Aktuell leidet die globale Wirtschaft noch unter gestressten Lieferketten und daraus resultierenden Warenmangel in bestimmten bereichen. Zusätzlich gibt es die "Chipkrise", die maßgeblich von der Autoindustrie ausgelöst wurde und die selbst darunter am stärksten leidet.
(Hintergrund: mit Beginn der Pandemie haben die Chefeinkäufer großer Autokonzerne ihre Bestellungen bei Chipfabriken drastisch reduziert bzw. ganz storniert, weil sie teure Lagerbestände bei wg. Corona stillstehenden Produktionslinien in den Autofabriken um jeden Preis vermeiden wollten. Gleichzeitig herrschte schon vorher eine außerordentlich hohe Nachfrage nach leistungsfähigen GPU-Chips, wie sie auf Grafikkarten eingesetzt werden, allerdings kam die Nachfrage vor allem von professionellen Mining-Farmen, die Kryptowährungen auf den GPU-Chips rechnen wollten. Auch spezielle ASIC-Chips für noch effizienteres Krypto-Mining wurden in gigantischen Mengen geordert. Damit waren die führenden Chipfabriken insgesamt sehr gut ausgelastet. Als die Auto-Chips storniert wurden, haben die Mining-Kunden die freiwerdende Produktionskapazität gerne übernommen. Und haben sie bis heute. Damit waren die Autohersteller dummerweise aus der Chipproduktion rausgeflogen und mussten sich mit dem Weideranlaufen der Autofertigung nun hinten anstellen, was die Produktion von Auto-Chips angeht. Dumm gelaufen. Und da Chip-Werke ohnehin immer and er Auslastungsgrenze betrieben werden müssen, damit sie sich rentieren, können die Autochips nicht einfach in Extra-Schichten zusätzlich produziert werden. Und neue Chipfabriken zu bauen und in Betrieb zu nehmen dauert 3-5 Jahre, von der grünen Wiese, bis sie stabil laufen.)
Nun stehen wir vor der größten akuten Energiekrise, die Europa je gesehen hat und es ist nicht unwahrscheinlich, dass aus der Energiekrise eine Produktionskrise wird, die nahezu alle Bereiche des täglichen Lebens nach und nach erfassen wird. Alle Branchen, in denen Material gebrannt, geschmolzen, geröstet oder gebacken wird, machen das der Logik des marktwirtschaftlichen Unternehmertums folgend, mit der billigsten verfügbaren Energie. Und das war bislang Gas. Das wird nun teurer und knapper und geht möglicherweise in den Wintermonaten in bestimmten Regionen oder Branchen komplett aus. Ein kurzfristiges Ausweichen auf andere Energieträger wird kaum möglich sein (z.B. Glasherstellung geht nicht mit Elektroöfen oder ölbefeuerten Öfen). Das bedeuet, dass diese Unternehmen ihre Produktion massiv drosseln oder ganz einstellen müssen. Das hat wieder Auswirkungen auf Unternehmen, die solche Materialien für ihre Produkte benötigen.
Es droht konkret der Stillstand der Produktion quer durch diverse Branchen von bisher nicht gekanntem Ausmaß.
Welche Möglichkeiten haben wir jetzt noch, diese absehbaren Ausfälle an Waren und Gütern in die Vorsorgemaßnahmen einzubeziehen?
- Hamstern von Gebrauchsartikeln und Verschleißteilen?
--> ist teuer, aufwändig und verknappt Waren auf dem Markt noch schneller.
Ein Beispiel: ich habe Angst, dass ich keinen Ersatz bekomme, wenn im Winter meine Heizungspumpe ausfällt. Also besorge ich mir vorsorglich eine solche Pumpe und lege sie mir ins Lager. Machen das 30 Mio. Heizungsbesitzer, ist der Pumpenmarkt schon vor einer Produktionskrise leergefegt.
--> hamstern ist meistens planlos und folgt einem unsolidarischen Instinkt "Besser ich hab es, als dass es andere mir wegschnappen." Vgl. Öl, Klopapier etc. - Ausbau der Selbsthilfefähigkeiten?
Also z.B. das Reparieren von Geräten z.B. im Rahmen von Repaircafes/Nachbarschaftshilfe - hier steht uns heute (noch) eine überbordende Sicherheits- und Haftungsvermeidungs-Denke im Weg ("wenn ich den Mixer von Frau Meier repariere und dann das Ding abfackelt und das Haus abbrennt, dann hafte ich, also lass ich das mit der Reparatur lieber"). Diese 150%-Sicherheits-Vollkasko-Philosophie werden wir überwinden müssen.
Repaircafes für die unterschiedlichsten Zwecke haben sich auch in der Ukraine etabliert (um z.B. aus Beutewaffen oder -fahrzeugen neue eigene Systeme zu improvisieren, oder um Drohnen herzustellen). Soweit sehe ich den Bedarf bei uns noch nicht, aber es könnte ein Bedarf an Reparaturfähigkeiten für Elektronikprodukte entstehen. Hier kann man von Handy-Reparatur-Buden lernen: die sind mittlerweile in der Lage, hochintegrierte Smartphones hinterm Ladentisch fachgerecht zu zerlegen, selbst flächig vielfach verlötete Bauteile auszubauen und Leiterplatten zu reparieren. Es klappt nicht immer, aber da es ein großer Markt ist, hat sich auch ein passables Angebot an Rework-Gerätschaften entwickelt. Vor einigen Jahren war es noch undenkbar einen Mikrochip mit 200 Lötpunkten (wie einen defekten Grafikchip in einem Laptop) zuhause auszulöten und durch einen neuen zu ersetzen - heute gibt es entsprechende Rework-Stationen für wenig Geld. - Eigene Herstellung von Teilen mit modernen Techniken?
Hier denke ich z.B. an 3D-Drucker, die es mittlerweile, zumindest im Bereich der Filamentdrucker, für sehr kleines Geld gibt, mit denen sich eigentlich fast jeder in die Lage versetzen kann, kleinere Alltagsgegenstände wie Griffe, Drehknöpfe, Tankdeckel, Halterungen, Gehäuseteile etc. selbst zu bauen bzw. nachzubauen, um beschädigte oder verlorene Teile zu ersetzen.
Ähnlich wie 3D-Drucker werden auch Fräsplotter bzw. Laserplotter immer günstiger und erlauben es, präzise Zuschnitte aus Plattenwerkstoffen (Holz, Kunststoff, Pappe) herzustellen.
Es wäre sinnvoll, sich mal in der näheren eigenen Umgebung nach einem Repaircafé umzusehen oder mal in die Maker-Szene reinzuschnuppern. Und für den einen oder anderen sicher auch eine Überlegung, sich einen 3D-Drucker oder XY-Plotter zuzulegen. Man sollte sich dann aber auch mit der Materie befassen, denn die Konstruktion der CAD-Zeichnung für die Druckdatei muss gelernt werden. Ebenso sind einige Filamente für 3D-Drucker etwas kapriziös, zu lange und falsch gelagert, verspröden sie und brechen dann, wenn der Extruder sie einziehen will.