Vorspiel - 28.07., 08:00 Uhr
Der Wecker klingelt, ich kämpfe mich aus dem Bett. Heute soll es losgehen. Der Wetterbericht hat für Dienstag und Mittwoch bedeckten Himmel und 20 – 24 Grad angesagt, quasi ideal für meinen BoB-Test in Anbetracht der Tatsache, dass ich den größten Teil der Strecke durch landwirtschaftliche Nutzfläche ohne Wald laufen werde.
Nicht so ideal ist, dass ich mich angeschlagen fühle. Die letzte Woche hat meine Autoimmunerkrankung wieder rumgezickt, was sich in anlasslos erhöhter Körpertemperatur und Schweißausbrüchen äußert. Aber egal, ich will heute los.
Beim Blick aus dem Fenster kommen mir allerdings erste Zweifel. Ja, der Himmel ist bedeckt, allerdings weht dazu ein kräftiger Wind und so wie es draußen aussieht, kommt immer wieder mal ein kleinerer Regenguss runter. Ich frage mich, wie gesund es wohl ist, zwei Tage bei Wind in verschwitzten Baumwoll-T-Shirts herumzulaufen. Eigentlich wollte ich die Strecke auch in kurzen Hosen gehen, weit geschnitten im Cargo-Style, bei dem Wetter müsste ich wohl auf Jeans ausweichen… auch nicht grade die perfekte Bekleidung. Aber egal, ich will heute los.
Ich schmeiße Madame aus den Federn, die mich zum Startpunkt meiner Strecke fahren soll, tape mir die Füße und mache die 3L-Wasserblase voll. Und bringe das Ding kaum in das Trinkblasenfach an meinem Assault II. Bei meinen Testläufen hat die Wasserblase immer gut gepasst, jetzt wo auch noch die BW-Isomatte im Rucksack steckt, ist das eine verdammt enge Angelegenheit. Am Ende muss ich den Rucksack aufmachen um Druck vom Rücken zu nehmen, stopfe die Trinkblase ins Fach und mache den Rucksack wieder zu. Die Reißverschlüsse knarzen. Und der Rücken wölbt sich nach außen, als hätte ich einen kleinen Baumstamm in den Rucksack gequetscht.
Eigentlich ist mir an dem Punkt schon latent klar, dass das heute nichts wird. Ich will es allerdings noch nicht ganz einsehen und wuchte mir den Rucksack auf die Schulter. Der Rucksack ächzt, die Nähte am Ansatzpunkt der Schulterriemen sehen ungesund aus. Ich befingere die Dinger und stelle fest: Völlig ohne Substanz. Das ist einfach nur der Stoffüberzug der Schulterriemen am Rucksack angenäht. 20 Kilo werden die nach meiner Einschätzung nicht über zwei Tage halten.
Als ich den Rucksack dann auf den Schultern habe ist klar, dass ich heute nicht loslaufen werde. Die Wölbung der Trinkblase drückt sich wie ein Knie in meinen Rücken und der Rucksack schaukelt darauf hin und her. Das lässt sich so nicht tragen und ich mache mir (ob begründet oder unbegründet) Sorgen, dass die Trinkblase, zwischen meinem Rucken und 17 Kilo Rucksack (20 Kilo – 3 Liter Wasser) eingequetscht irgendwann platzt.
Ich bin tierisch angefressen und muss dran denken, was im Forum immer wieder gesagt wird: Wer billig kauft, kauft zweimal.
Interludium - 29.07 - 01.08
Nach längerem Hadern, der Überlegung den BoB-Test komplett sein zu lassen und viel gutem Zureden von Madame ist mir klar, dass ich um einen vernünftigen Rucksack nicht herumkommen werde, zumindest dann nicht, wenn ich meinen BoB auf einem Fußmarsch testen möchte. Der Aussault II taugt in dem Zusammenhang zu wenig mehr, als ihn ins Auto zu werfen und damit in Richtung zu brettern.
Zwei Tage Recherchieren und Vergleichen später liegen der TT Raid Pack Mk III und der TT Trooper Kopf an Kopf. Preis in etwa identisch, beide 45 Liter. Der Trooper gefällt mir eigentlich besser… Frontloader mit diversen Taschen und Täschchen, da stehe ich ja drauf. Am Ende wird es aber doch das Raid Pack, denn: Mein ganzes Gerödel ist in Modultaschen verpackt, die werde ich nicht aufmachen um die Ausrüstung auf die diversen Taschen des Trooper zu verteilen. Und das Raid Pack hat, letztlich ausschlaggebend, ein Schlafsackfach… und den Schlafsack (und das Bivy und den Poncho) einfach unten in den Rucksack zu packen ist einfach zu verlockend.
