Apropos Immunität und damit auch wieder zurück zu der Threadthematik
Alles anzeigenImmun gegen das Coronavirus: Manche Menschen können offenbar niemals an Covid-19 erkranken
Forscher*innen aus Großbritannien haben in zwei Studien herausgefunden, dass sich bestimmte Menschen offenbar nicht mit dem Coronavirus anstecken können. Offenbar schafft ihr Immunsystem es, die Covid-19-Erkrankung schon im Keim zu ersticken.
Für Ärzte und Pflegekräfte erhöhte sich schnell das Risiko, sich selbst mit dem Virus zu infizieren. Es kam auch zu vielen Ansteckungen. Doch bei einigen wenigen hat das Virus schon im Ansatz keine Chance, obwohl sie wahrscheinlich mehrfach damit in Kontakt kamen. Sie scheinen über eine besondere Immunität gegen das Coronavirus zu verfügen. Das haben Forscher aus Großbritannien herausgefunden. Die Forschungsergebnisse dazu erschienen in einer Veröffentlichung im Fachmagazin "Nature". Die Forscher analysierten zahlreiche Proben und Daten des britischen Klinikpersonals. Dabei entdeckten sie eine Gruppe von insgesamt 58 Personen, bei denen über einen Zeitraum von vier Monaten, weder ein PCR-Test positiv war, noch Antikörper gefunden wurden, obwohl die Mitarbeiter in den Kliniken regelmäßig getestet wurden. Gleichzeitig steckten sich eine Reihe von Kollegen innerhalb dieser Zeit mit Corona an. Eine weitere Studie des University College London mit 730 Teilnehmer*innen kam jüngst zu ähnlichen Ergebnissen.
Coronavirus: Infektionsabbruch durch erhöhtes Level an T-Zellen
Bei der ersten Studie fanden die Forscher*innen bei 20 dieser Studienpersonen erhöhte Level von T-Zellen, bei 19 davon zusätzlich ein Immunprotein namens IFI 27. Das Protein könnte laut den Autoren ein Hinweis auf einen vergangenen Kontakt mit Sars-CoV-2 sein. Die Wissenschaftler vermuten, dass bei den Studienpersonen eine Art Infektionsabbruch stattfand. Das Virus sei wahrscheinlich in den Körper der Personen gelangt, wurde dort aber so schnell bekämpft, dass es gar nicht erst Fuß fassen konnte.
"Ich habe so etwas noch nie gesehen. Es ist wirklich überraschend, dass die T-Zellen eine Infektion so schnell kontrollieren können", wird Shane Crotty, Immunologe am La Jolla Institute for Immunology in Kalifornien, der nicht an der Forschung beteiligt war, bei "Nature" zitiert. Es scheint so zu sein, dass das Immunsystem dieser Menschen in der Lage ist, das Virus zu bekämpfen, bevor es sich festsetzen und weiterverbreiten kann. Ein solcher Vorgang wird in der Fachsprache als "abortive Infektion" bezeichnet.
Grund für die effektive Abwehr der Viren könnte laut den Forschern ein bestimmter Typ Gedächtnis-T-Zellen sein, den sie in den Proben fanden. Diese Zellen waren aktiv gegen eine Reihe von Virus-Proteinen, die für die Vermehrung der Viren wichtig waren, den sogenannten Replikationskomplex. Die Forscher fanden diese T-Zellen deutlich häufiger bei denjenigen, die keine Anzeichen für eine Infektion gezeigt hatten, als bei denjenigen, die an Covid-19 erkrankt waren. Darüber hinaus fanden die Forscher diesen T-Zellen-Typ auch in Blutproben, die bereits vor der Pandemie genommen worden waren.
