Hilflosigkeit eingestehen?

  • Grüße, Leute!


    Im Nachrichtenticker von n-tv las ich grad dies:


    Zitat

    [h=2]Berliner sitzt neun Tage in Alpenhütte fest[/h]Am 15. Januar steigt ein 44-jähriger Berliner in der Nähe des Orts Lofer bei Berchtesgaden zu einer Mini-Hütte in den österreichischen Alpen auf - was er nicht ahnt: Aus eigener Kraft wird er nicht mehr hinunterkommen. Denn als er die Hütte erreicht hat, wird er von einem Schneesturm überrascht. Ein Abstieg ist zu gefährlich. Der Mann harrt aus; und wird erst nach neun Tagen gerettet.


    • Sechs Tage lang lebte er nach einem Bericht des ORF von geschmolzenem Schnee, aus dem er Tee kochte, und von mitgebrachtem Proviant. Dann ging ihm das Essen aus.
    • Da er einen Abstieg immer noch nicht wagte, rief er schließlich nach drei Tagen ohne Nahrung mit seinem Handy den Notruf. Ein Hubschrauber der Polizei kam und rettete ihn.


    Weil es sich nach Ansicht der österreichischen Behörden tatsächlich um eine Notlage handelte, muss der Mann den Rettungseinsatz nicht selbst bezahlen.


    Hmmmm... lassen wir mal die Theorie weg, dass es jemand aus einem Forum wie hier gewesen sein könnte... 9 Tage lang an einem Ort bleiben und dann erst nach drei Tagen ohne Nahrung den Notruf wählen, finde ich -für einen Laien- schon ziemlich stark. Wenn man bedenkt, für welche Bagatellen Notdienste, Polizei und Gerichte sonst belastet werden.


    Ich frage mich derzeit, wie es wohl einem von uns ergangen wäre. Man stelle sich vor, man will wirklich nur eine kleine Tour machen, vielleicht nichtmal mit dem S&P-Gedanken im Hinterkopf, und kommt in eine solch verfahrene, aber nicht katastrophale Situation. Wäre es Euch leicht gefallen, in so einer Situation den Notruf zu wählen? Hättet Ihr euch geärgert, festzusitzen, oder wäret ihr direkt mit mehr Gepäck hoch? 6 Tage Nahrung ist schon einiges an Gewicht für eine Freizeittour, aber was zum Feuer machen und Kochen hätte glaube ich eh jeder im EDC...


    Einfach mal durch den Kopf gehen lassen.


    Gruß


    Avesjünger

  • Ich gehe mal davon aus, dass der nicht für 6 Tage Nahrung (15.000kcal) mit hatte, sondern vielleicht "ein bissl was", was er sich dann eben über die ersten 6 Tage verteilt hatte.


    Kritischer ist die Fähigkeit, Schnee schmelzen zu können, wenn man sonst kein Wasser hat.


    Und ja, ich hätte vermutlich auch den Notruf gerufen. Zum Glück hat er seinen Handyakku nicht leer gemacht.

    Aus gegebenem Anlass: ich distanziere mich hiermit ausdrücklich gegen jeden Form von Gewaltphantasien gegen andere, den Staat oder staatliche Organe. Ich betreibe prepping als Krisenvorsorge und als Hobby und tausche mich hier mit Gleichgesinnten aus.

  • Laut ORF war der Zeitgenosse auf einer längeren Tour quer durch die Alpen und hatte sich unmittelbar vor dem Aufstieg erst mit Proviant für paar Tage eingedeckt. Er dürfte also durchaus erfahren gewesen sein (wobei mich dann wundert, warum er den Wetterbericht nicht beherzigt hat, so er ihn überhaupt angeschaut hat).

  • Zitat

    Wäre es Euch leicht gefallen, in so einer Situation den Notruf zu wählen?


    Erst einmal gefällt mir die Überschrift nicht, Hilflosigkeit bezeichnet für mich etwas anderes.


    Ich bin nicht zu stolz nach Hilfe zu fragen und ich bin auch nicht zu stolz Hilfe anzunehmen. Ich brauchte in meinem Leben schon Hilfe und war froh, daß ich sie bekam.
    Auf der anderen Seite gewähre ich auch Hilfe, entweder ich werde danach gefragt, oder ich sehe den Bedarf selber.
    Mein Problem ist einfach, daß ich, ein sympathischer Kerl, in einem unsympathischen Körper gefangen bin – also quasi transsympathisch bin.:grosses Lachen:


    Zitat

    Hättet Ihr euch geärgert, festzusitzen, oder wäret ihr direkt mit mehr Gepäck hoch?