Dazu besorge ich mir noch ein Multifunktionsshirt mit Dry-Function und UV-Protection, denn für die gesamte nächste Woche ist schönster Sonnenschein angesagt… das wird heißt werden. Und wo ich schon mal bei Intersport bin, springt auch noch ein aufblasbares Kopfkissen mit raus… ein Nordisk Dag. Etwas größer als nötig, aber ich penne gerne auf der Seite, dafür ist das Ding ideal. Insgesamt lege ich nochmal knapp 250 Tacken auf den Tisch… aber egal, ich will meinen BoB-Test.
1. Akt - 03.08., 09:00 Uhr
Der Wecker klingelt, ich kämpfe mich aus dem Bett. Heute soll es losgehen. Der Wetterbericht hat für Montag und Dienstag Sonnenschein und 30 – 32 Grad angesagt. Eigentlich wollte ich schon um 8 Uhr los, aber ich konnte ewig nicht einschlafen und habe insgesamt auch eher schlecht geschlafen, darum habe ich den Wecker irgendwann auf 9 Uhr umgestellt.
Ich wanke ich die Küche und stürze auf nüchternen Magen 0,5 Liter Wasser… Hydration wird ein Thema heute. Danach schnell Duschen, Sonnencreme aufgetragen, Füße getaped. Madame muss mich heute nicht fahren, wir sind morgen bei meinen Eltern zum Grillen eingeladen… ich gehe die Strecke also wie für den BO-Fall geplant und komme morgen Abend zum Grillen bei meinen Eltern an. Der Rucksack wiegt mit Trinkblase wieder 20 Kilo, ich muss gestehen, dass ich statt 3 Packungen nur eine Packung und ein mitnehme. Ich könnte mir vorstellen, dass ich mich heute Abend über eine warme Mahlzeit freue. Und mein vieldiskutiertes Medikamentenpack lasse ich auch zuhause… allerdings nicht aus Gewichtgründen, ich möchte einfach nicht riskieren, dass 30 Grad Dauerhitze die Medikamente angreift. Zwei Ibuprofen und eine 5mg Prednisolon (meine aktuelle Tagesdosis) sollten es auch tun.
09:25 Uhr
Noch schnell einen zweiten halben Liter gekippt und dann ist es endlich so weit. Die Haustür klappt hinter mir zu und mit Chasing the Fox https://www.youtube.com/watch?v=p3QjVOKtFAc in den Ohren ziehe ich in den nicht mehr ganz so jungen Morgen und fühle mich großartig. Es geht noch ein Stück durch die Stadt, aber nach einem knappen Kilometer habe ich schon den Stadtwald erreicht. Danach führt mich der Weg stracks südwärts. Die Bäume spenden Schatten, der Rucksack sitzt, die Temperatur ist angenehm und auch wenn ich schon anfange zu schwitzen ist das genauso, wie ich es mir vorgestellt habe.
10:30 Uhr
Die ersten 4 Kilometer liegen hinter mir und ich fühle ein menschliches Bedürfnis. Also verdrücke ich mich vom Weg ab in den Wald. Es stellt sich heraus, dass meine Bear Grylls Axt ein adäquates Provisorium ist um ein Loch zu graben. Und dass sich die Kunde meines Kommens unter sämtlichen Blutsaugern des Waldes verbreitet hat die Ihre Chance nutzten, mich mit runtergelassenen Hosen zu erwischen.
Bei der kurzen Katzenhandwäsche danach stelle ich fest, dass ich unterwegs ggf. mal Brauchwasser fassen sollte… bei den Temperaturen sollte ich mein Trinkwasser nicht grade zum Händewaschen verschwenden und wozu habe ich einen Faltkanister im Gepäck?
10:40 Uhr
Ich bekomme langsam Hunger. Zum Frühstück gibt es leckerlecker drei Riegel . Im Laufen. Pfui Deibl. Das ist als würde man auf einem Schwamm herumkauen. Als ich fertig bin, sind in meiner 1 Liter Nalgene nur noch 400 ml. Dieses könnte echt ein Problem für meine Wassereinteilung werden. Als Belohnung gibt es noch ein paar Happen von meiner Studentenfuttermischung.
