Die Auswirkung dieser kleinen Operette sowohl auf das Kriegsgeschehen in der Ukraine als auch auf die öffentliche Meinung in Russland dürfte gering bleiben.
In der Ukraine waren ohnehin nicht mehr viele Wagner-Einheiten unmittelbar an der Front. Im Gegensatz zu einigen hier finde ich, dass die russische Seite zur Mobilisierung überraschend vieler Ressourcen im eigenen Kernland in der Lage war. Es waren ja, soweit in Videos ersichtlich, durchaus einige Hubschrauiber und Erdkampfflugzeuge in der Luft und es haben sich einige Militärkonvois in Richtung Moskau bewegt. Das deutet darauf hin, dass keineswegs nahezu alle Assets in der Ukraine gebunden sind und dass das russische Militär weiter von der Erschöpfung und Überdehnung entfernt ist als gerne angenommen. Mir fehlt auch der Glaube, dass die von ukrainischer Seite nun ausgerufene neue Welle die gescheiterte Offensive maßgeblich wieder in Bewegung bringen kann.
Der Putschversuch hat keineswegs eine breite Unterstützung aus der Bevölkerung erfahren. Die Tatsache, dass der Bevölkerung im russischen Kernland einerseits gezeigt wurde, wie schnell die Bedrohung sehr nahe rücken kann, und andererseits die Regierung die Bedrohung schnell wieder abgestellt hat, dürfte eher zur Stabilisierung des Regimes beitragen.
Man kann ruhig annehmen, dass der Deal mit Prigoschin wesentliche Elemente umfasst, die (noch) nicht öffentlich bekannt sind. Möglicherweise ist Schoigu schon tot. Auf dieser Ebene dürfte sich auch der Wesentliche Effekt des gestrigen Tages abspielen: Andere Inhaber von Hausmacht dürften jetzt mitbekommen haben, dass das russische Regime durchaus erpressbar ist, wenn man nur entschieden und risikobereit auftritt. Entsprechend wird man ähnliche Deals zu erzwingen versuchen. Als Kandidaten muss man da im Wesentlichen sicher an Kadyrow denken. Wenn Prigoschin ein Leckerli bekommt, wird der auch eines verlangen. Möglicherweise kommt es zu ähnlichen Überlegungen auch an der Spitze der "Volksrepubliken" auf dem Gebiet der Ukraine.