    Vor langer Zeit hatte ich mal eine ähnliche Situation. Geärgert habe ich mich damals nicht, war einfach froh, daß es gut ausging.
    Habe aber meine Lehren daraus gezogen.




  • Zitat von theBrain;316701

    Laut ORF war der Zeitgenosse auf einer längeren Tour quer durch die Alpen und hatte sich unmittelbar vor dem Aufstieg erst mit Proviant für paar Tage eingedeckt. Er dürfte also durchaus erfahren gewesen sein (wobei mich dann wundert, warum er den Wetterbericht nicht beherzigt hat, so er ihn überhaupt angeschaut hat).


    Der Wetterbericht ist so eine Sache in den Alpen. Vielleicht war er aber auch einfach etwas leichtsinnig und hat deswegen gedacht, dass er es aussitzen kann und sich nicht die Blöße geben muss.


    Ich hätte sehr wahrscheinlich umgehend Hilfe gerufen.

    I feel a disturbance in the force...

  • Ich hätte kein Problem damit wenn nötig auch Hilfe anzufordern. Manchmal geht es eben nicht aus eigenen Mitteln.
    Klar ist meine Grundlage es gar nicht erst so weit kommen zu lassen...durch Vorsicht, Planung und Ausrüstung.
    Aber irgendwann passiert es dann vielleicht doch.
    Nur wer nichts in der Art unternimmt ist auf der absolut sicheren Seite.

  • Kommt drauf an. Das sind meist einfache Biwak-Hütten mit einfachster Möblierung und der Möglichkeit zu kochen (Holz) sowie einfacher sanitärer Anlagen (Plumpsklo).


    Die sind im Allgemeinen eingezeichnet in DAV/ÖAV-Führer und -Karten.

    I feel a disturbance in the force...

  • Das wird dieser Vorfall gewesen sein: https://www.chiemgau24.de/chie…hubschrauber-9552857.html

    Laut dem Artikel war er zwar ganz gut ausgerüstet - als Traunreuter ist er im Raum Salzburg aber fast noch ein "Einheimischer", insofern wundert mich, dass er sich auf eine App (!) verlassen hat:


    Zitat

    Als "Ursache" für den unfreiwilligen Stopp in der Biwak-Hütte nannte der Mann seine Wetter-App, welche ihm auf seinem Handy stets das "total falsche Wetter" angezeigt habe.


    Und das ist die Biwak-Hütte, unterhalb der Beschreibung links ist ein Foto: https://www.alltrails.com/expl…wak-schmidt-zabirow-hutte

    BY/DE

    Si vis pacem, para bellum.

  • Die Frage ist , ob ein Notruf bei Schneesturm überhaupt was birngt , denn bei so einem Wetter kommt wahrscheinlich weder Hubschrauber noch Bergwacht zu Fuß auf
    den Berg rauf. Im übrigen müssten dann ja auch die Helfer bei Schneesturm runter, was ja problematisch war.


    Frieder

  • Wer gerne wandert, sollte IMMER Mitglied im Alpenverein sein.
    Dort ist man dann auch versichert, wenn es mal zu einem Rettungseinsatz kommt. Und wenn man nicht gerettet werden muss, dann darf man sich darüber freuen, dass das Geld in Instandhaltungsmaßnahmen für Wanderwege u.ä. geht.


    Grüße
    Basmyr

  • Zitat von Basmyr;316736

    Wer gerne wandert, sollte IMMER Mitglied im Alpenverein sein.
    Dort ist man dann auch versichert, wenn es mal zu einem Rettungseinsatz kommt. Und wenn man nicht gerettet werden muss, dann darf man sich darüber freuen, dass das Geld in Instandhaltungsmaßnahmen für Wanderwege u.ä. geht.


    Grüße
    Basmyr


    Gute Sache, sollte man investieren.

  • In dieser Hütte lässt es sich doch eine Weile ausharren. Es geht doch gar nicht um die Fähigkeit Hilfe annehmen zu können oder um zu stolz zu sein.
    Ich hätte auch so lange wie irgend möglich in der Hütte gewartet bis ein Abstieg möglich ist. Die Situation war ja nicht lebensgefährlich.
    Wenn es in der Hütte Brennmaterial hat kann man mit Wasser schon eine eine Woche verweilen nachdem die Vorräte aufgezerrt sind.


