Überlastung Feuerwehr am Beispiel Berlins

  • Sehr schlechte Entwicklung:


    Rekordjahr für die Berliner Feuerwehr: Zehn Prozent mehr Rettungseinsätze – und häufiger sind sie zu spät (tagesspiegel.de)


    Zitat: "Alle 62 Sekunden, also fast jede Minute, gab es 2022 einen Einsatz eines Rettungswagens. Insgesamt 509.536 Alarmierungen wurden erfasst, ein Anstieg um 7,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das ist neuer Rekord: Erstmals wurde die 500.000-Marke geknackt. Ausgelöst wurden 474.681 Einsätze – zehn Prozent mehr als 2021.

    Die Rettungswagen brauchten in der Notfallrettung durchschnittlich 11,1 Minuten, um am Einsatzort zu sein. Das politisch vorgegebene Ziel für die Notfallrettung lautet: 90 Prozent der Rettungswagen müssen binnen zehn Minuten am Ziel sein. Geschafft wurde das nur bei 44,8 Prozent der Einsätze........Insgesamt verzeichnete die Feuerwehr im vergangenen Jahr 528.895 Einsätze. Das sind 7,5 Prozent mehr als 2021. Und auch das ist ein neuer Rekord. Pro Tag musste die Feuerwehr 101 Einsätze mehr als 2021 bewältigen. In den vergangenen zehn Jahren stiegen die Zahl der Einsätze um 40 Prozent........Ein Versuch im Kampf gegen die Krise war eine Gesetzesänderung vor der Wahl im Februar. Seither muss nicht mehr jeder Rettungswagen mit einem Notfallsanitäter fahren. Zu 25 Prozent der Einsätze, es sind die leichten, kommen seit Frühjahr nur noch zwei Rettungssanitäter – davon einer mit größerer medizinischer Erfahrung. Besser ausgebildete Notfallsanitäter, an denen es mangelt, sollen für schwere Fälle frei werden."

    Der Bote der Wahrheit braucht ein schnelles Pferd

  • Das was der Tagesspiegel als "Ausnahmezustand" bezeichnet, ist in anderen Bundesländern Alltag. Den Luxus, im RD mit dem "dritten Mann" im RTW auszurücken, gönnt man sich bei uns seit Ende der 1990er Jahren nicht mehr. Im RTW fahren in BaWü zwei Personen:


    "Rettungswagen sind mit einem Rettungsassistenten oder einem Notfallsanitäter zur Betreuung und Versorgung der Patienten zu besetzen; als Fahrer und zweite Person fachlich geeignet ist, wer mindestens als Rettungssanitäter ausgebildet worden ist." (BW RDG)


    Dafür hat man bei uns ein recht dichtes Netz an Notärzten, die dann separat bei Bedarf per NEF zu den schwereren Einsätzen ausrücken. Außerdem ist das HvO-System für die "leichten" Fälle (Haushaltsunfälle, internistische Notfälle zuhause) weit verbreitet, der HvO-Helfer ist in der Regel ersteintreffend und übergibt dann an den nachrückenden Regelrettungsdienst.


    Habe bei Berlin eher der Eindruck, dass man dort nun aus der Luxusvariante rausmuss, weil man sie personalbedingt gar nicht aufrecht erhalten kann. 10% mehr oder weniger Einsatzaufkommen übers Jahr halte ich für eine natürliche Schwankungsbreite. Und das Corona-Jahr 2021 mit Lockdowns etc. darf man eigentlich nicht als Bezugsjahr nehmen: durch Zuhause-bleiben und forciertes Homeoffice sind in dieser Zeit gegenüber dem längjährigen Mittel sowohl die Freizeitunfälle als auch Verkehrsunfälle deutlich zurückgegangen.

  • Was sicherlich deutschlandweit auch eine Rolle spielt ist, dass die Bereitschaft einen RTW zu rufen oder im Krankenhaus aufzulaufen mit jedem Jahr größer wird. Das haben wir hier im Forum schon mal an anderer Stelle diskutiert meine ich. Ich möchte nicht wissen, wie oft der Leitstellendisponent die Augen verdreht und dennoch einen RTW rausschicken muss, schlicht um nicht haftbar gemacht zu werden.

