Ursache und Ausmaß leerer Lebensmittelregale in der USA

  • Hallo zusammen,


    viele amerikanische Prepperkanäle auf Youtube berichten gerade (02/2021) über massive Lieferschwierigkeiten im Lebensmittelbereich. In vielen Videos wird dabei die Dimension auf ein lebensbedrohliches Ausmaß hochstilisiert. In den Kommentaren zum Video gehen viele (wahrscheinlich US-Amerikaner) auch von einem globalen Problem aus. In diesem Zusammenhang würde ich gerne eure Sichtweise auf das Thema erfahren.


    A) Habt ihr in Deutschland in letzter Zeit signifikante Lieferschwierigkeiten bei Lebensmitteln feststellen können? Ich persönlich kann bei uns (Mitteldeutschland) wirklich keinerlei relevante Engpässe erkennen. Die einzige Auffälligkeit bei mir war mal ein Info beim Honig (Globus), welches über das Delisting eines einzelnen Honigherstellers aufgrund einer nicht akzeptablen Preiserhöhung informiert hat. Unabhängig davon, gab es aber mind. 20 andere Honig-Marken im Regal.


    B) Warum kommt es in den USA eigentlich zu Problemen bei der Lebensmittelversorgung? Sollten wirklich die aktuellen Probleme im globalen Frachtverkehr per Schiff die Ursache sein? Ist die USA wirklich im großen Stil auf Lebensmittelimport aus anderen Kontinenten angewiesen?


    Für die EU würde ich persönlich ja selbst beim Wegfall sämtlicher globalen Lebensmittelfrachtkapazitäten per Schiff keine unmittelbaren lebensbedrohlichen Einschränkungen sehen. Klar wären dann viele Überseeprodukte, die ich eher als Luxusartikel ansehen würde, wie Avocados, Kaffee oder Schokolade, in Abhängigkeit vom Lagerbestand, nach unterschiedlichen Zeiten nicht mehr verfügbar. Aber eine potentielle Hungerkrise sollte dieser theoretische Extremfall in der EU doch eigentlich nicht auslösen können, oder? Ich sehe die EU im Bereich der Lebensmittelproduktion (Basisprodukte) zumindest relativ gut und autark vom Rest der Welt aufgestellt.


    Mir persönlich kommt es aktuell eher so vor, dass die Prepperkanäle mit ihrer Panikmache nur ihre Reichweite steigern wollen und viele der Kommentatoren ein bisschen zu sehr in ihrer Filterblase leben, d.h. sich durch die Videos einfach in ihrer Vorratshaltung (die ich grundsätzlich natürlich auch für sinnvoll halte) bestätigt fühlen und die Situation deshalb ebenfalls übersteigern.


    Wie seht ihr das?


    VG


    BigCityPrepper

  • Es gibt in Deutschland gerade keine Knappheit an Lebensmitteln zumindest nicht in den Regalen. Aber die Geschäfte werden unregelmäßig beliefert. Das bemerkt man besonders wenn man auf eine Marke fixiert ist. Gestern noch vorhanden morgen leer, wann die nächste Lieferung kommt weiß man nicht so genau aber es ist bestellt. Der Platz des vergriffenen Produkts wird dann mit einem ähnlichen Produkt einer anderen Marke aufgefüllt. Zumindest die Lebensmittelgeschäfte in den ich einkaufe bestellen mittlerweile breiter gefächert um die zwischenzeitlichen Lieferengpässe aufzufangen, so das der Kunde davon nicht viel mitbekommt. Das ist rein psychisch, denn leere Regalfächer animieren zum Horten und das will man vermeiden. Aber es ist immer noch genügend von allem da.

    Positiv: Es werden generell weniger Lebensmittel weggeschmissen.

    Nachteil: Manchmal dauert es etwas länger das Lieblingsprodukt zu bekommen.

  • Zu B: kommt es nicht und nein, es gibt dort eigentlich auch keine lebensbedrohende lebensmittelkrise. nicht mal annähernd. quelle dazu?


    klar, einzelne spezielle produkte werden auch dort importiert, wie in allen ländern. deshalb kann es sich immer mal vorkommen, dass einzelne produkte mal eine zeit lang gar nicht oder nur schwer zu bekommen sind.

    aber grundsätzlich gibt es dort keinen mangel - höchstens für die hunderttausenden von homeless people und sonstige menschen die in prekären verhältnissen leben.

    das ist aber ein wirtschaftliches problem und kein genereller mangel an lebensmittel im handel.

  • Also ich habe diese Woche erlebt wie jemand im Lidl eskaliert ist weil es keinen Sandwichtoast , sondern nur "normalen" gab....