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11:00 Uhr
Ende des Stadtwalds. Vor mir liegt eine Straße, wie erwartet und eigentlich sollte ich auch den M.-See sehen können. Den sehe ich allerdings nicht… da ist nur ein Erdwall auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Und Sonne. Und kein Schatten. Jetzt wird’s unangenehm. 20 Meter weiter führt allerdings eine Treppe auf den Erdwall und auf der anderen Seite liegt… der See. Wunderbar, soweit alles im grünen Bereich. Ich muss den See etwas zu einem Drittel umrunden, danach geht’s überland durch die Felder… leider nicht durch Wälder.
11:30 Uhr
Etwa 2,5 schattenlose Kilometer später… mir ist ziemlich warm. Hier müsste ich jetzt nach links vom See weg abbiegen. Direkt vor mir liegt allerdings auch ein Naherholungsgebiet. Ich hadere etwas mit mir jetzt anzuhalten, weil egal ob ich jetzt 30 Minuten oder eine Stunde oder auch 1,5 Stunden Pause mache, ich würde den temperaturtechnisch „schlimmsten“ Abschnitt in der größten Mittagshitze beginnen. Andererseits ist das hier aber auch das „letzte Wasserloch vor der Wüste“ und ich habe extra meine Badehose eingepackt. Und mir ist warm. Also scheiß drauf. Auch wenn es das Ostufer ist, auf das die Sonne auch schon sauber draufknallt. Aber ich finde einen netten Baum an der Uferböschung an dessen Stamm ein winziges Fleckchen Schatten zu finden ist (mit einer Ameisenstraße, was ich aber erst später merke). Also Rucksack abgesetzt, Shirt zum Trocknen in die Sonne, ich zum Abkühlen ins Wasser… herrlich.
2. Akt - 12:00 Uhr
Nachdem ich alle Ameisen von meinen Klamotten geschüttelt und anhand des Stauwehrs am Nordufer des Sees nochmal zur Sicherheit (und um mir zu beweisen, dass ich es kann) meine Position mit Karte und Kompass gepeilt habe (ja, ich bin, wo ich glaube zu sein) geht es in die Mittagshitze. Vorher nochmal die Sonnencremeschicht erneuert und den Boonie-Hat nass auf die Rübe gerammt, man gönnt sich ja sonst nichts.
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13:30 Uhr
3,5 Kilometer später… von meiner Nase tropft der Schweiß wie ein Uhrwerk. Ich habe meinen Boonie-Hat zwar in jeden Wasserlauf am Wegesrand geschmissen, aber genauso schnell wie er nass wird, ist er auch wieder trocken. Um mich herum liegen Felder und sonst nichts. Kein Wäldchen, nicht mal ein paar Baumgruppen. Ab und an mal irgendwas buschartiges am Wegesrand aber nichts, was für ein wenig Schatten ausreichen würde. Außer ein paar Jugendlichen, die mit dem Fahrrad in der entgegengesetzten Richtung (seewärts) unterwegs sind, habe ich auch niemanden getroffen der bei dem Wetter mittags unterwegs ist. Dafür geht es ab Mitte Kilometer 2 eine „sanfte“ Steigung bergan. Ich fange an mich zu fragen, ob mein BoB-Test bei diesen Temperaturen tatsächlich so eine gute Idee ist. Auf der anderen Seite, in einer BO-Situation hat man auch keine Wahl. Und oben angekommen findet sich ein Maisfeld, an dem vorbei sich die Straße wieder bergab schlängelt, nordöstlich, ich bekomme also zumindest ein bisschen Schatten ab…. also meine Beine… aber besser als nichts.
Unten angekommen komme ich an eine Sportanlage vorbei, die meinen Berechnungen zufolge die des TSV M. müssen. Und gegenüber, eine kleine Baumgruppe… Schatten. Ich muss plötzlich dringend die Karte checken, und wo, wenn nicht hier. Also ab in den Straßengraben Rucksack ab, Karte raus… joa, könnte passen. Ein leichter Windhauch kühlt mir den verschwitzten Rück… ich würde hier gerne sitzen bleiben. Eigentlich würde ich mich am liebsten hinlegen. Als ich so mit hängendem Kopf den Boden anstarre fällt mir auf, dass sich die Sohlen von meinen Schuhen lösen. Von beiden Schuhen. Goddammit. Also das Panzertape aus meinem Lagermodul rausgekramt und die Sohlen notdürftig angetaped. Jeder Schuster würde weinen. Aber ich bin Prepper und Panzertape ist unser ein-für-alles.