    - Wer den Kampf nicht geteilt hat, der wird teilen die Niederlage -

    Bertold Brecht

  • […] Den Luxus, im RD mit dem "dritten Mann" im RTW auszurücken, gönnt man sich bei uns seit Ende der 1990er Jahren nicht mehr. Im RTW fahren in BaWü zwei Personen: […]

    Ist zwar schon eine gute Weile her, aber bei uns war der Dritte der Azubi. Die Fruchtfolge war, nach erfolgter Ausbildung, 3-ter auf dem RTW, dann Beifahrer auf dem KTW, dann Beifahrer auf dem RTW.

    Zu der Zeit war idR der Fahrer RTW - altersbedingt - der mit der größeren Erfahrung, lag am Personenbeförderungsschein.

    Mindestalter 21, (ich war bei uns im KV der Erste, der in den Genuss der Verkürzung auf 19 Jahre kam 😉).


    Blöd war, wenn der Beifahrer RTW noch keinen normalen Führerschein hatte, so blieb das NEF gerne mal an der Einsatzstelle stehen. Bei uns fuhr der NA selber.


    Lang, lang ist es her.


    Transalp

    Planung ersetzt den Zufall durch den Irrtum!

  • Naja, in Berlin brauchste den dritten Mann/Frau vermutlich als MG-Schützen, damit sich die Einsatzkräfte gegen Hinterhalte und Angriffe verteidigen können, die dort ja mittlerweile zum Spaß dazu gehören.

    Aus gegebenem Anlass: ich distanziere mich hiermit ausdrücklich gegen jeden Form von Gewaltphantasien gegen andere, den Staat oder staatliche Organe. Ich betreibe prepping als Krisenvorsorge und als Hobby und tausche mich hier mit Gleichgesinnten aus.

  • Für eine Stadt mögen 11 Minuten gefühlt lang sein. Schaut man mal nach Sachsen aufs platte Land dann sind das schon mal 15 Minuten bis ein RTW da ist. Wenn es Nachts blöd läuft und viele RTW unterwegs sind, dann können es schon mal bis zu 40 Minuten Anfahrtszeit sein.


    Und das Problem das man wegen jeder Kleinigkeit einen RTW ruft ist leider vorhanden. Die Mitmenschen glauben halt das sie dann schneller dran kommen.


    Kürzlich hatte ich den Fall das der Patient den angebotenen Ärztlichen Notdienst von der Leitstelle ablehnte und aufs Krankenhaus bestand. Es kam dann ein KTW. Der Patient beschwerte sich dann das der Hausarzt am Samstag Abend nicht ans Telefon für einen Hausbesuch ginge.

    Um was es ging? Durchfall nach 3 Tagen Antibiotika...... Gab große Augen als ich sagte das das bei Antibiotika nicht ungewöhnlich wäre.

    Letztendlich Patient eingepackt und ins Krankenhaus gebracht da dessen Wunsch.

  • Und die boxer machen den Weg frei für

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    Gepanzerter rtw demnächst in düren unterwegs... Also Düren in Deutschland und nicht Afghanistan...


    cu riff

    /Milchstraße/Erde/D/Hamburg

  • Gepanzerter rtw demnächst in düren unterwegs... Also Düren in Deutschland und nicht Afghanistan...

    Ab wann kann man die Platinverträge bei DocWaggon abschließen? Jetzt scheint es ja so langsam die Fahrzeuge dafür zu geben im zivilen Bereich.

    aus Niedersachsen, DE gesendet...


    "Der Klügere gibt nach! Eine traurige Wahrheit, sie begründet die Weltherrschaft der Dummheit." Marie von Ebner-Eschenbach


    Dorfleben. Entweder du liebst es oder du liebst es nicht. Es gibt kein Versuchen!


    "Dein Rad kann viel mehr, als du ihm zutraust. Das findet schon seinen Weg. Einfach laufen lassen, wenig bremsen, den Flow finden." (ein Freund zu einem Silk Road Mountain Race Teilnehmer)

  • Ab wann kann man die Platinverträge bei DocWaggon abschließen? Jetzt scheint es ja so langsam die Fahrzeuge dafür zu geben im zivilen Bereich.

    Glaube, die dürfen hier nicht. Das ist BuMoNa-Gebiet. 😉🐍

  • Für eine Stadt mögen 11 Minuten gefühlt lang sein.