    (Das sind die knapp kalkulierten Lieferketten und die nicht vorhandene Lagerhaltung die ich hier immer predige)

    Was machen solche Leute erst wenn sie auf hartes "Brot" umsteigen müssen?

  • Also ich habe diese Woche erlebt wie jemand im Lidl eskaliert ist weil es keinen Sandwichtoast , sondern nur "normalen" gab....

    Da meine Kids Sandwichtoast abhängig sind, muss ich ca. alle 2 Monate feststellen, dass es im ALDI gerade keinen gibt. Auch vor Corona völlig normal. Letzte Woche waren die Nudeln komplett ausverkauft. Vor 3 Wochen die Frischmilch........

    Bis auf die Klopapier, Nudeln, Hefe Krise vor 1 1/2 Jahren kann ich keine vermehrten Engpässe erkennen. Nur teurer wird alles....

    Prioritäten setzen heißt auswählen, was liegen bleiben soll.

  • Mal etwas Input zum Thema, ich werde später noch mehr dazu schreiben:

    Österreich:

    m Kalenderjahr 2020 wurden von der heimischen Landwirtschaft an tierischen Produkten 910.000 t Fleisch, 3,85 Mio. t Milch, 2,17 Mrd. Stück Eier und 4.700 t Fisch produziert. Der Inlandsverbrauch betrug 808.900 t Fleisch (90,8 kg pro Kopf), 740.100 t Trinkmilch (83,1 kg pro Kopf), 2,1 Mrd. Stück Eier (236 Stück pro Kopf) und 65.100 t Fisch (7,3 kg pro Kopf). Der Grad der Selbstversorgung erreichte bei Fleisch 112%, bei Käse (inkl. Schmelzkäse) 111%, bei Eiern 90% und bei Butter 73%.


    Die österreichische Landwirtschaft produzierte im abgelaufenen Wirtschaftsjahr 2019/20 rund 5,4 Mio. t Getreide, 1,97 Mio. t Zuckerrüben, 751.000 t Kartoffeln, 690.000 t Gemüse, 410.000 t Ölsaaten, 399.000 t Obst und 2,32 Mio. hl Wein. Der Grad der Eigenversorgung erreichte bei Wein 95%, bei Getreide 88%, bei Kartoffeln 85%, bei Gemüse 55%, bei Ölsaaten 51%, bei Obst 45% und bei pflanzlichen Ölen 30%.


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    Aber es gibt dann noch die sogenannte Eiweißlücke: Eiweißfutter ist für die Erzeugung tierischer Lebensmittel wesentlich. In Österreich stammen zirka 85% des eingesetzten Eiweißes aus heimischen Quellen wie Feldfutter, Grünland, Getreide, Silomais beziehungsweise anderen Eiweißträgern wie Rapskuchen oder ActiProt. Gemäß der österreichischen Eiweißbilanz werden 225.000 t Reineiweiß nach Österreich importiert, dies entspricht 15% des in der Fütterung eingesetzten Eiweißes.


    Überwiegend erfolgt das durch Import von Gensoja aus Südamerika.


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    Die österreichische Bilanz hat also folgende Schwachstellen: es fehlen Eiweißpflanzen, es fehlt an frischem Obst und Gemüse, es fehlt an pflanzlichen Ölen. Das ist aber nichts groß Bedrohliches. Sollten die Futtermittelimporte ausfallen, dann werden die Henderln und Schweinderln nicht verhungern, sondern etwas weniger schnell wachsen. Und die Kühe werden nicht mehr 8000 Liter sondern 7000 Liter Milch geben.

    Frisches Obst und Gemüse ist schon eher ein Problem: da sind wir es heute gewohnt, dass rund um das Jahr die Regale gefüllt sind. Die Umstellung auf Regionales und Saisonales wäre schon hart, wobei ich da gar nicht einmal an Flugmango oder Erdbeeren im Dezember denke.


  • Also ich habe diese Woche erlebt wie jemand im Lidl eskaliert ist weil es keinen Sandwichtoast , sondern nur "normalen" gab....

    Was ist den da der Unterschied?

    Bislang gab es für mich nur weissen Toast und Vollkorntoast.


    Auch bei "meinen" Geschäften innder Schweiz kommt es in letzter Zeit vor, dass einzelne Produkte kurzzeitig nicht vorhanden sind.

    Aber bisher gibt es immer mehrere Alternativmarken.

    Heute ein guter Plan ist besser als morgen ein perfekter Plan.