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13:45 Uhr
Ich erreiche M.-Dorf. Und zwischen meinen Beinen macht sich ein unangenehmes Gefühl breit. Um genau zu sein Innenseite der Oberschenkel.
14:30 Uhr
Am Ortsausgang M.-Dorf, fühlt es sich mittlerweile so an, als hätte jemand meine Beine mit einer Käsereibe bearbeitet. Ich laufe breitbeinig wie ein Cowboy, nein, eher wie eine Cowboy-Persiflage. Die Sonne brennt vom blauen Himmel, der Schweiß fließt, vor mir nichts als Felder, jeder Schritt tut weh, jetzt ist wirklich Zeit für eine Pause. Ich folge dem Feldweg bis zum ersten Baum am Wegesrand… Schatten.
Als erstes muss ich was gegen den Wolf tun. Warum habe ich nur mein Medikamentenpack zuhause gelassen… was gäbe ich jetzt für die Bepanthen. Aber immerhin habe ich mein Verbandspack dabei… ich fummele zwei Wundauflagen heraus, und versuche sie mit Leukoplast zu befestigen. An meinen schwitzigen Beinen hält das natürlich nicht. Also gehe ich mit dem Leukoplast am oberen und unteren Rand der Wundauflagen je einmal um das komplette Bein herum. Scheint zu halten. Allerdings ist mein Leukoplast jetzt fast alle… ich frage mich, ob der Rest morgen noch einmal fürs Füße tapen reicht.
Allerdings ist mir das jetzt schon fast egal… ich schmeiße die Isomatte unter den Baum und falle drauf. Hauptsache nicht bewegen und Schatten. In einem Anfall von Komfortbedürfnis zerre ich noch das Kopfkissen aus meinem Rucksack. Und dann liege ich da, auf meiner Isomatte, am Rand des Feldwegs, unter dem einzigen Baum weit und breit… keine Ahnung wie das aussieht. Aber es kommt keiner vorbei… ich bin der einzige Mensch auf der Welt, der so blöde ist, um 14 Uhr bei 30+ Grad durch die Gegend zu rennen.
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Irgendwie fröstelt es mich jetzt, wo ist aus der Sonne heraus bin… ich frage mich, ob das ein gutes Zeichen ist.
3. Akt – 15:00 Uhr
Ich habe mich wieder so weit berappelt, dass ich an meinem Rucksack lehnen kann, der widerum am Baum lehnt. Die Nalgene ist leer, dafür liegt der Trinkschlauch meines Wassersacks über meiner Schulter und befeuchtet mir den Mund. Ich habe noch einen Riegel gegessen und denke über meine Optionen nach. Der nächste Wegpunkt ist S.-Dorf das quasi südlich von mir liegt, nochmal 3,5 Kilometer durch offenes Gelände. Ich könne hier direkt weiter geradeaus gehen, aber der Feldweg führt am Westrand der Felder entlang, da bin ich der Sonne ungeschützt ausgesetzt. Alternativ kann ich nach Osten abbiegen. Da habe ich die Sonne zwar etwa einen Kilometer lang direkt im Rücken, dafür geht es danach 2 Kilometer durch die Maisfelder nach Süden und ich bin durch den Schatten der Maispflanzen etwas gedeckt.
15:30 Uhr
Und es geht weiter. Nach 250 Metern sind die Wundauflagen zwischen meinen Beinen durchgeschwitzt und zerfetzt… the Cowboy is back. Ich schiebe mir den Boonie soweit es geht in den Nacken und stolpere breitbeinig den Feldweg entlang. Ich will nur wieder in den Schatten. Als ich endlich nach Süden abbiegen kann muss ich feststellen, dass hier nur 1 Maisfeld steht… danach kommen Getreidefelder… größtenteils abgeerntet. Am Horizont dreht ein Mähdrescher seine Runden. Hat sich was mit Schatten. Ich fühle mich elend.
16:00 Uhr
Ich schleppe mich breitbeinig durch die Hitze und muss an eine Beschreibung eines Segelschiffs in der Flaute denken, die ich mal gelesen habe… kein Lüftchen regt sich, das Meer glatt wie flüssiges Blei… so ähnlich muss sich das anfühlen. Ich klebe mir den Boonie seitwärts ins Gesicht um meinen Kopf irgendwie zu schützen. Die Hitze liegt wie eine schwere Decke über allem. Kein Schatten, kein Wundhauch, nichts, dass irgendwie Abkühlung bringen würde. Mein Wolf fühlt sich an, als hätte würde der Kerl mit der Käsereibe jetzt Salz einmassieren. Vor mir taucht ein abgestellter Anhänger auf dem Feldweg… der gehört wohl zu dem Mähdrescher. Schatten… gottseidank.