    Bei uns im Landkreis gibt es Bereiche, da sind 15 Minuten normal und in ungünstigen Ecken können es auch mal bis zu 30 Minuten werden. Und nein, ein Hubschrauber wäre nicht schneller, denn der käme aus Hamburg oder Hannover.


    Es ist der Luxus der Großstädte, an jeder Milchkanne auch ein Feuerwehrauto und einen RTW stehen zu haben.


    Und wenn ich an meinen Ex-Schwager, denke, was er von seinen RD-Einsätzen bei der Feuerwehr Hannover erzählte, wundert es mich auch nicht, dass niemand da arbeiten will.

    aus Niedersachsen, DE gesendet...


    "Der Klügere gibt nach! Eine traurige Wahrheit, sie begründet die Weltherrschaft der Dummheit." Marie von Ebner-Eschenbach


    Dorfleben. Entweder du liebst es oder du liebst es nicht. Es gibt kein Versuchen!


    "Dein Rad kann viel mehr, als du ihm zutraust. Das findet schon seinen Weg. Einfach laufen lassen, wenig bremsen, den Flow finden." (ein Freund zu einem Silk Road Mountain Race Teilnehmer)

  • Und wenn ich an meinen Ex-Schwager, denke, was er von seinen RD-Einsätzen bei der Feuerwehr Hannover erzählte, wundert es mich auch nicht, dass niemand da arbeiten will.

    Ja das Kommt dazu. DIe Arbeitsbedingungen und der Lohn dafür sind ein absoluter Witz wenn ich bedenke was dafür geleistet werden muss.

    Andererseits ist es auch die Anspruchshaltung der Bevölkerung die hier zum tragen kommt. Aber es gibt eben Räder an denen kann man drehen und an anderen nicht, oder eben nicht so schnell

  • Ihr habt recht.


    Ich bin seit über 10 Jahren im Rettungsdienst.

    So oft wie in diesem Jahr wurden Patienten noch nie übergriffig. Die Nachfrage nach Stichschutzwesten ist in den letzten Monaten extrem gestiegen.

  • Ja das Kommt dazu. DIe Arbeitsbedingungen und der Lohn dafür sind ein absoluter Witz wenn ich bedenke was dafür geleistet werden muss.

    Andererseits ist es auch die Anspruchshaltung der Bevölkerung die hier zum tragen kommt. Aber es gibt eben Räder an denen kann man drehen und an anderen nicht, oder eben nicht so schnell

    Das stimmt natürlich. Wenn ich im KV-Dienst den Arzt durch unseren Landkreis für die Hausbesuche im Bereitschaftsdienst fahre, dann bekomme ich in dieser Hinsicht ja das volle Elend mit. Bei der älteren und/oder aus welchen Gründen auch immer pflegebedürftigen Bevölkerung ist es zumeist ein Versorgungsproblem. Sei es, dass der Hausarzt nicht eine adäquate hausärztliche Versorgung mit Hausbesuchen gewährleisten kann oder will (es gibt in jeder Berufsgruppe Arsc...er, die ein Maximum an Geld bei einem Minimum an Aufwand herausholen und dabei leidlich skrupellos vorgehen. Das Versorgungsproblem kann sich auch dahingehend äußern, dass die Menschen verarmt sind an sozialen Kontakten. Und dann gibt es die wohlstandsverwöhnten Kiddies, mittlerweile beruflich im vollen Saft stehend, die sich entweder denken "Ich zahle irre viele Krankenkassenbeiträge, da kann dann auch mal der Arzt am Wochenende zu mir nach Hause kommen, brauche ich mich nicht in einer ollen Praxis abhängen" oder eben auch die Fälle, die seit Dienstag vor zwei Wochen Rückenschmerzen haben und es seit letztem Mittwoch auch immer schlimmer wurde, die es aber nicht für nötig befanden, noch am Donnerstag oder Freitag als Notfallpatient bei ihrem Hausarzt vorstellig zu werden. Nö, da wird dann ein Hausarzt angefordert, selbst dann, wenn man es noch eigenständig in die Bereitschaftspraxis schaffen würde.