    -George S. Patton-

    Einmal editiert, zuletzt von Chuck Noland ()

  • Von einem Bekannten und Kollegen in den USA hatte ich vor ca. 1 Woche folgende Info erhalten da die Thematik in einem Telefonat aufkam: Fleisch ist je nach Bundesstaat ein Problem, je näher hier die Leute an der Fleicherzeugung und -verarbeitung (Schlachthof) wohnen, um so geringer die Ausfallquote. Zu wenig Leute wollen noch im eher harten und unterbezahltem Lebensmittelhandel arbeiten, die Corona-Hilfen (die ja jetzt teilweise gerade erst ausgelaufen sind) haben dafür gesorgt, dass man mit den Hilfen besser verdiente als wenn man einen Job gehabt hat. Auch der Markt für LKW-Fahrer ist seiner Aussage nach sehr leergefegt, nicht so extrem wie in UK aber trotzdem eng.


    Ich denke bei den Lebensmitteln wird das erst noch richtig durchschlagen, das Hauptproblem bleibt eher die Energie die aber wieder zeitverzögerte extreme Auswirkungen auch im Nahrungsmittelbereich auf vielen Ebenen haben wird. Hier prallen gerade nicht nur knallharte Wirtschaftsinteressen aufeinander, sondern auch Ideologie-geschwängerte-Handlungsweisen bei denen Realitäten in vielen Bereichen einfach ausgeblendet werden. Hält die Situation noch 6-12 Monate an, dann haben wir ein echtes Problem und das nicht nur bei den Energiepreisen, sondern auch bei der Inflation und dann auch den Nahrungsmittelpreisen und bei dem Nahrungsmittelangebot.

    Der Bote der Wahrheit braucht ein schnelles Pferd

  • Die einzige Auffälligkeit bei mir war mal ein Info beim Honig (Globus), welches über das Delisting eines einzelnen Honigherstellers aufgrund einer nicht akzeptablen Preiserhöhung informiert hat. Unabhängig davon, gab es aber mind. 20 andere Honig-Marken im Regal.


    Die Honigernte De (und wahrscheinlich auch allen Ländern rundherum) war dieses Jahr auf Grund des Wetters sehr schlecht.



    Zitat von BigCityPrepper

    B) Warum kommt es in den USA eigentlich zu Problemen bei der Lebensmittelversorgung? S


    Da fehlen immer mal einzelne Marken oder es gibt Schilder, das nur 1 oder Stück abgeben werden.

    Preise sind stark gestiegen.


    Die Ursachen sind ein ganzer Mix:


    - Leute wurden während der Coronakrise entlassen und fehlen jetzt. Berufsausausbildung ist in den USA "Training on the Job" Selbst wenn man jetzt welche gefunden hat, dauert es, bis die voll Leisten können

    - Container stehen an der falschen Stelle

    - Verpackungsmaterial fehlt

    - einzelne Zutaten fehlen

    - es gab größere Ernteausfälle (Wetter und Felder wurden während der Coronakrise nicht abgeerntet)

    - Viehstände wurden währen der Coronakrise reduziert, da das Fleich nicht abgenommen wurde

    - Spekulation mit Rohstoffen

    - es gab zeitweise Probleme bei der Treibstoffversorgung

    - Lieferzeit von Maschienen sind stark gestiegen

  • Die Honigernte De (und wahrscheinlich auch allen Ländern rundherum) war dieses Jahr auf Grund des Wetters sehr schlecht.

    Die Erntemenge in D selbst ist nicht sehr relevant, da 80% des Honigs importiert werden, aus Süd- und Osteuropa, Südamerika und aus (Überraschung! 😉) China. Österreich ist besser versorgt, 45%, und dieses Jahr war die Ernte durchwachsen, aber deutlich besser als in D. Und positiv: die Zahl der Bienenvölker in Ö ist so hoch wie nie.

  • Was ist den da der Unterschied?

    Bislang gab es für mich nur weissen Toast und Vollkorntoast.

    Beim Sandwichtoast sind die Scheiben größer, im Aldi (Süd) gibts den sowohl als Vollkorn- sowie als Weißmehlversion. Wir kaufen den auch, wenn er nicht mal wieder ausverkauft ist.

    Noch lieber ist mir allerdings der "Saaten"toast, gibts in verschiedenen Zusammensetzungen und die Packerl sind nur halb so groß: https://www.aldi-sued.de/de/p.…g.490000000000010640.html


    Wir haben für uns festgestellt, dass der Vollkorn-Sandwichtoast vom Aldi nichtmal nach ner Woche so mau schmeckt, wie andere Vollkorntoasts schon direkt am ersten Tag, die es bei Penny oder Netto gibt :speak_no_evil_monkey:

    [...] Auch bei "meinen" Geschäften innder Schweiz kommt es in letzter Zeit vor, dass einzelne Produkte kurzzeitig nicht vorhanden sind.

    Aber bisher gibt es immer mehrere Alternativmarken.