Studie lässt noch viele Fragen offen
Die Wissenschaftler vermuten, dass die Immunzellen gebildet wurden bei einer Infektion mit einem der humanen Coronaviren, die gewöhnliche Erkältungen auslösen. Denn im Gegensatz zum Spike-Protein, mit dem Viren in menschliche Zellen eindringen, das sich aber von Virusvariante zu Virusvariante unterscheidet, ist der Replikationskomplex bei vielen Coronaviren gleich. Das könnte diese Eiweiße zu einem neuen Ziel für Impfstoffe machen, die nicht nur gegen Sars-CoV-2, sondern gegen alle möglichen Coronaviren wirken.
Die vorliegende Studie lässt aber sehr viele Fragen offen. Zum einen ist unklar, wann eine Erkältung die Bildung solcher T-Zellen auslöst. Denn obwohl die allermeisten Menschen in ihrem Leben mindestens einmal eine von Coronaviren verursachte Erkältung hatten, haben offenbar nur wenige diese T-Gedächtniszellen. Zum anderen merken andere Forscher an, dass es keine definitiven Beweise gebe, dass die untersuchten Personen tatsächlich Kontakt mit Sars-CoV-2 hatten. Diesen Zweifeln halten die Studienautoren entgegen, dass der gemessene Anstieg der T-Zellen genau mit der ersten Pandemie-Welle in Großbritannien zusammenfällt. Da sei ein Zufall sehr unwahrscheinlich. Andere Kritiker meinen: Selbst wenn die speziellen T-Zellen damals eine Infektion gänzlich unterbinden konnten, sei unklar, ob das auch für die deutlich ansteckendere Delta-Variante noch gelte. Weitere Studien mit Tiermodellen und Daten von Menschen sind also nötig.
Weitere Studie bestätigt Ergebnisse
Ein Team aus Forscher*innen des University College London hat im Rahmen der COVIDsortium-Studie mit medizinischem Personal 730 Probanden untersucht. Auch bei einem Großteil dieser Teilnehmer*innen scheinen die T-Zellen eine entscheidende Rolle zu spielen. Die Wissenschaftlerin Mala Maini erklärt: ""Wir denken, dass sie bei einer früheren Infektion mit einem ähnlichen Virus entstanden sind." Virologen sprechen in solchen Fällen von kreuzreaktiven T-Zellen. Das kann beispielsweise - wie auch in der oberen Studie erwähnt - bei Erkältungsviren der Fall sein.
Sobald sie ein Virus erkennen, vermehren sich diese Immunzellen extrem schnell. Möglicherweise waren es die ebenfalls zur Familie der humanen Coronaviren gehörenden Erkältungsviren, die das Immungeschenk hinterlassen haben. Menschen, bei denen dieses Phänomen zu beobachten ist, werden als seronegativ bezeichnet. Beim Kontakt mit dem neuen Coronavirus kommet es dann zu "einer kurzen, vorübergehenden Infektion, man nennt sie auch abortiv", erklärt Maini. Sie heißt so, weil sie vom Körper extrem schnell unterbunden wird. Dass Covid-19 zumindest kurz und unbemerkt selbst bei den – aus medizinischem Personal, Medizinstudenten und Laborpersonal rekrutierten – seronegativen Probanden aufgeflackert war, machte Mainis Forschungsteam ebenfalls an einem erhöhten Level von T-Zellen und das zusätzliche Immunprotein namens IFI 27 fest.
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COVID-Impfstoff plus Infektion kann zu monatelanger Immunität führen
Ergebnisse aus Brasilien, Schweden und dem Vereinigten Königreich zeigen, dass die Impfung vor der Einführung von Omicron auch denjenigen zugute kam, die bereits an COVID-19 erkrankt waren. Selbst Menschen, die bereits COVID-19 hatten, profitieren laut drei neueren Studien1-3 langfristig von einer vollständigen Impfung. In einer der Studien3 wurde zudem festgestellt, dass die durch die Impfung und die Infektion hervorgerufene "hybride" Immunität lange anhält und mindestens sechs bis acht Monate nach der Impfung einen hochwirksamen Schutz gegen symptomatische Erkrankungen bietet.