Ich drücke mich in den Schatten des Anhängers, lasse mal wieder die Hosen runter, und fummel die Wundauflagen- und Leukoplast-Reste von meinen Beinen. Diesmal schnappe ich mir Octenisept und Verbandspäckchen aus meinem First-Aid-Kit. Definfizieren, Wundauflage auf den Wolf und dann mit der Binde ordentlich ums Bein rum festgemacht. Wenn mich der Bauer jetzt hinter seinem Anhänger sieht… ist mir aber auch egal. Als ich die Binde festmachen will, stelle ich fest, dass das Fixiertape aus dem nur Müll ist. Mein Leukoplast ist fast alle, festknoten möchte ich aber auch nicht, da jetzt bloß nichts dran bringen was reibt. Also Panzertape.
Als ich loslaufe stelle ich fest, dass die Ränder vom Panzertape an den freilegenden Hautpartien reiben… so habe ich in 10 Minuten den nächsten Wolf. Also wieder in den Schatten des Anhänger zurück und so lange rumgeschnippelt bis nichts mehr reibt. Und auf geht’s.
16:10 Uhr
Der Mähdrescher erntet neben mir her… ich laufe in einer Wolke aus Staub. Stehenbleiben will ich nicht mehr, zu heiß, nicht in der prallen Sonne. Ich versuche irgendwie durch meinen mit Trinkwasser befeuchteten Boonie zu atmen.
16:20 Uhr
Das Ende des Felds ist erreicht, noch einen knappen Kilometer über Asphalt und ich bin in S.-Dorf. Die Sonne knallt auf mich hernieder, der Cowboy ist auch wieder da… das mit den Verbandspäckchen kam wohl zu spät. Und beim Laufen mache ich FlipFlop-Geräusche… meine Panzertape-Reparatur hat nicht gehalten, die Schuhsolen hängen nur noch unter dem Fußballen. Der Rest der Sole klatscht wie einem Strandpantoffel bei jedem Schritt locker gegen den Fuß.
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16:40 Uhr
S.-Dorf. Ich kippe in den Schatten der ersten Gartenmauer und kühle ein wenig ab. Etwa 200 Meter die Straße runter sehe ich eine Grünfläche mit einer Bank unter ein paar Bäumen. Ich rapple mich nochmal hoch und falle dann schwer auf die Bank. Mir ist klar, dass ich eine Entscheidung treffen muss.
- Temperatur: Laut Handy wird es erst gegen 19 Uhr kühler… um ein Grad. Keine 32 Grad mehr sondern nur noch 31. Und alle so: Jeäh! Um 20:30 ist laut Handy Sonnenuntergang. Mein Tagesziel liegt noch etwa 7 Kilometer weit weg. Um ehrlich zu sein kann ich mir keine weiteren 7 Kilometer in dieser Hitze vorstellen. Warten bis es kälter wird würde allerdings bedeuten in die Nacht zu laufen und im dunklen mein Lager aufzubauen.
- Wasser: Meine Wasservorräte sind auf einen Liter im Trinksack und ein Liter Notfallwasser zusammengeschrumpft. Mit dem einen Liter, den ich heute Morgen getrunken habe, habe ich heute vier Liter Wasser in mich reingeschüttet. Geht das so weiter, habe ich heute Abend kein Wasser mehr. Laut Karte komme ich bis heute Abend aber an keinem Wasserlauf mehr vorbei. Ohne Wasser stehe ich das allerdings nicht durch… ich müsste also „cheaten“ und Wasser kaufen. Was mir auch etwas Sorgen macht, ist, dass ich die vier Liter scheinbar komplett rausgeschwitzt habe… ich musste mir den ganzen Weg über keinen Baum suchen.