    Das Wetter sollte für eine Rettung dann doch auch noch stimmig sein. Ein Notruf absetzen ist nicht = gerettet sein.
    Man sollte immer versuchen alles selbstständig zu machen ohne Fremde Hilfe. Wichtig ist jedoch auch zu erkennen wenn fremde Hilfe gebraucht wird.
    Da kommt es wieder auf die Wetter Situation an, nicht jedes Wetter ist für Rettungen geeignet. Das wichtigste bei einer Rettung ist die Sicherheit des Retters.

    Draussen zählt nur das Beste

  • previval.org/f/index.php?attachment/41174/


    Dann habe ich ja selbst so eine Art Biwak-Schachtel auf meinem Grundstück. Ausgerüstet mit Regenfass, Campingklo, Strom, Kerzen, WLAN-Anbindung, massenhaft Decken und Matratzen, ausreichend für drei Personen. Und der Schlafraum voll isoliert. Ein Karton NRG-5 und ein Betriebsverbandskasten sind auch vorhanden.


    Das Baumhaus liegt aber auf nur 450 Höhenmetern und wird deshalb wohl kaum von Interesse sein.

  • Zitat von Lunatiks;316718


    Und das ist die Biwak-Hütte, unterhalb der Beschreibung links ist ein Foto: https://www.alltrails.com/expl…wak-schmidt-zabirow-hutte


    In unserer Regionalzeitung war dazu heute ein minimal ausführlicherer Bericht - laut dem ist das eine Biwak-Nothütte die mit Feuerholz und Feuerstelle sowie ein paar mit Matratzen versehenen Schlafplätzen ausgestattet ist.


    Ansonsten stand nichts drin, was nicht auch schon in den News-Portalen erwähnt worden wäre.

    BY/DE

    Si vis pacem, para bellum.

  • Mal ganz vom aktuellen Fall abgesehen begebe ich mich mehr oder weniger regelmäßig in Situationen, bei denen ich auf Hilfe angewesen sein könnte:


    1. Höhle, Höhlenrettung
    2. Reisen mit dem Auto, meist innerhalb Europas. ADAC


    1 habe ich noch nie gebraucht, da hilft Vorbereitung und Selbsteinschätzung viel, aber ich bin wirklich bei *jeder* Expedition, auch wenn sie "nur ganz kurz" ist, versichert, dass jemand Alarm schlägt, wenn ich zu spät mich zurückmelde.
    2. habe ich während der Studentenzeit wegen größerer Reisen und schrottreifer gerade noch Tüv-durchgerutscht-Autos immer wieder gebraucht.


    Ich finde bei einer Wanderung bei seiner Planung schon einzubeziehen, dass man sich halt dann, wenn die zu knapp geplante Nahrung oder die zu knapp geplante Kleidung ausgeht, retten lässt, der gefährdet damit Leute, die wirklich ohne Fahrlässigkeit in Not gekommen sind, weil dann eventuell Retter woanders gebunden sind. Bei so Rettungsorganisationen, die wie der ADAC auch gewinnorientiert arbeiten, habe ich weniger Skrupel auch nur wegen einem geplatzten Kühlwasserschlauch anzurufen.
    Ganz allgemein:
    Trotzdem sollte man auch gut vorbereitet nie in eine Gegend wandern, wo man verloren gehen kann, ohne jemand des Vertrauens bescheid zu geben.


    Nur so meine Meinung.


    Nick

    Quidquid agis prudenter agas et respice finem

  • [MENTION=147]dersoeflinger[/MENTION] ok, sorry mit der Überschrift, es war nicht meine Intention, in irgendeiner Form Hilf- oder Ratlosigkeit als negativ abzustempeln. Aber für mich ist "Hilflosigkeit" der Moment, in welchem ich selbst nicht mehr weiterkomme und mir Hilfe holen will. Indem also der Betroffene in dem Beispiel erkannte, dass er weiterhin festsäße ohne Nahrung, und er den Hilferuf als einzigen Ausweg sah, war (für mich) also die Hilflosigkeit in diesem Moment gegeben. Wenn ich zB mit dem Auto eine Panne auf der Autobahn habe, und den ADAC rufe, weil ich zB zu wenig über die elektronischen Bauteile kenne oder selbst als Mechaniker keine Lust habe, im fließenden Verkehr herumzubasteln, dann bin ich in der einen Situation (!) halt eben auch hilflos. Wäre es was auf der Landstraße, und zB nur ein Platten, dann wäre das nicht so. Aber auf einer Autobahn, in der Situation, käme ich so nicht ohne große Gefährdung meiner Sicherheit (Folgeunfall) weiter.


    Ich hoffe ich konnte meinen Gedankengang gut darlegen.