    Das habe ich letzte Woche auch festgestellt, neuerdings gibts z.B. die Marke "Golden Toast" im Aldi :thinking_face:


    Just gestern hatte ich einen Smalltalk mit der Nachbarin von oben aus dem Haus, in einem Nebensatz erwähnte sie, dass sich das Neubaugebiet im Nachbarort beim Edeka an teils nicht vorhandenen Produkten bemerkbar machen würde... ich persönlich glaube allerdings nicht, dass das am Neubaugebiet, sondern vielmehr an den erschütterten Lieferketten liegt :person_shrugging:

    BY/DE

    Si vis pacem, para bellum.

  • Erstmal viele Dank für die vielen Antworten.


    Die aktuelle Situation in Deutschland würde ich auf dieser Basis jetzt mal so zusammenfassen: Vereinzelt gibt es temporäre Lieferschwierigkeiten (eher kurzfristig), meist sind aber alternative Produkte vorrätig, in der Breite ist die Versorgung aber sichergestellt.


    Deutschland und Österreich sind bei der Lebensmittelproduktion relativ autark aufgestellt, aber bei Obst, Gemüse und z.B. Ölen auch auf Import angewiesen. Die Statistik (Vielen Dank an den @Jongleur) deckt sich soweit auch ganz gut mit meiner persönlichen Erfahrung an der Obst und Gemüsetheke im Supermarkt. Hier sieht man ja doch relativ häufig Produkte aus südlicheren Ländern. Die hohe Importquote liegt aber sicherlich auch an unseren Ansprüchen an Angebot und Abwechslung. Würden die Leute bewusster oder aus einer Notlage heraus eher regionale und saisonale Produkte kaufen, wäre die Importquote sicher deutlich geringer und eine Basisernährung wahrscheinlich trotzdem gesichert.


    In diesem Zusammenhang habe ich mir, neben der normalen Vorratshaltung, dieses Jahr ein zweites Standbein bei der Versorgung mit Lebensmitteln (im Krisenfall) aufgebaut. Im bin zwischenzeitlich Mitglied in einer solidarischen Landwirtschaftsgenossenschaft, die vor den Toren meiner Stadt auf gepachteten Flächen vorwiegend Gemüse anbaut. Jeden Freitag beziehe ich von dieser ca. 5kg Gemüse. Bezahlt habe ich sämtliche Lieferungen schon ein Jahr im Voraus. Meine Idee war hier einfach eine gewisse Unabhängigkeit vom Lebensmitteleinzelhandel und den aktuell kriselnden Lieferketten zu haben. Vielleicht ist diese Art der Lebensmittelproduktion ja auch interessant für euch. Dieses Jahr werden wir auch noch einige Hektar Obstbäume und -sträucher anbauen, sodass die Versorgung auf absehbare Zeit noch etwas abwechslungsreicher werden sollte. Für mich ist das ganze auch ein großes Experiment und ich muss mich erstmal an die Verarbeitung vorwiegend saisonalem Gemüse (kaufe aufgrund der gelieferten Menge aktuell relativ wenig Supermarktgemüse hinzu) gewöhnen. Auf alle Fälle weckt unser Speiseplan auch wieder Kindheitserinnerungen, denn Obst und Gemüse aus fernen Ländern war in der ehemaligen DDR eher die Ausnahme.


    @Streifenkarl: Bezüglich der extremen Ausmaße der Lebensmittelkrise in den USA ist mir vor allem folgender Kanal https://www.youtube.com/user/FullSpectrumSurvival/videos in Erinnerung geblieben. Videos mit diesem Grundtenor findet man aber aktuell auf diversen Prepper-Kanälen. In diesem Zusammenhang hat mich einfach das wirkliche Ausmaß des Problems sowohl in den USA als auch bei uns interessiert.


    VG


    BigCityPrepper

  • @Streifenkarl: Bezüglich der extremen Ausmaße der Lebensmittelkrise in den USA ist mir vor allem folgender Kanal https://www.youtube.com/user/FullSpectrumSurvival/videos in Erinnerung geblieben. Videos mit diesem Grundtenor findet man aber aktuell auf diversen Prepper-Kanälen. In diesem Zusammenhang hat mich einfach das wirkliche Ausmaß des Problems sowohl in den USA als auch bei uns interessiert.

    Habe mal in das aktuellste Video von diesem Kanal reingeschnuppert und die Titel der letzten Beiträge. Das ist ja höchst alarmistisch.
    WAs ich faszinierend finde, ist, das der Typ ja klare Vorhersagen macht. ZB: in den nächsten drei Wochen wird alles katastrophal, und viele Amerikaner werden die schlimmste Zeit ihres Lebens haben. Was macht der Typ, wenn in drei Wochen nicht die Katastrophe ausbricht? Ich vermute, das was die Untergangspropheten aller Zeiten schon immer gemacht haben: die Katastrophe in die Zukunft verlegen ...