Hallo,
Cephalotus' Statement zu langlebigen Speichermedien im EMP-Thread brachte mich auf den Gedanken, das Thema Langzeit-Archivierung (mal wieder) zu beleuchten.
Hier mal unsere Ausgangssituation:
Lange Jahre genügte es bei uns, die im Lauf eines Jahres entstandenen Fotos, Mails etc. auf eine DVD zu brennen. Irgendwann wurden es mehrere "Jahres-DVDs".
Um der Zerfallsproblematik bei selbstgebrannten Datenträgern entgegen zu wirken, brenne ich Archivdaten grundsätzlich auf DVD-RAM-Rohlinge. Etwas teuerer, aber angeblich eine Datenverfügbarkeit von mindestens 30 Jahren. Meine selbstgebrannten Sony-CD-Rohlinge aus den Jahren 2000ff fallen nun nach und nach durch CRC-Lesefehler aus.
Zwischendurch (so 2009 - 20014) betrieb ich einen Mini-ITX-Rechner auf dem Dachboden übers LAN ferngesteuert mit Windows Home Server als Datengrab und automatischen Backup-Server. Die Sicherung der Server-Daten erfolgte auf einer externen Festplatte, bzw. auf zweien, die abwechselnd angeschlossen wurden und die an räumlich getrennten Orten gelagert sind. Das ganze funktionierte, so ein WHS-PC frisst aber doch einiges an Energie und das verwendete Intel Atom-Board bot nur begrenzte Performance. Sein Ende war besiegelt, als die 1TB-Festplatte nicht mehr ausreichte und ich eine 3TB-Platte einbauen wollte: Fehlanzeige, denn Microsofts WHS lässt nur 2TB Plattengrösse zu. Als absolut gleichwertigen Ersatz läuft seit 2014 eine DiskStation DS114: sparsamer im Stromverbrauch, der Datendurchsatz ist sehr gut und DS-Backups auf angestöpselte USB-Festplatten sind dank USB3.0 auch sehr schnell abgewickelt.
Diese Datensicherung auf Festplatten taugt aber nicht unbedingt fürs "Familienarchiv" über einen 20 Jahres-Horizont hinaus:
Klassische Festplatten sind mechanische Wunderwerke, in denen flexible Kunststoffe (Folienleiter zum Schreib-Lese-Kopf), Fette und Schmierstoffe (Lager) und bruchempfindliche Datenträger (magnetisierbar beschichtete Glasplatte) zusammenwirken. Eine Festplatte nach 10-20 Jahren erstmals wieder in Betrieb zu nehmen, ist ziemliche Glückssache.
SSDs sind Festplatten, die auf Flash-Speicherzellen basieren. In diesen Speicherzellen sind winzige Ladungsmengen in einer rundum isolierten "Falle" eingesperrt. Die Qualität der Isolation und die Anzahl Ladungsträger pro Zelle entscheiden darüber, wie lange die gespeicherte Information als solche auslesbar bleibt. Defekte in der Isolation lassen mit der Zeit die Ladungsträger abfliessen und ionisierende Strahlung, die ja überall vorkommt (selbst im Gehäusematerial der Speicherchips stecken Isotop-Reste, die strahlen), kann bei einem Treffer den Zustand einer Speicherzelle verändern. Liest man das Kleingedruckte bei SSDs, dann erfährt man, dass der Hersteller nur eine Datenerhaltung von 3-5 Jahren garantiert, darüberhinaus darf eine SSD vergesslich werden.
Sinngemäss gilt das auch für alle anderen Speichermedien, die auf Flash-Zellen basieren. Wobei Flash-Speicher der ersten Generationen, z.B. CF-Cards unter 1GB noch recht grosse Speicherzellen hatten, mit entsprechend vielen gefangenen Ladungsträgern und entsprechend geringerer Empfindlichkeit gegenüber allmählichem Ladungsverlust.
Derzeit miste ich mein EDV-Archiv aus und da kamen nun auch ein paar Bandlaufwerke zum Vorschein. Hochwertige Magnetbänder sind recht langlebig, viele Hersteller geben 30 Jahre als "Mindesthaltbarkeit" für ihre Tapes an. Zudem werden die Daten auf Magnetbändern mit hinreichend viel Redundanz aufgezeichnet und Fehlerkorrektur-Algorithmen sorgen dafür, dass selbst schadhafte Stellen oder Bandränder kompensiert werden können, ohne Datenverlust.
Dann zeigte sich ein ganz anderes Problem: aktuelle Betriebssysteme vernachlässigen die Unterstützung von Bandlaufwerken immer mehr. Bei Windows fehlt seit Windows Vista die Bandsicherung komplett. Unter XP war es noch mit zwei drei Mausklicks möglich, aus Windows heraus eine Datensicherung, -überprüfung oder -rücksicherung mittels Bandlaufwerk zu machen. Immerhin hat Microsoft für Windows 7 ein kleines Tool bereitgestellt, das wenigstens das Rücksichern unter XP geschriebener Bänder erlaubt. Das wars dann aber auch schon. Es gibt natürlich Backup-Software von Drittanbietern, bei Freeware-Tools ist die Unterstützung der Bandlaufwerke aber recht unterschiedlich (und unter Win7 teilweise fehlerhaft). Unter Ubuntu teste ich die Band-Unterstützung gerade.
An sich gefällt mir der Gedanke, Daten auf Bänder zu sichern:
Für kleine Jahres-Archive eignen sich z.B. Travan-Bandlaufwerke mit z.B. 10GB (TR-5) oder 20GB (TR-7) Nettokapazität pro Band. Die gibt es als interne Laufwerke mit IDE-Interface oder als externes Laufwerk über USB.
Preislich interessant werden gerade die Ultrium-Laufwerke der Generation 4 (LTO-4). Da kriegt man ein gebrauchtes Bandlaufwerk schon um 50 Euro, allerdings mit SCSI-Interface, was man an einem Heim-PC erst durch eine Steckkarte nachrüsten muss. Dafür schluckt ein LTO-4-Band immerhin 800 GB unkomprimiert und bis 1,6TB komprimiert. Die nächste Generation LTO-5 dürfte in den kommenden 1-2 Jahren auch günstiger werden, die Laufwerke liegen derzeit noch 300-400 Euro gebraucht. LTO-5 fasst immerhin 1,5/3,0TB pro Band.
Grüsse
Tom