    Worüber sich die wenigsten im Klaren sind ist, dass solche Bullshit-Einsätze im Bereitschaftsdienst, die genauso gut auch über den Hausarzt abgewickelt werden könnten, unnötig viel Geld aus dem System ziehen. Ein Arzt hat mir das am Wochenende erst vorgerechnet. Patient in seiner Hausarztpraxis bringt ihm nominell knapp 18 Euro. Kann aber auch weniger werden, wenn der absolute Punktwert weniger ist. Weiß man frühestens mit der Quartalsabrechnung. Derselbe Patient in der Bereitschaftspraxis vorgestellt kostet theoretisch etwa den Faktor 4 bis 5, das Ganze als Hausbesuch im Bereitschaftsdienst nochmal etwa Faktor 2. Ich hoffe, ich habe das noch einigermaßen richtig rekapituliert. Und die Perversion des Ganzen (zumindest mit der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) ist das so, wie es in anderen Bundesländern ist, weiß ich nicht) ist der Umstand, dass die KVN für den Unterhalt der Bereitschaftspraxen zum Beispiel nur einen pauschalen Betrag abrechnen, unabhängig ob da niemand im ganzen Jahr behandelt wird oder grundsätzlich am Anschlag arbeiten müssen. Es gibt also eigentlich weder von Seiten der Patienten (die das Ganze eigentlich im Wesentlichen finanzieren) noch den Krankenkassen (die da Pauschalbeträge überweisen) einen Anreiz, darauf hinzuwirken, weniger Fallzahlen in den Bereitschaftspraxen zu generieren. Bei den Hausbesuchen ist es etwas anders. Die werden individuell abgerechnet. Aber auch da scheint die Motivation gering.


    Wegen der Situation in Berlin: Irgendwie bringt mich das nicht von meiner Annahme ab, Berlin als Stadtstaat sei ein "failed state" innerhalb eines Staates. Angriffe auf Rettungskräfte macht die Situation nicht besser, genauso, wie eine desolate Verkehrssituation nicht gerade zu weniger Stress beiträgt. Wie die Situation in Hamburg ist, kann ich nicht genau sagen. Aber dieser Artikel und in dieser Anfrage an den Hamburger Senat sprechen Bände, auch wenn die Zahlen im Wesentlichen für die Jahre 2020/2021 bzw. 2019 sind. Wer hiernach also in den Bezirken Hamburg-Wandsbek, Hamburg-Harburg und Hamburg-Bergedorf lebt, kann in bestenfalls 50% der Fälle damit rechnen, dass die Hilfsfristen eingehalten werden können. Zumindest für Hamburg-Harburg zeichnet sich mir da auch in anderen Punkten ein Bild ab. Stichwort: "die Abgehängten".


    Ein anderes Problem, das beim Thema Hilfsfristen gerne vergessen wird: diese Hilfsfrist drückt nur jene Zeit aus, die beispielsweise ein RTW benötigen darf, vom Zeitpunkt der Alarmierung bis zum Eintreffen am Einsatzort. Da ist längst noch nicht auch die Versorgung am Einsatzort mit drin (so man die Rettungskräfte ihren in der Regel sehr professionellen Job machen lässt) und schon gar nicht die Anfahrt zu einem geeigneten Platz mit einem freien Bett. Wer den ersten Artikel durchliest, wird schockiert sein darüber, dass auch in so einer großen Großstadt wie Hamburg Patienten über rund 300 km einfache Fahrt (auch mit Sonderrechten und Wegerechten und Tempo 120 immer noch gut 2,5 Stunden Fahrzeit!) transportiert werden müssen, weil sie weder in Hamburg noch im Nahfeld versorgt werden können. Zum Glück nur Einzelfälle. Aber schlimm genug, dass es sie überhaupt gibt.


    Also, welcher Nutzen besteht dann darin, irgendwelche Hilfsfristen einzuhalten, die unter diesem Aspekt eigentlich akademische Makulatur sind?

    aus Niedersachsen, DE gesendet...


    "Der Klügere gibt nach! Eine traurige Wahrheit, sie begründet die Weltherrschaft der Dummheit." Marie von Ebner-Eschenbach


    Dorfleben. Entweder du liebst es oder du liebst es nicht. Es gibt kein Versuchen!


    "Dein Rad kann viel mehr, als du ihm zutraust. Das findet schon seinen Weg. Einfach laufen lassen, wenig bremsen, den Flow finden." (ein Freund zu einem Silk Road Mountain Race Teilnehmer)

    Einmal editiert, zuletzt von UrbanTrapper ()