- Der Wolf: Ich weiß nicht, wie lange ich noch so weiterlaufen kann … das wird mit jedem Schritt schlimmer. Und ich habe nichts, womit ich über Nacht kurativ gegenwirken kann. Einzige Möglichkeit wäre, in S.-Dorf eine Apotheke zu finden. Allerdings hat S.-Dorf keine 1000 Einwohner. Ein kurzer Check mit dem Handy bestätigt meine Befürchtung. Die nächste Apotheke liegt in M.-Dorf. Auf der anderen Seite der Agrar-Wüste, durch die ich grade gekommen bin. Da könnte sie genauso gut auf dem Mond stehen
- Die Schuhe: Sind durch. Evtl. halten sie noch die 7 Km bis zu meinem vorgesehenen Lagerplatz. Aber morgen nochmal 25 Kilometer? Never.
Ich sitze auf der Bank im Schatten und mich fröstelt. Mir gehen die ganzen Sprüche vom Bund durch den Kopf.
„Klagt nicht, kämpft!“
„Der Körper sagt nein, aber der Kopf sagt ja“
„Wenn Sie glauben, sie können nicht mehr, dann haben Sie erst 50% Ihrer Ressourcen verbraucht“
Und dann kommt mir Marcellus Wallace Ansprache an Butch aus Pulp Fiction in den Sinn... „In der Nacht des Kampfes wirst du vielleicht einen leichten Stich spüren. Das ist der Stolz, der dich hier oben ärgert! Scheiß auf den Stolz... Stolz tut nur weh, aber er hilft nie.“
Ich rufe Madame an und bitte sie, mich abzuholen.
Nachspiel – 04.08
Auch wenn ich nach 17 Kilometern abbrechen musste, würde ich meinen Test jetzt nicht als kompletten Misserfolg betrachten… da lassen sich für mich einige Learnings draus ableiten.
1. Material:
Der Rucksack passt, auch von der Ladung her. Ich hatte die komplette Strecke kein Problem mit dem Gewicht an sich, musste also den Rucksack nicht absetzen, weil mir der Rücken wehtat. Auch der Muskelkater heute hält sich in Grenzen. Wobei sich halt die Frage stellt, wie das nach 25 Kilometern gewesen wäre
Nie wieder in Baumwollboxershorts im Sommer auf längere Märsche gehen. Die Dinger haben mir quasi die Haut vom Bein geschmirgelt. Da muss irgendeine enganliegende Funktionsunterhose her. Und sicherheitshalber immer Bepanthen in den Rucksack.
Schuhe: So was darf mir nicht nochmal passieren. Die Dinger waren von Salomon, also auch kein Billigschrott, aber halt auch schon ein paar Jahre alt. Ob viel oder wenig benutzt, die Schuhe müssen nach ein paar Jahren ausgewechselt werden, ohne Wenn und Aber.
2. Kondition
Zweischneidiges Schwert. Einerseits bin ich nicht unzufrieden. Ich denke, dass ich zumindest den ersten Tag hätte komplett schaffen können. Allerdings nur mit heilen Schuhen, ohne Wolf und nicht bei diesen Temperaturen. Wie es mit dem zweiten Tag aussieht weiß ich nicht… der wäre vermutlich zäh geworden.
Andererseits, dass ich am Ende aufgegeben habe, war nicht zuletzt auch ein Problem mit der Kondition. Ich frage mich allerdings, ob es echt mein Ziel sein sollte, bei 30+ Grad 25 Kilometer in der prallen Sonne mit 20 Kilo auf dem Buckel zu laufen. Ich bin keine 25 mehr sondern 35 und gesundheitlich angeschlagen… evtl. muss ich einfach anerkennen, wo meine Grenzen sind.
Grundsätzlich möchte ich die Strecke allerdings wie geplant laufen können. Von da aus werde ich mir wohl eine Trainingsstrecke suchen und die regelmäßig mit beladenem BoB gehen. Der erste Abschnitt meiner Route durch den Stadtwald würde sich gut dafür eignen, das sind 6,3 Kilometer einfach, also 12,6 hin- und zurück. Mit ein paar zusätzlichen Schleifen lässt sich das Stück für Stück auf 20 Km erweitern… der Stadtwald ist groß. Und wenn ich das mal gegen Abend mache und mich irgendwo in die Büsche schlage, kann ich auch mein Material hinsichtlich Lager und Übernachtung testen.
Fazit:
Grundsätzlich bin ich auf dem richtigen Weg. Ich muss neue Schuhe und Funktionsunterwäsche kaufen. Frühestens in September, mein Prepper-Budget für diesen Monat ist um mehr als 100 % überzogen. Dann Trainieren. Evtl. mal ein Biwak im Stadtwald machen.
Nächster Versuch: Ostern 2016