Hallöchen,
ich hab' mich ja schon länger nicht mehr blicken lassen, aber ihr sollt ja auch etwas von den Dingen haben, die mich momentan so beschäftigen.
Stichwort: "Third Party Punishment"
Es wird ja für einige Szenarien, auf die man sich vorbereiten möchte, gerne die Theorie bemüht, dass Menschen sich nur so lange an Regeln, Gesetze und Verhaltensnormen halten, wie es für sie praktisch ist bzw., dass alle sofort freidrehen und marodierend durch die Welt ziehen.
In der Verhaltensökonomik hat man allerdings mit vereinfachten Experimenten gezeigt, dass das eigentlich weniger der Fall ist: Unbeteiligte Menschen nehmen mehrheitlich Nachteile für sich in kauf, um Verstöße gegen entsprechende Verhaltensnormen zu ahnden. Sprich: Menschengruppen tolerieren unfaires Verhalten nicht.
Jetzt mag man natürlich von diesen stark abstrahierten Experimenten us Spieltheorie und ähnlichem halten, was man will, aber in der Wissenschaft werden sie offenbar als geeignet betrachtet.
In einem der Experimente, auf die ich mich beziehe, hat man Folgendes getan (modifiziertes "Dictator Game"):
Man nehme drei Leute, die völlig anonym miteinander zu tun haben. Und das nur ein einziges Mal - sie sehen sich in den Experimenten nie mehr wieder. Dabei kennen alle die vollständigen Regeln.
Jetzt hat jeder eine andere Funktion.
Der erste ("A") bekommt 100 Punkte und kann davon dem zweiten Spieler etwas abgeben. Oder eben nicht.
Der zweite Spieler ("B") tut nichts, außer ggf. Punkte von A zu bekommen.
Der Dritte ("C") bekommt 50 Punkte, die er, nachdem A die Punkte verteilt hat, ausgeben darf, um dessen Punkte zu reduzieren: Ein ausgegebener Punkt kostet den A 3 Punkte. C sollte außerdem vorher noch angeben, wie er bei den jeweiligen Verteilungen zwischen A und B seine Punkte ausgeben wolle (einfach für mehr Daten).
Die Punkte wurden im Experiment, wie ebenfalls jedem bekannt war, anschließend mit je 0,3 CHF verrechnet. und es gab zusätzlich noch 10,- CHF Aufwandsentschädigung. Etwaige Minuspunkte mussten allerdings bezahlt werden (im dümmsten Fall musste A also 35,- CHF zahlen (Schenkt alles Punkte B. C gibt alle Punkte aus, um 150 Minuspunkte für A zu erreichen. Mal 0,3 CHF = -45,- CHF plus 10,- CHF Startgeld = -35).
Interessant war dabei hauptsächlich das Verhalten von C. Einem rationalen Menschen wäre egal, was A und B miteinander treiben. Er würde einfach seine 50 Punkte bzw. 25,- CHF nehmen und wieder gehen.
Natürlich war das aber meistens nicht der Fall.
Es gab zwar auch Leute, die mit allen Punkten heimgingen, genauso wie solche, die auch den großzügigsten A-Spielern noch geschadet haben. Der größte Teil machte es aber abhägig von der Verteilung: Wenn A gleichmäßig, 50/50 verteilte, war man zufrieden, aber je größer der Unterschied, desto mehr Punkte/Geld gab man aus, um A zu schaden bzw. ihn zu "bestrafen", um beim Thema zu bleiben.
Dabei zeigten sich dann hauptsächlich zwei Sachen:
1) Grundsätzlich waren fast alle dazu bereit, Schaden zu erleiden, um unfaires Verhalten zu ahnden;
2) Der Schaden den C alleine erzielen konnte, reichte meistens nicht aus, um unfaires Verhalten für A auch unwirtschaftlich zu machen.
Daraus könnte man jetzt die Schlüsse ziehen, dass innerhalb einer Gruppe unfaires Verhalten nicht geduldet wird, dass Menschen auch bereit sind Schaden zu erleiden, damit es anderen weniger schlecht geht, oder auch dass man tatsächlich vorsichtig sein sollte, wenn man eine "Ungleichverteilung" im Keller hat. :lachen:
Andererseits darf man natürlich auch gerne bezweifeln, dass sich solche Spielnachmittage tatsächlich auf reale Krisensituationen übertragen lassen.
Ich wollte euch nur diese - meiner Meinung nach recht interessanten - Ergebnisse nicht vorenthalten.
Wer sich für Näheres dazu interessiert, dürfte mit "Third Party Punshment" als Stichwort schon recht weit kommen. Das erwähnte Beispiel stammt aus einem Paper von Fehrs & Fischbacher (Uni Zürich) aus dem Jahr 2004.