus den Brandschutz plus evtl. einen BHP50 am start. Allein das sind sechs(!) Einsatzabschnitte mit fünf Schnittstellen zum Haus. Und diese Einsatzabschnitte kommen alle von extern - wir reden hier nicht einmal von 100 Patienten. Allein der BHP50 als "Puffer" benötigt eine Fläche von 2000 qm und zwar bitte unmittelbar neben dem Krankenhaus ohne mit der Brandbekämpfung zu kollidieren. Die Bereitstellungsräume für die PTZ und die Brandbekämfung haben wir noch gar nicht berücksichtigt....


    Ach so, ja da war doch noch was ... Im OP-Trakt laufen drei viszeralchirurgische Eingriffe und eine Hand-OP. Was machen wir eigentlich mit den Patienten, wenn die OP vorüber ist? Die OITS ist ja außer Betrieb ... :devil:


    Beispiel 2: Das selbe Haus kann unter dem Stichwort MANV auch üben eine gewissen Anzahl (sagen wir mal rein zufällig 65) Patienten auf Grund eines Großschadensereignisses versorgen zu müssen. Zeitraum sagen wir mal zwei Stunden.
    Du hast genau einen Einsatzabschnitt (Ambulanz) und eine Schnittselle (zum Rettungsdienst).
    Zum Vergleich: Das leistet ein BHP50 ohne ausgelastet zu sein...


    Das allein sind völlig unterschiedliche Situationen unter dem selben Einsatzstichwort!


    Ach übrigens wüsste ich jetzt aus dem Stand ein Haus der Regelversorgung (eines der kleineren Häuser in meinem Dunstkreis) zu benennen, die genau das Beispiel 2 mal locker drei bis fünf mal im Jahr routinemäßig abarbeiten und es an zwei Tagen sogar hinbekommen ein kleines Buffet für uns Rettungsdienstler auf die Beine zu stellen... :Gut:


    TheHamster:
    Schau Dir mal die neue Zentralaufnahme der Uni Bonn an - so kann eine MANV-Struktur auch aussehen! Deinen Beitrag hast Du im übrigen aus meiner Seele geschrieben! Danke dafür!
    Ich hatte vor Jahren mal das extreme Vergnügen im Rahmen eines Symposiums an der MHH Hannover einen Vortrag eines ehemaligen leitenden Arztes der Israelischen Armee zu hören. Da ging es nur randlich um Strukturen, mehr um die medizinische Seite. Allerdings muss man sagen, dass die da unten auch eine ganz andere Struktur und eine ganz, ganz andere Fallhäufigkeit haben als wir. Wobei ich auf letzteres auch ausdrücklich verzichten kann... :ohhh:


    Tsrohinas:
    Das Geld spielt sicherlich auch eine Rolle - ich denke allerdings, es fehlt jedoch oft auch an Problembewusstsein. Wenn ich daran denke, was ein im übrigen wirklich gut geführtes Haus mitten in meinem Einsatzbezirk an Aufnahmekapazität pro Stunde im Fall eines Großschadensereignisses an die Stadt gemeldet hat. Das geben nicht einmal die Zuwegungen zu diesem Haus an Straßenkapazität her, was die aufnehmen wollten! Es wurde daraufhin einmal mit einem Bruchteil der gemeldeten Größe bis zur Eingangssichtung beübt - die Infrastruktur des Hauses brach innerhalb von 30 Minuten wegen völliger Verstopfung zusammen....
    Seitens der Stadt - und ich formuliere es jetzt extrem vorsichtig, da diese Informationen "Classified" sind, denkt man da allerdings durchaus weiter und bereitet angesichts der aktuellen Bedrohungen vorsorglich einiges im Hintergrund vor...


    Diese ganze Thematik ist ungeheuer vielschichtig - hinzu kommen die extrem heterogenen Strukturen in "diesem unserem Lande". Nee, das macht keinen Spass ....


    Christian

    Hier wird das Licht von Hand gemacht ... und der Motor gehört nach hinten!